Fundamente auf heiligen Bergen. Ansprache zur Einweihung der Notkirche Immaculata in München-Harlaching am 8. August 1945

Textdaten
Autor: Michael von Faulhaber
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Fundamente auf heiligen Bergen. Ansprache zur Einweihung der Notkirche Immaculata in München-Harlaching am 8. August 1945
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1946
Verlag: Verlag der Oblaten
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Monatsblätter der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria 47 (1946), Heft 4/5 (Juli/August), S. 65–67 https://archive.org/details/Notkirche
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

Mit der Einweihung dieser ersten Notkirche in der Bannmeile von München machen wir den Anfang, die 43 Kirchenruinen im weiten Trümmerfeld unserer Stadt wieder aufzubauen, wo bereits viele Menschenwohnungen wieder hergerichtet wurden. Am Tage der Maria Immaculata hat der Bischof mit den sinnvollen Gebeten und Gebräuchen unserer Liturgie den Namen des Herrn angerufen über diese Holzhalle, die in späteren Jahren in diesem Stadtteil durch eine feste Steinkirche abgelöst werden soll. Meine Diözesanen kennen den Sinn dieses Glaubenssatzes Maria Immaculata: Die Mutter des Herrn, der uns Erlöser werden sollte, wurde durch ein besonderes Gnadenprivileg göttlicher Liebe vom ersten Augenblick ihres Lebens an vor der allgemeinen Erbsünde bewahrt Alle anderen Menschenkinder werden als „Kinder des Zornes von Natur“ geboren (Ephes 2, 3) mit der Makel der Erbsünde gezeichnet, und, wenn sie die Gnade haben, in der Taufe von der Erbsünde gereinigt. Maria, das Kind der Mutter Anna, blieb vom ersten Augenblick ihres Lebens an im Hinblick auf die künftige Erlösungstat ihres Sohnes vor der allgemeinen Erbsünde bewahrt. „Ihr Gewand war weiß wie der Schnee“, der heute diese Immaculatakirche umgibt und umkleidet. Die Lebensanfänge aller anderen Menschen liegen in der Niederung, eingehüllt in die Nebelschwaden der unheimlichen Erbschuld; der Lebensanfang der Heilandsmutter lag auf lichten Höhen im Samenschein der Gnade. Die Kirche betet im heutigen Brevier mit dem 86. Psalm: „Ihre Fundamente liegen auf heiligen Bergen“. Großes hat der Herr an ihr getan, als er ohne Fehl und Makel ihre Seele schuf als ein Meisterwerk göttlicher Schöpfungskunst. Größer aber als das Fundament bleibt der Herr, der dieses Fundament gelegt hat Größer als das Meisterwerk bleibt der Meister. der das Werk geschaffen hat.

Katholische Christen wissen, warum Maria vor der Erbsünde bewahrt blieb: weil sie nach dem Heilsplan Gottes die Mutter des Erlösers werden sollte. Weil sie als Immanuelmutter in einem einzigartigen Sinn Tempel und Tabernakel des Allerheiligsten werden sollte. Wir haben es uns viel Mühe und Sorgen kosten lassen, diesen Nottempel aus Holz aufzurichten und einzurichten. Und als der Bischof kam, hat er zuerst den Raum als heiligen Raum eingeweiht und dann in der ersten hl. Messe die heilige Hostie auf das weiße Linnen des Altars gelegt Zum Abschluß der Weihe wurde der Tabernakel mit einer besonderen Weihe eingesegnet und dann erst das Allerheiligste in den Tabernakel eingesetzt So hat der Allmächtige die Erlösung im ganzen durch den langen Advent der vorchristlichen Zeit vorbereitet, menschlich gesprochen, Meilenstein um Meilenstein auf der Straße nach Bethlehem gesetzt. So hat der ewige Gott in der Fülle der Zeiten den Mutterschoß der Heilandsmutter, den makellosen, eingeweiht und eingesegnet, weil er im Geheimnis von Bethlehem Tempel und Tabernakel des Allerheiligsten werden sollte.

Ich danke allen, die so opferwillig an der Herstellung dieser Notkirche mitgearbeitet haben. Ist sie auch einfach und nicht so schön wie andere, die man in besseren Zeiten gebaut hat, sie ist immerhin doch noch viel besser eingerichtet als die Karawanenherberge, in der die Gottesmutter in Bethlehem ihr Kind in die Krippe gelegt hat. Der Bischof dankt allen, die mitgeholfen haben, sie so würdig herzurichten.

Es ist ein schönes Zusammentreffen: die Kirche Immaculata am Feiertage Immaculata eingeweiht und den hochwürdigen Patres übergeben, die sich seit der Gründung ihrer Kongregation vor etwa 130 Jahren „Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria“ nennen. Die Oblaten sind in der katholischen Kirche bekannt und geschätzt als ausgezeichnete Seelsorger in der Heimat sowie als apostolisch gesinnte Missionare in fernen Ländern bis Kanada und bis hinauf in die Eisregionen. Die Oblatenpatres haben uns in München als Volksmissionare schon seit Jahren geholfen. Heute treten sie mit einer neuen Sendung und mit dem ganzen Vertrauen des Münchener Oberhirten in ein neues Arbeitsfeld der Seelsorge ein und werden zusammen mit den Brüdern aus dem Weltklerus und mit den anderen Ordenspriestern in der Seelsorge ihren guten Teil dazu beitragen, das Reich Gottes in den Seelen aufzubauen.

Ich richte in dieser Weihestunde ein besonderes Wort an die Jugend. Der Advent ist mir ein Bild der Jugend, eine Zeit der Vorbereitung, eine Zeit der Sehnsucht nach einer lichtvollen Zukunft, freilich auch eine Zeit, in der Licht und Finsternis sozusagen einen schweren Kampf kämpfen und mit dem Wachsen der langen Nächte das Licht in diesem Kampf zu unterliegen scheint, bis dann an Weihnachten, wenn die Tage wieder länger werden und Christus als „Sonne der Gerechtigkeit” aufgeht, das Licht über die Finsternis Herr wird. Die Kirche hat mit dem heutigen Feiertag und seiner Oktav das Bild der Immaculata, der makellos strahlenden Jungfrau, in den Advent des Kirchenjahres hineingestellt. Wir stellen das Bild der Immaculata groß und leuchtend im besonderen in die Jahre der Jugend hinein. Die letztvergangenen Jahre haben in weiten Kreisen der Jugend einen erschreckenden Rückgang des geistigen Lebens und auch des religiös-sittlichen Lebens gebracht. Der Unterricht In der Schule ohne feste Ordnung hat auch in der religiösen Unterweisung vielfach klaffende Lücken hinterlassen. Diese Lücken müssen durch streng geordneten Schulunterricht; der mit den endlosen Unterbrechungen und Ablenkungen aufräumt, und durch enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Familie wieder ausgefüllt werden. Grundwerte des religiösen Lebens sind umgewertet, Grundbegriffe sind gefälscht worden. Religion ist für uns, wie der Name sagt, ein Verbundensein mit Gott, nicht ein Ausstrahlen von Blut und Rasse. Glaube Ist für uns ein unbedingtes Fürwahrhalten dessen, was Gott geoffenbart hat und von der Kirche zu glauben vorgestellt wird, also nicht nur ein Glauben an die Zukunft unseres Volkes. So dürfen auch andere Grundbegriffe, wie. Sünde, Erlösung, Gnade nicht umgedeutet und gefälscht werden. Was wurde in den letzten Jahren über das Wort Erbsünde gespottet und statt der Erbsünde der „Erbadel” des nordischen Menschen verkündet! Wie haben heute die Spötter die Disteln und Dornen der Erbsünde schmerzlich am eigenen Leibe zu verspüren! Gerade in der Zeit (1854), als um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Botschaft in die Welt getrommelt wurde: „Wir machen euch das Leben zum Paradies“, hat die Kirche mit dem Glaubenssatz von der Immaculata verkündet: Nur eine gebenedeite Frau ist ohne Erbsünde gewesen, eine Reliquie des Paradieses, alle andern sind in den Fluch der Sünde hineingeboren, die Erde kann also nicht zum Paradies werden. Je tiefer man eindringt in die Wahrheiten unseres Glaubens, umso heller erstrahlen. uns die Glaubenssätze nicht bloß als Wegweiser auf dem Weg zum ewigen Heil, auch als Leuchttürme am Ufer des Meeres, wo die Brandung aufschäumend gegen das Ufer schlägt. Umso reicher offenbaren sich die Glaubenssätze als Kulturwerte für die menschliche Gesellschaft, als Lebenswerte für den einzelnen Menschen.

Katholische Jugend! Lege die Fundamente deines Lebens auf heilige Berge! Die Fundamente eines gediegenen religiösen Wissens! Die Lücken in der religiösen Bildung der letzten Jahre müssen ausgefüllt werden. Jede Religionsstunde in der Schule, jede „Glaubensstunde“ in der Kirche, jede Predigt, jede Lesung in den heiligen Evangelien, sei dir eine Weihestunde, Stunde für Stunde mit aufgeschlossener Seele erlebt! Ein Stern der Hoffnung leuchtet auf, wo die Jugend durch den Besuch des allgemeinen Gottesdienstes und in besonderen Feierstunden das liturgische Leben der Kirche mitlebt, wo sie in langen Reihen die Generalkommunion am Tische des Herrn mitmacht. Legt die Fundamente des religiösen Wissens und Lebens auf heilige Berge!

Auch die Fundamente des sittlichen Lebens! Baut eure Hütten auf den Bergen, wo das Edelweiß blüht! Sprecht ein tapferes Nein gegen alles, was abwärts in die Tiefe zieht, was in Staub und Schmutz endet! Sprecht ein tapferes Ja zu allem, was aufwärts zur Höhe führt! Schaut auf zum Bild der Immaculata! Ihr Gewand ist weiß wie der Schnee, ihr Haupt von Sternen umkränzt. Wehe dem Frevler, der in jugendlichen Augen das helle Leuchten auslöscht, in jugendlichen Herzen den heiligen Gottesfrieden zerstört! —

Ihnen allen, die zum Teil unter großen Opfern zur Einweihung der ersten Notkirche in München gekommen sind, will der Bischof noch einen Adventsgedanken mithelmgeben. Im Brevier der Adventswoche steht das schöne Wort: „Selig, die bereit sind, dem Herrn entgegenzugehen“. Immer wieder kommt der Gedanke vom Entgegengehen oder von einer Begegnung mit dem Herrn in den Adventsgebeten wieder: „Der Herr kommt, uns zu erlösen“, der Heiland kommt uns entgegen mit seiner zuvorkommenden Gnade, „die Menschen Werden der Erlösung entgegengehen“. „Unser Gott wird kommen mit Kraft und sein Leuchten wird mit Ihm sein,“ Dunkel bedeckt die Völker und vielleicht auch unsere Seele, der Heiland kommt mit seinem Leuchten. Sorgen lasten zum Erdrücken schwer auf uns allen, der Heiland kommt „mit Kraft“, mit Kraft aus der Höhe. Wir gehen der Erlösung entgegen, wir gehen der Herrlichkeit Gottes entgegen. „Morgen werdet ihr die Herrlichkeit Gottes schauen.“ Jeder Besuch in einer Kirche, gleichviel ob es eine Kathedrale oder eine Notkirche ist, ist eine Begegnung mit Gott, unserem Heiland. Jede Seelsorge am Altar, auf der Kanzel, im Beichtstuhl, in der Schule, am Krankenbett, führt zu einer Begegnung mit Gott unserem Heiland. „Selig, die bereit sind, dem Herrn entgegenzugehen.“

So übergebe ich diese Immaculatakirche heute am Feiertage der Immaculata dem Orden der Oblaten der Immaculata, auf daß fortan an dieser Stelle Gottesdienst gehalten und die hl. Sakramente gespendet werden. Ich übergebe diese Immaculatakirche auch allen, die ringsum ihre Wohnungen haben und die vorbeiziehen an der Straße zu einem kurzen Besuch. Ich übergebe euch, liebe Diözesankinder, diese nach dem Kriege als erste fertiggestellte Notkirche im Ruinenfeld der Münchener Kirchen. Selig, wer darin seinem Erlöser begegnet.