Friedrich Fröbel und seine Kindergärten

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Friedrich Fröbel und seine Kindergärten. I.
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 57-61
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe II. Brief. (Briefe an eine Mutter.)
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Friedrich Fröbel und seine Kindergärten.

(Zwei Briefe an eine Mutter.)
I.

Freundlichen Dank dafür, verehrte Frau, daß Sie in Ihrer Rathlosigkeit und Sorge um den besten Weg für die Erziehung Ihrer Kinder sich des alten Freundes erinnern und Ihre Zuflucht vertrauensvoll zu mir nehmen. Wie können Sie auch nur noch fragen, ob ich geneigt sein werde, mit den Sorgen eines treuen Mutterherzens mich zu beschäftigen. Ist es denn möglich, daß ich Gefühlen, Ideen und Neigungen, die auf eine so wichtige Sache, wie die der Erziehung gerichtet sind, untreu werden kann? Und sind diese nicht der einzige Schatz, von dem ich Andern mittheilen, womit ich leidlich nützen kann? Aber auch abgesehen von meiner persönlichen Theilnahme an Ihren Haus- und Familienfragen, ist der Auftrag, den Sie mir ertheilen, für mich so anziehend, daß ich die Ausführung desselben selbst bei weniger Muße, als ich gegenwärtig noch genieße, nicht versagen könnte. – Von Friedrich Fröbel wollen Sie hören, über seine Kindergärten wünschen Sie näher unterrichtet zu sein. Wie bereit kommt hier mein Herz Ihren Wünschen entgegen! Wird auch die Erinnerung an den nun verewigten Freund für mich nicht ohne Wehmuth sein, so wird doch selbst diese Empfindung nur dazu dienen, meine Liebe beredter zu machen.

Sie haben Recht gethan, verehrte Frau, wenn Sie in dem Streite, der sich über Fröbel’s Verdienste als Erzieher [58] entsponnen hat, nicht nach der Meinung Solcher sich entschieden haben, welche Person und Sache nicht aus eigner Erfahrung und vorurtheilsfrei, sondern nur nach Gerüchten und unter dem Einflusse ungehöriger Nebenrücksichten beurtheilen. Es ist hier viel, und was das Schlimmste ist mit Absicht und gegen Besserwissen gefehlt worden; aber wie immer eine gute Sache durch fanatische Verketzerung und Anfeindung an Geltung und Ausbreitung unter vernünftigen und charakterstarken Menschen nur gewinnt, so hat der blinde Eifer seiner Feinde dem Segenswerke Fröbel’s schneller und mindestens ebenso viele Freunde verschafft, als der fruchtbringende Widerstreit ehrlicher Gegner und das treue Wirken seiner Anhänger und Nachfolger. Auch hat der edle, der Reinheit und Wahrheit seines Strebens sich immer klar bewußte Fröbel durch keinerlei Mühsal und Anfechtung sich irren und entmuthigen, oder gar zu Haß und zu den Fehlern seiner Feinde sich verleiten lassen. Sollten wir die Erinnerung an den treusten und liebevollsten Menschenfreund uns durch Eifern gegen seine Widersacher trüben? – Sie verlangen nach dem Zeugnisse eines unparteiischen, der Person und Sache kundigen Mannes; ich gebe Ihnen dieses nach meinem besten Wissen und wie ich denke zugleich als das beste Geschenk für Ihre lieben Kinder. Denn das weiß ich ja voraus, daß Sie nun, von Ihren Zweifeln erlöst, voll Ruhe die Kleinen dem Kindergarten und damit ihrem Glücke zuführen werden. Schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit zuerst einer kurzen Lebens- und Charakterschilderung des verewigten Kinderfreundes.

Friedrich Fröbel wurde am 21. April 1782 zu Oberweißach im Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt, woselbst sein Vater Pastor war, geboren. Im ersten Lebensjahre schon verlor er die Mutter und mit ihr ein Glück, das er später so hoch pries, und das der ganzen Kinderwelt zu sichern für ihn die hochheilige Aufgabe eines langen Lebens wurde; das Glück, von der Mutter auch geistig geboren zu werden und an der Hand treuster Liebe zu bewußtem Leben heranzureifen. Unter liebeleerer, stiefmütterlicher Obhut verflossen ihm die Jahre der Kindheit. Fürwahr, eine deutungsvolle Vorbereitung auf die schweren Seelenkämpfe seines späteren Lebens. – Vierzehn Jahre alt entschied er sich für den Beruf eines Landwirths. Bald aber befriedigten die praktischen Arbeiten des erwählten Berufs in Forst und Feld seinen höher und weiter strebenden Geist nicht mehr; einmal in die Werkstätte der Natur eingetreten, verlangte er nach der Kenntniß aller ihrer Geheimnisse, drängte es ihn über das Gebiet glücklicher Ahnungen hinaus zu bewußter, befriedigender Klarheit. Er bezog deshalb im Anfange dieses Jahrhunderts die Universität Jena und widmete sich dort dem Studium der mathematischen und Naturwissenschaften. Der Tod seines Vaters rief ihn aber schon 1802 von dort zurück und nöthigte ihn, den früheren praktischen Beruf wieder aufzunehmen, bis ihn nach wenigen Jahren das Geschick in seine ernste, bis dahin von ihm nicht geahnte Laufbahn einführte.

In Frankfurt a. M. war von einem bewährten Erzieher, Gruner[WS 1], eine Musterschule begründet worden. In dieser wurde der bisherige Landwirth Fröbel als Mitarbeiter bestellt und bald erwies es sich, daß er, wie Gruner ihm zugerufen hatte, berufen sei, „nicht Pflanzen zu ziehen und Häuser aufzubauen, sondern Menschen und Geister.“ Durch[WS 2] besondere wissenschaftliche pädagogische Vorbildung leistete Fröbel als Lehrer doch Außerordentliches. Er brachte für die neue Thätigkeit eine rechte, ächte Gottesbegabung mit. Nicht so Verstand und Wissen, als vornehmlich Gemüth und Charakter waren es, durch welche er seine Zöglinge an sich fesselte, und das ist es ja, was den Erzieher macht, der in ihrem innersten und geheimsten Leben die Seele erfassen und nach Außen zur Entfaltung führen soll. Aber Fröbel wollte ganz werden, wozu ihn, wie das jetzt klar vor seiner Seele stand, die Weisheit und Liebe des Vaters der Menschen bestimmt hatte. Er vollendete deshalb seine Bildung zum Erzieher auch wissenschaftlich, indem er zwei Jahre, von 1808–10, bei dem ihm geistesverwandten Pestalozzi in der Schweiz als Lehrer lebte und dann in den Jahren 10 und 11 zu Göttingen und Berlin, wo er zugleich praktisch als Lehrer wirkte, seine Studien als Pädagog zum Abschluß brachte.

Eine Unterbrechung, wenn auch nur eine äußere, denn im Forschen blieb er unermüdlich, – erlitt Fröbel’s Thätigkeit durch den Ausbruch des Krieges 1813. Der deutsche, für Vaterland und Freiheit glühende Mann trat als Freiwilliger in Lützow’s Jägercorps und nahm an allen Zügen dieser Heldenschaar Theil, bis der Friede ihn im folgenden Jahre nach Berlin zurückführte. Ohne das hohe Ziel seines Lebens- und Lieblingsberufs auch nur einen Tag aus den Augen zu verlieren, wirkte er hier vorübergehend als Inspektor am Königl. Museum für Mineralogie. Erst zwei Jahre später kehrte er in den verlassenen Wirkungskreis zurück und war jetzt freier und selbstständiger als je zuvor, wenn auch nicht unter den günstigsten äußeren Umständen. In diese Zeit fällt auch seine erste Verheirathung, durch welche er eine treue, hingebende Gehülfin in seinen Menschen beglückenden Bestrebungen fand. – Könnte ich Ihnen doch gerade diesen Wendepunkt in seinem Leben – den Beginn eines Erziehungsverfahrens nach seinen selbsteigenen Ideen – mit der Ausführlichkeit und in allen den kleinen originellen Zügen schildern, wie ich Fröbel selbst hierüber oft an stillen, gemüthlichen Winterabenden des Sturmjahres 48 im Kreise seiner Schüler und Schülerinnen und in meiner Familie sprechen hörte. Wie der alte Krieger, der auf dem Meere ergraute Schiffer gern von den erlebten und glücklich bestandenen Gefahren ihres Berufes sprechen, so hören wir auch Männer, die eine große, ihre Seele ganz erfüllende Idee ein langes Leben hindurch vor der Welt vertreten und verfochten haben, gern der Drangsale und Beschwerden sich erinnern, die sich der Verwirklichung ihrer Absichten und Pläne entgegenstellten, und die sie glücklich und durch selbsteigene Kraft bewältigten. Mit wie gemütlicher Selbstzufriedenheit schilderte Fröbel unter welchen Sorgen er die Kinder seiner Brüder (seine Ehe blieb kinderlos) um sich versammelte, mit diesen das Ganze und Große seines Plans für eine naturgemäße Menschenerziehung im Kleinen auszuführen begann und dann weiter vorschritt zu Begründung der ersten größeren Erziehungsanstalt im Dorfe Keilhau. – An dieser Anstalt wirkte Fröbel längere Zeit in Gemeinschaft mit den Mitbegründern derselben, seinen treusten Herzens- und Berufsfreunden Middendorf[WS 3] und Barop[WS 4]. Später – denn sein Name war jetzt durch seine öffentliche Wirksamkeit und durch seine Schriften weithin [59] bekannt worden – folgte er einem ehrenvollen Rufe nach der Schweiz und gründete dort nach seinem System Erziehungsanstalten zu Willichau und Burgdorf.

Mit seiner Rückkehr nach Deutschland um das Jahr 1837 beginnt der letzte scharf bezeichnete Abschnitt seiner erzieherischen Wirksamkeit, ein Abschnitt, den ein dankbareres Geschlecht später als eine der wichtigsten Epochen in der Geschichte der Erziehungskunst bezeichnen wird.

Friedrich Fröbel.

Wohl fühlend, daß eine Reform der Gesammterziehung des Menschen, wie sie in seinem Geiste fertig ihm vorschwebte, sollte sie praktisch durchgeführt werden, die Kräfte des Einzelnen übersteige, beschränkte er von jetzt ab sich darauf, für sein Gebäude – in Wahrheit ein Tempel der Humanität – nur den Grundstein zu legen. Er widmete deshalb alle seine Kräfte der Pflege und Erziehung der ersten Kindheit und hieraus entstanden jene Spielschulen oder Kindergärten, für deren Ausbreitung er seit dem genannten Jahre als apostolischer Wanderlehrer unermüdlich und mit entschiedenem Erfolge bis zum letzten seiner Tage thätig war. Die meisten größeren Städte Deutschlands, zuletzt Dresden und Hamburg, besuchte er in solcher Weise, lehrte und ermahnte mit dem Feuer und der Beredtsamkeit reinster Menschenliebe und gewann Tausende seinem Herzen und seiner Sache zu Freunden. 1849 ließ er sich in Marienthal bei Bad Liebenstein im Meiningen’schen nieder und fand hier in einer seiner früheren Schülerinnen eine zweite, ebenso gemüthreiche als für sein Streben tief begeisterte Gattin. In Gemeinschaft mit ihr legte er den Grund zu einer Zentralanstalt für Heranbildung von Kindergärtnerinnen. Mitten in diesem Werke überraschte ihn, den noch immer geistesfrischen und lebenskräftigen Greis, der Tod. Er starb nach kurzer Krankheit am 21. Juni vor. J. im 71. Jahre seines arbeitsvollen, aber von Gott und Menschen gesegneten Lebens.

Hier haben Sie, verehrte Frau, in gedrängtester Form die äußeren Umrisse eines Lebens, dessen vollen reichen Inhalt zu schildern wohl eine Jahresaufgabe sein möchte. Aber empfingen wir nur aus Geist und Herzen seiner [60] nächsten Freunde ein „Leben Fröbel’s“, es würde fürwahr ein herrliches Bibelbuch werden für alle kinderfreundlichen Herzen und Familien. Die wenigen Grundzüge, die ich Ihnen gab, mögen Ihnen aber wohl genügen zu fruchtbarem Nachdenken über den immer bedeutungsvollen, nie zufälligen Wechsel menschlicher Schicksale, und denken Sie dann auch daran, daß der fromme Fröbel selbst in solchem Sinne alle Ereignisse seines Lebens auffaßte. – Aber ich habe mir und wohl auch Ihnen noch nicht genug gethan. Ich muß Ihnen von Fröbel’s Person und Wesen selbst noch Einiges sagen, damit Sie ein möglichst charakteristisches Bild von ihm für Ihre Vorstellung gewinnen. Dann erst wollen wir von den Kindergärten sprechen.

Friedrich Fröbel zeigte dem Beobachter in seinem Wesen eine glückliche Vereinigung von Gegensätzen, durch welche er schon bei einer ersten Begegnung Aufmerksamkeit und bald erhöhte Theilnahme, selbst Bewunderung erregte. Ein Mann, dem Greisenalter nahe, bewegte er sich vor uns mit der Lebendigkeit und Unermüdlichkeit der Jugend; sein graues, doch volles Haar umkleidete ein Antlitz in der Frische, in den Farben und Zügen der Gesundheit und Kraft. Wir gedachten seines Alters und mahnten zu Schonung und Ruhe; aber der Sechziger wanderte munteren Geistes und ohne zu ermüden mit uns auf stundenweiten Spaziergängen, und daheim im freundschaftlichen oder wissenschaftlichen Wechselgespräch merkte er, daß längst schon die Nacht gekommen, erst dann, wenn seinen jüngeren Freunden die Augenlider schwer wurden. Und wollte einmal die Sprache, seine Bewegung uns die Macht des Alters verrathen, da sagte uns ein fester, geistvoller Blick seiner Augen, daß wir uns täuschten. Wohin immer wir staunend und prüfend den Blick lenkten, um jede Spur, um jede Linie, sahen wir, hatte der Geist mit der Gewalt der Zeit gekämpft und war Sieger geblieben. – Hatte uns zuerst die Jugendkraft bei den Jahren des Alters in Fröbel’s Erscheinung angenehm berührt und als erster Eindruck für ihn eingenommen, so überraschte uns nicht weniger die Art der Verschmelzung des Idealen mit dem Praktischen, die wir in ihm kennen lernten. Wenn wir Fröbel über Verfahren, Zweck und Wirkung seiner Erziehungsweise sprechen hörten, wenn wir ihn die seinen Absichten dienenden Erziehungs- und Unterrichtsmittel vor uns ausbreiten sahen und erläutern hörten, so bewältigte uns wohl der Glanz und die Summe seiner Gedanken und der zur Veranschaulichung vorgelegten Spielmittel und Arbeitsformen dergestalt, daß wir einige Zeit uns mühen mußten, um von stummer Verwunderung zu klarem Verständniß uns zu erheben. Und was war es denn, daß wir im ersten Augenblicke an uns selbst und an dem begeisterten Redner vor uns irre wurden?

Es war der Umstand, daß Fröbel das ganz Gewöhnliche, Altbekannte, an sich Geringfügige und Trockne auf eine uns völlig neue Weise zu geistiger Bedeutung erhob, daß er herrliche Ideen, inhaltreiche Gedanken auf dem kürzesten Wege und durch die einfachsten Mittel, welche erdacht werden können, uns veranschaulichte. Papierstreifen, Holzspähne, Fruchtkerne wurden in seiner Hand zu heiteren Bildern, und spröde geometrische Formen zwang er, daß sie durch Schönheit uns über ihren Charakter täuschten. Wenige Striche, und wir übersahen ein eben so sinnreiches, als leicht faßliches Zeichensystem; ein kurzes Spiel mit Würfel oder Ball, und wir erfreuten uns der Einsicht in einen mathematischen Lehrsatz, mit dem wir seit den Schuljahren nicht einig werden konnten. Dies Alles sahen wir vor unseren Augen geschehen und diese Wunder deutete uns das nicht weniger wunderbare Wort des Lehrers. Wir glaubten nicht recht zu sehen, nicht recht zu hören, es war ja gar nicht möglich, daß mit all diesen unscheinbaren Dingen Etwas von Bedeutung und Werth gelehrt oder geschaffen werden konnte! Und indem wir noch mit dem eigenen Widerstreben kämpften, überraschte uns die Erkenntniß und mit der Befriedigung und Freude, welche der Aufschluß über eine Wahrheit gewährt, wendeten wir uns bewundernd und dankend an den Mann, dessen vor Kurzem noch unerkannte Geheimnisse uns so peinliche Zweifel verursacht hatten. Da hatten wir schulgerechten Köpfe unsere verdiente Strafe, oder vielmehr wir duldeten sie für die, welche sie verdient hatten. Unsere in der Schulstube blöd gewordenen Sinne sahen den Wald vor Bäumen nicht, erkannten nicht die Einfachheit und Schönheit der Natur und des Natürlichen.

Aber so wohlthuend auch die eben geschilderten Eigenthümlichkeiten in Fröbel’s Wesen auf uns einwirken mochten, dennoch würden sie nicht genügt haben, unsere Aufmerksamkeit für immer zu beschäftigen, unsere Neigung dauernd zu fesseln. Aber ich sah ihn mit meinen Freunden auch in der Ausübung seines Berufs – und hier wurden wir wahrhaft von ihm erbaut. Fröbel hat seinen Beruf als Erzieher in voller Uebereinstimmung mit den Neigungen und Bedürfnissen seines Herzens und mit den Fähigkeiten seines Geistes gewählt. In diesem Bekenntniß hat sich gewiß Jeder gedrungen gefühlt, der auch nur einmal Fröbel unter Kindern gesehen hat. Fröbel im Kindergarten, im Kreise seiner kleinen Zöglinge war ein Zauberer an sich selbst und an den Kindern. Wer ihn sah, mußte staunend sich fragen, wohin sind die Jahre, wohin die Bürde des Körpers, die Last der ernsten Erfahrungen, der bittern Sorgen und Kämpfe eines halben Jahrhunderts? Wenn er mit den Kindern spielte, wenn seine hohe Gestalt unter der zwergigen Enkelwelt mit der Spannkraft der Jugend sich neigte und beugte, wenn er mit kräftiger Stimme ihre Gesänge leitete, mit ihnen lachte und scherzte und im Ausdruck herzlichster Freude von keinem seiner kleinen Freunde sich übertreffen ließ; und wieder, wenn er den überlauten Jubel stillte, die schnell beruhigte Schaar im Kreise um sich versammelte und den gespannt Lauschenden Geschichtchen erzählte vom heitern Leben in der Natur, von guten und schlimmen Kindern, von Mutter und Vater, von Aeltern- und Kindesliebe, und wenn er ihnen ein Lied lehrte von der Liebe und Güte des unsichtbaren Vaters; – wer hätte von solchem Anblicke nicht tief gerührt und erbaut, wer nicht bewundernd bekennen sollen, daß nur dem reinsten menschlichen Wohlwollen, der Alles mit empfindenden, Alles belebenden und beglückenden Liebe, nur einem für die zartesten Regungen des kindlichen Gemüths empfindsamen Herzen solche Leistungen gelingen, solche Opfer möglich werden können? Es giebt nur Eins, was größer ist und dennoch weniger bewundernswürdig als Fröbel’s kinderbeseligendes Herz: es ist die Mutterliebe; aber tausend, tausend Mütter sind ärmer an Liebe als Er war. Unter Allen, die aufmerksame Zeugen und Beobachter [61] seiner Wirksamkeit waren, ist nur eine Stimme über Fröbel’s seltene Gemüthsbegabung für seinen Beruf. Am vollgültigsten ist aber hier das Zeugniß der Frauen und Mütter, und dieses hat er bei seinem Leben allüberall, wo er persönlich wirkte, gewonnen, ja Viele haben durch ihn sich nicht blos übertroffen, sondern – gebessert bekannt.

Fröbel kam auf dem glücklichsten Umwege den er gehen konnte, – durch die Naturwissenschaften, – zu seinem Lehramte. Dieser Umstand gab in Verbindung mit seiner übrigen natürlichen Begabung seinem Streben auf dem Getriebe der Erziehung eine bestimmte originale Richtung. Liebe und Kenntniß der Natur, fromme, gläubige Hingebung an Gott und seine weise liebevolle Führung, hohe Sittenreinheit und glühende Liebe zu den Menschen, die er so gern Alle, Alle glücklich gemacht hätte: dies waren die Grundelemente seiner geistigen Natur. Alles was er fühlte, dachte, strebte müsse hiermit in Harmonie sein, wie hätte er die Menschenerziehung anders als im großartigsten Maaßstabe erfassen oder erstreben können? Sein ganzer Erziehungsplan ist gegründet auf dem Göttlichen im Menschen, er stellte in sich das höchste Ziel, er will gute und weise, durch Glauben, Weisheit und Tugend glückliche Menschen bilden, dem Bösen und dem Elend unter den Menschen im Wege der Erziehung siegreich für immer entgegentreten. Dabei hielt er immer das Allgemeine, das große Ganze im Auge. Indem er die Individuen bildete, gedachte er des Volkes und Vaterlandes dem sie angehören, gedachte er der Menschheit, die mit der Wiedergeburt jeder einzelnen Seele zum Guten einen Schritt der Vollkommenheit näher rückt. Indem er die Kinder der Gegenwart liebend überwachte und um ihr Wohl sich sorgte, freuete er sich des Geschlechts der Zukunft, an dem sein Fleiß und seine Liebe in tausendfältiger Frucht gesegnet werden könnte. Treu folgend den Gesetzen, die er in der Natur und im Menschen ausgesprochen gefunden hatte, erfüllte er den Menschen als ein Ganzes und trennte durch die Erziehung nicht, was eine höhere Weisheit in Eins verbunden hatte, Geistiges und Leibliches, Himmlisches und Irdisches, Ewiges und Vergängliches. Jede Kraft, jede Fähigkeit im Menschen beschäftigte und bildete er nach ihrem Wesen und für den Zweck des Ganzen. Er versinnlichte das Geistige und vergeistigte das Sinnliche, machte Jenes faßlich und veredelte dieses, und ließ so nicht zu, daß der Mensch in kläglicher Zwietracht zerfallen und in ihm Eins des Andern, der Leib der Seele Feind werde.

Was begabte Männer Heilsames erdenken, was sie Großes und Gutes schaffen, empfangen die Menschen oft genug mit Gleichgültigkeit und Vorurtheil, ja selbst mit feindseliger Gesinnung. So schwer trennt unser Geschlecht sich von der Gewohnheit des Alten, des Mittelmäßigen und Unvollkommenen, daß es Wohlthaten, die seine Bildung und Gesittung, sein Glück und seinen Frieden fördern nur mit Widerwillen hinnimmt! Wem wird es bei der Macht dieser Erbsünde befremden, daß auch Fröbel dem seltsamen Geschick verdienstvoller Männer, – für Wahrheit Verfolgung, für Liebe Undank zu dulden nicht entgangen ist? Aber Werke, welche die Kurzsichtigkeit der Menschen zurückweist und durch Nichtachtung und Vorurtheil zu verderben droht, werden wunderbar erhalten durch die göttliche Kraft ihrer Urheber, durch den Muth und die Ausdauer, womit diese nicht aufhören, den Menschen auch gegen ihren Willen Gutes zu thun. Auch diese Geistesgröße besaß Fröbel neben den übrigen glänzenden Eigenschaften, die ihn vor seinen Zeitgenossen auszeichneten, und zum Gegenstand allgemeiner Verehrung machten. Kein Mißlingen seiner Pläne, keine Thorheit seiner Feinde – und Freunde, keine Noth ist im Stande gewesen, seinen Muth zu brechen, seine Berufstreue zu erschöpfen. Bis zum letzten Tage seines Lebens stand er ungeschwächt und zu jedem Kampfe bereit, ja seine Zuversicht und seine Hoffnungen wuchsen mit den Bedrängnissen, die seinem Werke sich entgegenstellten und im sichern Vorgefühl eines redlichen Sieges bekannte er noch kurz vor seinem Tode freudig vor seinen Freunden, daß just unter den schlimmen Zeichen der Gegenwart seiner Lehre neue Freunde und Anhänger gewonnen worden seien. Mit dieser Siegesfreudigkeit ist er zu dem Frieden Gottes eingegangen. –

Ich habe mich wohl ein wenig gehen lassen in meiner Schilderung? Werden Sie zürnen, daß ich nicht kurz gewesen bin und im Anschauen des Seelenbildes eines großen und guten Menschen den nächsten Zweck dieser Zeilen vergessen konnte? Ich muß nun schon meinen Bericht über die Kindergärten für einen zweiten Brief aufsparen. Erzählen Sie nur immer Ihren Kindern vom guten Vater Fröbel; bald hören Sie Mehr von ihm. Mit herzlichen Grüßen etc. etc.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gottlieb Anton Gruner, deutscher Pädagoge (1778–1844) (Quelle: Deutsche Biographie)
  2. Vorlage unleserlich
  3. Johann Wilhelm Middendorf, deutscher evangelischer Theologe und Pädagoge (1793–1853) (Quelle: Wikipedia)
  4. Johannes Arnold Barop, deutscher Pädagoge (1802–1878)