Etwas von dem Heermännchen

Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Etwas von dem Heermännchen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 368-370
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Etwas von dem Heermännchen.

In gewisser Beziehung ist es jetzt ganz gemüthlich in dem civilisirten Europa. Mit Menschen muß sich zwar der Mensch noch immer herumplagen und Steuerzettel und böse Kriegszeiten über sich ergehen lassen. Aber mit wilden Bestien brauchen wir modernen Europäer gottlob! nicht mehr zu kämpfen, wie dies einst das Loos unserer Vorfahren war. Ausgerottet oder nach den russischen Steppen, in entlegene Schlupfwinkel rauher Gebirge zurückgedrängt sind heutzutage die bösen Sippschaften der Wölfe und der Bären, und wenn die Parlamente in diesen Zeiten fortgeschrittener Cultur aufgefordert werden, gewisse Thierarten für vogelfrei zu erklären, so sind es meistens nicht gerade besonders gefährliche Geschöpfe, gegen die der Vernichtungskreuzzug gepredigt wird.

Erst vor Kurzem zog man in einem der deutschen Staaten gegen den Straßenjungen der Vogelwelt, den berüchtigten Sperling, zu Felde, aber in der öffentlichen Meinung wurden Stimmen genug laut, die den angeblichen Missethäter in Schutz nahmen, und man kann wohl behaupten, daß die Proceßacten in Sachen des „weisen Menschen“ gegen den „geräucherten Spitzbuben“ noch lange nicht abgeschlossen sind.

Nicht anders verhält es sich mit der Existenzfrage eines durch seinen Körperbau und seine Lebensweise zum Raubthier gestempelten Vierfüßlers, welchen die heutige Abbildung der „Gartenlaube“ den Lesern in einer Situation vorführt, die als echt räuberisch und durchaus nichtswürdig bezeichnet werden muß. Wir meinen das kleine Wiesel, vom Volke das Heermännchen genannt, dessen naturgeschichtliche Beschreibung schon in einem der früheren Jahrgänge der „Gartenlaube“ (1870, S. 148) gegeben wurde. Es ist staunenswerth, welche Raublust dieses winzige, einschließlich des Schwanzes nur etwa zwanzig Centimeter lange Geschöpf beseelt. Daß es von Zeit zu Zeit unsere Hühnerställe und Taubenschläge plündert, indem es seinen Opfern das Blut aussaugt und alsdann den Cadaver liegen läßt, ist allgemein bekannt. In der freien Natur greift es Hasen, Rehkälbchen, Auerhühner etc. an und schont nicht der kleinen Vögel des Waldes; Eier sind ihm ein Leckerbissen, und auf Fische macht es Jagd; ja, selbst das Reich der Amphibien wird im Nothfalle von seinen Raubzügen nicht verschont. Mit wahren Meisterstrichen hat der vortreffliche Thiermaler F. Specht auf seinem diesem Artikel beigegebenen Bilde ein Wieselpaar dargestellt, wie es auf einem ähnlichen Raubzuge vor dem Neste einer Kohlmeisenfamilie anlangt und eben im Begriffe steht, dasselbe zu plündern. Die Elternliebe verleiht dem zierlichen, sonst scheuen Vöglein ungewöhnlichen Muth; es will den Räuber abschrecken, und fast geht es zum Angriff über. Schier überrascht erhebt sich das eine Wiesel auf seinen Hinterpfoten und betrachtet spöttisch den merkwürdigen Gegner. Aermstes Ding, du! Noch eine Weile, und blutend wirst du unter den scharfen Zähnen der Räuber verenden.

Ueberhaupt kennt die echte Raubritternatur des kleinen Schwerenöthers

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Kohlmeise und Wiesel.
Originalzeichnung von F. Specht.

[370] keine Feigheit; mit tollkühnem Muthe greift das Wiesel selbst wehrhafte und ihm an Kraft bedeutend überlegene Thiere an; es kämpft mit Wasserratten und mit Hamstern, und oft hat es Pferde, ja sogar Menschen angefallen.

Ebenso geschickt wie im Angriffe, ist es in der Vertheidigung seines Lebens gegen seine nicht sehr zahlreichen Feinde. Hauskatzen, die sich an ihm manchmal vergreifen, müssen fast immer mit blutender Schnauze abziehen, Raubvögel, welche auf das Wiesel stoßen, um es fortzutragen, haben oft noch hoch in den Lüften mit ihm einen harten Strauß zu bestehen. So erzählen Naturforscher und Jäger von Fällen, wo Eulen und Habichte, die ein Wiesel forttrugen, todt mit ihm zur Erde stürzten, da der Angegriffene dem Angreifer die Halsader durchbissen hatte, und die Thiermaler haben ähnliche Scenen mehrmals dargestellt. Schwieriger hält dagegen das Wiesel gegen die Natter Stand; denn hier unterliegt der Muth nur allzu oft der tödtlichen Wirkung der Giftzähne.

Das kleine Pelzwerk unseres Thieres hat keinen besonderen Werth, und um seines Balges willen würde dem Thiere kein Jäger nachstellen. Da haben ja die Pelze der allernächsten Verwandten des kleinen Raubgeschöpfes, der Hermeline, eine ganz andere Bedeutung. Doch die Ehre, zum Pelzlieferanten für Fürstenmäntel erkoren zu sein, blieb unserem kleinen Wiesel glücklich erspart.

In den Waldrevieren des Jägers und in der Nähe des Bauernhofes ist es kein gern gesehener Gast, und schon seit undenklichen Zeiten lebt es daher mit dem Menschen auf dem entschiedensten Kriegsfuße. Uebrigens ist es nicht so thöricht, sich vor die Mündung des Schießrohres zu stellen; um dem Schützen zu entschlüpfen, dazu ist es ja eben so „flink wie ein Wiesel“. Dagegen geht das muthige Geschöpf um so leichter in die Falle, und man hat zahlreiche mehr oder weniger zierliche Kästchen oder Eisen construirt, mit welcher es in großer Anzahl gefangen wird.

So ohne Weiteres erledigt ist die Ausrottungsfrage in Betreff des Wiesels indeß noch nicht. Unter den Naturforschern und Landwirthen hat es namhafte Freunde, welche die Art als eine den Menschen nützliche erhalten möchten. Der Nutzen des Wiesels soll ihrer Meinung nach in der massenhaften Vertilgung von Feldmäusen bestehen, und sie dringen darauf, daß der Raub einiger Hühner und Tauben dem Wiesel ein- für allemal verziehen werde und daß man sogar auf Feldern Steinhaufen liegen lasse, damit das Wiesel in denselben bequem wohnen könne.

Ob die Ankläger oder die Anwälte des „Heermännchens“ Recht haben, darüber wollen wir an dieser Stelle nicht entscheiden. Besonders warmer Sympathien des Menschengeschlechtes wird es sich aber schwerlich jemals zu erfreuen haben.