« 9. Stunde Wilhelm Eichhorn
Einsegnungsstunden 1916
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10. Stunde
am Mittwoch, den 29. November vormittags 9 Uhr.
Lied 320, 1. 4. 6. Psalm 80. Kollekte 222. 48.
Von der kirchlichen Liebestätigkeit.
 Was wir in diesen Einsegnungsvorträgen besprochen haben, gehört im Wesentlichen dem Gebiet der Glaubenslehre an; aber es mußte notwendig auch in das Gebiet übergreifen, das man die Sittenlehre zu nennen pflegt. Beide, Glaubens- und Sittenlehre sind zu unterscheiden, aber nicht voneinander zu trennen; ja, sie haben so viele Berührungspunkte, daß mancher theologische Lehrer ein einheitliches Lehrgebäude beider aufzurichten unternommen hat. Die Glaubenslehre oder die Dogmatik will sein die zusammenhängende, lehrweise Darstellung und Begründung alles dessen, was Gegenstand des christlichen Glaubens ist, also des gesamten Tatbestandes des Heils in Christo. Sie will zeigen, wie das Heil durch Christus geworden ist für die Welt, wie es durch den Geist zur| Aneignung dargeboten wird, wie in der Kirche Jesu Christi eine Gemeinschaft des Heils besteht und wie endlich das Heil seiner schließlichen Vollendung entgegenwartet. Dagegen die Sittenlehre ist die zusammenhängende lehrmäßige Darstellung davon, wie nun das durch Christum der Welt gebrachte Heil und Leben in dem einzelnen Christen Bestand gewinnt und sich auswirkt. Es liegt in der Natur der Sache, daß in den beiden Gebieten, dem Gebiet der Glaubenslehre oder Dogmatik und dem Gebiet der Sittenlehre oder Ethik, manches sich berührt und manches da und dort zur Besprechung kommen muß. Von Buße und Glaube, von Gnadenmitteln und anderem muß beidemal geredet werden. Wir wollten nun diesmal die wichtigsten Heilslehren darbieten von dem Gesichtspunkt der heiligen Liebe aus und da mußten wir vor allem davon reden, wie die Liebe ewig sich in Gott gründet, sich durch Christum herabließ zu den Menschen und durch den Geist sich noch herabsenkt auf die Einzelnen und wie die Liebe Gottes nun auch von den Einzelnen erfahren und erlebt wird. Damit sind wir wie von selbst von dem Gebiet der Glaubenslehre in das Gebiet der Sittenlehre geführt worden. Alles aber, was wir bisher besprochen haben, bewegt sich wesentlich im Gebiet eben der kirchlichen Lehre, sei es der Glaubenslehre, sei es der Sittenlehre. Wiederum aber läßt das Gebiet der kirchlichen Lehre sich nicht völlig trennen vom Gebiet des kirchlichen Lebens, nämlich der Ausgestaltung der Kirche in der Welt. Die Lehre von der Kirche selber gehört der Glaubenslehre an, was wir aber gestern zu berühren hatten vom Bekenntnis, von Zucht, von Abendmahlsgemeinschaft u. a. gehört in die Darstellung des kirchlichen Lebens. Heute wollen wir nun den Schluß machen mit einer kurzen Darlegung der kirchlichen Liebestätigkeit. Warum haben wir alles Gesprochene unter den Gesichtspunkt der Liebe stellen wollen? Warum haben wir vor allem gezeigt, wie die Liebe Gottes in Christo offenbar wurde, warum haben wir auch die Kirche als den schönsten Liebesgedanken Gottes betrachtet und die Rechtfertigung als das Erleben der göttlichen Liebe durch den einzelnen?

 Warum ging alles vom Gedanken der Liebe aus und zielte wieder auf denselben ab? Nun darum, weil es ein Liebeswerk ist, an dem Sie, verehrte Schwestern, beteiligt sind und zu dessen geordneten Mithelferinnen Sie nun aufgenommen werden sollen, weil es eine Liebestätigkeit ist, die Sie üben wollen, wie nun auch im einzelnen der Beruf der einzelnen Schwester gestaltet sein mag. Wenn wir von der heiligen Liebe geredet haben vor einzusegnenden Diakonissen, wäre es doch ohne Zweifel unnatürlich, wenn wir nicht zum Schluß überhaupt noch reden wollten:

Von der kirchlichen Liebestätigkeit.
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I. von ihrer geschichtlichen Entwicklung,
II. von unsrer Beteiligung an derselben und
III. von der Tüchtigkeit hiefür.


I.
 Als die Kirche Jesu Christi in die Welt eintrat, hat sie sich alsbald als eine Macht der Liebe dargestellt. Als etwas ganz Neues, ganz Erstaunliches, noch nicht dagewesenes stellte sie sich schon darin dar, daß sie in den Gemeinden, erstmals in Antiochia, wo sie auf heidnischem Boden zuerst sich bildete, alles miteinander vereinigte und fest zusammenschloß: Griechen und Juden, Sklaven und Freie. Das erschien den Heiden als etwas Erstaunliches, ja geradezu Verdächtiges, sodaß sie meinten, es müsse irgend eine geheime Bosheit sein, die solch getrennte Elemente zusammenhielt. Wir wissen es freilich anders. Was sie einigte, das war der eine Geist des Glaubens und so konnte in der Apostelgeschichte im 4. Kapitel das schöne Wort ausgesprochen werden: Die Gläubigen waren ein Herz und eine Seele; also sie waren völlig und wahrhaftig in Liebe geeint. Sie waren darum auch in der Anfangszeit in Jerusalem beständig beieinander; aber sie betätigten auch ihre Zusammengehörigkeit und ihr Liebesverhältnis in der Tat; denn niemand sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern sie hatten alles gemein. Wir wissen, daß das keine Gütergemeinschaft war im Sinn etwa des Kommunismus späterer Tage oder der Sozialdemokratie der Gegenwart; denn wir hören das aus Petri Mund bei dem traurigen Vorgang mit Ananias und Sapphira ganz klar: „Ihr hättet euren Acker wohl mögen behalten... Gewalt.“ Es ist bekannt, daß der Engländer Kingsley das schöne Wort gesprochen hat, in dem er den Unterschied dieser sogen. Gütergemeinschaft der ersten Christen und der vom Kommunismus geforderten scharf kennzeichnet: Der Kommunismus sagt: Was dein ist, das soll mein sein; die Liebe sagt: Was mein ist, das soll dein sein. Es war keine Gütergemeinschaft, wohl aber eine großartige Opferwilligkeit und Liebestätigkeit. Auch den Heiden fiel das Liebesverhältnis der ersten Christen untereinander von Anbeginn auf. Es konnte ja nicht auf die Dauer so bleiben; wie es im Anfang war. Wie die ersten Christen am Anfang stets ununterbrochen beisammen waren, so konnte es nicht bleiben, als sie erkannten, daß eine längere Dauer der Kirche in der Welt von Gott gewollt sei. Statt des täglichen Beisammenseins mußte die bestimmte Ordnung eines wöchentliches Tages für den Gottesdienst eintreten und ist eingetreten. Aus der Zeit der Apostel erfahren wir zwar von der Sonntagsfeier nur allein auf heidenchristlichem Boden; im 2. Brief an die Korinther hören wir davon und in der Apostelgeschichte von der Gemeinde in Troas; aber es kann kein Zweifel sein, daß| auch die Gemeinde aus Israel ihre sonderlichen Gottesdienste neben den Gottesdiensten im Tempel, an denen sie sich noch beteiligte, wohl am Tag der Auferstehung Christi oder am Abend dieses Tages gehalten habe. Aehnlich ist es auch mit der Liebestätigkeit gegangen. So wie am Anfang mit Macht die Opferwilligkeit und Liebestätigkeit aller hervortrat in der Hingabe der Güter, konnte es nicht bleiben, dafür trat aber eine geordnete Armenpflege ein. Wir hören das in der Apostelgeschichte, wie diese Armenpflege zuerst in den Händen der Apostel selber war, dann aber die „Sieben“ dafür erwählt wurden. Auf heidenchristlichem Boden im Zusammenhang mit der Missionstätigkeit entstand das Amt der Diakonen oder Diener, von denen wir erstmals in der Überschrift des Briefes an die Philipper hören, von denen dann in den Pastoralbriefen, besonders im 1. Timotheusbrief geredet wird. Als Gehilfen und Dienern im Predigtamt ist ihnen zweifellos später auch die Armenpflege sonderlich zugefallen, wobei wir an Laurentius, den Diakon, erinnern dürfen. Hier haben wir nochmals anzufügen, was wir im Eingang von Dienerinnen oder Diakonissen gesagt haben: Erst Frauen, die freiwillig ihre Zeit, ihr Vermögen und ihre Gaben in den Dienst der Armen und der Gemeinde stellten, wie auf judenchristlichem Gebiet die Tabitha und auf heidenchristlichem Boden die im Römerbrief im 16. Kapitel genannten Frauen: Maria, Tryphäna, Tryphosa und Persis. Dann aber die, die erstmals als amtlich mit dem Dienst vertraute erscheint, die Phöbe am Eingang desselben Kapitels. Diakonissen (ebenso wie die Diakonen,) haben von Anfang an nicht etwa nur Dienste der Kranken- und Armenpflege und Wohltätigkeit getan, sondern waren Mithelferinnen des Amtes an ihrem Geschlecht, halfen die weiblichen Katechumenen vorbereiten, stunden ihnen bei der Taufe selbst bei und haben dann freilich zweifellos daneben Dienste der Armenpflege und der Barmherzigkeit getan. Ein besonders schönes Beispiel einer solchen in amtlicher Tätigkeit stehenden Diakonisse ist Olympia in Konstantinopel, die um das Jahr 400 gelebt hat. Bald treten uns auch Anstalten der Barmherzigkeit entgegen. Hier ist es Basilius der Große, Bischof von Cäsarea und seine Schwester Makrina, die die bekannten Anstalten vor den Toren Cäsareas errichteten, die man als die ersten eigentlichen Krankenhäuser bezeichnet, die in der römisch-griechischen Kulturwelt entstanden. Nun ist es sehr bezeichnend, daß bei diesen beiden Persönlichkeiten der Gedanke mönchischer Zurückgezogenheit schon stark hereinwirkt, so freilich, daß Basilius noch sehr klaren Geistes, nachdem er eine Zeitlang sich von der Welt zurückgezogen hatte, wohl erkannte daß das doch der vom Herrn gewollte Weg nicht sei, und zur Tätigkeit in der Welt zurückkehrte. Aber das Hereinwirken des Klosterwesens sehen wir bald ganz deutlich. Der Gang der Dinge ist bekannt. Die Diakonen wurden mehr und mehr zum| höhern Klerus gerechnet und bildeten bald nur eine Vorstufe oder Unterabteilung des Priesteramtes. Der Beruf der Diakonissen trat mehr und mehr zurück und das Aufkommen der Klöster ist doch die wirkende Ursache gewesen. Dorthin zogen sich je länger je mehr die zurück, die ganz dem Heil der Seele leben und ganz dem Werk der Liebe sich widmen wollten. Wir wissen, daß von den Klöstern mancher Segen ausgegangen ist zumal auch für unser Land, denn als unserm Vaterland das Christentum gebracht wurde, ist das Mönchswesen schon völlig ausgebildet gewesen. Die Klöster waren die Missionsstationen und Angehörige von Klöstern oder Einsiedler waren es, die in den Wäldern unseres Vaterlandes ihre Kapellen erbauten, daneben das Kreuz aufrichteten und den Namen des Gekreuzigten verkündigten. Eine klösterliche Persönlichkeit war auch Walburgis, die in unserer engeren Heimat nicht vergessen werden darf. So blieb durchs ganze Mittelalter hindurch der starke Zug nach dem Klosterleben und auch wo man Vereinigungen anderer Art im freien Geiste der Liebe gründen wollte, wurden sie meist zum Klosterwesen hingedrängt. So ist es dem Franz von Assisi ergangen, der anfänglich eine freie Vereinigung solcher wollte, die auf ihr Vermögen verzichteten zu Gunsten der Armen, die nur den Armen leben und ihnen predigen wollten. Der Papst Innozenz III. hat diese Vereinigung gegen den Willen und zum Schmerz des Franz von Assisi zum Orden erhoben und sie damit in den Dienst der Kirche gezwungen. Der gleiche Versuch wurde gemacht mit den Waldensern. Waldez begründete, nachdem er von Christo ergriffen war, jene Vereinigung der Armen von Lyon, der pauperes de Lugduno, die sich verbanden den Armen das Evangelium zu predigen. Da wollte gleich der Papst auch aus dieser Vereinigung einen Mönchsorden machen; aber Waldez war ein anderer Mann als Franz, fest und klar. Er hatte das Verderben der Kirche auch schon so kennen gelernt, daß er sich auf diese Umgestaltung nicht einließ, so daß vielmehr eine reformatorische Vereinigung daraus wurde. Im späteren Mittelalter zeigten sich dann schon etwas freiere Vereinigungen, die gemeinsames Leben und gemeinsame Liebeswerke anstrebten, aber doch nicht eigentlich in das Mönchswesen der römischen Kirche sich einordnen wollten, weiblicherseits die Beguinen, denen die Begarden männlicherseits sich zur Seite stellten. Doch ist auch um jene Zeit schon erkenntlich, wie allmählich das bürgerlich freiere Staatselement auch in der Wohltätigkeit sich geltend machte. Die Hospitäler am Ende des Mittelalters waren meist nicht mehr völlig den Orden einverleibt, sondern höchstens zur Pflege überlassen. In der römischen Kirche ist es im wesentlichen so geblieben, daß die Liebestätigkeit im eigentlichen Sinn in die Hand der klösterlichen Vereinigungen gelegt ist. Wenn auch die barmherzigen Brüder erst im Jahr 1540, also in der Zeit der Reformation und die barmherzigen| Schwestern noch später, etwa im Jahr 1668 sich zusammengeschlossen haben, so sind es doch mittelalterliche Gedanken, die hier durchwirken und bleiben bis auf diesen Tag. Die Reformation griff nun stark auch in das Gebiet der Liebestätigkeit und Armenpflege ein. Das Betteln, zumal der Kirchenbettel war von der römischen Kirche geradezu groß gezogen worden. Man begünstigte ihn um den Gläubigen gleichsam Gelegenheit zur Verrichtung guter Werke zu geben. Luther hat alsbald den Gedanken gefaßt einer kirchlich geordneten Armenpflege, die statt dessen eingeführt werden sollte, aber freilich, er hat dabei alles den Gott geordneten oder geschichtlich gewordenen Berufsständen überlassen wollen. Das war die Stärke der Reformation und doch zugleich ihre Schwäche: die Stärke insofern, als durch die Reformation erst wieder die natürlichen Lebensordnungen in der Welt, die der Schöpfungsordnung an gehören, zu Ehren gebracht worden sind durch den richtigen Begriff von guten Werken. Die römische Kirche verstand und versteht unter guten Werken doch immer vorherrschend besondere Leistungen über das unmittelbar Geforderte hinaus, während die Reformation richtig erkannte, daß gute Werke darin bestehen, daß jeder in seinem Stand und Beruf, in den Gott ihn gestellt hat, Liebe und Gehorsam übt. Es ist die Stärke der Reformation die geschichtlich gewordenen Stände wieder in ihr Recht eingeführt zu haben, das Recht er weltlichen Obrigkeit im Gegensatz zu dem Recht, das sich das Papsttum auch in weltlichen Dingen angemaßt hat, die natürliche Ordnung der Familie, des Hauses gegenüber den willkürlichen Mönchsorden. Und heute noch zeigt sich darin der Unterschied zwischen evangelischer und römischer Sittlichkeit. Es steht der Katholizismus was die Stiftungen und Leistungen für die Kirche anlangt, dem Protestantismus freilich weit voran. Dafür bleibt dagegen der evangelischen Bevölkerung der Ruhm, daß sie viel mehr Sinn für Fortschritt, Fleiß und bürgerliche Betätigung beweist, wovon bekanntlich die Kriminalstatistik deutlich genug spricht. Werden doch auf katholischer Seite viel mehr Vergehen und Verbrechen begangen wie auf evangelischer, weil hier doch der Gedanke der Sittlichkeit und Ordnung, die das ganze Leben tragen und durchziehen soll, viel tiefer sich eingeprägt hat. So verdanken wir der Reformation viel feingefügte kirchliche und bürgerliche Ordnungen. Wieviel Wohltätigkeitstiftungen sind gerade von der evangelischen Christenheit ausgegangen. Und wie hat besonders die evangelische Kirche Deutschlands in hohem Maße ihren Beruf zu erfüllen gewußt während des dreißigjährigen Krieges und nach demselben. Daß unser Vaterland aus jener furchtbaren Zerstörung im Verhältnis sich bald wieder erholte, ist ein Dienst, den die evangelische Kirche sonderlich unserm. Volk geleistet hat. Ist es doch merkwürdig, daß das katholisch gebliebene Oesterreich und Bayern, die am wenigsten unter dem dreißigjährigen| Krieg gelitten haben, mehr und mehr zurücktraten von der führenden Stellung im Volksleben, die sie früher eingenommen hatten. Aber freilich, es liegt auf diesem Gebiet auch eine gewisse Schwäche der evangelischen Kirche; denn mit diesen festgefügten Ordnungen auch der Wohltätigkeit und Armenpflege ging es schön und gut, solange die Bevölkerung im ganzen von christlichen Gedanken sich leiten und beeinflussen ließ. Seit aber der Einfluß weltlichen Wesens im öffentlichen Leben überwiegt, sind viele ehrwürdige Stiftungen und ist die Armenpflege schließlich in staatliche und gemeindliche Hände übergegangen. In der Zeit des Pietismus sind dann einzelne größere Anstalten als freie Liebeswerke entstanden; denn es zeigte sich doch, daß die bürgerlich geordneten Wohltätigkeitseinrichtungen nicht in allem zu genügen vermochten. Das herrlichste Beispiel ist das 1698 von August Hermann Franke begründete Waisenhaus in Halle, das weit über den ursprünglichen Zweck hinauswuchs, eine hohe Schule in christlichem Geist, Missionsanstalt, Bibelanstalt und zugleich Rettungsanstalt gewesen und geworden ist. Aber man sieht auch hier zugleich den Mangel, da für diese Liebeswerke für die Folge die rechten Träger gefehlt haben. Entweder überließ man die Oberleitung der weltlichen Obrigkeit, wie es beim Stuttgarter Waisenhaus ergangen ist, oder Träger des Liebeswerkes sollte die Familie des Stifters sein. So hat es August Hermann Franke geordnet, daß in seiner Familie die Leitung sich forterben sollte, was dem Werke zeitweise zu starkem Schaden gediehen ist. Aehnlich ist es auf dem verwandten Gebiete der Heidenmission gegangen, von Halle aus begründet. Halle ist Ausgangspunkt der ersten deutsch-lutherischen Mission geworden; aber der Rationalismus drang ein und hat das Missionswerk einem traurigen Ausgang entgegengeführt. Nun zeigte Gott seiner Christenheit andere Wege, wies auf die richtigen Träger der Liebeswerke hin in freien Vereinigungen lebendiger, eifriger Christen und dazu mußte nach Gottes Regierung der Rationalismus helfen. Weil die weiteren Kreise des Volkes ganz unter der Herrschaft des Rationalismus standen, so taten sich ernste Christen zusammen in der sogenannten Christentumsgesellschaft, durch Urlsberger begründet, die erst in Augsburg, dann in Basel ihren Sitz hatte. In ihr wurde zum ersten mal der Gedanke realisiert, sich in organisierten Vereinigungen zusammenzuschließen um Werke des Reiches Gottes zu treiben. Die Baseler Missionsgesellschaft ist unmittelbar aus der Christentumsgesellschaft herausgewachsen. Nun war der richtige Weg des freien Zusammenschlusses eifriger, ernster Christen auch für die Liebestätigkeit gezeigt. Und zu neuen Unternehmungen wurde man gedrängt, zunächst durch die Folgen der schweren Kriegszeit vor hundert Jahren. Dadurch wurde Johannes Falk veranlaßt das erste Rettungshaus zu errichten,| und in demselben die völlig verwilderten Kinder zu sammeln, die damals bettelnd und stehlend das Land durchzogen. Dazu kam etwas später die völlige Veränderung des Erwerbslebens mit Erfindung der Dampfmaschine durch den Engländer James Watt, damit der Beginn von Fabriken, die Auflösung der Berufsstände, die bis dahin in Innungen gegliedert waren, damit das Aufkommen des Arbeiterstandes, der völlig besitzlos von der Hand in den Mund lebt und damit traf innerlich zusammen die Verheerung des religiösen Lebens durch den Rationalismus, sodaß die Kirche und die aufrichtigen und eifrigen Christen geradezu gedrängt wurden zu neuer Liebestätigkeit. So waren denn um den Anfang des vergangenen Jahrhunderts diejenigen von Gott gezeigt worden, an welchen Liebestätigkeit zu üben sei, nämlich die der Kirche zunächst noch äußerlich angehören, aber sich entfremdet haben oder sich zu entfremden in Gefahr sind und dann die, durch welche die Liebestätigkeit zu üben ist: die sich freiwillig zusammenschließenden eifrigen Christen. Für diese Tätigkeit kam um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Benennung Innere Mission auf. Damit nahe verwandt ist die Diakonie. Der Unterschied beider ist entschieden festzuhalten, kann aber freilich im einzelnen oft schwer durchgeführt werden. Gemeinsam ist beiden Tätigkeiten, der Diakonie und der Innern Mission, daß sie Hilfstätigkeiten sind für das geordnete Amt. Dem Amt des Wortes steht die Seelsorge zu. Seelsorge an der Gemeinde im ganzen und an den Einzelnen. Da sie aber nicht überall hinzudringen vermag, besonders in den größeren Gemeinden, zumal in den Großstadtgemeinden, so kann die Diakonie ihr zur Seite treten. Das ist die Tätigkeit freiwilliger Helfer und Helferinnen, die jedoch in irgendeiner Weise in den gemeindlichen Organismus hereingenommen sind. Das ist die Besonderheit der Diakonie, das Hereinnehmen in den gemeindlichen Organismus. Gegenstand der Diakonie können alle gemeindlichen Betätigungen sein. Die weibliche Diakonie wird sich auf diejenigen Tätigkeiten zu beschränken haben, welche weiblicher Kraft und Gabe anvertraut sind.

 Bei der Innern Mission steht es so: der Gegenstand ihrer Tätigkeit sind die, die der Kirche äußerlich angehören, ihr aber innerlich entfremdet oder wenigstens gefährdet sind. Die die Innere Mission üben, das sind freiwillige Kräfte in Vereinsform. So lassen sich etwa die Tätigkeit der Innern Mission und der Diakonie von einander unterscheiden. Eine reiche christliche Liebestätigkeit ist jedenfalls mit beiden entstanden und die christliche Liebestätigkeit nimmt auch an rein humanen Bestrebungen teil, nimmt sie aber, wo sie dazu berufen wird, herein in den Dienst der christlichen Liebestätigkeit.


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II.

 Nun von unsrer Beteiligung an der kirchlichen Liebestätigkeit! Wenn wir von unsrer Beteiligung an der kirchlichen Liebestätigkeit reden, meine ich damit die der evangelischen weiblichen Diakonie. Ich rufe in Erinnerung, daß das gemeindliche Amt der Kirche verschwand mit der alten Kirche, früher im Abendland, später im Morgenland. In der Reformationszeit finden sich nur leise Erinnerungen an dieses früher bestehende gemeindliche Amt und in der reformierten Kirche, wo aus verschiedenen inneren und äußeren Gründen der Boden besser bereitet war, finden wir einige Ansätze dazu. Als aber, wie wir gehört haben, die Arbeit der inneren Mission der Christenheit von Gott sichtlich zugewiesen wurde, ergab sich auch die Notwendigkeit der Hereinnahme weiblicher Kräfte. Als Fliedner 1836 an Gefallenen zu arbeiten veranlaßt war, brauchte er dazu weibliche Hilfe. In Holland hatte er noch Reste der gemeindlichen Diakonie kennen gelernt; das Vorbild der katholischen Orden der barmherzigen Schwestern stand ihm vor Augen. Erinnerungen an die alte Kirche wurden wach und so ist die evangelische weibliche Diakonie erstanden und mitten hineingestellt worden in die kirchliche Liebestätigkeit des XIX. Jahrhunderts. Ihr Gedanke war der, alle Dienste zu leisten, zu denen weibliche Kraft und Gabe befähigt und berechtigt sind, unter Festhaltung der vom Apostel gezogenen Grenzen, daß das Weib in der Gemeinde schweigen, also nicht öffentlich lehren soll, sodaß nicht Seelenpflege in erster Linie, sondern Dienst in äußerer Not, aber in Rücksicht auf die Rettung der Seele ihr befohlen ist.

 Die Gebiete, die der weiblichen Diakonie zustehen, möchte ich in drei Kreisen vor Augen führen. Der engste Kreis ist der, der sichtlich dem Weib, ihm allein oder doch hauptsächlich in die Hand gegeben ist; es ist die Arbeit am weiblichen Geschlecht, an der weiblichen Jugend und etwa noch an den kleinen Kindern. Da haben wir die Aufgabe der Erziehung und des Unterrichts auf der ersten Stufe in Kindergärten, die nur Aufgabe weiblicher Kraft sein können. Dann das Schulwesen etwa der untersten.Stufe, dann in niederen und höheren Mädchenschulen, in Haushaltungs- und Handarbeitsschulen, Lehrerinnenseminaren, unter Umständen Kindergottesdiensten, also Tätigkeiten, die füglich ganz oder doch teilweise in die Hand des weiblichen Geschlechts zu legen sind. Um Bewahrung der weiblichen Jugend, bezw. auch der kleinen Kinder handelt es sich mehr wieder in aufsteigender Linie in Säuglingspflege, Krippen, Kinderbewahranstalten, in den Horten der Gegenwart, in den Pflegeanstalten und Waisenhäusern, in Mägdeschulen und Mägdeherbergen, in Heimen für die Arbeiterinnen und in den Jungfrauenvereinen. Um Rettung der weiblichen Jugend bezw. auch kleinerer Kinder handelt es sich in Rettungshäusern, der Magdalenenarbeit, im| Fürsorgewesen sozialer Art und in der Gefangenenfürsorge, selbstverständlich kommt hier immer, soweit es sich um Erwachsene handelt, das weibliche Geschlecht in Betracht.

 Nun aber ein weiterer Kreis, der allerdings über die Grenzen der Arbeit am weiblichen Geschlecht hinausgeht, aber solche Tätigkeiten in sich schließt, die der weiblichen Hand und Gabe zufallen. Hier kommt in Betracht das große Gebiet der Krankenpflege in Krankenhäusern und Heilstätten, in Gemeinden und bei Privaten; dann auch die Pflege in den Irrenhäusern, freilich ein noch unerfüllter Wunsch, daß in größerer Ausdehnung diese wichtige Pflege in die Hand von Diakonissen gelegt werden könne –; auch die Fürsorge für Lungenkranke gehört herein. Wenn die Ausbildung der weiblichen Aerztin in Deutschland eine andere geworden wäre, wenn man von dem Gedanken abgesehen hätte, weibliche Persönlichkeiten gerade so wie männliche auf den Universitäten studieren zu lassen, wenn man, wie es richtig gewesen wäre, besondere Bildungsanstalten für weibliche Studierende allein errichtet hätte, dann könnte auch Diakonissen dieser Beruf sehr wohl zustehen. Wenn man weiß, wie es selbst auch in den Polikliniken zugehen kann bei Untersuchung weiblicher Kranken, so erkennt man es für höchst wünschenswert, daß es auch Aerztinnen gibt für das weibliche Geschlecht, weil gar so leicht die Grenzen der Züchtigkeit überschritten werden und so würde dieser Gedanke nicht abgelehnt werden müssen, so wenig wir uns dem erst sehr weit weggeworfenen Gedanken entziehen konnten, Lehrdiakonissen auf Universitäten studieren zu lassen.

 Es handelt sich dann weiter um den Kreis der Pflege körperlich und geistig Mangelhafter. Hier handelt es sich ebenso wie bei der Krankenpflege nicht nur um Frauen, die dieser Pflege bedürfen, sondern auch um Männer; denn nur die weibliche Art hat die Gabe wirklich sorgsamer Fürsorge und linder Pflege, wofür dem männlichen Geschlecht doch mehr oder weniger der Sinn abgeht. Hierher gehört die Arbeit an Blöden und Epileptischen, an Krüppelhaften, die Fürsorge für Taube, Stumme, Blinde und Taubstumme, dann weiter die Fürsorge für Gebrechliche und Schwache, die Arbeit in Genesungsheimen, in Häusern für halbe Kräfte und in Armenheimen. Hier betätigt sich weibliche Gabe auch an Leidenden und Mangelhaften des andern Geschlechts, aber streng innerhalb der dem weiblichen Geschlecht gesetzten Grenzen. Der weiteste Kreis ist die Gemeinde- und Armenpflege, die Diasporaarbeit, also eigentlich kirchliche Arbeit und gemeindliche Funktionen, die Hilfe in Landesnöten, also Kriegskrankenpflege und endlich der Dienst im Heiligtum durch Paramentik und Hostienbereitung.

 Das sind die immer weiter gezogenen Kreise, die der Arbeit der Frau befohlen sein können. So darf die Diakonissenarbeit an der Liebestätigkeit der Kirche in der mannigfachsten Weise sich betätigen.| Von diesen genannten Tätigkeiten sind manche rein human zu nennen: Krippen, Milchküchen, Säuglingsfürsorge. Hier werden Schwestern begehrt doch eigentlich nur wegen ihrer Verlässigkeit oder um der Autorität willen, die sie durch Tracht und Angehörigkeit zum großen Ganzen überall haben und wir übernehmen auch solche rein humane Tätigkeiten, weil wir sie doch auch höhern Zwecke dienstbar machen können, weil sie in mancherlei Beziehungen zu den Eltern dieser Kinder setzen und dadurch auch in höherer Weise einzuwirken vermögen. Andere Tätigkeiten sind im eigentlichen und höchsten Sinn kirchliche, nicht nur die Bereitung der Hostien und Paramente für den Gottesdienst, Diasporafürsorge, sondern auch die Lehrtätigkeit in einem Lehrerinnenseminar oder an Schulen hoch und nieder, ist eine der Kirche gewissermaßen zukommende Tätigkeit an dem heranwachsenden Geschlecht. Das ist nicht innere Mission, sondern weibliche Diakonie und speziell kirchliche Tätigkeit in der Sorge für die Zukunft der Kirche. Wieder andere Tätigkeiten sind reine Erweisungen der Inneren Mission, wie Rettungshäuser, Fürsorge für Blinde und Taubstumme, auch die Jungfrauenvereine, die Mägdeherbergen. Man sieht wie mannigfach diese Verschiedenen Gesichtspunkte ineinandergreifen; aber man sieht auch, welche schöne Gabe der Herr der Kirche unserer Zeit in dem Wiederaufleben und der Weiterbildung der weiblichen Diakonie gegeben hat – eine der schönsten Gaben von oben, eine der lieblichsten Blüten des kirchlichen Lebens der Gegenwart ist sie. Ja, ich darf wohl Ihren Beruf Ihnen damit als hoch und herrlich hinstellen. So hat unser Haus auch reichlich die Gnade empfangen, sich daran beteiligen zu dürfen. Wie dasselbe insbesondere dazu kam, sei in wenig Worten angedeutet.
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 Löhes Lebensgedanke war es die lutherische Kirche nach den Verwüstungen des Rationalismus wieder erstehen zu sehen aus den in ihr liegenden Kräften, möglichst frei von der störenden Beeinflussung der weltlichen, staatlichen Gewalt. So wollte er weiter zeigen, daß auch die lutherische Kirche, die Kirche des reinen Wortes und Sakramentes, nicht ausgeschlossen sei von der der Christenheit neu gegebenen Arbeit der Inneren Mission und der weiblichen Diakonie. Während, wie wir gestern hörten, manche entschiedenen Lutheraner sich ablehnend gegen diese Tätigkeiten oder wenigstens mißtrauisch dagegen verhielten, hat Löhe mit klarem Blick erkannt, wie hier eine wichtige Aufgabe der Kirche vorhanden war. Und so wollte er denn dazu helfen, daß auch die lutherische Kirche in diesen Arbeiten sich betätige. Allerdings wollte er zugleich in der Vereinigung seiner Schwestern eine Sammlung solcher haben, die mit Ernst und Eifer willig seien, die Arbeit der lutherischen Kirche zu fördern. Er wollte anfangs nur eine Bildungsstätte für weibliche Diakonie errichten und meinte, daß die ausgebildeten und geübten| Schwestern dann wieder zurückkehren sollten in ihre Gemeinde, damit die weibliche Diakonie wieder eine gemeindliche Tätigkeit würde. Er wurde aber darauf geführt, doch ein Mutterhaus zu errichten, wie das schon nicht wenige Anstalten hatten, weil nicht alles von seinen Gedanken für die Gegenwart reif war und weil er sah, daß die Schwestern die Zusammenfassung in einem Mutterhaus brauchten. Anstalten als Uebungsstätten für die Ausbildung hat er von Anfang an in Aussicht genommen und gerade diese Anstalten wuchsen mächtig heran: das Schulwesen und die Blödensache waren von Anfang unserm Mutterhaus gleichsam in die Wiege gelegt. So hat denn unser Haus an den meisten Betätigungen seinen Anteil erhalten, die wir vorhin als Tätigkeiten der Inneren Mission nannten. In unserm Jahresbericht machen wir 8 Unterabteilungen: das Schulwesen, die Blödensache, die Arbeit an Gefährdeten und Gefallenen, die Obsorge für Schwache und Kranke, die Fürsorge für Gäste, die Veranstaltungen für den äußeren Bestand des Werkes und dann den eigentlichen Dienst für das Heiligtum. Was die Veranstaltungen für den äußern Bestand des Werkes anlangt, so sind sie nötig zum Teil für den gesamten Bestand wie Apotheke, Oekonomie, Buchhandlung und sind wieder notwendig im kleinen und einzelnen innerhalb der Häuser, wie die Arbeiten in der Küche und Waschküche und Aehnliches mehr. Ich möchte nur betonen, daß auch diese Tätigkeiten, die zunächst nur dem äußern Bestand des Werkes dienen, gleichfalls ein wichtiger, großer Dienst sind für das Ganze und daß sie vielfach besonders Gelegenheit bieten einzuwirken auf die Mithelfenden einzuwirken und so durch Beispiel und Vorbild zu zeigen, wie man auch in diesen kleinen und gering erscheinenden Arbeiten Treue erweisen und Liebe üben kann im vollsten Sinn. Ja, wenn nur alle Tätigkeiten, die Sie üben und noch üben werden im Verlauf Ihrer Berufstätigkeit im rechten Sinn geübt werden möchten.


III.

 Wir reden nur noch ein kurzes Wort von der Tüchtigkeit für die Liebestätigkeit.

 Ob es nun mehr Arbeiten weiblicher Diakonie, ob es mehr Werke der Inneren Mission oder ob es auch rein humane Bestrebungen sind, alles kann im Sinn christlicher Liebestätigkeit geübt werden. Und da bleibt maßgebend, was 2. Kor. 5 gesagt ist: „Die Liebe Christi dringet uns also.“ Es heißt wörtlich: Die Liebe Christi hält uns in Schranken. Luther hat nicht falsch übersetzt, denn der Apostel meint sicherlich, die Liebe Christi hält uns in dieser Bahn des Arbeitens und Wirkens; aber zugleich freilich muß uns die Liebe Christi in Schranken halten. Wir können nicht anders als arbeiten, Werke der Liebe vollbringen, aber immer| innerhalb der von Gott gesetzten Schranken. So haben wir auch von der heiligen Liebe geredet und gezeigt, wie alle Liebe zugleich eine heilige ist und auch unsere Liebe muß eine heilige sein, unsere Liebe zu Gott muß stets verbunden sein mit der heiligen Furcht vor Gott und die Betätigung unserer Liebe zu Menschen muß auch immer in festen Schranken der Heiligung und der Furcht Gottes sich halten. So soll denn die Liebe freilich aufopfernd und hingebend sein, aber doch von fester Haltung beseelt, nicht so, daß man sich darüber selbst verliert oder die Grenzen dessen überschreitet, was sich ziemt, aufopfernd und hingebend, aber doch von fester Haltung. Duldend und tragend muß die Liebe sein, aber zugleich doch auch tätig und überwindend. Und tritt das Tätige und Ueberwindende bei manchen mehr hervor, so darf das Duldende und Tragende nicht fehlen. Nur und allein aus der Liebe Christi kann diese Art der richtigen Liebestätigkeit erwachsen; denn er hat uns das große Vorbild gegeben vollständiger, liebender Hingabe und doch heiligsten Ernstes. Möchten Sie nur recht bedenken, daß Sie als eingesegnete Schwestern dieses große Liebeswerk, das der Herr hat erstehen lassen und in dessen Arbeit er Sie mit eingefügt hat, fortan im vollen Sinn mitzutragen haben vor Gott durch Ihr Gebet und es zu tragen haben vor der Welt; denn „daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ Die Liebestätigkeit der Kirche ist der wichtigste Tatbeweis der Welt gegenüber dafür, daß in der Kirche Gottes und im Christentum eine höhere Macht der Liebe waltet, aber umso mehr muß man auch bedenken, daß man der Welt gegenüber dieses Liebeswerk mitzuvertreten hat. Ach, wieviel Schande und Schmach kann man auf ein Liebeswerk vor der Welt bringen, wenn die Liebe nicht die heilige ist, wenn irgendein Mangel offenbar wird. Sie haben dieses Liebeswerk mitzutragen und zu vertreten vor der Kirche Gottes, denn in den Dienst der Kirche und Gemeinde soll all diese Liebestätigkeit gestellt sein. Sie haben dieses Werk zu tragen und zu vertreten vor den Schwestern und Schülerinnen und Dienstboten, die neben, die unter Ihnen stehen. Wie wichtig ist es gerade solchen Persönlichkeiten gegenüber zu zeigen, was rechte Liebe ist, daß es ja nicht so stehe, daß Schwestern etwa nach außen den Ruhm haben, wie Engel Liebe zu üben und Barmherzigkeit zu erweisen, aber in der innern häuslichen Betätigung so oft die Liebe vermissen lassen und hart und ungerecht gegen die sind, die neben ihnen arbeiten.
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 Das war es, was ich Ihnen sagen wollte und konnte über die heilige Liebe, die im Werk zu erweisen auch Ihnen vom Herrn geschenkt ist. Möchten Sie nun einen Eindruck aufs neue gewonnen haben von dem Strom der Liebe, der von Gott her sich ergießt, der auch auf uns sich ergossen hat und von dem aus durch uns| Bächlein der Barmherzigkeit und Liebe sich ergießen sollen über andere. Möchten Sie Liebe üben in aller Treue und Hingebung in Ihrem Beruf! Möchten Sie Liebe üben untereinander! Möchte dieses Liebeswerk, an dem Sie mitwirken dürfen, ferner vom Herrn gesegnet sein! Möchten wir aber auch gemeinsam in Liebe recht untereinander verbunden bleiben:

 Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen!

Amen.
Ps. 46. Lied 395.





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