Eine Siebenbürger Sächsin als Schriftstellerin

Textdaten
Autor: Unbekannt
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Titel: Eine Siebenbürger Sächsin als Schriftstellerin
Untertitel:
aus: Siebenbürgisch-deutsches Tageblatt, Nr. 3705, Seite 170
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 19. Februar 1886
Verlag:
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Erscheinungsort: Hermannstadt
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Quelle: Digitales Forum Mittel- und Osteuropa e.V. (DiFMOE)
Kurzbeschreibung: Nachruf auf die Schriftstellerin Marianne Wolf
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Eine Siebenbürger Sächsin als Schriftstellerin.

Am 4. d. M. starb in Graz die in den Kreisen der deutschen Leserwelt wohlbekannte Schriftstellerin C. Michael. Wohl nur wenige Leser dieses Blattes, welche die vor etlichen Jahren in der Gartenlaube erschienene Artikelreihe: „Vernünftige Gedanken einer Hausmutter“ gelesen, die seither in Buchform erschienen, bereits zwei Auflagen erlebten, mögen es gewußt haben, daß jene treffliche Frau, die so vernünftig zum Herzen zu sprechen verstand, eine Siebenbürger Sächsin und gar ein Hermannstädter Kind, jener Name C. Michael aber nur ein angenommener war, während der wirkliche Name der Schriftstellerin Marie Wolf, geborene Conrad lautete.

Eine Tochter des damaligen Thesaurariatsrates und heute noch lebenden k. k. Ministerialrats im Ruhestande Michael Conrad, erblickte die nunmehr Verewigte am 17. März 1837 in Hermannstadt das Licht der Welt. Infolge des Eintrittes ihres Vaters in die k. k. Hofkammer, siedelte sie Ende der Vierziger Jahre mit ihren Eltern nach Wien, wo sie sich 1853, sechzehn Jahre alt, mit dem Rittergutsbesitzer aus dem Königreiche Sachsen, Ferdinand Hempel, vermählte. 1870 verwitwet, trat sie später mit dem Bergrat und Chefgeologen der k. k. geologischen Reichshauptstadt in Wien, Heinrich Wolf, in die Ehe, welche 1882 durch den Tod des Gatten wieder gelöst wurde. Seither lebte die zweimal Verwitwete bei ihren in Graz weilenden Angehörigen. Ihre alte Heimat hat sie nie wieder gesehen.

Es ist geradezu erstaunlich, wie diese seltene Frau, welche Mutter von acht Kindern war, bei aller gewissenhafter Erfüllung der Mutter- und Hausfrauenpflichten, dennoch schon in den Zeiten der ersten Ehe Muße fand, ihrem litterarischen Schaffensdrang zu genügen. Aber erst in den letzten Jahren erweiterte sich der Kreis ihres Wirkens und erreichte ihre schriftstellerische Thätigkeit den Höhepunkt. 1880 erschien ihr treffliches Buch: „Opfer des Wahns und Aberglaubens“, dem ein Jahr später die Erzählungen „Das Geisterschiff“, „Der Wirtshausgast“, „Die Schule des Lebens“, „Der Mann mit der Wünschelruthe“, sodann „Rings um die Welt“ und das fesselnde Buch „Im Geisterkreis der Ruhelosen“, das rasch nacheinander zwei Auflagen erlebte, folgten. Die letzte größere Arbeit waren die 1884 erschienenen „Künstlergeschichten“. Unter dem Weihnachtsbaum waren viele ihrer Bücher gar gern gesehene Geschenke und das im Vereine mit B. Spieß herausgegebene „Weihnachtsbuch“, das gleichfalls zwei Auflagen erlebte, hat sicherlich manchem auch unserer Kinder herzliche Freude bereitet.

Nun ruht die treffliche Frau, die wir zu unserem Volke zu zählen stolz sein können, in weiter Ferne auf dem Friedhof St. Leonhard in Graz, aber ihr Name wird, nachdem nunmehr der Schleier des Pseudonyms gefallen, bei uns in Ehren fortleben.