Ein Heldensohn Siebenbürgens

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Titel: Ein Heldensohn Siebenbürgens
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aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 855
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[855] Ein Heldensohn Siebenbürgens. Am 24. November waren hundert Jahre verflossen, da Stephan Ludwig Roth in dem siebenbürgischen Städtchen Mediasch das Licht der Welt erblickt hatte. Einst – in sturmbewegter Zeit, wurde sein Name unter den edelsten genannt, hatte er doch für das deutsche Volkstum im fernen Osten rastlos gewirkt und für das Deutschtum sein Blut vergossen.

Die „Gartenlaube“ hat schon einmal (Jahrg. 1862, S. 407) ein ausführliches Lebens- und Charakterbild Roths ihren Lesern geboten. Doch sollte das Andenken des heldenmütigen Mannes in gleicher Frische auch bei dem jüngeren Geschlechte fortleben.

Im Gegensatz zu dem tragischen Ende flossen die ersten Mannesjahre des warmfühlenden Patrioten ruhig dahin. Roth wählte den friedlichen Beruf eines Lehrers und Seelsorgers; wie so viele seiner Landsleute ging er, um zu studieren, nach Deutschland und widmete sich auf der Universität Tübingen philosophischen und theologischen Studien. In regem Verkehr mit den burschenschaftlichen Kreisen schloß er das Ideal eines einigen und freien Deutschlands in sein Herz und erwarb sich politische Charakterfestigkeit und Ueberzeugungstreue. In Tübingen wurde er auf Pestalozzi aufmerksam, und rasch entschlossen suchte er den großen Pädagogen in Yverdon auf, wo er als eifriger Schüler des großen Meisters anderthalb Jahre verblieb. Nachdem er in Tübingen die Doktorwürde erlangt hatte, kehrte er in sein engeres Vaterland zurück.

Durchdrungen von den neuen Lehren, die er vernommen hatte, stellte er sich die schwierige Aufgabe, das Schulwesen in Siebenbürgen im neuen Zeitgeiste zu reformieren. Er begegnete aber unüberwindlichen Schwierigkeiten; er wurde zwar Rektor des Gymnasiums in seiner Vaterstadt Mediasch, als er aber in demselben Turn- und Gesangsunterricht einführte, zog er sich eine abfällige Kritik zu. Diese beiden Fächer wurden schließlich von der vorgesetzten Behörde „als eine entbehrliche, ja selbst verderbliche Zerstreuung“ verboten. Vergebens mahnte Roth, auch die Volksschule im Sinne Pestalozzis umzugestalten; seine Worte verhallten ungehört, und erst einer späteren Zeit sollte es vorbehalten bleiben, jene Ideale zu verwirklichen.

Im Jahre 1837 wechselte Roth seinen Wirkungskreis; er wurde in Rimesch zum Pfarrer gewählt. Der Geistliche war aber nicht allein Seelsorger; in enger Berührung mit dem Landvolke erkannte Roth nur zu bald, daß es nicht nur in geistiger, sondern auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht gehoben werden müsse. So entwickelte er eine rege gemeinnützige Thätigkeit und suchte die Landwirtschaft zu heben, zu welchem Zwecke er auch eine Bewegung ins Leben rief, schwäbische Landwirte zur Einwanderung nach Siebenbürgen zu veranlassen.

Dieses friedliche Wirken sollte indessen durch politische Stürme unterbrochen werden. Seit dem Jahre 1839 begann der ungarische Reichstag die wohlverbrieften Rechte der Deutschen in Siebenbürgen zu verkümmern, indem er in Amt und Schule die deutsche Sprache durch die magyarische ersetzte. Nun wurde Roth zu dem eifrigsten und mutigsten Verfechter des Deutschtums; durch seine zündende Flugschrift „Der Sprachkampf“ erhob er sich zum Führer der Patrioten, die bei aller Loyalität gegen die Regierung ihre deutsche Eigenart nicht aufgeben wollten. Gegen Roth wandte sich darum in erster Linie der Haß der Gegner, und um so feuriger schlugen für Roth die Herzen der sächsischen Jugend.

Inmitten dieser Kämpfe brachen die Stürme der Revolution ein. Roth wurde im Jahre 1847 zum Pfarrer von Meschen erwählt. Aufmerksam verfolgte er die politische Bewegung und erkannte bald, daß die Revolution in Ungarn sich zu einem Kampfe für die Alleinherrschaft der Magyaren und die Unterdrückung anderer Nationalitäten gestaltete. Er hielt darum zu der österreichischen Regierung und wurde von dieser zum kaiserlichen Kommissar des Kokelburger Komitates ernannt. Es sollten aber nur zu bald die Zeiten schwerster Prüfung für Siebenbürgen anbrechen. Die Ungarn rückten siegreich in Siebenbürgen ein und übten eine furchtbare Vergeltung an ihren politischen Gegnern. Auch Roth wurde verhaftet, er hätte fliehen können, aber er erwiderte seinen Freunden, die ihn retten wollten: „In großer Sache gilt es, groß zu handeln … Ich danke euch, aber die Flucht lehne ich ab. Es soll nicht heißen, aus Furcht sei ich geflohen, denn dem Sachsen fehle es an Mut.“ Am 11. Mai 1849 wurde Roth vom magyarischen Kriegsgericht zum Tode durch Pulver und Blei verurteilt. Er starb mit unverbundenen Augen wie ein Held und erzwang noch im Tode von seinen Feinden die Hochachtung. „Soldaten, lernt von diesem Manne, wie man für sein Volk stirbt!“ rief der kommandierende Hauptmann auf der Richtstätte denjenigen zu, die auf Roth gefeuert hatten.

Fürwahr, die siebenbürger Sachsen können mit Stolz Stephan Ludwig Roth den ihrigen nennen, und tröstlich ist, wie bei allen Martyrien für Recht und Freiheit, die Thatsache, daß Roth nicht umsonst sein Leben geopfert. Die Saat, die er ausgestreut hat, trägt goldene Früchte. Festgefügt steht heute der Stamm der Siebenbürger Sachsen und trotzt den Stürmen, die ihn bedrohen. *