Textdaten
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Autor: Achim von Arnim
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Titel: Die heiligen Zeichen
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aus: Wünschelruthe - Ein Zeitblatt. Nr. 12, S. 45-46
Herausgeber: Heinrich Straube und Johann Peter von Hornthal
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht
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Erscheinungsort: Göttingen
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[45]
Die heiligen Zeichen.
Romanze.




     Wunder! schreit’s durch alle Gassen,
Auch die Priester Wunder! schreien:
„Ihr sollt neuen Glauben fassen,
Euch durch diese Zeichen weihen.

5
     Seht die Brust der kranken Nonne

Ist bezeichnet mit dem Kreutze,
Mit des Dornenkranzes Sonne
Glüht die Stirn vom Schmerzensreitze.

     Und die heilgen Nägelmahle

10
Schimmern roth an Händ’ und Füßen,

So will Gott im Erdenthale
Lange Leiden ihr versüßen.

     Wie der Herr des Walds erst stellet
Zeichen zu den schönsten Eichen,

15
Eh er sie zu Kirchen fället

Die den Himmel soll erreichen;

     So ist Gott der Sohn gekommen
Oeffnet mit den heilgen Wunden
Kopf und Herz, die noch beklommen

20
Von den letzten Erdenstunden.


     Seht sie sterben, seht sie scheiden
Sie ist unser, bleibt uns eigen,
Solcher Tod ist zu beneiden
Und sie wird einst für uns zeugen.

25
     Auf dem Altar unsrer Kirche

Wird der Leichnam bald verehret,
Daß sie segnend Wunder wirke
In dem Glauben, den sie lehret.“

     Tausend stehen an dem Bette,

30
Einer ruft: „was soll ich denken,

Gnädger Gott, die Heilge rette
Statt dies Zeichen ihr zu schenken.

     Daß sie hier mit ihrer Lehre
Aus dem nahen selgen Anschaun

35
Unsern irdschen Wahn zerstöre

Und des Herzens Eis mag aufthaun.

     Dieses Wunder mich nicht wärmet,
Dieses Zeichen mir nicht strahlet,
Wo ein Volk im Glauben schwärmet

40
Ist ein Trugbild leicht gemahlet.“


     Zornig drohet ihm die Menge,
Doch die Nonne winket Frieden,
Wieder kniet nun das Gedränge,
Ruft nach Segen bey der Müden.

45
     Und mit ihrem letzten Athem

Hebt die Fromme ihre Stimme:
„Segne Gott, der mich berathen,
Der mich führt, wohin ich klimme.

     Achtet höher nicht die Zeichen

50
Als den Geist, der ist das Wesen,

Diese Zeichen müssen weichen
Dem Genesen, dem Verwesen.

     In dem ausgezehrten Leibe
Wurden frey der Seele Flügel,

55
Und im heilgen Zeitvertreibe

Drückte sie mir auf das Siegel.

     Wo ich innen Gott gefühlet,
Aeusserlich das Kreutz geschlagen,
Wo die Hände mich gekühlet,

60
Wenn der Geist zu Gott getragen.
[46]

     Wo die Händ' im Schlaf gefalten,
Und die Füße sich geschlossen,
Mußte Krankheit mir gestalten,
Was mich innerlich durchflossen.

65
     Kron und Kreutz aus Stirn und Herzen

Sind der Leiden blutge Kunde,
Linderten der Krankheit Schmerzen,
Floß das Blut aus jeder Wunde.

     Wenn mein Herz zu Gott beweget

70
An dem Tag, wo er gelitten,

Floß das Blut, vom Geist erreget,
Wohlseyn lohnte meine Bitten.

     Fühlt den Schmerz, den ich gelitten,
Betet stets bey diesen Zeichen,

75
Und natürlich wird erstritten,

Was dem Wunder wohl mag gleichen.

     Eine Wahrheit glaubt den Zeichen,
Daß ich nie vom Herrn gewichen,
Nur der Geist kann ihn erreichen

80
Nie hat er den Leib bestrichen.


     Wenn die Zeichen hier erblassen
Ehret ihn in seinen Worten,
Die er sterbend uns gelassen,
Sie eröffnen Himmelspforten.

85
     Betet nicht zu todten Leichen,

Lebend Wort ist Fleisch geworden,
Wohnet unter uns als Zeichen,
Weihte mich zum keuschen Orden.“

     Bey dem Worte sinkt sie nieder,

90
Und der Eine, der gesprochen,

Ruft: „Ich seh dich Seele wieder,
Wenn die Augen mir gebrochen.

     Fromme Lüge nahm mir Glauben
Trieb aus Kirchen mich ins Freye,

95
Wenn das Blatt fällt reifen Trauben,

Wahrheit führt zurück zum Glauben.

     Wahrheit, die dem Volk gebeichtet
Ist der echte Glaubens Zunder,
Wahrheit wärmet und erleuchtet

100
Nie erlischt ihr ewges Wunder.“
L. Achim v. Arnim.