Die Weiber von Weinsberg (Essig)/Fünfter Aufzug

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[143]

Fünfter Aufzug.

Personen: Auf der Bühne erscheint schließlich alles was bisher vorhanden war. Neu ist Seine Majestät Kaiser Konrad III. der Hohenstaufe mit Kriegsrat und Soldaten.

Szene: Im Harfenturm der Weibertreu. Durch die dicke Mauer führen (zum Unterschied) abweichend von dem Jetzt-Zustand der Ruine zwei Eingänge, einer ins Freie, einer in die Gemächer des Schlosses.

Ricke und Siegfried im Gespräch, andern Tags.

Ricke Ich war davon benommen, der Tag ließe sich für uns hinausschieben und die schöne Nacht in dem schönen Schlosse verlängern.

Siegfried Ricke, wenn sie mich binden wollen, spring ich den Kaiser an.

Ricke Wie wird es aber auch gehen! ’s geht mir zu kurz und zu lange, bis es sich über dich entschieden hat.

Siegfried Wenn ich nur die Kraft in meinen Armen behalte, ’s ist mir heute so in den Gedärmen.

[144] Ricke Gott Siegfried laß keine Schwäche über dich kommen!

Siegfried Ich hoffe es nicht. –

Ricke – – Hältst du dich gewiß?

Siegfried (ziemlich verzagt) Ja. Ich will’s.

Gräfin aus der Türe rechts, beim Aufgehen der Türe Geräusch wie in einem Immenhaus, drinnen waschen sich die Weiber unter lebhaftigem Geschrei und Unterhaltung.

Gräfin Wie habt ihr beide die Nacht verbracht?

Beide schweigen.

Gräfin Glaubt Kinder, ich habe kein Auge zugetan. Was uns bevorsteht ist keine Kinderei. Bist du gefaßt, Siegfried?

Siegfried Das kann ich voraus nicht sagen, als bis ich die wiedersehe, die mir zugesetzt haben.

Gräfin Und du Ricke!

[145] Ricke (schluchzt hinaus) Sie hätten das nicht tun gesollt! Es sind doch welche darunter, die aneinander hängen.

Gräfin (seufzt) Ja, deren sind welche.

Ricke Muß es denn sein?

Gräfin Es wird viel davon abhängen, wie der Kaiser aufgestanden ist, mit blutigem Grimm oder mit Lust.

Siegfried Ich ha gemeint, das sei alles ausgemacht.

Gräfin Das ist’s. (Geht wieder.) Für euch zwei Kostbarkeiten ist es schad. (Ab.)

Ricke Was hat sie gesagt?

Siegfried Sie hat ein gebildetes Deutsch.

Ricke Für uns zwei Kostbarkeiten sei es schad?

Siegfried So könnt’s geheißen haben. Ja.

[146] Ricke Du, mir wird’s so krutzelig fröhlich im Gemüt. Sie will für uns zwei was Besonderes tun. Wenn sie zum Beispiel mit dem Kaiser unseretwegen redete.

Siegfried Es nimmt sie stark mit. Sie hat ein Gefühl mit ös (uns.)

Ricke Die Gräfin ist eine Frau.

Siegfried Merkst es nun auch? Die Gräfin ist ein Geschöpf Gottes. Die Gräfin ist was, das mich entzündet. Alleweil freundlich. Und auch ein weng was zierliches in ihrem Benehmen.

Ricke Die gefiele dir besser wie ich. Narr, ich bin keine Gräfin, das brauchst du mich nicht fühlen zu lassen. Mich beschämt der Unterschied selber.

Siegfried Mach es doch geradeso wie sie. Die schimpft einen nie.

Ricke Und der Graf? hast du ihn schon gefragt?

Siegfried Na der, wie einer eben auch ist.

[147] Ricke So sag’ ich über dich auch. Aber schweige davon, m’r wollen uns den kleinen Rest nicht zanken.

Siegfried ’s geht einem ’s Herz uff, wenn man sie siehet. Aber in einem ganz reinen Gedanken.

Ricke Hätte man mehr Umgang mit so einer Frau, täte man sich mit so einer im Obscuren aufgewachsenen Muatter nicht so stibitzen lassen.

Siegfried ’s ist gut jetzt. Die Hauptsache ist, daß du meine Meinung kennst.

Ricke Meinst du etwa, deswegen werde ich anderschter? Für dich bin ich passend.

Siegfried Ich will nichts an dir aussetzen, aber daß die dir auch gefällt, mußt du zugeben.

Ricke Das gebe ich ja zu.

Siegfried So … das denk ich.

Ricke Was du denkst!

Gräfin, geschäftlich mit energischem Schritt.

[148] Gräfin Ricke, geh einmal hinauf auf den Turm und sieh nach, ob der Kaiser mit seinem Heer schon in Bewegung ist.

Ricke Ja … ich will gehen.

Gräfin Nur nicht so langsam, flink und umsichtig!

Ricke Ja flink (geht besinnlich).

Gräfin – – Hast du bei deiner Unternehmung den Kaiser gesehen?

Siegfried Ich habe einen gesehen, um den die andern immer herumzickelten, wie wedelnde Hunde.

Gräfin Dann ist er’s gewesen. Wie sieht er aus?

Siegfried Ganz gewöhnlich … wie ein Mensch.

Gräfin Ich meine, war er freundlich, finster, bös, heiter, zornig, grausam, lustig … wie war er?

Siegfried – – Er hat sich nicht viel anmerken lassen, er guckte bloß immer gerade aus auf das Schloß.

[149] Gräfin War dabei sein Gesicht grämlich?

Siegfried O! … mir hat er gefallen. Wenn nur ich in seiner Umgebung wäre, statt der andern, hab ich gedacht!

Gräfin Warum hast du das gedacht?

Siegfried ’s ist mir so vorgekommen, als wären se ihm zu dumm.

Gräfin (für sich) Er ist stolz. Stolz, ich muß … um willen … Verachtung ertragen.

Siegfried Da gäbe ich ihn uff!

Gräfin Laß es nur!

Siegfried Sie verachten!

Gräfin Beantworte mir lieber eine Frage. Wenn ich mit jemand zwei Dinge ausgemacht habe, zwei, so muß ich immer das erste zuerst ausrichten …?

Siegfried An einem Beispiel verstünd ich’s eher.

[150] Gräfin Wenn du zum Beispiel deiner Ricke erst versprochen hast, sie zu heiern, und nachher versprichst du’s einer andern, wen heiratest du dann?

Siegfried Ich habe es niemand anderem versprochen. Hört uff mit der Lüge!

Gräfin (herzhaft) Ich meine jetzt nur „wenn“ … wenn du’s tätest.

Siegfried Da müßte ich Tinte gesoffen haben, wenn ich das täte.

Gräfin Du tust’s nicht … aber wenn du so dumm wärst und du’s tätest.

Siegfried Da wäre ich auch dumm, da wäre ich auch dumm. Hat die Gretchen so was behauptet?! Dann schlag ich ihr eins auf den Nischel, heute komme ich der ganz anders. Die paar Stündchen laß ich mir mit meinem Rickel nicht verderben.

Gräfin Von ihr rede ich gar nicht. Setze den Fall, du versprächst es zum Beispiel nachdem du’s deiner Ricke versprochen hast, auch … mir. Verstehst du’s so?

[151] Siegfried D … dann heiratete ich die, die mir besser gefällt, und die mehr ist.

Gräfin Also die Ricke, die erst versprochene.

Siegfried Nein. Sie.

Gräfin Die zweite! (Nicht ohne zornigen Eifer.) Warum denn?

Siegfried Weil das mein Vorteil wäre!

Gräfin (wandelt unruhig umher) Recht nett von ihm, recht nett. Wenn der Kaiser auch so befindet, dann sind wir verloren. (Schreit Siegfried an.) Ich habe mich auf die freie Erfüllung der ersten Bedingung verlassen.

Siegfried Sind Sie beleidigt?

Gräfin Siegfried, ich zittere … habe Angst; nimm jetzt deine Gedanken zusammen, wenn ich dich frage.

Siegfried Ja. (Schlotternd.)

[152] Gräfin Versprächst du zwei Dinge zugleich, was dann.

Siegfried Ich heiratete alle zwei.

Gräfin (stürzt händeringend in den andern Ausgang, kehrt wieder um) Schmiedsgeselle. – Es ist versprochen, daß die Frauen ihre Kostbarkeiten mitnehmen dürfen, so viel sie tragen können. Dürfen sie das dann?

Siegfried Ja … wenn der Kaiser sein Versprechen hält.

Gräfin Wenn die Frauen aber Kostbarkeiten mitnehmen, die eigentlich keine sind, was dann?

Siegfried Dann nehmen se halt Geplunder mit, was geht’s den Kaiser an.

Gräfin So. Du hast verstanden, das wollt ich wissen.

Siegfried Ich habe nicht gewußt, daß die Frage so einfach ist.

Gräfin Darum denkt man.

Siegfried Das ist nicht immer so einfach.

Ricke kommt gelaufen.

[153] Ricke (ruft) Se – – (bleibt stehen und guckt) brechen auf.

Gräfin Was tun die Männer?

Ricke Der Herr Graf liegt draußen am Eingang auf den Knieen.

Gräfin (erblaßt) – – Ricke, mach du auf. Laß ihn herein, wir müssen die Männer jetzt heraufrufen … Eile!

Ricke und Gräfin ab nach verschiedenen Seiten.

Siegfried (sieht sich geniert um, weil er allein ist) Ganz ohne Feuer ist se auch nicht.

Frau Niese (tritt ein, sauber) Jetzt bin ich gewaschen und meine Kostbarkeit ist meine Jugendfrische. Sieh her Sieger, so wäre meine Ricke einmal geworden, wenn du sie hättest durch’s Leben begleiten dürfen. Wer sich sauber konserviert, kann noch im Alter freien. Die Staufen können kummen.

Siegfried Muatter, du bist auf dem Schlosse.

[154] Frau Niese Wo man ist, stets frei, wer möcht’s verbieten?! Kommt ihr! da ist der Siegfried und spielt den Burgvogt unter uns.

Einige Weiber und Schwester Gretchen drängen sich herein.

Weib War er nicht der alleinige Mann heute nacht auf dem Schlosse?

Schreiendes Gelächter der Weiber.

Frau Niese Das hat ihn zum Sittenprediger gemacht.

Wieder Gelächter: „Siegfried, laß dich streicheln!“

Siegfried Geht ’r weg! man wird ja hysterisch.

Frau Niese Was sagt ’r? störrisch, das war er immer. Hier kannst du’s ablegen. (Lachen.)

Siegfried Das sag ich, lieber in ein Wespennest stechen, als in so ’n’n Haufen.

Frau Niese (unter Gelächter und Stupfen der andern) Die stechen, die Wespen! alle die sich hereinwagen, nicht wahr Fräulein Schulmeister.

[155] Schwester Gretchen (schnellweg) Der junge Mann weiß gar nicht, was eine Frau ist.

Frau Niese Hört es nur, wie die Gretchen jetzt spricht!

Schwester Gretchen Es ist wahr, so ein Jüngling bringt eins höchstens in Verlegenheit.

Frau Niese Ja, ist denn das nichts mehr zwischen sie? Ich dacht ’s ging von neuem.

Schwester Gretchen Der junge Mann blieb nicht fest. Die Jugend ist voll Wankelmut und Schwäche.

Frau Niese Siegfried, von dir ist die Rede.

Siegfried Eine Närrin hat Redefreiheit.

Schwester Gretchen So? … Närrin! … in einem Weilchen! … du wärest vielleicht froh, mein Auserwählter zu sein, aber meine Wahl fiel auf einen Beamten … Wer weiß es! … der heutige Tag wird wohl mein Hochzeitstag, während die andern Frauen alle verwitwen.

[156] Geschrei der Weiber – – Das ist eine Herausforderung, schmeißt sie in den Graben! In den Graben!

Frau Niese Hört! Hört! … ’s ist ihre letzte Zauberei.

Weib Die hat mir ihre Hochzeit schon oft angesagt.

Schwester Gretchen Diesmal ist’s!

Weiber Und wir andern? prophezeie Hexe!

Schwester Gretchen Verwitwen.

Frau Niese Schmeißt se in den Graben! m’r tun vielleicht dem „Herrn mit dem Papiere“ einen Gefallen.

Schwester Gretchen Ich rufe um Hilfe.

Ricke (hereingesetzt) Gretchen! … das Ende!!

Schwester Gretchen … m … m … ich schweige.

Ricke Ein bißchen leiser jetzt, der Herr Graf kommt.

[157] Es wird erwartungsvoll still, man hört einen auf den Knieen Laufenden kommen.

Graf (noch im Gang) Sophie, mein teures Weib … hast du … keine Gefühle mehr für mich?

Frau Niese (beim Sichtbarwerden des Grafen) O … O! der edle Mann! … o … o! der beliebte Herr Graf in solcher Demut! weinen m’r da nicht? (Alle Taschentuch.)

Die Gräfin kommt.

Graf Sophie, hast du kein Erbarmen übrig, mich zu verbergen?

Weiber O … das müssen Se tun. Der Herr Graf ist unser Liebling.

Gräfin (verstellt) Nein. Es muß sich vollenden.

Lauteres Geschluchze: „Er kniet ja“.

Graf Sophie, hast du keine Träne für mich?

Gräfin Gatte. Die Lage ist zu ernst.

[158] Graf Für solche Lagen hat Gott die Wasserbecken über den Augen bereit gestellt. Gerade dafür.

Gräfin Vor allem stehe auf.

Graf Ich kann nicht, meine Kniegelenke sind verschnappt.

Gräfin Siegfried, helfe deinem Herrn!

Siegfried Herr Graf, ich erlaube mir. (Es geschieht.)

Frau Niese Diese Wendung! … denkt eins an verwichenen Morgen!?

Graf Es ist wahr. (Mühsam stehend.) Es gibt ein mahnendes Schicksal … Hätte ich ihn mitgenommen!

Gräfin (erfreut) Bist du bekehrt? und gestehst du’s ein?

Graf Bekehrt bin ich. Aber gestehen … gestattet mein Wert, mein Wert nicht.

Gräfin Hältst du dich für einen Wert?

[159] Graf Sophie, du mußt es fühlen. Wir waren viele glückliche Jahre auf’s glücklichste vereint, und auf’s unglücklichste hast du dich, weil du kein Stratege bist, verändert.

Gräfin Mann, dein Wert ist dir so eingebildet, daß ich an ihn glauben muß.

Graf (rasch) Bin ich dein Juwel? dann –

Gräfin (abwehrend) Nicht zu viel und zu rasch!

Weiber Solch ein Mann ist ein Juwel … seht doch die Kniee! die Kniee! (Taschentücher.)

Graf (über sich selbst gerührt) Dann verberge mich, vergrabe mich wie den Schatz im Acker!

Gräfin Nein ich werde mich öffentlich mit dir schmücken.

Graf Ich werde von dir gerissen, dann! tu das nicht!

[160] Gräfin Willst du mein Juwel sein? wie darf ich dich tragen?

Graf – wenn ich kein Lügner an der Versicherung meiner ewig bleibenden Neigung zu dir werden will, dann wie du willst.

Gräfin Dann …

Waibel kommt und meldet, aus der inneren Türe.

Waibel (sehr furchtsam) Ich wage zu melden, hochbegnadigte Frau Gräfin … wir sind da.

Gräfin Es ist gut … die Frauen alle! drinnen warten eure Juwelen, um euch noch einmal am Halse zu liegen.

Frau Niese Wie mein Alter ein Juwel sein soll … (Die Weiber verlieren sich, die Türe in den jetzt dicht gefüllten Raum bleibt offen, sie schlägt in einen Haken ein.)

Gräfin (besieht den Gemahl) Jetzt sehe ich’s erst … man müßte dir eigentlich noch ehe Majestät kommt Flecke aufsetzen.

[161] Graf Für diese Prozedur genügt jede Toilette. Der eitelste Geck wird zur Vogelscheuche. Am ehesten noch, daß ich so Caesars Mitgefühl wachrufe.

Gräfin Hoffst du denn noch?

Graf Was bleibt mir anders, als der blöde Faden!

Gräfin Da sehe die Ricke an, die wird ihre Kostbarkeiten hinaustragen.

Graf Sie hat nichts an sich.

Ricke ’n Blitz! … ’n Blitz … ’n Blitz in mir, ich hab’s. (Stürzt an Siegfried.) … Siegfried, du bist mein Juwel … Frau Gräfin, hab ich’s verstanden?

Gräfin Nicht zu erregt!

Frau Niese mit ihrem Mann, an der Hand, erscheinend.

Frau Niese Paßt Ihre Bezeichnung auf meinen Nikodemus?

Schwester Gretchen Was ist dir Ricke? … bist du aus dem Häuschen? … du wirst eine alte Jungfer werden, das wünsche ich dir.

[162] Ricke Muatter, verstehst du das nicht mit dem Juwel? Mutter, den Vater … (Sie hüpft und tanzt) Du wirst. Mutter … o du Muatter … der Vater.

Gräfin Sei still, Ricke, sie sind hart, sie wollen und sollen’s nicht verstehen.

Launer (eifrig) Ist es wahr, hochedle Herrin, haben Sie das Küssen befohlen?

Gräfin Ich habe zum Abschied aufgefordert.

Launer Das lautet etwas anders, ungeduldiges Fräulein Braut. Bei uns drängt es nicht, so entschuldige ich mich … (mit Verbeugung hinaus) höflichen Verzicht.

Schwester Gretchen Wie das manchem Herrn schwer fällt! … Hü!

Frau Niese Man möchte sich eben noch vor dem Letzten nicht noch um seine Grundsätze bringen.

Ricke Mutter, Mutter … was sprichst du noch allweil vom Letzten … Mutter, es kann uns doch ewig am Halse hangen.

[163] Frau Niese Wer? … der Mann? … wird er nicht –? aber ’s ist doch so in den Akten.

Graf So in den Akten! Akten sind für uns Kandidaten ein häßlicher, beunruhigender Gedanke.

Ricke Siegfried, glaub ihm nicht! … Akten sind ’n vollgeschmierter Wisch Papier.

Graf Was hattest du nur für einen Blitz, Mädchen?

Ricke Siegfried, bist du auch so dumm?

Gräfin Still … scheint mir, der Kaiser kommt. Ricke, öffne die Tür und komm zurück. Die Frauen sind (Ricke geht) alle im Reinen?

Leise Unruhe bei den Wartenden. Ricke kommt zurück und winkt zur Ruhe.

Gräfin Alles fertig? … Ruhe! … Aufgepaßt! Ich fordere die Frauen alle auf, ihre Kostbarkeiten an sich zu halten und hinauszunehmen, wie es eben geht.

Ricke Siegfried, sitze auf!

[164] Siegfried Was heißt das?

Weiber Ist das gemeint? – Ja wie?

Gräfin Bitte Gemahl!

Graf Ich auch?

Frau Niese So machen m’rs halt nach … Alter, schwingst dich auf?

Dem Beispiele folgen alle bis hinten hinein in die fernsten Ecken des Nebenraumes.

Graf Sophie, eine Erleuchtung wird mir, du bist ein Genie von Liebe und Treue.

Gräfin Hoffentlich erkennt er’s an.

Graf Sophie, dir leben und sterben ganz!

Launer (erscheint spottend und erregt) Das wird sie nichts nützen. Ich allein habe Gewißheit. Ich allein. Machen Sie nur diesen Scherz rückgängig, obgleich er im Übrigen mein Wohlgefallen findet.

[165] Schwester Gretchen Selig sind die Damen, die jetzt noch keinen Mann haben, sondern erst nachher … Sie werden alle betrogen sein!

Frau Niese Jedenfalls haben Sie immer noch nichts.

Graf Ich gebiete Achtung vor dem ungeheuer opferwilligen Befehl meiner treuen Hälfte, es ist wahrhaftig keine Kleinigkeit für sie. Achtung! richt euch! Augen gerade aus!

Kaiser mit Gefolge zu Fuß. Sporenklirren. Säbelrasseln. Kaiser steht wie eine Säule.

Kaiser Da steht mir der Verstand still.

Frau Niese (murmelt) Mir an und für sich auch.

Gräfin Majestät!

Kaiser Kein Lachen mehr … es scheint … es scheint gar ernst gemeint.

Gräfin Majestät hat versprochen … den Frauen freien Abzug … und Mittragen von Kostbarkeiten soviel Ihnen gefällt.

[166] Kaiser Allerdings Juwelen, Gnädige.

Gräfin Mein Mann ist mein Juwel.

Lachen bei den Staufen.

Kaiser Herr von Rechberg! Doktor aus Bologna!

Beide kommen vor: „Zu Gnaden!“

Kaiser Das empfängt uns! … ein Mann allein und eine Einsame. Zu Protokoll. (Doktor schreibt.)

Dottore Wenn dieses Blatt in tausend Jahren gefunden wird, das wird kein Mensch glauben wollen.

Launer Gnade, Majestät!

Kaiser Zuerst Notiz! dann Bitte … gnädige Frau, zu Ihrer Erleichterung gestatte ich die Last abzusetzen.

Gräfin (keuchend) Es ist keine Last … setzt sie nicht ab!

Kaiser O, mein feines Gefühl nimmt es an … also bitte.

[167] Frau Niese (läßt ihren herabrutschen) Das ist ja! … wie soll der Meine ’n Juwel sein, das sind Albernheiten, gnädige Frau.

Kaiser Das wäre einmal einer … Notieren!

Gräfin Majestät hat sein Wort zu halten.

Kaiser Dann mein Wort, Sie dürfen ihre Gemähler wieder aufnehmen, sobald ich mich entschieden habe, ob ich auf diese ihre List eingehen darf.

Alle lassen die Männer herabgleiten, außer Ricke.

Ricke Ich halt dich fest, nummero sicher.

Kaiser Allaliebst … niedliche Kleine.

Sprecher Sie trägt den Mann, der unter uns die Wüstenei angerichtet hat.

Kaiser Dies Paar findet meine erste Gnade. Er kommt in die Garde. Begnadigt!

Dottore Steigen Sie ruhig ab, Sie sind begnadigt.

[168] Ricke Siegfried, nu wird es schön. (Läßt ihn herab.)

Graf Also man mußte Totschlag verüben, um Gnade zu finden!

Kaiser Herr von Rechberg, kann es mir genehm sein?

Sprecher Es sind Rebellen, die allüberall schwer bestraft wurden.

Kaiser Gnädige Frau, es wird mir leid tun müssen.

Gräfin Majestät; die Übergabebedingungen lauten erstens … zweitens. Das erste muß zuerst gehalten sein und wenn es das zweite ausschließt.

Siegfried Ja … das ist so. Meine Faust druff! wenn’s geleugnet wird.

Sprecher Wenn … dann … ja … schon … also … Majestät.

Kaiser Mich zwingt keine Drohung.

Graf Siegfried, du bist schon kaiserlich, du redest also nicht mit.

[169] Kaiser A … ist der Graf so klug im Zungendienst und so untauglich mit der Waffe? Es bleibt eine Doktorfrage.

Dottore Ich empfehle hier Gnade … wir können hier schon.

Kaiser Was Doktor! du fühlst dich auch unwohl in diesen Mauern. Studiert man Rechte zum Gefechte? – – Gnädige Frau Gräfin, man hinterbrachte mir, Sie haben selbst das Todesurteil für den Gemahl befürwortet.

Gräfin Hat ihm das geschadet?

Kaiser Ich faßte es als einen Antrag von Ihnen an mich auf, gnädige Frau.

Gräfin Darum hätte ich gewünscht, daß er mutiger gewesen und bis an’s Kaiserzelt gedrungen wäre.

Kaiser Das sind die Frauen Weinsbergs, harte Reibeisen und treu ihren Männern. Die reinste Weibertreu!

Sprecher Wie wir’s fanden.

[170] Frau Niese Ja nu! … wie ist’s denn nun? trägt man den Seinen hinaus oder nicht? Majestät.

Kaiser Wir müssen schnell entscheiden, um den guten Eindruck auf die Damen Weinsbergs nicht zu verscherzen … haha. Ich entscheide also, daß …

Launer Zu Gnaden Majestät! ist nicht ein solcher Eid, wie ich ihn untertänigst überreiche, ein viel eklatanteres Manifest?

Kaiser Was ist das, Doktor?

Dottore Ein Eid, einer sus-pendierten Schulmeisterin, daß Überbringer, Herr Achilles Launer kein Welfe ist.

Graf Herr Launer, Sie wollen um Ihr nutzloses Leben das Leben aller Mitbürger verwürgen. Das ist ein hundegemeiner Charakterzug von Ihnen.

Launer Ich kann nicht helfen, das ist der Selbsterhaltungstrieb.

Männer Er gehört nicht zu unserer Gemeinde.

[171] Graf Es ist unerhört, Majestät wollte uns alle begnadigen, da kommt dieser Agent.

Kaiser Graf, ob ich begnadigen wollte!

Allgemeine Entrüstung, aller von Weibern und Männern, über Launer.

Schwester Gretchen Ich hab es gleich gesagt, wie’s kommt. Wir heiraten und Sie werden ledig.

Graf (offen vortretend) Ich übe mein gräfliches Recht über ihn aus und …

Kaiser Nein, nein, comte de Weinsberg.

Schwester Gretchen Ich und mein Mann werden den Schwaben dienen.

Kaiser Über wen soll ich zuerst richten?

Sprecher und Dottore Ruhe gebietet der Kaiser.

Kaiser Dieser Graf bietet sich kläglich dar. Sie haben nicht einmal ganze Hosen.

[172] Graf (verlegen) In treuer Minne durchgerutscht.

Kaiser (zum Gefolge) Davon will ich ein Lied hören.

Dottore Werde es selbst komponieren.

Kaiser Wie bescheiden Sie sich mit dem Manne, Frau Gräfin?

Gräfin Recht gut.

Kaiser Das läßt sich annehmen. So stand noch keiner vor meinem Thron. Da allerdings läßt sich begreifen. Ich glaube, daß er Ihr Juwel ist. Begnadigt!

Graf So hat mich’s doch etwas genutzt.

Launer Ja soll das so weiter gehen? … die Herren sind außer mir alle Welfen.

Kaiser Mensch, wie kamen Sie zu dem absonderlichen Papier?

[173] Schwester Gretchen Ich hab’s geleistet … das ist was Unumstößliches.

Dottore Untersuche ich Ihre Züge, so empfinde ich, Sie sind das Fräulein vom Pranger.

Kaiser Die Sache hat kein öffentliches Interesse. Der Wisch da sieht so verschmökert aus. (Wirft ihn weg.)

Launer Ich kann auf Grund des Papiers nicht geköpft werden.

Kaiser Das Mädchen will reden.

Schwester Gretchen Ich klage die Behörde an, daß sie mich stets gedrückt und mißhandelt hat. Ich wurde meines Amtes ungerecht enthoben, ich – es lebte ein Dekan – – wollte ihn – ließ nicht gefallen – heiraten – suspendiert.

Kaiser Das ist privatrechtlich. Haben Sie dem Herrn die Heirat auch versprochen?

Schwester Gretchen Ja … er mir.

Kaiser Also ein Eid aus Bestechung.

[174] Dottore Jawohl, sie schrie über diesen, er sei ein Erzwelfe.

Launer Ich habe ihr nichts versprochen.

Schwester Gretchen Jawohl, du hast versprochen.

Launer Sind Sie nicht töricht, es heißt sonst, es sei ein Meineid, der mit seltenen Ausnahmen Zuchthaus einbringt.

Schwester Gretchen Ich bleibe fest.

Kaiser Dieses Papier nützt also gar nichts.

Launer Ich bin trotzdem kein Welfe, die Dame war früher sehr gehässig zu mir.

Kaiser Diesen Eid leistet man, hauptsächlich ein hochbetagtes Fräulein, nicht aus Haß.

Launer Ich nehme es aber an.

Schwester Gretchen Aus Liebe tat ich’s.

[175] Kaiser Fertig damit! Das Gesuch wird abgelehnt. Meine Gnade finden die vereinten Paare. Ich will mein Königswort nicht drehen und deuten!

Stürmischer Applaus durch die ganze Burg.

Launer Verzeihung! noch einen Einwurf. Majestät, ich bin seit fünfundfünfzig Jahren eingefleischter Junggeselle, ich kann nicht auf diese verhängnisvolle Art aus diesen Mauern reiten. Ich flehe darum um Gnade Grund des Papiers!

Kaiser Wollen Sie hinaus, so müssen Sie jemand erwählen.

Launer Ich kann das nicht.

Kaiser Versprechungen vortäuschen scheint Ihnen jedoch keine Schwierigkeiten zu bereiten.

Launer Die Angst vor diesem Ritt war’s, die mich verführte.

Schwester Gretchen Davon war Ihnen gar nichts bekannt.

Kaiser So müssen Sie das Schaffot besteigen.

[176] Schwester Gretchen Dann sind Sie eben auch wieder ein Erzwelfe.

Kaiser Das Fräulein wird gefangen gesetzt.

Schwester Gretchen Im Augenblick des vor Augen gestellten Glücks kam’s über mich, der Herr sei gerecht.

Kaiser Sie haben Heiratsbureau im Kopf. – Sehen Sie sich nicht doch lieber um Herr Launer.

Launer Diese Pute kann ich aber am wenigsten, ich hasse sie wie mein Selbst.

Kaiser Es wird noch was für Sie sonst frei sein.

Launer Wartet Majestät noch so lange mit dem Urteil, ich will suchen. (Er rennt den Zug hinab.)

Schwester Gretchen Der Herr dürfte von Rechts wegen gar nicht wählen. Sein Versprechen an mich beweise ich.

Frau Niese Da rede ich ein Wörtchen mit. Ich habe davon nichts gehört und der Waibel auch nicht.

[177] Kaiser (sich abwendend zu Siegfried) Wie lange bist du schon verheiratet, Siegfried?

Siegfried und Ricke erröten beide.

Schwester Gretchen Das Paar ist ledig. Das geht auch nicht vom Gesetz aus, daß die miteinander hinausgehen. Der Anstand verbietet’s.

Ricke Siegfried, was sind wir?

Siegfried Lieber schweigt man, als daß man’s sagt.

Schwester Gretchen So zahlt man heim, Ricke.

Kaiser Sind Sie nicht so gehässig, es könnte Sie noch reuen. Ich verordne, daß was in bestimmter Weise an mir vorbeiparadiert staatsrechtlich zusammengehört.

Schwester Gretchen Das ist nicht von Gott.

Kaiser Ich verkünde Schl(uß).

Launer (schwitzend) Majestät, es findet sich nichts.

[178] Frau Niese Sie sind aber ungeschickt.

Launer Ich gab mir alle Mühe, aber die jungen Fräuleins hinten lachten mich alle aus, auch sind die meisten schon gedeckt.

Kaiser Es ist nicht Zeit mehr. Schluß!

Launer (stürzt vor Gretchen in die Kniee) Dann du.

Schwester Gretchen Ich erhöre dich. (Schlägt sich auf die Brust.) Die Wahl blieb bei mir. Er vor mir.

Dottore Ist nun des Kaisers Wort von Gott?

Schwester Gretchen Seit Ewigkeit … so ist’s gerecht.

Kaiser Gnade.

Das Gefolge feierlich: „Gnade vom Caesar dem Ewigen“. Der Kaiser mit Gefolge ab.

Graf Nun macht fertig!

[179] Gräfin Wer kommandiert?

Graf O du … du herztausendinnigstgeliebte Sophie.

Gräfin Marsch!

Der Zug setzt sich in Bewegung hinaus zur Burg.

Launer Es ist erreicht … alles Bangen ist vorüber. Was meinen Sie Fräulein Gretchen, wenn wir unsern Kleinen wiegen und ihm Vaters Heldentaten erzählen.

Schwester Gretchen Falle nicht herab, es schüttelt mich, so freut mich der Gedanke.

Frau Niese Da hat m’r sich nu extra schön gewaschen und hergerichtet und das für dich.

Nikodemus So komme auch ich einmal zu meinem Feiertag.

Bürgermeister Vor dem Kaiser bringt jedes Paar ein Hoch aus!

Der Zug geht rasch hinaus und vorbei. Unter den Paaren müssen die bisher an der Darstellung Beteiligten vor allem durchgehen, es bietet sich hierbei eine ergötzliche Gelegenheit [180] für die Darsteller. Wenn zum Beispiel der Herr Oberpräzeptor balancierend oben sitzt, die Backen aufbläst und spricht: „Keine Ahnung“, so folgt vielleicht der Waibel verheißungsvoll auf seiner Anna.


Ende.

Buchdruckerei Roitzsch, Albert Schulze, Roitzsch.
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