Die Verschwörung der Verräther

Textdaten
<<< >>>
Autor: Ernst Deecke
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Verschwörung der Verräther
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 148–154
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Lübeck
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[148]
79. Die Verschwörung der Verräther.

Im Jahre 1385 geschah der große Jammer der Verrätherei, wie er zu Lübeck unerhört war: da war die Stadt verrathen von innen und von außen, und wäre zu Grunde gegangen, wenn nicht Gott über sie gewacht. Die Rädelsführer solcher Verrätherei waren Hinrich Paternostermaker, ein Bernsteindreher, der das wohl 15 Jahre lang betrieben; Arnold Synnighe, ein Buntfutter; Johann Kaleveld und Hermann van Minden, beide Becker. Diese Bösewichter pflegten in Arnolds Hause am Klingberg zusammenzukommen und sich über ihre Anschläge zu besprechen, und verfuhren dabei ganz schlau. Denn ehe sie einem sich entdeckten, stellten sie ihn auf mancherlei Proben, ließen ihn auch einen erschrecklichen Eid schwören, daß er keinem lebendigen Menschen etwas sagen wollte, er möchte beitreten oder nicht. Blieb aber einer dabei, dann schrieben sie seinen Namen mit Blut auf ein Papier; und es wurden ihnen nur sehr wenige abfällig, da sie ihre Leute gut zu wählen wußten. Außerhalb der Stadt aber war ihr Hauptmann ein Holsteinischer von Adel, Detlev Gudendorp, der von den Rittern viele an sich zog, und es eben so machte, wie die binnen Lübeck.

Als nun der Tag der Ausführung herannahte, versammelte der Gudendorp einen großen Haufen um sich, [149] der sich in den Riesebusch versteckte; und es ward folgendes verabredet. Am Lambertustag, welcher dazumal ein Sonnabend war, sollte man warten, bis Ein Rath aus der Kirche auf das Rathhaus gegangen sei, was gegen 9 Uhr zu geschehen pflegte; dann wollte man des Buntfutters Haus auf dem Klingberg in Brand stecken, damit ein Theil des Volks dorthin gezogen würde; und dieß sollte zugleich als Losungszeichen für die draußen Wartenden gelten. Binnen der Stadt aber wollte man sich in der Altenfähre im Krug und in einigen andern Häusern versammeln, und ihrer 40 sollten wohlbewaffnet aufs Rathhaus gehen: was sie dort von Dienern und Wachen vorfänden, ermorden, und so dem übrigen Haufen Raum machen, der den Rath und seine Verwandte und die Reichsten der Stadt umzubringen angewiesen war.

Dieß Alles war so heimlich gehalten, daß außer den Verschworenen Niemand auch nur das Geringste ahnen konnte. Da gab Gott, daß Einer aus dem Lande Holstein, der sich den Gudendorpen durch einen Eid verbunden, das große Unglück und Uebel beherzigte, was da geschehen sollte. Der ritt in Eil mit verdecktem Angesicht nach Lübeck, in des Burgemeisters Johann Perseval’s Haus, in der Königstraße bei der Jakobikirche, und fragte: wo der Herr Burgemeister wäre. Da ihm nun geantwortet wurde, er sei zu Rath, sprach er: „Ja, können sie was Gutes rathen, so ist es nun hohe Zeit!“ und fragte: [150] „ist dann niemand seiner Kinder vorhanden?“ Wie nun der älteste Sohn zum Vorschein kam, sprach der Reiter: „ich hätte zwar viel lieber Deinen Vater gesprochen; aber da ich nun denselben im Augenblick nicht haben kann, bin ich mit Deiner Person zufrieden. Weil ich jedoch eilig geritten, dürstet mich gar sehr; so bitte ich Dich, daß Du mir einen Trunk reichest.“ Als das Glas gebracht war, nahm es der Reiter, kostete davon und sprach halblaut: „Dir sage ich es Glas und keinem lebendigen Menschen, wenn man der Sache nicht mit gutem Rath weislich zuvorkömmt, und dem großen Unglück, das vorhanden, kräftiglich wehrt: so ist morgen, wann die Glocke neun geschlagen, der ganze Rath samt seinen Anverwandten jämmerlich ermordet; denn die gute Stadt Lübeck ist voller Verräther, ohne die von außen dazu kommen, und auch schon in guter Bereitschaft stehen.“ Und kaum daß er solches gesprochen, warf er das Glas hinter sich über den Kopf, wandte sein Pferd und ritt in größter Eil zum Thor der Stadt hinaus. Wie er aber vor Herrn Perseval’s Thür dem Pferde die Sporen gab, warf es eins seiner Hufeisen von hinten aus an einen Giebel; das hat der Oberste von Melle nachher vergolden lassen. Es ist aber auch dem Reiter zu Ehren ein Denkmal gesetzt an Herrn Perseval’s Haus, wie er auf dem Pferde fortsprengt und ein Glas in der Hand hat; das stand vordem in einem runden Ausbau an der Thür, hernach auf [151] einem Beischlag, und ist noch vor einigen Jahren erneuert und in die Wand gesetzt.

Wie nun Herrn Perseval’s Sohn die Worte hört, nimmt er sie sich zu Herzen, geht in Eil auf’s Rathhaus, läßt seinen Vater ausfordern, und erzählt ihm was sich begeben. Der Vater aber führt ihn vor den ganzen Rath; da sagt er abermals aus, was er gesehn und gehört. Und wurden alle aufs höchste erschrocken, da sich keiner eines solchen Unglücks versehen; sie wußten auch in der Bestürzung nicht, wie demselben am weislichsten möchte vorgebeugt werden. Dennoch ward beschlossen, daß die Hälfte der Herren des Raths in eigner Person Wache halten sollten; auch ließen sie unter der Hand in aller Stille ihre Freunde und Anverwandte warnen: daß sie auf guter Hut sein und die künftige Nacht munter bleiben möchten, ob sich vielleicht etwas regen würde. Dann wurden auf den Abend insgeheim alle der Stadt Thöre, Pforten und Schlösser besichtigt, dabei aber etliche Wahrzeichen gefunden, daraus man zur Genüge abnehmen können, daß etwas im Werke sei. Derhalben war auch Ein Rath wachsam, wußte aber dennoch nicht, wie er es anfangen sollte, dem Uebel aufs nachdrücklichste zu begegnen, und die Rädelsführer samt ihrem Anhang auszuforschen. Es begab sich aber des Nachts zwischen 12 und 1 Uhr, daß die Rathsherren mit ihren Dienern über den Klingberg ritten, wo der Becker Johann Kaleveld [152] in dem alten sogenannten Breitenstein wohnte, einer von den vier Hauptleuten der Verrätherei. Wie der die Pferde auf den Steinen hört, macht er sich aus dem Bette ans Fenster, in der Meinung, es seien schon die Gudendorper da; als er aber bei hellem Mondlicht die Herren des Raths samt ihren Dienern und den Junkern und Kaufleuten sieht, ist er heftig erschrocken und spricht überlaut bei sich selbst: „o heiliges Blut, hie ist zu lange geschlafen!“ Diese Worte hörten einige Wächter, so unter seinem Fenster standen, weil er ohnedieß als ein unruhiger Kopf in bösem Verdacht war; deßwegen ward ihm die Thüre mit Gewalt geöffnet, und er beim Kopf genommen und in die Frohnerei gebracht; wo er auch ungepeinigt alsbald alles aussagte und umständlich kund that. Danach verfügte man sich in der Stille nach Hinrich Paternostermaker’s Haus in der Alfstraße, wo man auch einen Lärm wie von geharnischten Leuten gehört, und fand allda schon einen Theil der Rottgesellen in gutem Gewaffen versammelt, die dann sogleich ergriffen und mit schweren Fesseln belegt wurden. Die Reitendiener aber stürzten in der Wuth den Paternostermaker über Hals und Kopf in den Diebskeller; da lag er und wollte weder essen und trinken, und sprach auch kein Wort; und ward nach wenig Tagen todt gefunden. Jedennoch brachte man den Leichnam vor das Gericht und sprach das Urthel über ihn, ließ ihn hinausschleifen, viertheilen und auf vier Räder legen. So [153] wurden auch die Uebrigen zum großen Theil ergriffen; nur der Buntfutter hüllte sich in einen Schafspelz und kam davon; auch Gödke Wittenborg, ein Knochenhauer, und Arno von Soest ersahen sich ihre Gelegenheit und entwichen.

Nach einigen Tagen nun fand man über die gefangenen Bösewichter ein Urtheil; und war des Köpfens, Räderns und Viertheilens so viel, daß endlich die Herren des Gerichts bei Einem Rath anhielten: ein jeder, der sich schuldig fühlte, sollte sich bei Sonnenschein aus der Stadt machen; wo denn des andern Tages Viele gemißt wurden, von denen man es nicht vermuthen gewesen. Auch der Gerichteten Weiber und Kinder mußten auf eine gewisse Zeit die Stadt abschwören; und endlich wurden alle Aemter vor Einen Rath gefordert, und gelobten jedes insonderheit zu Gott und allen Heiligen: Einem Ehrbaren Rath und dieser Stadt hold, treu und gehorsam zu sein sonder alle Argelist, und dieß sowohl binnen als außerhalb der Stadt.

Die Gudendorper aber, samt ihrem verfluchten Anhang, als sie zur bestimmten Stunde an der Stadt waren und die Thöre und Pforten verschlossen fanden, merkten sie Unrath und zogen bis auf bessere Zeit davon.

Endlich ließ Ein Rath, zum ewigen Andenken an die Verräther und zum Beispiel für Andere, Pottertöpfe, wie Menschenköpfe gebacken, auf ihre Häuser [154] setzen, wie deren noch hin und wieder in der Stadt gesehen werden.

Alle Jahr aber am Lambertus-Tage ward ein großer Buß- und Bettag gehalten, und die große Orgel dabei in allen Kirchen gerührt.

Bemerkungen

[392] Wird in der mündlichen Ueberlieferung nicht selten mit Nr. 77 vermischt und zusammengezogen. – S. 153 Pottertöpfe – aus Thon gebrannte Vasen.