Die Verarbeitung der Kohlen im Ruhrgebiet
Die Verarbeitung der Kohlen im Ruhrgebiet.
Auf Grund der verschiedensten Berechnungen haben die Gelehrten geschlossen, daß in einer nicht allzufernen Zeit die letzten schwarzen Diamanten dem Schoß der Erde entnommen und durch unsere und voraussichtlich auch unserer Nachkommen Leichtlebigkeit in Form von Kohlensäure und leider auch als Rauch der Atmosphäre zurückgegeben sein werden. Auch sie gehen dahin zurück, von wo sie genommen sind, soweit wenigstens, als sie menschlichen Händen erreichbar und für die Gewinnung lohnend erscheinen. Wenn alsdann ein Geschichtschreiber nach ein paar Schlagwörtern suchen wird, um die Faktoren zu bezeichnen, welche um die Wende des 19. Jahrhunderts das Kulturleben der Völker beherrschten, so wird er wohl die beginnende Herrschaft der Elektricität hervorheben müssen, die zutreffenden Ausdrücke aber werden Kohle und Eisen sein. Und Kohle noch in höherem Sinne als Eisen. Wir können uns wohl eine Kohlengewinnung in großem Stil vorstellen, ohne die gewaltige Entwicklung der Eisenindustrie unserer Tage, nicht jedoch die massenhafte Eisenproduktion ohne Kohle. Kohle ist angehäufte Kraft in schlummerndem Zustande, welche aber jeden Augenblick durch den Verbrennungsprozeß aufgeweckt zu werden vermag. So ist der Kohlenbergbau das belebende Element für jede Großindustrie.
Diese und ihnen nahestehende Gedanken dürften in dem Jahrhundert der Technik und der Naturwissenschaften Gemeingut aller Gebildeten sein. Weniger allgemein bekannt jedoch pflegt es zu sein, daß ein großer Theil der aus dem Erdinnern herausgeholten Kohle vor dem Verbrauch eine Reihe von Vorbereitungsarbeiten durchzumachen hat, so daß die in den Handel kommenden Formen der Kohle bereits die Bedeutung eines Fabrikats erlangt haben. So bringt eine große Zeche des Ruhrgebietes, welche mit einer Belegschaft von 1800 Arbeitern täglich 24 000 Centner Kohlen gewinnt, nur 6000 Centner als „Förderkohle“, d. h. in der Form, wie sie aus dem Schacht gehoben werden, zum Verkauf. Die übrigen 18 000 Centner werden erst einer umfangreichen Bearbeitung unterworfen. Diese „Aufbereitungsanstalten“ machen den „über Tage“ liegenden Theil einer Zeche vielleicht noch sehenswerther als die bekannteren Einrichtungen, welche die Förderung der Kohle aus dem Schacht, die Entfernung des Grubenwassers, die Lüftung der unterirdischen Bauten etc. zum Zweck haben.
Noch vor etwa 20 Jahren war von einer Aufbereitung der Kohlen nur in ganz beschränktem Sinne die Rede. Man fand wohl hier und da Siebe, welche die Kohlen in Sorten von verschiedener Stückgroße zerlegten, so wie sie für besondere Verwendungsarten sich vorzugsweise eigneten. Die heutigen ganz gewaltig vervollkommneten Einrichtungen sind, wie so häufig, ein Ergebniß der Noth, des Kampfes ums Dasein. Als in den siebziger und achtziger Jahren die große Geschäftsstille eintrat, als die Menge der geförderten Kohlen die Nachfrage weit überstieg und die Preise soweit herabgingen, daß von einem Gewinne nicht mehr die Rede sein konnte – hat es doch Zeiten gegeben, in denen der Preis auf den fünften Theil des jetzigen Werthes herabgesunken war – da suchten einzelne Zechen einen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern dadurch zu gewinnen, daß sie den Abnehmern eine Ware von außergewöhnlicher Reinheit und diese noch in einer Sortierung der Stücke darboten, welche den Wünschen der Kunden in weitgehender Weise entgegenkam.
Natürlich wuchsen dadurch die Ansprüche des Publikums, und gleichzeitig wurde auch die Konkurrenz zu denselben Einrichtungen gezwungen. Soweit kam es wohl nicht, wie uns auf einer Zeche scherzhaft gesagt wurde, daß die Käufer jedes Stück Kohle – jede „Nuß“ – für sich in Watte verpackt und in Seidenpapier gewickelt verlangten: richtig jedoch ist, daß kleine Steinchen, die in der Kohle zurückgeblieben waren, auf dem Wege der Beschwerde als corpus delicti mit Postpaket den Zechen eingesandt worden sind. Diese Fluth der Ansprüche hat sich gegenwärtig verlaufen. Was sie jedoch erzeugt hat, ist geblieben, nämlich ein hoher Grad von Vervollkommnung in der vorbereitenden Verarbeitung der Steinkohle. Diese mag im Folgenden betrachtet werden.
Ein Förderschacht enthält zwei Räume – „Trümmer“ – in denen sich zwei eiserne Gestelle, „Förderkörbe oder Förderschalen“, an kräftigen Drahtseilen auf- und abwärts bewegen. Jedes Gestell, selber etwa 2000 bis 3000 kg schwer, pflegt 4 bis 8 kleine Förderwagen zu tragen, von denen jeder etwa 300 kg wiegt und etwa 500 kg Kohle aufzunehmen vermag. An beiden Seiten der Förderschale sehen wir noch die sogenannten „Fangeinrichtungen“, dazu bestimmt, wenn ein Seilbruch eintreten sollte, das Gestell auch dann noch an den Führungsbalken, zwischen denen dasselbe auf und ab gleitet, zum Stillstand zu bringen und vor dem Fall in die Tiefe – die tiefsten westfälischen Kohlenschächte erreichen jetzt über 700 Meter – zu bewahren.
Wir stellen uns vor den Schacht und sehen zu unserer Rechten ein Fördergestell heraufsteigen. Dasselbe trägt mit Kohlen gefüllte Wagen. Die Arbeiter ziehen dieselben herunter, fast gleichzeitig schieben andre Arbeiter leere Wagen wieder an deren Stelle, und die Förderschale versinkt in die Tiefe, um, dort angelangt, ihre leeren Wagen wieder durch gefüllte zu ersetzen. Nach kurzer Zeit taucht zu unserer Linken ein Gestell, wieder mit gefüllten Wagen, empor, um wie das vorige behandelt zu werden. Das Spiel wiederholt sich so in kurzen Zwischenräumen; jedesmal werden etwa 2000 bis 4000 kg Kohlen ans Tageslicht heraufgehoben. Die durchschnittliche Schachttiefe kann man etwa zu 400 Metern annehmen – 100 Meter mehr oder weniger spielen hier keine entscheidende Rolle; dieselbe kann von dem Fördergestell, welches etwa 9 Meter in der Sekunde durcheilt, bequem in einer Minute durchmessen werden, und ebensoviel Zeit mag das Herausziehen der vollen und das Nachschieben der leeren Wagen beanspruchen. Der Leser vermag nun selber auszurechnen, wie ein solcher Schacht stündlich 6 bis 12 Doppelwaggons Kohlen, jeden zu 10 000 kg, zu fördern vermag.
Verfolgen wir nun die gewonnenen Kohlen auf ihrem weiteren Wege! Ein Theil derselben, „Förderkohle“ genannt, wird sofort auf eine geneigte Ebene entleert und gleitet ohne weiteres in untergestellte Eisenbahnwagen – jede Zeche hat ihre besonderen Anschlußgeleise an die Eisenbahn –, um den Verbrauchsstellen zugeführt zu werden. Der Inhalt der meisten Wagen jedoch wird auf ein schwach geneigtes Sieb, „Rätter“, gestürzt, welches Löcher von 80 mm Weite enthält und durch regelmäßige Stöße fortwährend in Erschütterung versetzt wird. Nur die größeren Stücke vermögen über diese Oeffnungen hinwegzugleiten. Ein [849] eigenthümlicher Transport- und Verladeapparat führt dieselben ebenfalls einem Eisenbahnwagen zu. Unterwegs jedoch werden beigemengte Steine von Knaben abgehoben und beseitigt. Das Vorkommen solcher Steine, „Berge“ genannt, in allen Größen bis zum Staub herunter ist ein sehr lästiger Uebelstand des Kohlenbergbaus, und auf ihre Entfernung bezieht sich der Theil der Aufbereitung, der als „Wäsche“ bezeichnet wird.
Es ist unmöglich, die Beimengung solcher „Berge“ gänzlich zu vermeiden. Die Kohlen liegen ja eingebettet in Gestein, oben wie unten von dunklem Schieferthon begleitet; nicht selten finden sich Lagen davon in der Kohle selbst, dann als „Bergmittel“ bezeichnet. So kann es nicht ausbleiben, daß beim Hauen und Sprengen nothwendig auch Steine in die Kohlen gelangen.
Die auf dem „Rätter“ abgesonderte „Stückkohle“ ist nun der werthvollste Theil, der einen höheren Preis erzielt, auch geringeren Qualitäten zur Erhöhung des Werthes beigemengt wird. Der Rest jedoch von weniger als 80 mm Durchmesser, welcher durch die Löcher des Rätters hindurchfiel, bildet den Gegenstand der weiteren Aufbereitung. Derselbe wird zunächst von Schöpfbechern – „Elevatoren“, „Paternosterwerken“ – ergriffen und in die Höhe gehoben. Diese Becherwerke gleichen denen eines Baggers, welche Schlamm vom Boden des Wassers herauffördern und dem Leser vielleicht schon bei irgend einer Gelegenheit bekannt geworden sind.
In unserem Falle entleeren die Becher ihren Inhalt in große, etwas schräg liegende eiserne Trommeln, deren Mäntel drei Abtheilungen von Löchern, von oben nach unten gerechnet mit zunehmender Weite, zu enthalten pflegen. Indem die Kohlen auf dem Boden der beständig in Drehung befindlichen Trommel abwärts gleiten, sortieren sie sich in 4 Partien verschiedenen Durchmessers, von denen die kleinste Sorte die erste Abtheilung der Löcher, die folgende die zweite etc. passiert. Was auch für die Oeffnungen der dritten Abtheilung noch zu grob ist, fällt als vierte Sorte aus der Trommel selber heraus. Gewöhnlich wird durch Verbindung mehrerer Trommeln diese Zerlegung – „Separieren“ oder „Classieren“ genannt – noch weiter geführt, sodaß etwa 7 Sorten erzeugt werden. Die dicksten (80 bis 40 mm) heißen „Knabbeln“ oder „Würfel“, die folgenden (40 bis 25 mm und 25 bis 15 mm) „Nuß I“ und „Nuß II“; dann folgen „Schmiedekohlen“ (15 bis 8 mm), weiter mehrere Sorten „Feinkorn“ und endlich „Staubkohlen“. Wenn nun auch in neuester Zeit die maschinellen Einrichtungen dieser „Separation“ Aenderungen erlitten haben, so haben die letzteren doch in Westfalen noch keine weitere Verbreitung zu erlangen vermocht. Das geschilderte Verfahren ist hier das allgemein übliche. Die Vornahme der Separation ist zugleich eine unumgängliche Vorbedingung für den sog. „Waschprozeß“, d. h. die Scheidung der Schieferstücke von der Kohle. Diese Trennung läßt sich nämlich nur dann mit Sicherheit ausführen, wenn beide Theile, Kohle und Schiefer, innerhalb nicht zu weiter Grenzen gleiches „Korn“, d. h. gleiche Dicke der Stücke, besitzen. Das Verfahren beruht auf dem allbekannten Naturgesetz, nach welchem die Spreu vom Weizen gesondert wird. Wirft man ein Gemenge von Körnern und Spreu durch die Luft, so überwinden die schwereren Körner den Widerstand derselben leichter, fliegen mithin weiter weg; das Gemenge zerlegt sich in eine dem Arbeiter näher liegende Schicht Spreu und eine entferntere Lage Korn.
Derselbe Zweck läßt sich auch noch anders erreichen. Richten wir einen kräftigen Luftstrahl gegen das Gemenge, so treibt derselbe die leichtere [850] Spreu weiter fort, das Korn bleibt zurück. Hierauf beruhen die bekannten Kornreinigungsmühlen. Nun läßt sich aber mit der leichten Luft gegen die schweren Kohlenstücke und die noch schwereren Schiefer nichts ausrichten. Man wählt daher eine hierfür geeignetere Substanz, das Wasser.
Würden wir ein Gemenge aus Kohlen- und Schieferstücken von annähernd gleicher Größe in Wasser zum Sinken bringen, so würden die schwereren Schiefer den Widerstand des Wassers leichter überwinden und schneller hinabeilen. Nach kurzer Zeit hätte sich unser Gemenge in eine untere Schicht Schiefer und eine obere Lage Kohlen geschieden.
Auch die zweite der vorigen Zerlegungsarten können wir mit Wasser zur Ausführung bringen. Stellen wir uns ein Gefäß vor mit durchlöchertem Boden, darauf ein Gemenge von Kohlen- und Schieferstücken, welche so dick sind, daß sie die Löcher nicht passieren können! Lassen wir nun durch die Sieböffnungen des Bodens Wasser mit hinreichender Geschwindigkeit emporsteigen, so wird dasselbe beide Theile heben, die leichteren Kohlen aber in derselben Zeit weiter nach oben schaffen als die Schiefer. Wir können die Einrichtung so abpassen, daß die Kohlen bis zum Rande des Gefäßes gehoben und hier von dem überströmenden Wasser mit fortgerissen werden. Die Schiefer werden alsdann noch einige Zoll tiefer liegen. Lassen wir hier einen zweiten Theil des Wassers durch einen Schlitz in der Seitenwand hinausströmen, so läßt sich das Ganze bei geschickter Regulierung so einrichten, daß dieser zweite tiefer gelegene Wasserstrom die Schiefer hinauswirft und in ein besonderes Gefäß – den „Bergetrog“ – befördert.
Was wir hier darlegten, ist das Wesen der sogenannten „Setzkästen“, welche bei der Trennung der Erze von taubem Gestein längst benutzt, aber erst neuerdings für die Kohlen in Anwendung gekommen sind.
Um den geschilderten Prozeß praktisch auszuführen, liegt neben jenem Kasten mit Siebboden noch ein zweites Gefäß, in welchem ein Stempel wasserdicht auf und niedergeht. Bei jedem Niedergange drückt derselbe Wasser durch das Sieb und bewirkt so die angestrebte Trennung. Für die Reinigung der ganz kleinen Körner ist diese Einrichtung etwas abgeändert, da ein weiteres Sieb die Kohlen sammt Schiefer durchfallen ließe, ein hinreichend enges jedoch dem Wasser nicht leicht genug den Durchgang gestattete.
Diese „Feinkornsetzmaschinen“ haben ein weitmaschiges Sieb, darauf aber eine Lage von schwedischem Feldspath. Man hat gefunden, daß dies Gestein vermöge seiner Schwere für den vorliegenden Zweck sich am besten eignet; auch haben die Stücke desselben eine wohlabgepaßte Größe. Die Lücken zwischen den Stücken des Feldspaths öffnen und schließen sich, je nachdem der Wasserstrom emporsteigt oder zurückfließt. Die Schiefer treten dabei in diese Lücken ein, durchdringen das Feldspathlager und wandern schließlich durch die weiten Maschen des Siebes, während die Kohle auch hier oben hinausgespült wird.
Durch diesen Waschprozeß erleiden nun die Kohlen eine ganz wesentliche Verbesserung, welche sich zahlenmäßig an einer Abnahme ihres Aschengehaltes nachweisen läßt. Zumal die „Feinkornsetzmaschinen“ lassen sich so fein regulieren, daß ein geübter Waschmeister innerhalb gewisser Grenzen jeden vorgeschriebenen Aschengehalt zu erzeugen verstehen wird. Dementsprechend sind nun auch die Ansprüche der Abnehmer gestiegen. Koks z. B., aus ungewaschenen Kohlen dargestellt, würden heutzutage wegen des hohen Aschengehalts keinen Käufer mehr finden.
Wo ein hoher Grad von Reinheit verlangt wird, nimmt man absichtlich häufig erst eine weitgehende Zerkleinerung vor, um auf der „Feinkornsetzmaschine“ um so sicherer auch die kleinsten Schiefertheilchen entfernen zu konnen.
Was wird nun aus der so gereinigten und sortierten Kohle? Die größeren Stücke, die „Würfel“, „Nüsse“ und „Schmiedekohlen“, finden in der Küche der Hausfrau, beim Schmied etc. in der vorliegenden Form leicht Verwendung. Aber die ganz feine, zum Theil staubförmige Kohle? Hier erhebt sich eine ernste Schwierigkeit. Ein so feines Pulver läßt sich, bei der gewöhnlichen Einrichtung wenigstens, nicht verbrennen, da die Verbrennungsluft durch die engen Zwischenräume nicht hindurchgeführt werden kann. Nun ist aber reichlich ein Drittel, ja fast die Hälfte aller Kohlen „Feinkohle“; somit ist die Verwendung derselben eine wichtige Lebensfrage der Kohlenindustrie. Glücklicherweise liegt heutigen Tages nach zwei Richtungen für diese „Feinkohle“ ein solcher Bedarf vor, daß derselbe durch die von selber entfallenden Mengen häufig nicht gedeckt werden kann, sondern oft noch ein Theil der größeren Stücke dazu der Zerkleinerung unterworfen werden muß. Diese Verwendungsarten sind die Verkokung und das Briquettieren.
Reden wir zunächst von den Koks. Wer kennt sie nicht, diese halbmetallisch glänzenden Stücke, wie sie in poröser, lockerer Form als Nebenerzeugniß von jeder Gasanstalt in Menge geliefert werden, um z. B. unsere Füllöfen zu speisen? Dennoch ist dies nur ein geringer [851] Bruchtheil aller überhaupt erzeugten Koks. Unsere Hochöfen, welche das Roheisen liefern, bedürfen der Koks in solchen Massen, daß die Zechen die großartigsten Einrichtungen zur Herstellung derselben getroffen haben. Auch würden die Gaskoks für die Hochöfen keine Verwendung finden können, da sie viel zu locker sind, um unter dem Druck der Erzmassen, welche jene über 20 Meter hohen Oefen füllen, nicht zu Pulver zermalmt zu werden und so dem Winde, welcher hindurch geblasen werden muß, den Weg zu versperren. Eine unmittelbare Verwendung stückförmiger Steinkohlen würde an demselben Uebelstande scheitern; auch sind diese unvorbereitet schon um deswillen nicht brauchbar, weil sie immer in mehr oder weniger hohem Grade Schwefel enthalten; die messingartigen, oft ins Bläuliche spielenden Anlauffarben mancher Kohlen verrathen dies dem kundigen Blick sofort. Dieser Schwefel würde nun unfehlbar ins Eisen gelangen und dasselbe brüchig machen. Nur manche „Anthracitkohlen“ sind so fest und schwefelfrei, daß sie ohne Vorbereitung den Hochöfen zugeführt werden können.
Auch die Koksdarstellung hat ihre Geschichte: von der einfachen Darstellung in Meilern geht es aufwärts bis zu den jetzigen Koksöfen. Unsere heutigen Einrichtungen weichen in den Einzelheiten mannigfach von einander ab; im Prinzip jedoch stimmen sie alle überein. Die Koksdarstellung ist etwa die Umkehrung der Leuchtgasfabrikation. Bei der letzteren erhitzen wir eine geeignete Kohle, die „Gaskohle“, in thönernen Retorten. Es entweicht alsdann bei diesem „Destillationsprozeß“ außer Substanzen, welche sich als Wasser, Theer und Ammoniakwasser in den kühleren Theilen der ganzen Einrichtung ablagern, ein brennbares Gas, welches einige Reinigungsprozesse durchmachen muß, um alsdann in die Röhrenleitung geführt zu werden und unseren Leucht- und Heizzwecken zu dienen. Dabei hinterbleiben in der Retorte jene porösen Koks. Dieselben behandeln wir hier als Abfall, verbrennen einen Theil davon, um unsere Retorten zu heizen, und verkaufen den Rest. Umgekehrt richten wir bei der Verkokung unser Hauptaugenmerk auf möglichst reiche Gewinnung dieser Koks, lassen das entweichende Gas als Nebenerzeugniß gelten und verbrennen dasselbe, um unsere Retorten soweit zu erhitzen, als es der Prozeß erfordert.
Dieser Vorgang nun spielt sich in den sogenannten „Koksbatterien“ ab. In Westfalen am meisten verbreitet sind die sogenannten Coppée-Oefen. Etwa 30 bis 60 derselben bilden eine „Batterie“. Es sind, wenn wir nebensächliche Theile übergehen, wagerecht liegende Zellen, etwa 10 m lang, 60 cm breit und 170 cm hoch. Jede Zelle („Retorte“, „Ofen“) faßt etwa 6000 kg Kohle; sie ist von feuerfesten Wandungen ringsum umschlossen und hat vorn wie hinten eine verschließbare, ebenfalls feuerfeste Thüre. Die Wände zwischen zwei benachbarten Zellen enthalten Hohlräume, auch zieht ein Kanal („Sohlkanal“) unter jeder Zelle durch. Soll eine solche Batterie in Gebrauch genommen werden, so werden zunächst die Zellen bis zur Weißgluth erhitzt. Alsdann bringt man durch drei in der Decke angebrachte Oeffnungen („Füllschächte“) die Kohlen in fein vertheiltem Zustande hinein und verschließt diese „Füllschächte“ wie auch die beiden Thüren luftdicht.
Unter der Hitze der weißglühenden Wände beginnt alsbald der „Destillations“-Prozeß – Gas entweicht. Dieses Gas leitet man nun durch schlitzförmige Oeffnungen, welche oben an den Wänden der Zellen angebracht sind, zunächst in die Hohlräume der Wandungen und von da auch in den „Sohlkanal“. Gleichzeitig führt man durch besondere Oeffnungen von außen soviel Luft zu, daß eine fast vollständige Verbrennung des Gases erzielt wird. Die Batteriezellen sind nun seitlich wie auch unten von Flammen umgeben. Das Gas der Kohle wird hier noch vollkommener ausgetrieben als in den Retorten der Gasanstalt. Nachdem das brennende Gas in der Batterie seine Schuldigkeit gethan hat, läßt man es keineswegs in die freie Luft entweichen, denn es enthält noch viel Wärme und kann noch wichtige Dienste leisten. Man sammelt es daher in einem unterirdischen Kanal, leitet es unter die Dampfkessel, welche den Kraftbedarf für die maschinellen Anlagen der Zeche zu liefern haben, und diese abziehende Hitze der Batterie („Abhitze“) reicht noch vollkommen für die Heizung sämmtlicher Kessel aus, so daß der bedeutende, sonst für dieselben erforderliche Aufwand an Brennmaterial gespart werden kann. Man schätzt [852] diesen Gewinn so hoch, daß Hüttenwerke, welche Koks in größerer Menge bedürfen, einen Theil derselben in eigenen Koksbatterien erzeugen, um ihre Kessel ebenfalls durch die „Abhitze“ feuern zu können.
Während der Verkokung backt nun die Kohle zu einer Art von Kuchen zusammen.
Nach 48 Stunden ist der Prozeß vollendet. Die Zellen werden alsdann auf beiden Seiten geöffnet, damit man den Inhalt herausdrücken kann. Zu dem Zweck ist eine besondere Dampfmaschine, eine Art Lokomotive, hinter der Batterie aufgestellt, mit der man hin und her fahren und hinter jeder Zelle Aufstellung nehmen kann. Diese Maschine treibt an einer langen Zahnstange einen Stempel vom Querschnitt der Zelle durch dieselbe hindurch und schiebt so am entgegengesetzten Ende die noch glühende, teigartige Koksmasse hinaus. Löschmannschaften richten sofort einen Wasserstrahl gegen dieselbe, um Verlusten durch Verbrennung an der Luft zu begegnen.
Die noch glühenden Zellen werden alsbald wieder mit Kohlen gefüllt, und das vorige Spiel beginnt von neuem.
Um dies Füllen bequem und rasch ausführen zu können, geht eine Eisenbahnanlage über die ganze Batterie hinweg. So können die Kohlen unmittelbar über die Füllschächte gefahren und in dieselben hinabgestürzt werden.
Die gewonnenen Koks sind nun, zumal sie beim Entleeren der Zellen durch den Stempel eine Pressung erlitten, fest und ziemlich schwefelfrei. Freilich sind diese Vortheile durch einen Verlust erkauft worden. Man rechnet im Ruhrgebiet, daß etwa 30% der Kohle verloren gehen; die Ausbeute, das „Ausbringen“, an Koks beträgt somit etwa 70%, kann jedoch unter günstigen Umständen 85% und noch darüber erreichen. Neuerdings ist es übrigens gelungen, das Verfahren noch erheblich zu verfeinern. Durch Einrichtungen ähnlich denen, wie sie bei der Leuchtgasfabrikation bestehen, vermag man dem bei der Verkokung freiwerdenden Gas, ehe es seinen Dienst bei der Heizung der Oefen übernimmt, seinen Gehalt an Theer und Ammoniakwasser und außerdem noch an Theerölen abzunehmen, welch letztere mit ihren Ableitungen, z. B. dem Benzol, in der Bereitung der Anilinfarben eine wichtige Rolle spielen.
Nicht jede Kohle eignet sich zur Koksbereitung. Bedingung ist, daß dieselbe in der Hitze zusammenbackt und dabei soviel Gas entweichen läßt, als zur Erzeugung der nöthigen Hitze gerade erforderlich ist.
Einen Ueberschuß an Gas hat man nicht gern, da derselbe einen unnöthigen Verlust, eine Abminderung des „Ausbringens“, zur Folge hat. Eine mäßig „fette“ Kohle eignet sich am besten. Ganz ungeeignet jedoch sind die „mageren“ Kohlen, die nicht backen und kein oder nur wenig Gas geben. Dies war nun früher für die „mageren“ Zechen recht schlimm, da sie für die große Menge ihrer „Feinkohlen“ kein rechtes Unterkommen zu finden wußten. Zwar kann man von denselben soviel einer fetten Kohle beimischen, daß das Ganze nunmehr verkokbar wird, Rücksichten auf den Herstellungspreis aber werden dies in den meisten Fällen verbieten. Gewöhnlich werden die nicht backenden Feinkohlen zur Darstellung der Briquetts (Preßkohlen) benutzt, wozu man allerdings an einigen Stellen auch fette Kohlen verwendet.
Die Briquetts werden aus feinem Kohlenpulver hergestellt. Da dasselbe jedoch für sich auch in der Hitze nicht backt, so bedarf es eines Zusatzes, der diese Verbindung der kleinsten Theilchen zu einer festen Masse zu bewirken vermag. Allgemein wird dazu ein fester, spröder Asphalt genommen, „brai sec“ genannt, der in der Hitze schmilzt und von dem etwa 5 bis 7%, je nach der Beschaffenheit der Kohle, zugesetzt werden. Dieser Asphalt wird als Nebenerzeugniß bei der Leuchtgasfabrikation gewonnen und unterscheidet sich von Theer wesentlich dadurch, daß er schon bei gewöhnlicher Temperatur fest ist. Früher schwer verkäuflich, ist diese Substanz jetzt so gesucht, daß sie einen bestimmenden Einfluß auf den Preis der Briquetts ausübt und selber in den letzten Jahren im Werth auf das Doppelte gestiegen ist.
Das Gemenge von Kohle und Asphalt wird auf einen großen sich drehenden Tisch gebracht, über den eine lange Flamme hinwegstreicht. Dadurch wird dasselbe bis zur Backfähigkeit erhitzt, um nun den Pressen zugeführt zu werden, welche die Masse entweder zu würfelförmigen Stücken oder zu Knollen von Faustgröße („Eibriquetts“) formen. Solche Tische entwickeln jedoch aus dem Asphalt des Gemenges einen recht lästigen Rauch. Daher zieht man neuerdings vor, die Erweichung der Masse in geschlossenen Trommeln durch stark überhitzten Dampf zu bewirken.
Die Pressen nach Couffinhal-Biétrix[WS 1] sind in Westfalen am verbreitetsten. Sie pressen die Kohle erst von oben und dann auch noch von unten mit einem Druck von 180 kg auf den Quadratcentimeter zusammen. Eine solche Presse liefert in der Minute 28 Briquetts zu 5 kg, also 140 kg in der Minute oder 8400 kg in der Stunde, d. h. in der zehnstündigen Arbeitsschicht 84 000 kg oder über 8 Doppelwaggons.
Im Ruhrgebiet giebt es Zechen, welche 3 solcher Pressen gleichzeitig im Betriebe haben. Schon hieraus folgt wohl die ausgedehnte Verwendung, welche sich dies Fabrikat in wenigen Jahren erobert hat.
Ein gutes Briquett muß so fest sein, daß es, von einem kräftigen Manne so hoch wie möglich geworfen, beim Aufschlagen nicht zerbricht. Diese Festigkeit in Verbindung mit der regelmäßigen Form der Stücke, welche eine knappe Raumausnutzung beim Verladen gestattet, macht die Briquetts zum Versand auf weite Entfernungen besonders geeignet. Freilich neigen sie auch wegen ihres Asphaltgehaltes zur Entwicklung von Ruß, und dies ist doch in vielen Fällen ein fühlbarer Uebelstand.
Wir sehen also, daß von der rohen Förderkohle vielverzweigte und oft lange Wege zu den Kohlensorten führen, welche der Mensch zu seinen mannigfachen häuslichen und industriellen Bedürfnissen benutzt. Und wenn wir diese Wege in ihrer Gesammtheit überblicken, so erkennen wir ein gemeinsames Ziel, dem sie zustreben. Es heißt: höchste Ausnutzung der kostbaren Schätze der Tiefe, peinliche Sparsamkeit mit den schwarzen Diamanten!
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Couffinbal-Biétrix