Die Stunden der Andacht und die großen Kirchenversammlungen

Textdaten
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Autor: Emil Zschokke
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Titel: Die Stunden der Andacht und die großen Kirchenversammlungen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 603–605
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Aus einem Briefwechsel
zwischen Heinrich Zschokke und Wessenberg
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Die Stunden der Andacht und die großen Kirchenversammlungen.

Aus einem Briefwechsel.
Von E. Zsch.

Wir gedenken hier zweier Männer, welche in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts zu den muthigsten Vorkämpfern für Licht und Wahrheit in den deutschen Landen gehörten. Ihre Namen sind Heinrich Zschokke von Aarau und Heinrich von Wessenberg, bischöflicher Generalvicar in Constanz. Des Einen Ziel und Wahlspruch war: „Volksbildung ist Volksbefreiung“; des Andern Streben ging nach Unabhängigkeit der deutschen Kirche von Rom. Beide streuten durch ihr Wirken, zumal durch ihre Schriftwerke, eine reiche Lichtsaat neuer Ideen aus und gaben dadurch ohne Zweifel zu manchem Fortschritte, dessen wir uns heute freuen, mächtigen Impuls. Sie wurden Beide von Gegnern vielfach verkannt und verlästert; aber die Edelsten der Nation tragen sie noch fort und fort in dankbarem Gedächtniß, trotzdem Beide von ihrer Lebensarbeit schon längst im Grabe ruhen. (Zschokke starb den 28. Juni 1848, Wessenberg den 13. August 1860.)

Es soll sich hier nicht um eine neue Darlegung ihrer Verdienste handeln. Sie sind bekannt, zumal durch Dr. Beck in Heidelberg in seiner Biographie Wessenberg’s nun auch diesem Letztern ein so würdiges Denkmal gesetzt wurde. Aber weniger allgemein weiß man, daß zwischen jenen beiden Männern eine langjährige Freundschaft bestand, die an Reinheit und Stärke zu den gefeierten Freundschaftsidealen des Alterthums hinanreicht. Das beste Zeugniß davon giebt ihr Briefwechsel, welcher im Original heute vor mir liegt. Die Sammlung besteht aus achtundvierzig Briefen Zschokke’s und siebenundachtzig Wessenberg’s; der älteste datirt vom 7. Juli 1813, der jüngste vom 8. October 1842. Leider bestehen bedeutende Lücken, wie denn aus dem Zeitraume von 1820 bis 1830, in welchem doch ein sehr lebhafter Schriftverkehr zwischen den Freunden bestand, kein einziger Brief mehr vorhanden ist.

Es wäre nun von hohem Interesse, wenn dieser Briefwechsel in seinem vollen Umfange veröffentlicht werden dürfte. Es spiegelt sich in ihm jene ganze inhaltsschwere Zeitepoche ab; kein irgendwie bedeutendes Ereigniß in Staat, Kirche und Literatur blieb unbesprochen. Auch geben sich die Schreibendem einander mit der allergrößten Offenheit hin, so daß man auf den innersten Grund ihrer Seele blicken kann. Aber gerade diese intime Vertraulichkeit hindert die Veröffentlichung ihrer Briefe. Sie würden dagegen, wenn sie es noch könnten, selbst ihr entschiedenes Veto einlegen. Ferne sei es von mir, ein solches Heiligthum pietätslos profaniren zu wollen!

Indessen ist mir doch gestattet, eine kleine Auswahl davon, gegen die jene Bedenken nicht stattfinden können, dem Drucke zu übergeben. Ich wähle zu diesem Behufe einige Briefe, die hier zwar nur im Auszuge mitgetheilt werden können, welche aber besonders geeignet sind, die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen, weil sie einerseits eine Thatsache beleuchten, die noch jetzt bei Einzelnen nicht ganz im Klaren liegt – nämlich die Autorschaft der „Stunden der Andacht“, – andererseits ein Werk Wessenbergs in Erinnerung bringen – „Die großen Kirchenversammlungen des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts. Constanz 1840. Vier Bände.“ –, auf welches gerade in diesem Augenblick, wo ein neues Concil der römischen Kirche vor Allem die Ruhe des glaubensgetheiltesten, deutschen Volkes bedroht, die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen wieder hingeleitet werden sollte. Bekanntlich bestehen über jene Autorschaft, trotzdem daß Zschokke schon im Jahre 1842 bei Herausgabe seiner „Selbstschau“ auf’s Bestimmteste erklärte, daß Er und kein Anderer der Verfasser sei, dennoch bis in die neueste Zeit noch Zweifel und Muthmaßungen oft der abenteuerlichsten Art. So ist es geradezu eine Lächerlichkeit, wenn Richard Gosche in seinem „Jahrbuche für Literatur“ (Berlin. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung. I. Band S. 391) schreibt: „Das einträchtige Zusammenwirken der verschiedenen Confessionen zeigen die „Stunden der Andacht“, welche man mit Unrecht gewöhnlich Zschokke allein beilegte, und für welche vielleicht außer Protestanten und Katholiken noch ein jüdischer und muhamedanischer Theilnehmer gefunden werden kann.“ – Namentlich wurde Freiherr von Wessenberg öfter als Mitarbeiter bezeichnet, und man wollte sogar die einzelnen Capitel herausgefunden haben, die von ihm herrühren sollten. Wir wollen nun sehen, was er selbst darüber schreibt! – Ueber den hohen Werth des Wessenberg’schen Werks spricht ebenso klar als warm Zschokke hier selbst.

Zum Verständnisse der ersten Briefe nur noch die Vorbemerkung, daß die beiden Freunde sich jedes Jahr besuchten oder sich an einem dritten Orte ein Stelldichein zu persönlicher Besprechung gaben, und daß bei einer solchen Zusammenkunft in Eglisau (am Rhein im Canton Zürich) im April 1837 Zschokke seinem Wessenberg zuerst das viele Jahre treu bewahrte Geheimniß seiner Autorschaft der „Stunden der Andacht“ mittheilte. In’s weitere Publicum gelangte die Nachricht. wie schon gesagt, erst 1842.

Wessenberg an Zschokke.
Constanz am 2. Mai 1837.     

 – – Für Ihre vertraulichen Mittheilungen nochmals meinen innigsten Dank! Einen bestimmten Rath in Dingen solcher Art zu geben, hält allerdings schwer. Was den Eindruck der Enthüllung vor dem ehrsamen Publicum betrifft, so dünkt es mich zwar, sie hätte schon vor fünfzehn oder auch mehrern Jahren ganz unbedenklich geschehen können und sollen. Jetzt geschieht sie allerdings am schicklichsten in Verbindung mit der Bildungsgeschichte Ihrer innern Welt (d. h. in der von Zschokke damals bearbeiteten „Selbstschau“). Indessen möchte es doch vielleicht in Hinsicht des Eindruckes wohlthuend sein, wenn vor der Bekanntmachung dieser höchst interessanten Bildungsgeschichte das Publicum zum voraus, wenn auch nur unter der Hand, durch größere Verbreitung der Kenntniß des wahren Verfassers des anonymen Werkes vorbereitet würde. Dafür wird wohl der Verleger das Beste thun können. Wie mein Name in’s Spiel gekommen, weiß ich wahrlich nicht, und eben so wenig, warum mein Ableugnen und Widersprechen das grundlose Gerücht nicht beseitigt, hin und wieder sogar, wie es scheint, bekräftigt hat.

Ihre freundlichen Winke in Hinsicht meiner ‚Concilien‘ werde ich bestens zu benutzen suchen. Die Gestaltung des Ganzen hat seine Schwierigkeiten. Zur Vollendung des Ganzem werde ich mir Zeit lassen. – –

Zschokke an Wessenberg
(nachdem ihm der Letztere sein Werk über die „großen Kirchen- Versammlungen“ als Geschenk gesandt hatte).
Aarau, 3. April 1840.     

Es ist Ihr größtes, ich behaupte, Ihr bestes, weil zeitgemäßestes Werk: ein Werk des schönsten Märtyrerkranzes würdig. Eben bin ich mit Lesung des ersten Theils zu Ende. Ich bewundere Ihren Fleiß; ich ehre Ihren Muth! Rom und der ganze Clerical-Troß muß Sie nothwendig verdammen; mehr als ein Jahrhundert wird Sie segnen. – Ich gestehe ehrlich: das wagt’ ich nicht zu hoffen, als wir in Eglisau beisammen saßen und wir uns einander vorlasen. Sie erinnern sich wohl, was ich Ihnen damals ermunternd zurief: Sie haben mehr gethan; auch ich stehe tief unter Ihnen! Auch ich habe meine Arbeit (die Selbstschau) fast vollendet; aber ob sie während meines Lebens gedruckt wird, weiß ich selbst noch nicht. Es sind Stunden der Andacht anderer Art geworden, nämlich für Denker, aber sie werden nicht so weit wirken als Jene.

Noch bin ich nicht zu den großen Concilien gekommen. Ich erwarte Großartiges, denn der erste Theil ist eine prächtige Vorhalle, eine Philosophie der Kirchengeschichte, durchweht vom Liebesodem der Christusreligion. – Ich erwartete bei Bezeichnung des eigenthümlichen Charakters vom Christenthum auch Ihren Gegensatz von Christus und Moses, den Christus selbst so ungemein scharf und mit wenigen Worten (Matth. 5, 17.) bestimmte und dann (das. Vers 21–48.) deutlich auseinandersetzte. Ein Jehovah-Glaube und Jehovah-Dienst konnte keine Weltreligion werden, sondern nur die, welche Christus brachte, die mit der göttlichen Gesetzgebung in der Geisterwelt, der Vernunft (Röm. 2, 14–15.), in reinstem Einklang steht. Darum wird und kann auch keine der christlichen Kirchparteien mit ihren besondern Dogmen und mannigfachem Cultus Weltreligion werden, sondern nur das in [604] ihnen, was übrig bleibt, wenn wir Alles das verwerfen, was die Kirchparteien sich gegenseitig als Irrthum und Ketzerei selber seit dem ersten Jahrhundert vorgeworfen haben. Ich bin aber darum nichts weniger, als wider alle jene Dogmen und Cultusarten. Nein, lassen wir der kindlich-sinnlichen Menschheit ihr naturnothwendiges Bedürfniß, das Uebersinnliche in ein schönes Gewand einzukleiden, wenn auch mit Farben und Flittern des Juden- und Heidenthums versehen. Darum habe ich auch Nichts gegen den Werth der kirchlichen Tradition einzuwenden, wenn nur in ihrer Schale die heilige Perle dem Auge nicht ganz verdeckt wird und die Schale zuletzt nicht selbst für das Heiligthum gilt.

Den mir überzeugendsten Beweis für die göttliche Sendung Jesu hat mir eigentlich nicht der Name „Sohn Gottes“ gegeben, den er sich beilegt, oder daß Er Gott seinen Vater im Himmel nennt, der ihn gesandt, sondern die große Weltverwandlung, welche sogleich nach seiner Erscheinung eintrat und die bis heute fortdauert. Roms Fall, Völkerwanderungen, Kreuzzüge, Mengung des Nordens und Südens, ein von der Zeit vor Christus ganz verschiedenes politisches, moralisches, ästhetisches Wesen, dann, als die äußere Regeneration beendet war, Pulver, Buchdruckerpresse, Weltumseglung – Alles zur Vermenschlichung der Barbaren, zur Erleuchtung und Heiligung und engern Vereinigung der Menschheit! Im Laufe der Sterne und ebenso im wunderbaren Gang der Weltschicksale waltet der Finger Gottes. Nicht Christus, nicht seine Lehre allein hatte jene ungeheuren Ereignisse in’s Dasein gerufen, sondern die weltordnende Vorsehung, die sich auch im Leben des einzelnen Sterblichen offenbart. Nicht Christus stellte sich an die Grenze zweier ganz gegensätzlicher Zeitalter, nicht er sich in die Mitte eines unbedeutenden Volkes, das aber schon die Lehre von der Unicität des unsichtbaren Gottes besaß – sondern er ward dahin gestellt und gesandt von Gott.

Heute Nichts von Politik. Bei uns ist Alles ruhig, obgleich die Loyoliten nicht ruhen werden. – –


Wessenberg an Zsckokke.

Constanz, den 11. April 1840.     
Ihr begeisterter Herzenserguß über mein Werk, wenn ich auch Viel davon auf Rechnung Ihrer freundlichen Zuneigung für den Verfasser schreibe, hat mich doch nicht wenig gefreut. Niemand kann so stark als ich selbst dessen Unvollkommenheiten fühlen. Ihr Urtheil wird mich aber anspornen, an Verbesserung seiner Mängel unausgesetzt zu arbeiten. Schon während der Zeit des Abdruckes habe ich Vieles dafür gesammelt. Bei solchen Arbeiten ist Ausdauer das erste Gesetz. – –

– – Meine Kunst ist nicht weit her. Sie sowohl als meine Gelehrsamkeit stehen tief unter meinem guten Willen. Mein Hauptbestreben war immer auf Reinheit der Gesinnung gerichtet, und bei diesem Bestreben kann ich mir nicht bergen, daß ich Manches, was bei größerem Talent sehr wohl damit vereinbarlich gewesen wäre, versäumt habe.

Vielleicht hätte ich am besten gethan, Nichts zu schreiben als Hirtenbriefe oder Briefe an Freunde, und wenigstens Nichts drucken zu lassen. Sokrates schrieb Nichts. Unser Heiland schrieb Nichts. So Manche, die Großes wirkten, schrieben Nichts. In unserem schreibe- und leselustigen Zeitalter wäre es vielleicht gerade das größte Verdienst, zu handeln, zu wirken, ohne sich in das Gewühl und Getrieb der Schriftstellerei einzulassen. Diese war nicht mein Beruf. Meine Kräfte, meine Neigung und Thätigkeit war ganz dem Eingreifen in’s Leben zugewendet; ich kannte keinen Ehrgeiz, als den, etwas Rein-Gutes zu wirken. Aber in der Laufbahn wurden mir die Fersen durchschnitten. Denn die Baumeister hatten mich als einen ungefügigen Stein verworfen. Ferne sei es von mir, darob zu zürnen! Wie Gott es fügt, ist es recht. Mein Geist blieb frei, und dies ist nichts Kleines. Das Bewußtsein, nur Gottes Diener zu sein, wird mich an die Grenze des Diesseits begleiten. Wer könnte besser, stärker den Werth dieses Bewußtseins fühlen als Sie, mein Freund, der Sie so vielen, so schönen Einfluß auf Ihre Zeitgenossen geübt! (Besonders durch die Stunden der Andacht.)


Zschokke an Wessenberg.

Aarau, den 21. Januar 1842.     
Es geht mir fast wie dem guten Liestaler General Buser, der seine Zeitungsartikel gewöhnlich mit den Worten anfängt: „Ich muß auch wieder einmal Etwas in die Zeitung rücken.“ Und ich muß Ihnen auch wieder einmal Etwas schreiben, obgleich ich so wenig zu sagen habe wie Jener. Aber ich will plaudern, weil ich Schnupfen und Husten habe und eingenommenen Kopf, daher auch nichts Ernstes treiben mag.

– – Auch ich bin überzeugt, daß der ganze ultramontane Spectakel nicht bis zum Jahre 1850 dauern wird. Rom und Nuntiatur werden es in der Schweiz zum Aeußersten treiben und dann wieder von der Schweiz das Aeußerste erfahren,[1] wie es die meuterischen, wühlenden Klöster bei uns erfahren haben. Das wird auch Wirkung Ihres Geistes sein. Sie haben schon mehr Licht entzündet, als Sie in Ihrer Bescheidenheit glauben mögen.

Unter den Briefen, die vor mir liegen, ist auch noch Einer des Regierungsraths Fetscher in Bern vom 6. Jänner. Darin steht folgende Stelle: „Ich lese eben Ihres geistreichen Freundes v. Wessenberg treffliches Werk – ‚Die großen Kirchen-Versammlungen‘ –. Danken Sie ihm in meinem Namen für das herrliche Buch. Wär’ ich reich, am wenigsten müßten 1000 Exemplare von dieser Schrift unter Katholiken und Protestanten vertheilt sein. Das ist ein Meisterwerk! Wäre Wessenberg unser Metropolitan, so hätten wir eine schweizerische Nationalkirche, edlere Zustände in der Schweiz verwirklicht und anderwärts angebahnt.“

Ich bin seit Kurzem wieder einmal Gegenstand des Zeitungsgeschwätzes, das bald vorüber gehen wird und mich, wenn es auch fortdauern sollte, wenig kümmert. Daß ich nun als Verfasser der „Stunden der Andacht“ bekannt geworden, ist nicht meine, sondern des württemberg’schen Gesetzes über den Nachdruck Schuld, gegen den man einem Verleger kein Privilegium giebt, wenn der Verfasser eines Werkes nicht mehr lebt. Außer meiner Frau, Ihnen und Monnard, meinem Uebersetzer (Méditations relig.) wußte Niemand darum, selbst keiner meiner Söhne. Nun wollte ich doch nicht, daß meine vertrautesten Freunde es früher durch Zeitungen, als von ihrem Freunde vernehmen sollten.

Um Verzeihung, mein Theurer, wenn Sie diesem Briefe den Schnupfen zu sehr anmerken sollten. Ich bin müde und mein Kopf ist arm an Gedanken; doch brauch’ ich den Kopf nicht, sondern nur das Herz, um Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe.


Wessenberg an Zschokke.

Constanz, den 31. Jänner 1842.     
- - Für Viele war doch wohl die Nachricht, die Sie als den Verfasser der „Stunden der Andacht“ bezeichnete, nicht neu oder unerwartet. Sie sagen mir aber Nichts von der Fortsetzung Ihrer Selbstbiographie. Hoffentlich beschäftigen Sie sich noch immer damit und werden darin auch manches Interessante über Ihre Zeit und Mitwelt mittheilen. Solche Denkwürdigkeiten sind gleichsam ein Testament, das man der Nachkommenschaft hinterläßt; ein Schärflein zur Aufhellung des Stroms der Zeitgeschichte. – –


Zschokke an Wessenberg.

Aarau 3. März 1842.     
Ich schreibe Ihnen, mein Lieber, mit einigem Unmuthe. Allerdings war mir’s sehr gleichgültig, daß endlich noch das Geheimniß an’s Licht mußte und man mich nun als Verfasser der Stunden der Andacht nennt. Auch das Zeitungsgeschwätz darüber laßt mich gleichgültig. Ich habe dabei nicht Viel zu gewinnen und zu verlieren und verlange auch Beides nicht. – Aber seit gestern Abend bin ich deßhalb unruhig, weil ich aus zwei Zeitungen ersah, daß man auch Sie verdächtigt, an den St. d. A. Ihren Antheil gehabt zu haben. Vielleicht könnte es wieder einen Verfasser des „Werk des Satans“[2]verleiten, Ihren Namen wenigstens [605] in der ultramontanen Welt besudeln zu wollen. Aber fürchten Sie Nichts; lange soll das nicht dauern. Im nächsten Heft von Malten’s Bibliothek wird aus meiner Selbstschau das Capitel von den St. d. A. und wie sie entstanden, eingerückt stehen. Sie und die Welt werden daraus erkennen, wie sehr ich Sie liebe und wie unschuldig Sie verlästert worden sind. – – – –


Wessenberg an Zschokke.

Constanz d. 8. März 1842.     

Ich freue mich, mein theurer Freund, auf Ihre Selbstschau, deren Erscheinen mir Ihr Wertestes vom 3. dies ankündigt. Diese Schrift wird dann auch dem Fraubasengeschwätz in öffentlichen Blättern ein Ende machen. – – Ich finde es unsinnig, daß man früheres Gerede von andern Verfassern der St. d. A. wieder aufwärmen konnte, nachdem Sie sich als den Verfasser öffentlich erklärt haben. Ich selbst war früher geneigt gewesen, an einen Antheil daran von Seite unseres gemeinsamen Freundes Victor Keller zu glauben. Dies fällt aber für Jeden weg, der Ihre Erklärung kennt.

Der Frühling fängt an seine Fittige zu regen, aber die launigen Winde und Wolken verderben ihm noch das Spiel. Doch hoffe ich, daß wir bald die Verjüngung der Natur werden feiern können. Wir wollen dabei auch der Verjüngung der Menschheit gedenken, welche im Grunde Jeder von Zeit zu Zeit in sich selber vornehmen kann und soll. Leider aber haben jetzt Viele eine sonderbare Idee von Verjüngung, indem sie uns bereden möchten, wieder die Nebelkappe über die Ohren zu ziehen. Das sei ferne! Vielmehr wollen wir mit Lichtgedanken dem Osterfeste entgegen gehen.   Ihr Freund von Herzen etc.



  1. Zschokke hat richtig prophezeit: auf die heftigen ultramontanen Umtriebe, welche nach der aargauischen Klosteraufhebung im Jahre 1841 entstanden, folgte der Sonderbundskrieg im Jahre 1847, welcher die Jesuiten aus der Schweiz fortfegte.
  2. In der Literatur der jesuitischen Schmähschriften spielte eine besondere Rolle die Schrift: „Die Stunden der Andacht ein Werk des Satans. Sitten und Solothurn 1820“, in drei starken Heften. Wir entheben derselben, um sie zu kennzeichnen, folgendes Gedicht:

    Fürst Satan sah das ihm verhaßte Christenthum
    In seinem Wahne schon durch ihn erschüttert beben.
    Um ihm zum Sturze noch den letzten Tritt zu geben,
    Berief durch Zophiel er sein Synedrium.
    Geflügelt sammelt sich im dumpfen Donnerwetter
    Um Satans Feuerthron die Schaar der Höllengötter:
          Adramelech und Moloch,
          Belieler und Magog,
    So festlich-schauerlich, wie Klopstock sie beschrieben.
    Der Gottesspötter Gopp war einzig ausgeblieben.

    Da brüllt der Höllengott in seinem Grimme:
    Noch fehlt mir Gopp, wo zaudert er?
    Denn seine Lästerstimme
    Kann heut’ entscheidend sein!
    Da sprach ein kleines Teufelein:
    Ich hab’ auf meiner Reise her
    Zu Aarau ihn gefunden:
    Er redigiret dort die Andachtsstunden!