Die Schlösser König Ludwig’s II.

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Titel: Die Schlösser König Ludwig’s II.
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 116
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[116] Die Schlösser König Ludwig’s II. Wir haben unsern Lesern in Text und Bild die hervorragenden Kunstbauten des verstorbenen Königs vorgeführt: Es wird für sie jedenfalls von Interesse sein, zu erfahren, wie einer der berühmtesten deutschen Kunstgelehrten, Wilhelm Lübke, in seinem Werke „Kunstwerke und Künstler“ (Breslau, Schottländer) über diese Schlösser urtheilt.

Den Preis ertheilt er, was Originalität der Konception betrifft, dem Schloß Neuschwanstein bei Hohenschwangau: „Hier ist im Geiste des hohen Mittelalters eine Schöpfung erstanden, in welcher mit künstlerischer Genialität alle Motive der neuerblühten romanischen Kunst zu einer neuen glanzvollen Blüthe entwickelt sind. Der Bau enthält in freier malerischer Gruppirung alle Elemente der Burg des Mittelalters; den Palas, die Kemnate, den Burgfried etc. in einer Großartigkeit der Anlage, wie das ganze deutsche Mittelalter uns kein Beispiel bietet. Am ersten konnte man noch an die Wartburg erinnern; doch bleibt auch diese im Maßstabe und im Umfang weit hinter dem hier Gewollten zurück.“

Lübke rühmt die freie malerische Gruppirung, die auf kolossalem Unterbau hoch emporgethürmten Massen, die Ausbildung des Innern, die in dem großen Festsaale, einer freien Nachschöpfung des Saals auf der Wartburg, ihren Gipfelpunkt erreicht.

Der „Linderhof“ dagegen ist ein üppigreiches Prunkstück. „Wie anders wirkt das Zeichen auf mich ein!“ wird man ausrufen, wenn man sich von Neuschwanstein aus seiner Betrachtung zuwendet. Er ist ein kleines Lustschloß, das in der ganzen Anlage, in Form und Gruppirung, weit mehr noch in der üppigen Ausstattung der Räume an die Zeiten der Pompadour erinnert. Als Vorbilder für das kleine Zauberschloß sind aber nicht etwa französische Werke, wie Klein- und Groß-Trianon, sondern die zahlreichen Lustschlösser deutscher Fürsten aus dem vorigen Jahrhundert zu betrachten. Solche Bauten wie der Linderhof kommen für die Kunstentwickelung unserer Zeit nicht in Betracht. Bei dieser Schöpfung König Ludwig’s II. kommt noch hinzu, daß sie mit ihrem raffinirten Prunk und den Formen einer aufs äußerste gesteigerten Civilisation der Großartigkeit und Feierlichkeit der umgebenden Natur einen Schlag ins Gesicht versetzen. Wenn es die höchste künstlerische Aufgabe ist, das architektonische Werk gleichsam als feinste Blüthe der umgebenden Natur sich entwickeln zu lassen, so ist hier die schneidendste Dissonanz verwirklicht worden.“

Dies Alles sollte an Ueberschwänglichkeit und Maßlosigkeit noch überboten werden durch den neuen Palast auf Herrenchiemsee. Als Kopie des Schlosses von Versailles sollte er dieses Vorbild an Umfang noch übertreffen. Auch hier steht das Bauwerk mit seiner kolossalen Massenhaftigkeit, seinen prunkvoll kalten Formen, mit seinem raffinirten Luxus in Widerspruch mit der landschaftlichen Umgebung einer von Menschenhand unberührten Gebirgsnatur. Dem schöpferischen Genius wurden bei der strengsten Vorschrift der Nachahmung die härtesten Fesseln angelegt: auch waren es des Königs eigenste Gedanken, Weisungen und Befehle, die hier zur Ausführung gelangten. „So entstand,“ sagt Lübke, „das Riesenwerk als unheimlicher Ausdruck einer auf Irrwege geratenen Phantasie, die nur noch in Ungeheuerlichem sich zu genügen suchte. Ist es nicht ein erschütternder Beweis des Wahnsinns, einen so gigantischen Bau mit dem Aufgebot der kolossalsten Mittel ins Leben zu rufen, der nur dann einigen Sinn hätte, wenn man ihn als den Schauplatz eines glänzenden Fürstenhofs mit seinem pomphaften Ceremoniell und seinen rauschenden Festlichkeiten sich vorstellte? Nun denke man diese riesigen Räume, die nach einer Belebung durch einen zahlreichen glänzenden Hofstaat verlangen, einzig bevölkert durch die träumerische Gestalt dieses unglückseligen Königs in der Mitte einer Handvoll Kammerdiener und Chevauxlegers. Muß man nicht ausrufen: ‚Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an!‘?“

Nach Lübke’s Ansicht waren die ungeheuren Summen, welche König Ludwig II. für seine Bauten ausgegeben hat, weit davon entfernt, der lebenden Kunst irgend eine wahre Förderung zu bringen.

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