Textdaten
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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Die Hamilton’s
Untertitel: oder Die Locke der Maria Stuart
aus: Gedichte, Seite 184–186
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum: 1895
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
Übersetzer:
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[184]
Die Hamilton’s.

oder
Die Locke der Maria Stuart.

     Lord William kam zu sterben,
Lord William Hamilton;
Er spricht zu seinem Sohne:
„Nun höre mich an, Sir John!

5
     „Ich lasse Dir Land und Leute,

Unsren Namen und unsren Ruhm,
Und ich lasse Dir, mehr als alles,
Dieser Locke Heiligthum.

     „Ich sah die Locke fallen,

10
Ich hörte der Scheere Schnitt –

Und als Maria gebetet,
Da betete leis ich mit.

     „Da hab’ ich’s still geschworen:
Zu tragen in Leid und Lust,

15
Zu tragen in Jubel und Thränen,

Diese Locke auf der Brust.

     „Ich hab’ sie in Thränen getragen
Und laß erst im Tode davon; – –
Für die Stuart’s zu leben und sterben,

20
Das schwör’ auch Du, Sir John.“


[185]
     Lord William hat es gesprochen,

Sir John hat’s treu gemeint:
Erst barg er still die Locke,
Dann hat er still geweint.

25
     Er trug sie zwanzig Jahre

Und als sein Stündlein kam,
Er mit des Vaters Worten
Die Locke vom Herzen nahm.

     Er gab sie seinem Sohne

30
Und der Sohn dem Enkel dann,

Ihr Erbtheil war die Treue
Und der Locke Talisman.

     Und als auf blinkendem Zelter
König James[1] gen London zog,

35
Und als auf schwarzem Schaffotte

Karl’s[2] Haupt vom Rumpfe flog;

     Und als an der Boyne wieder[3]
„Stuart“ das Feldgeschrei, –
In Lust und Leid, die Locke

40
Und die Hamilton’s waren dabei.


     Und waren dabei zuletzt auch,
Als auf Cullodens Plan[4]
Ihre Augen das Distelbanner
Noch einmal flattern sahn.

45
     ’s war wieder ein Lord William

Und wieder ein Sir John,
Ein Alter und ein Junger,
Doch Jeder ein Hamilton.

[186]
     Der Junge focht zu Fuße,
50
Der Alte focht zu Roß,

Bis eine englische Kugel
Ihn aus dem Sattel schoß.

     Hin reicht’ er seinem Sohne
Die Locke, roth von Blut,

55
Er hatte nicht Zeit zu sprechen,[5]

Er sprach nur: „wahre sie gut!“

     Er wahrte sie gut, der Junge,
Manchen Mond und manches Jahr,
Der Junge ward ein Alter, –

60
Das Herz blieb wie es war.


     Und als in letzten Tagen
Ihm Kunde kam in’s Haus:
„Sie trugen im fernen Süden
Den letzten Stuart hinaus;“

65
     Da sprach er, als er sterbend

Seinem Sohne die Locke gab:
„Die Stuart’s sind gestorben,
Doch die Treue kennt kein Grab.“

     Und siehe, die Hamilton’s wahren

70
Bis heut ihren alten Ruhm,

Doch Eines mehr als Alles:
Der Locke Heiligthum.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jakob I.
  2. Karl I.
  3. Schlacht am Boyne, 1690
  4. Schlacht bei Culloden, 1746
  5. Vorlage: Er hatte nicht zu Zeit zu sprechen,