Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl II/Fünfzehntes Capitel

Vierzehntes Capitel Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band (1875)
von Charles Darwin
Sechszehntes Capitel


[143]
Fünfzehntes Capitel.
Vögel (Fortsetzung).
Erörterung, warum in manchen Species allein die Männchen, und in andern Species beide Geschlechter glänzend gefärbt sind. — Ueber geschlechtlich beschränkte Vererbung in ihrer Anwendung auf verschiedene Bildungen und auf ein hell gefärbtes Gefieder. — Nestbau in Beziehung zur Farbe. — Verlust des Hochzeitsgefieders während des Winters.

Wir haben in diesem Capitel zu betrachten, warum bei vielen Arten von Vögeln das Weibchen nicht dieselben Verzierungen erhalten hat, wie das Männchen, und warum bei vielen andern Vögeln beide Geschlechter in gleicher Weise oder in beinahe gleicher Weise verziert sind. Im folgenden Capitel werden wir dann untersuchen, warum in einigen seltenen Fällen das Weibchen in die Augen fallender gefärbt ist als das Männchen.

In meiner „Entstehung der Arten“[1] habe ich vorübergehend die Vermuthung ausgesprochen, dass der lange Schwanz des Pfauhahns, ebenso wie die auffallende schwarze Farbe des männlichen Auerhuhns für das Weibchen unzweckmässig und selbst gefährlich wäre, solange es dem Brütgeschäfte obzuliegen hat, und dass in Folge hiervon die Ueberlieferung dieser Charactere vom Männchen auf weibliche Nachkommen durch die natürliche Zuchtwahl gehemmt worden sei. Ich glaube noch immer, dass in einigen wenigen Beispielen dies eingetreten ist; aber nachdem ich alle Thatsachen, welche ich zusammenzubringen im Stande war, reiflich überdacht habe, bin ich jetzt zu der Annahme geneigt, dass, wenn die Geschlechter verschieden sind, die aufeinander folgenden Abänderungen allgemein vom Anfange an in der Ueberlieferung auf dasselbe Geschlecht beschränkt gewesen sind, bei welchem sie zuerst auftraten. Seitdem meine Bemerkungen hierüber erschienen [144] sind, ist der Gegenstand der geschlechtlichen Färbung in einigen sehr interessanten Aufsätzen von Mr. Wallace[2] erörtert worden, welcher der Ansicht ist, dass in beinahe allen Fällen die aufeinanderfolgenden Abänderungen ursprünglich zu einer gleichmässigen Vererbung auf beide Geschlechter neigten, dass aber das Weibchen durch natürliche Zuchtwahl vor dem Erlangen der auffallenden Farben des Männchens bewahrt worden ist in Folge der Gefahr, welcher es sonst während der Bebrütung ausgesetzt gewesen wäre.

Diese Ansicht macht eine langwierige Erörterung über einen schwierigen Punkt nothwendig, nämlich ob die Ueberlieferung eines Characters, welcher zuerst von beiden Geschlechtern geerbt wurde, später durch Hülfe von Zuchtwahl auf ein Geschlecht allein beschränkt werden kann. Wir müssen im Sinne behalten, wie es in dem einleitenden Capitel über geschlechtliche Zuchtwahl gezeigt wurde, dass die Charactere, welche in ihrer Entwickelung auf ein Geschlecht beschränkt sind, immer in dem andern Geschlechte latent vorhanden sind. Wir können uns ein Beispiel ausdenken, welches am besten geeignet ist, die Schwierigkeit des Falles uns vor Augen zu führen. Nehmen wir an, dass ein Züchter den Wunsch hat, eine Rasse von Tauben darzustellen, bei welcher allein die Männchen blass blau gefärbt sind, während die Weibchen ihre frühere schieferblaue Färbung behalten sollen. Da bei Tauben Charactere aller Arten gewöhnlich auf beide Geschlechter gleichmässig vererbt werden, so würde der Züchter den Versuch zu machen haben, diese letztere Form von Vererbung in eine geschlechtlich beschränkte Ueberlieferung umzuwandeln. Alles was er nun thun könnte, bestünde darin, in ausdauernder Weise jede männliche Taube, welche im allergeringsten Grade blässer blau gefärbt wäre, zur Zucht auszuwählen, und das natürliche Resultat dieses Processes, wenn er eine lange Zeit hindurch stetig fortgesetzt würde und wenn die blassen Abänderungen entschieden vererbt würden oder häufig aufträten, würde darin bestehen, dass der Züchter seinen ganzen Stamm heller blau färbte. Unser Züchter würde aber gezwungen sein, Generation nach Generation seine blassblauen Männchen mit schieferblauen Weibchen zu paaren. Denn er wünscht ja die letzteren von dieser Färbung zu behalten. Das Resultat würde im Allgemeinen entweder die Production einer gescheckten Mischlingsrasse sein oder, [145] und zwar wahrscheinlicher, der schnelle und vollständige Verlust der blassblauen Farbe. Denn die ursprüngliche schieferblaue Färbung würde mit überwiegender Kraft überliefert werden. Nehmen wir indess an, dass in jeder der aufeinanderfolgenden Generationen einige blassblaue Männchen und schieferblaue Weibchen hervorgebracht und immer mit einander gekreuzt würden, dann würden die schieferblauen Weibchen, wenn ich mich des Ausdruckes bedienen darf, viel blassblaues Blut in ihren Adern haben, denn ihre Väter, Grossväter u. s. w. werden alle blassblaue Vögel gewesen sein. Unter diesen Umständen lässt sich wohl denken (obschon ich keine entscheidenden Thatsachen kenne, welche die Sache wahrscheinlich machen), dass die schieferblauen Weibchen eine so starke latente Neigung zur blassblauen Färbung erlangen, dass sie diese Farbe bei ihren männlichen Nachkommen nicht zerstören, während ihre weiblichen Nachkommen immer noch die schieferblaue Färbung behalten. Wäre dies der Fall, so würde das gewünschte Ziel, eine Rasse zu erzeugen, in welcher die beiden Geschlechter permanent in ihrer Farbe verschieden wären, erreicht werden.

Die ausserordentliche Bedeutung oder geradezu Nothwendigkeit des Umstandes, dass der in dem eben erläuterten Falle erwünschte Character, nämlich die blassblaue Färbung, wenn auch in einem latenten Zustande bei dem Weibchen vorhanden ist, so dass die männlichen Nachkommen nicht benachtheiligt werden, wird am besten nach den folgenden Erläuterungen richtig gewürdigt werden. Das Männchen vom Sömmerringsfasan hat einen siebenunddreissig Zoll langen Schwanz, während der des Weibchens nur acht Zoll lang ist. Der Schwanz des Männchens des gemeinen Fasans ist ungefähr zwanzig Zoll und der des Weibchens zwölf Zoll lang. Wenn nun der weibliche Sömmerringsfasan mit seinem kurzen Schwanze mit dem männlichen gemeinen Fasane gekreuzt würde, so kann man nicht zweifeln, dass die männlichen hybriden Nachkommen einen viel längeren Schwanz haben würden, als die reinen Nachkommen des gemeinen Fasans. Wenn auf der anderen Seite der weibliche gemeine Fasan, dessen Schwanz nahezu zweimal so lang als der des weiblichen Sömmerringsfasans ist, mit dem Männchen dieser letzteren Form gekreuzt würde, so würden die männlichen hybriden Nachkommen einen viel kürzeren Schwanz haben als der der reinen Nachkommen des Sömmerringsfasans ist.[3]

[146] Unser angenommener Züchter wird, um seine neue Rasse, deren Männchen von einer entschieden blassblauen Farbe sind, während die Weibchen unverändert bleiben, zu bilden, beständig viele Generationen hindurch die Männchen auszuwählen haben und jeder Zustand von Blässe wird in den Männchen zu fixiren und in den Weibchen latent zu machen sein. Die Aufgabe würde eine ausserordentlich schwierige sein und ist auch niemals versucht worden, könnte aber möglicherweise Erfolg haben. Das hauptsächlichste Hinderniss würde der frühzeitige und vollständige Verlust der blassblauen Färbung sein, wegen der Nothwendigkeit wiederholter Kreuzungen mit den schieferblauen Weibchen, welche letztere zunächst gar keine latente Neigung haben, blassblaue Nachkommen zu erzeugen.

Wenn auf der andern Seite ein oder zwei Männchen, wenn auch noch so unbedeutend, in der Blässe ihrer Färbung variiren sollten und wenn die Abänderungen von Anfang an in der Ueberlieferung auf das männliche Geschlecht beschränkt wären, so würde die Aufgabe, eine neue Rasse der gewünschten Art zu bilden, leicht sein; denn es würden einfach derartige Männchen zur Zucht auszuwählen und mit gewöhnlichen Weibchen zu paaren sein. Ein analoger Fall ist factisch eingetreten, denn in Belgien[4] gibt es Taubenrassen, bei welchen die Männchen allein mit schwarzen Streifen gezeichnet sind. So hat ferner Mr. Tegetmeier neuerdings gezeigt,[5] dass Botentauben nicht selten silbergraue Vögel produciren, welche beinahe immer Weibchen sind; er selbst hat zehn solcher Weibchen erzogen. Andrerseits ist es ein sehr ungewöhnliches Ereigniss, wenn ein Silbermännchen erzeugt wird, so dass, wenn es gewünscht würde, nichts leichter wäre, als eine Rasse von Botentauben mit blauen Männchen und silbergrauen Weibchen zu bilden. Diese Neigung ist in der That so stark, dass, als Mr. Tegetmeier endlich ein silbergraues Männchen erhielt und es mit einem seiner silbergrauen Weibchen paarte, er nun erwartete, eine Frucht zu erzielen, wo beide Geschlechter so gefärbt wären. Er wurde indessen enttäuscht, denn das junge Männchen kehrte zur blauen Farbe seines Grossvaters zurück, und nur das Weibchen war silbergrau. [147] Ohne Zweifel wird sich diese Neigung zum Rückschlag bei den, aus der Paarung eines gelegentlich auftretenden silbergrauen Männchens mit einem silbergrauen Weibchen producirten Männchen durch Geduld eliminiren lassen, und dann werden beide Geschlechter gleich gefärbt sein. Diesen nämlichen Process hat denn auch bei silbergrauen Mövchen Mr. Esquilant mit Erfolg ausgeführt.

Was das Huhn betrifft, so kommen Abänderungen der Farbe, welche in der Ueberlieferung auf das männliche Geschlecht beschränkt sind, beständig vor. Selbst wenn diese Form von Vererbung vorherrscht, kann es sich wohl zutragen, dass einige aufeinanderfolgende Stufen in dem Processe der Abänderung auf die Weibchen mit übertragen werden können, welche dann in einem unbedeutenden Grade dem Männchen ähnlich werden, wie es bei manchen Hühnerrassen factisch vorkommt. Oder es könnten auch ferner die grössere Zahl, aber nicht alle, der aufeinanderfolgenden Stufen auf beide Geschlechter übertragen werden, und das Weibchen würde dann dem Männchen sehr ähnlich werden. Es lässt sich kaum zweifeln, dass dies die Ursache davon ist, dass die männliche Kropftaube einen etwas grösseren Kropf und die männliche Botentaube etwas grössere Fleischlappen hat als die beziehentlichen Weibchen. Denn die Züchter haben nicht ein Geschlecht mehr als das andere bei der Nachzucht berücksichtigt, und haben nicht den Wunsch gehegt, dass diese Charactere beim Männchen stärker entfaltet sein sollten als beim Weibchen, trotzdem dies bei beiden Rassen der Fall ist.

Es müsste derselbe Process eingeleitet und es müssten ganz dieselben Schwierigkeiten überwunden werden, wenn wir wünschten, eine Rasse zu bilden, bei welcher nur die Weibchen irgend eine neue Färbung darböten.

Es könnte nun aber endlich unser Züchter wünschen eine Rasse zu bilden, bei welcher beide Geschlechter von einander und auch beide von der elterlichen Species verschieden wären. Hier würde die Schwierigkeit ganz ausserordentlich sein, wenn nicht die aufeinanderfolgenden Abänderungen von Anfang an auf beide Seiten beschränkt wären, und dann würde gar keine Schwierigkeit eintreten. Wir sehen dies bei dem Huhne. So weichen die beiden Geschlechter der gestrichelten Hamburger bedeutend von einander, ebenso wie von den beiden Geschlechtern des ursprünglichen Gallus bankiva ab, und beide werden jetzt auf der Höhe ihrer Vorzüglichkeit gehalten durch fortgesetzte [148] Zuchtwahl, welche unmöglich wäre, wenn nicht die Unterscheidungsmerkmale beider Geschlechter in ihrer Ueberlieferung beschränkt wären. Das spanische Huhn bietet einen noch merkwürdigeren Fall dar: das Männchen hat einen ungeheuren Kamm, aber einige der aufeinanderfolgenden Abänderungen, durch deren Anhäufung jener erlangt wurde, scheinen auch auf das Weibchen überliefert worden zu sein. Denn dasselbe besitzt einen vielmal grösseren Kamm, als der der Weibchen der elterlichen Species ist. Der Kamm des Weibchens weicht aber in einer Beziehung von dem des Männchens ab, denn er ist geneigt umzuschlagen, und in der neueren Zeit ist durch die Mode festgesetzt worden, dass dies immer der Fall sein soll; dieser Befehl hat auch sehr bald einen Erfolg gehabt. Es muss nun das Herabhängen des Kammes in seiner Ueberlieferung geschlechtlich beschränkt sein, denn sonst würde es den Kamm des Männchens verhindern, vollkommen aufrecht zu stehen, was jedem Züchter entsetzlich wäre. Auf der andern Seite muss aber auch das Aufrechtstehen des Kammes beim Männchen gleichfalls ein geschlechtlich beschränkter Character sein, denn im anderen Falle würde er den Kamm des Weibchens hindern herabzuhängen.

Aus den vorstehenden Erläuterungen sehen wir, dass es, selbst wenn wir eine ganz unbegrenzte Zeit zu unserer Disposition hätten, ein ausserordentlich schwieriger und complicirter, wenn auch vielleicht nicht unmöglicher Vorgang wäre, durch Zuchtwahl die eine Form von Ueberlieferung in die andere umzuwandeln. Ohne entschiedene Belege für jeden einzelnen Fall bin ich daher nicht geneigt zuzugeben, dass bei natürlichen Species dies häufig erreicht worden ist. Andererseits würde aber durch Hülfe aufeinanderfolgender Variationen, welche von Anfang an in ihrer Ueberlieferung geschlechtlich beschränkt waren, nicht die geringste Schwierigkeit bestehen können, männliche Vögel in der Farbe oder in irgend einem andern Character vom Weibchen verschieden zu machen, wobei das letztere unverändert gelassen oder unbedeutend verändert oder zum Zwecke des Schutzes speciell modificirt werden könnte.

Da glänzende Farben für die Männchen in ihrem Rivalitätskampfe mit andern Männchen von Nutzen sind, so werden derartige Farben bei der Zuchtwahl berücksichtigt, mögen sie nun ausschliesslich auf das männliche Geschlecht beschränkt überliefert werden oder nicht. In Folge hiervon lässt sich erwarten, dass die Weibchen häufig an der [149] glänzenderen Färbung der Männchen in einem grösseren oder geringeren Grade Theil haben, und dies tritt bei einer Menge von Species ein. Wenn alle aufeinanderfolgenden Abänderungen gleichmässig auf beide Geschlechter überliefert würden, so würden die Weibchen von den Männchen nicht zu unterscheiden sein. Dies tritt gleichfalls bei vielen Vögeln ein. Wenn indessen trübe Färbungen zur Sicherheit des Weibchens während der Brütezeit von hoher Bedeutung wären, wie es bei manchen auf dem Boden lebenden Vögeln der Fall ist, so würden die Weibchen, welche in der Helligkeit ihrer Farben variirten, oder welche durch Vererbung von den Männchen irgend eine auffallende Annäherung an deren Helligkeit erlangten, früher oder später zerstört werden. Es würde aber die Neigung bei den Männchen, ganz unbegrenzt ihre eigene helle Färbung den weiblichen Nachkommen beständig zu überliefern, nur durch eine Veränderung in der Form der Vererbung beseitigt werden können; und dies würde, wie die oben gegebene beispielsweise Erläuterung es zeigt, äusserst schwierig sein. Das wahrscheinlichere Resultat der lange fortgesetzten Zerstörung der heller gefärbten Weibchen würde, vorausgesetzt, dass die gleiche Form von Ueberlieferung herrschend bliebe, die Verringerung oder gänzliche Beseitigung der hellen Farben der Männchen sein, und zwar in Folge ihrer beständigen Kreuzung mit den trüber gefärbten Weibchen. Es würde langweilig sein, hier alle die übrigen möglichen Resultate zu verfolgen; ich will aber die Leser daran erinnern, dass, wenn geschlechtlich beschränkte Abänderungen in der hellen Färbung bei den Weibchen aufträten, selbst wenn dieselben nicht im allergeringsten für sie nachtheilig wären und folglich auch nicht beseitigt würden, sie doch nicht begünstigt oder bei der Zucht berücksichtigt werden würden; denn das Männchen nimmt gewöhnlich jedes beliebige Weibchen an und wählt sich nicht die anziehenderen Individuen aus. Folglich würden diese Abänderungen leicht verloren werden und würden wenig Einfluss auf den Character der Rasse haben; und dies wird die Erklärung des Umstands begünstigen, dass die Weibchen gewöhnlich weniger glänzend gefärbt sind als die Männchen.

In dem achten Capitel wurden Beispiele gegeben, — und es hätte sich noch eine beliebige Zahl hinzufügen lassen, — von Abänderungen, welche in verschiedenen Alterszuständen auftreten und auf entsprechende Altersstufen vererbt werden. Es wurde auch gezeigt, dass Abänderungen, welche spät im Leben auftreten, gewöhnlich auf dasselbe [150] Geschlecht überliefert werden, bei welchem sie zuerst auftraten, während Abänderungen, welche früher im Leben erscheinen, geneigt sind auf beide Geschlechter vererbt zu werden, womit jedoch nicht ausgesprochen werden soll, dass alle Fälle von geschlechtlich beschränkter Vererbung hierdurch erklärt werden können. Es wurde ferner gezeigt, dass, wenn ein männlicher Vogel in der Weise variirte, dass er während des jugendlichen Alters glänzender würde, derartige Variationen von keinem Nutzen sein würden, so lange das reproductionsfähige Alter nicht erreicht ist, wo dann Concurrenz zwischen den rivalisirenden Männchen eintritt. Aber bei Vögeln, welche auf dem Boden leben und welche gewöhnlich des Schutzes trüber Färbungen bedürfen, würden helle Färbungen für die jungen und unerfahrenen Männchen bei weitem gefährlicher sein als für die erwachsenen Männchen. In Folge hiervon würden die Männchen, welche in der Helligkeit ihres Gefieders während des jugendlichen Alters variirten, sehr häufig zerstört und durch natürliche Zuchtwahl beseitigt werden. Auf der anderen Seite können die Männchen, welche in derselben Art und Weise im nahezu geschlechtlichen Zustande variiren, trotzdem dass sie hierdurch noch etwas mehr Gefahr ausgesetzt sind, leben bleiben und, da sie durch geschlechtliche Zuchtwahl begünstigt sind, ihre Art fortpflanzen. Da in vielen Fällen eine Beziehung besteht zwischen der Periode der Abänderung und der Form der Ueberlieferung, so würden, wenn die hell gefärbten jungen Männchen zerstört würden und derartige reife Männchen in ihrer Bewerbung erfolgreich wären, allein die Männchen brillante Färbungen erlangen und nur ihren männlichen Nachkommen überliefern. Ich beabsichtige aber durchaus nicht, hiermit zu behaupten, dass der Einfluss des Alters auf die Form der Ueberlieferung die einzige Ursache der grossen Verschiedenheit in dem Brillantsein des Gefieders zwischen den Geschlechtern vieler Vögel ist.

Da es in Bezug auf alle Vögel, bei denen die Geschlechter in der Farbe verschieden sind, eine interessante Frage ist, ob allein die Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl modificirt und die Weibchen, soweit die Wirksamkeit dieses Moments in Betracht kommt, unverändert geblieben oder nur theilweise verändert worden sind, oder ob die Weibchen durch natürliche Zuchtwahl zum Zwecke eines Schutzes speciell modificirt worden sind, so will ich diese Frage in ziemlicher Ausführlichkeit erörtern, selbst in grösserer Länge als die [151] an und für sich in ihr liegende Bedeutung es verdienen könnte. Denn es lassen sich dabei verschiedene merkwürdige collateral von ihr ausgehende Punkte bequem betrachten.

Ehe wir auf die Frage eingehen, und zwar besonders mit Rücksicht auf die Folgerungen Mr. Wallace's, dürfte es von Nutzen sein, von einem ähnlichen Gesichtspunkte aus einige andere Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern zu erörtern. Es existirte früher in Deutschland eine Rasse von Hühnern,[6] bei welchen die Hennen mit Spornen versehen waren. Sie waren fleissige Leger, aber störten ihre Nester mit ihren Spornen so bedeutend, dass man sie nicht auf ihren eigenen Eiern sitzen lassen konnte. Es schien mir daher früher einmal wahrscheinlich, dass bei den Weibchen der wilden Gallinaceen die Entwickelung von Spornen durch natürliche Zuchtwahl gehemmt worden sei, und zwar wegen des ihren eigenen Nestern zugefügten Schadens. Dies schien mir um so wahrscheinlicher, als die Flügelsporne, welche während der Nidificationsperiode von keinem Nachtheile sein können, häufig beim Weibchen ebensowohl entwickelt sind als beim Männchen, trotzdem sie in nicht wenigen Fällen beim Männchen im Ganzen grösser sind. Wenn das Männchen mit Spornen an den Füssen versehen ist; so bietet das Weibchen beinahe immer Rudimente derselben dar. Das Rudiment besteht zuweilen aus einer blossen Schuppe, wie bei den Species von Gallus. Es könnte daher geschlossen werden, dass die Weibchen ursprünglich mit wohlentwickelten Spornen versehen gewesen sind, dass diese aber entweder durch Nichtgebrauch oder durch natürliche Zuchtwahl verloren wurden. Folgt man aber dieser Ansicht, so würde man sie auf unzählige andere Fälle auszudehnen haben, und sie schliesst auch die Folgerung ein, dass die weiblichen Urerzeuger der jetzt Sporne tragenden Species einst mit einem schädlichen Anhange belästigt gewesen seien.

In einigen wenigen Gattungen und Arten, so bei Galloperdix, Acomus und dem javanischen Pfau (Pavo muticus), besitzen die Weibchen ebensowohl wie die Männchen wohlentwickelte Sporne. Haben wir nun aus dieser Thatsache zu schliessen, dass sie eine verschiedene Art von Nest bauen, welches durch die Sporne nicht verletzt wird, und zwar verschieden von dem Neste, welches ihre nächsten Verwandten bauen, so dass also hier das Bedürfniss nicht vorlag, ihre Sporne zu [152] beseitigen, oder haben wir anzunehmen, dass diese Weibchen die Sporne speciell zu ihrer Vertheidigung bedürfen? Ein wahrscheinlicherer Schluss ist der, dass Beides, sowohl das Vorhandensein als die Abwesenheit von Spornen bei den Weibchen das Resultat von verschiedenen Gesetzen der Vererbung ist, welche unabhängig von natürlicher Zuchtwahl geherrscht haben. Bei den vielen Weibchen, bei welchen die Sporne als Rudimente erscheinen, können wir schliessen, dass einige wenige der nacheinander auftretenden Abänderungen, durch welche sie bei den Männchen zur Entwickelung gelangten, sehr früh im Leben auftraten und als Folge hiervon auf die Weibchen überliefert wurden. In den anderen und viel selteneren Fällen, in welchen die Weibchen völlig entwickelte Sporne besitzen, können wir schliessen, dass sämmtliche nacheinander auftretende Abänderungen auch auf sie überliefert wurden und dass sie allmählich die vererbte Gewohnheit erlangten, ihre Nester nicht zu zerstören.

Die Stimmorgane und die verschiedentlich modificirten Federn zur Hervorbringung von Geräuschen ebenso wie die eigenthümlichen Instincte, diese Einrichtungen zu benutzen, sind oft in den beiden Geschlechtern verschieden, zuweilen aber in beiden gleich entwickelt. Können derartige Verschiedenheiten dadurch erklärt werden, dass die Männchen diese Organe und Instincte erlangt haben, während die Weibchen vor einer Ererbung derselben dadurch bewahrt wurden, dass ihnen daraus eine Quelle von Gefahr, die Aufmerksamkeit von Raubvögeln und Raubthieren auf sich zu lenken, entstanden wäre? Dies scheint mir nicht wahrscheinlich zu sein, wenn wir an die grosse Zahl von Vögeln denken, welche ungestraft die Landschaft mit ihren Stimmen während des Frühjahrs erheitern.[7] Eine sicherere Folgerung ist, dass, wie die Stimmorgane und instrumentalen Einrichtungen nur für die Männchen während ihrer Bewerbung von speciellem Nutzen sind, diese Organe durch geschlechtliche Zuchtwahl und beständigen Gebrauch allein bei diesem Geschlechte entwickelt wurden, während die aufeinanderfolgenden Abänderungen und die Wirkungen des Gebrauchs vom Anfange an in ihrer Ueberlieferung in einem grösseren [153] oder geringeren Grade auf die männlichen Nachkommen beschränkt wurden.

Es könnten viele analoge Fälle noch vorgebracht werden, z. B. die Schmuckfedern auf dem Kopfe, welche allgemein bei dem Männchen länger sind als bei dem Weibchen, zuweilen von gleicher Länge bei beiden Geschlechtern, und gelegentlich beim Weibchen fehlen, wobei es vorkommt, dass diese verschiedenen Fälle zuweilen in einer und derselben Gruppe von Vögeln eintreten. Es würde schwierig sein, eine Verschiedenheit dieser Art zwischen den beiden Geschlechtern aus dem Grunde zu erklären, dass es für das Weibchen eine Wohlthat gewesen sei, einen unbedeutend kürzeren Federkamm zu besitzen, und dass derselbe in Folge hiervon durch natürliche Zuchtwahl verkleinert oder völlig unterdrückt wäre. Ich will aber einen günstigeren Fall, nämlich die Länge des Schwanzes betrachten. Das lange Behänge des Pfauhahns würde nicht nur unbequem, sondern auch während der Incubationsperiode und solange das Weibchen seine Jungen begleitet, gefährlich für dasselbe gewesen sein. Es liegt also darin, dass die Entwickelung des Schwanzes beim Weibchen durch natürliche Zuchtwahl gehemmt worden sei, nicht im allermindesten a priori eine Unwahrscheinlichkeit. Aber die Weibchen verschiedener Fasanen, welche dem Anscheine nach auf ihren offenen Nestern ebenso vielen Gefahren ausgesetzt sind als die Pfauhenne, haben Schwänze von beträchtlicher Länge. Die Weibchen von Menura superba haben ebenso wie die Männchen lange Schwänze und sie bauen ein kuppelförmiges Nest, welches bei einem so grossen Vogel eine bedeutende Anomalie ist. Die Naturforscher haben sich darüber verwundert, wie die weibliche Menura während der Bebrütung ihren Schwanz unterbringen könne. Man weiss aber jetzt,[8] dass sie „in ihr Nest mit dem Kopfe voraus eintritt und sich dann herumdreht, wobei ihr Schwanz zuweilen über ihren Rücken geschlagen, aber häufiger rund um ihre Seite herumgebogen wird. Es wird hierdurch der Schwanz im Laufe der Zeit völlig schief und gibt einen ziemlich sichern Hinweis auf die Länge der Zeit, während welcher der Vogel bereits gesessen hat“. Beide Geschlechter eines australischen Eisvogels (Tanysiptera sylvia) haben bedeutend verlängerte mittlere Schwanzfedern, und da das Weibchen sein Nest in einer Höhle baut, so werden diese Federn, wie mir [154] Mr. R. B. Sharpe mitgetheilt hat, während des Nestbaues sehr zerknittert.

In diesen beiden letztgenannten Fällen muss die bedeutende Länge der Schwanzfedern in einem gewissen Grade für das Weibchen unzuträglich sein, und da in beiden Species die Schwanzfedern des Weibchens etwas kürzer sind als die des Männchens, so könnte man schliessen, dass ihre volle Entwickelung durch natürliche Zuchtwahl gehemmt sei. Es würde aber die Pfauhenne, wenn die Entwickelung ihres Schwanzes nur dann gehemmt worden wäre, wenn derselbe unzuträglich oder gefährlich lang geworden wäre, einen viel längeren Schwanz erlangt haben als sie factisch besitzt, denn ihr Schwanz ist im Verhältniss zur Grösse ihres Körpers nicht nahezu so lang wie der vieler weiblicher Fasanen und auch nicht länger als der des weiblichen Truthuhns. Man muss auch im Sinne behalten, dass in Uebereinstimmung mit dieser Ansicht, sobald der Schwanz der Pfauhenne gefährlich lang und in Folge hiervon seine Entwickelung gehemmt würde, sie beständig auf ihre männlichen Nachkommen eingewirkt haben und den Pfauhahn gehindert haben würde, seinen jetzigen prachtvollen Behang zu erlangen. Wir können daher schliessen, dass die Länge des Schwanzes beim Pfauhahn und seine Kürze bei der Pfauhenne das Resultat davon sind, dass die nöthigen Abänderungen beim Männchen von Anfang an allein auf die männlichen Nachkommen vererbt worden sind.

Wir werden zu einer nahezu ähnlichen Schlussfolgerung in Bezug auf die Länge des Schwanzes bei den verschiedenen Species von Fasanen geführt. Bei dem Ohrenfasan (Crossoptilon auritum) ist der Schwanz in beiden Geschlechtern von gleicher Länge, nämlich sechszehn oder siebzehn Zoll; bei dem gemeinen Fasane ist er ungefähr zwanzig Zoll lang bei dem Männchen und zwölf beim Weibchen. Bei dem Sömmerringsfasane ist er beim Männchen siebenunddreissig und beim Weibchen nur acht Zoll lang, und endlich bei Reeve's-Fasanen ist er zuweilen factisch beim Männchen zweiundsiebenzig Zoll lang und sechszehn Zoll beim Weibchen. Es ist daher in den verschiedenen Species der Schwanz des Weibchens beträchtlich seiner Länge nach verschieden und zwar ohne Bezug auf den Schwanz des Männchens; und dies lässt sich, wie mir scheint, mit viel grösserer Wahrscheinlichkeit durch die Gesetze der Vererbung erklären — d. h. dadurch, dass die aufeinanderfolgenden Abänderungen vom Anfange an mehr [155] oder weniger streng in ihrer Ueberlieferung auf das männliche Geschlecht beschränkt waren — als durch die Wirksamkeit der natürlichen Zuchtwahl, dass nämlich die Länge des Schwanzes in einem grösseren oder geringeren Grade für die Weibchen der verschiedenen Species schädlich geworden wäre.

Wir können nun Mr. Wallace's Argumente in Bezug auf die geschlechtliche Färbung der Vögel betrachten. Er glaubt, dass die ursprünglichen von den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangten glänzenden Farben in allen oder beinahe allen Fällen auf die Weibchen überliefert worden wären, wenn diese Uebertragung nicht durch natürliche Zuchtwahl gehemmt worden wäre. Ich will hier den Leser daran erinnern, dass verschiedene auf diese Ansicht sich beziehenden Thatsachen bereits in dem Abschnitte über Reptilien, Amphibien, Fische und Lepidoptern gegeben worden sind. Mr. Wallace gründet seine Ansicht hauptsächlich, aber nicht ausschliesslich, wie wir im nächsten Capitel sehen werden, auf die folgende Angabe,[9] dass, wenn beide Geschlechter in einer sehr auffallenden Weise gefärbt sind, das Nest von einer solchen Natur ist, dass es die auf den Eiern sitzenden Vögel verbirgt, dass aber, wenn ein ausgesprochener Contrast der Farbe zwischen den Geschlechtern besteht, wenn das Männchen hell und das Weibchen düster gefärbt ist, das Nest dann offen ist und die auf den Eiern sitzenden Vögel den Blicken aussetzt. Dieses Zusammentreffen unterstützt, soweit es vorkommt, sicherlich die Annahme, dass die Weibchen, welche auf offenen Nestern sitzen, zum Zwecke des Schutzes speciell modificirt worden sind; wir werden aber sofort sehen, dass es noch eine andere und wahrscheinlichere Erklärung gibt, nämlich die, dass auffallend gefärbte weibliche Vögel häufiger als trübe gefärbte den Instinct erlangt haben, kuppelförmige Nester zu bauen. Mr. Wallace gibt zu, dass, wie sich hätte erwarten lassen, einige Ausnahmen von diesen seinen beiden Regeln existiren; es ist aber die Frage, ob die Ausnahmen nicht so zahlreich sind, dass die Regeln ernstlich erschüttert werden.

An erster Stelle liegt in der Bemerkung des Herzogs von Argyll[10] viel Wahres, dass ein grosses kuppelförmiges Nest einem Feinde viel auffälliger ist, besonders allen auf Bäumen jagenden fleischfressenden Thieren, als ein kleineres offenes Nest. Auch dürfen wir nicht vergessen, [156] dass bei vielen Vögeln, welche offene Nester bauen, die Männchen ebensogut wie die Weibchen auf den Eiern sitzen und letztere bei dem Ernähren der Jungen unterstützen. Dies ist z. B. der Fall bei Pyranga aestiva,[11] einem der glänzendsten Vögel in den Vereinigten Staaten: das Männchen ist scharlachroth, das Weibchen hellbräunlich-grün. Wenn nun brillante Färbungen für Vögel, während sie auf ihren offenen Nestern sitzen, äusserst gefährlich wären, so würden in diesen Fällen die Männchen bedeutend gelitten haben. Es kann indessen für das Männchen von einer so capitalen Bedeutung sein, brillant gefärbt zu werden, um seine Rivalen zu besiegen, dass etwaige weitere Gefahren hierdurch mehr als ausgeglichen werden.

Mr. Wallace gibt zu, dass bei den Königskrähen (Dicrurus), Golddrosseln (Orioli) und Prachtdrosseln (Pittidae) die Weibchen auffallend gefärbt sind und doch offene Nester bauen. Er betont aber, dass die Vögel der ersten Gruppe in hohem Grade kampfsüchtig sind und sich selbst vertheidigen können, dass diejenigen der zweiten Gruppe äusserste Sorgfalt darauf verwenden, ihre offenen Nester zu verbergen; doch gilt dies nicht für alle Fälle ohne Ausnahme;[12] und dass bei den Vögeln der dritten Gruppe die Weibchen hauptsächlich an der Unterfläche glänzend gefärbt sind. Ausser diesen Fällen bietet die ganze grosse Familie der Tauben, welche zuweilen hell und beinahe immer auffallend gefärbt sind und welche notorisch den Angriffen von Raubvögeln sehr ausgesetzt sind, eine bedenkliche Ausnahme von der Regel dar; denn Tauben bauen beinahe immer offene und exponirte Nester. In einer anderen grossen Familie, der der Colibri's, bauen alle Species offene Nester, und doch sind bei einigen der prachtvollsten Species die Geschlechter einander gleich, und in der Majorität der Arten sind die Weibchen, wenn auch weniger brillant als die Männchen, aber doch hell gefärbt. Auch kann nicht behauptet werden, dass alle weiblichen Colibris, welche hell gefärbt sind, dadurch der Entdeckung entgehen, dass ihre Farbentöne grün sind; denn einige entfalten auf ihrer oberen Fläche rothe, blaue und andere Färbungen.[13]

[157] Was die Vögel betrifft, welche in Höhlen nisten oder sich kuppelförmige Nester bauen, so werden, wie Mr. Wallace bemerkt, ausser dem Verbergen noch andere Vortheile dadurch erreicht, so Schutz gegen Regen, grössere Wärme und in warmen Ländern Schutz gegen die Sonnenstrahlen,[14] so dass in dem Umstande, dass viele Vögel, von denen beide Geschlechter dunkel gefärbt sind, verborgene Nester bauen,[15] kein gültiger Einwurf gegen seine Ansicht liegt. Das Weibchen des Hornvogels (Buceros) z. B. in Indien und Africa ist während der Zeit des Nistens ausserordentlich sorgfältig geschützt; denn dasselbe klebt die Höhle, in welcher es auf seinen Eiern sitzt, mit seinen eignen Excrementen fast ganz zu und lässt nur eine kleine Oeffnung, durch welche hindurch das Männchen es ernährt, frei. Das Weibchen wird auf diese Weise während der ganzen Bebrütungszeit in enger Gefangenschaft gehalten;[16] und doch sind weibliche Hornvögel nicht augenfälliger gefärbt, als viele andere Vögel von gleicher Grösse, welche offene Nester bauen. Wie Mr. Wallace selbst zugibt, liegt ein bedenklicherer Einwurf gegen seine Ansicht darin, dass in einigen wenigen Gruppen die Männchen brillant gefärbt, die Weibchen dunkel sind und dass trotzdem die letzteren ihre Eier in bedeckten Nestern ausbrüten. Dies ist der Fall mit den Grallinen von Australien, mit den Maluriden desselben Landes, den Nectariniden und mit mehreren der australischen Honigsauger oder Meliphagiden.[17]

Wenn wir die Vögel von England betrachten, so stellt sich heraus, dass kein enges und allgemein bestehendes Verhältniss zwischen den Farben des Weibchens und der Natur des Nestes, welches dasselbe baut, vorhanden ist. Ungefähr vierzig unserer britischen Vögel (mit [158] Ausnahme der von bedeutender Grösse, welche sich selbst vertheidigen können) nisten in Höhlungen, an Ufern, an Flüssen oder Bäumen, oder bauen sich gewölbte Nester. Wenn wir die Farben des weiblichen Stieglitz, Gimpel oder der Amsel als Maassstab für den Grad der Augenfälligkeit annehmen, welche für das auf den Eiern sitzende Weibchen von keiner grossen Gefahr ist, so kann man unter den eben erwähnten vierzig Vögeln nur die Weibchen von zwölf als in einem gefährlichen Grade auffallend gefärbt betrachten, wogegen die übrigbleibenden achtundzwanzig nicht auffällig sind.[18] Es besteht auch keine nahe Beziehung zwischen einer scharf ausgeprägten Verschiedenheit in der Farbe zwischen den beiden Geschlechtern und der Beschaffenheit des gebauten Nestes. So weicht der männliche Haussperling (Passer domesticus) sehr vom Weibchen ab, wogegen der männliche Baumsperling (Passer montanus) kaum irgendwie vom Weibchen verschieden ist; und doch bauen beide wohl verborgene Nester. Die beiden Geschlechter des gemeinen Fliegenschnäppers (Muscicapa grisola) können kaum von einander unterschieden werden, während die Geschlechter des gefleckten Fliegenschnäppers (M. luctuosa) beträchtlich von einander abweichen, und beide nisten in Höhlen. Die weibliche Amsel (Turdus merula) weicht bedeutend, die weibliche Ringamsel (T. torquatus) nur wenig und das Weibchen der gemeinen Drossel (T. musicus) kaum irgendwie von dem betreffenden Männchen ab, und doch bauen sie sämmtlich offene Nester. Andererseits baut die ziemlich nahe mit den Genannten verwandte Wasseramsel (Cinclus aquaticus) ein gewölbtes Nest und die Geschlechter weichen hier ungefähr so viel von einander ab wie bei der Ringamsel. Das Birkhuhn und Moorhuhn (Tetrao tetrix und T. scoticus) bauen offene Nester in gleichmässig wohlverborgenen [159] Oertlichkeiten. Doch weichen in der einen Species die Geschlechter bedeutend und in der anderen sehr wenig von einander ab.

Trotz der im Vorstehenden aufgezählten Einwürfe kann ich nach Durchlesen von Mr. Wallace's ausgezeichneter Abhandlung nicht zweifeln, dass im Hinblick auf die Vögel der ganzen Erde eine bedeutende Majorität derjenigen Species, bei denen die Weibchen auffallend gefärbt sind (und in diesen Fällen sind die Männchen mit seltenen Ausnahmen in gleicher Weise auffallend gefärbt), verborgene Nester zum Zwecke eines Schutzes bauen. Mr. Wallace zählt[19] eine lange Reihe von Gruppen auf, in welchen diese Regel Gültigkeit hat. Es wird aber genügen, wenn ich hier als Beispiel die bekannteren Gruppen der Eisvögel, Tukans, Kurukus (Trogones), Bartvögel (Capitonidae), Pisangfresser (Musophagae), Spechte und Papageien anführe. Mr. Wallace glaubt, dass in diesen Gruppen die brillanten Färbungen in dem Maasse als die Männchen dieselben durch geschlechtliche Zuchtwahl allmählich erlangt haben, auf die Weibchen überliefert und wegen des Schutzes, welchen dieselben bereits durch die Art und Weise ihres Nestbaues erhielten, nicht wieder beseitigt wurden. Dieser Ansicht zufolge erlangten diese Vögel die jetzige Art und Weise des Nistens früher als die sie jetzt schmückenden Farben. Es scheint mir aber viel wahrscheinlicher zu sein, dass in den meisten Fällen die Weibchen, wie dieselben dadurch immer mehr und mehr brillant gefärbt wurden, dass sie an der Färbung des Männchens theilnahmen, allmählich dazu geführt wurden, ihre Instincte zu verändern (allerdings unter der Annahme, dass sie ursprünglich offene Nester bauten) und sich Schutz zu suchen durch das Errichten kuppelförmiger oder verborgener Nester. Niemand, welcher z. B. Audubon's Beschreibung der Verschiedenheiten in dem Nestbaue einer und der nämlichen Species in den nördlichen und südlichen Vereinigten Staaten liest,[20] wird eine besondere Schwierigkeit darin finden, zuzugeben, dass Vögel entweder durch eine Veränderung (im strengsten Sinne des Wortes) ihrer Lebensweise oder durch die natürliche Zuchtwahl sogenannter spontaner Abänderungen des Instinctes leicht dahin gebracht werden können, die Art und Weise ihres Nestbaues zu modificiren. [160] Diese Art, das Verhältniss zwischen der hellen Färbung weiblicher Vögel und ihrer Weise Nester zu bauen, soweit ein solches gültig ist, zu betrachten, erfährt durch gewisse analoge Fälle Unterstützung, welche in der Wüste Sahara vorkommen. Hier leben, wie in den meisten anderen Wüsten, verschiedene Vögel und viele andere Thiere, deren Färbung in einer wunderbaren Weise der Färbung der umgebenden Erdoberfläche angepasst ist. Nichtsdestoweniger bestehen, wie mir Mr. Tristman mitgetheilt hat, einige merkwürdige Ausnahmen von dieser Regel. So ist das Männchen der Monticola cyanea wegen seiner hellblauen Farbe auffallend und das Weibchen ist beinahe in gleicher Weise auffallend wegen seines gefleckten und braunen Gefieders. Beide Geschlechter von zwei Species von Dromolaea sind von einem glänzenden Schwarz. Diese drei Vögel sind daher weit entfernt davon, durch ihre Farbe Schutz zu erhalten, und doch sind sie im Stande zu leben, denn sie haben die Gewohnheit erlangt, bei drohender Gefahr in Höhlen oder Felsenspalten Zuflucht zu suchen.

In Bezug auf die oben angeführten Gruppen von Vögeln, bei denen die Weibchen auffallend gefärbt sind und verborgene Nester bauen, ist es nicht nöthig anzunehmen, dass bei jeder einzelnen Species der nestbauende Instinct speciell modificirt worden ist, sondern nur, dass die frühen Urerzeuger einer jeden Gruppe allmählich dazu gebracht wurden, kuppelförmige oder verborgene Nester zu errichten, und später diesen Instinct in Verbindung mit ihrer hellen Farbe auf ihre modificirten Nachkommen vererbten. Diese Folgerung ist, soweit sie zuverlässig ist, interessant. Sie zeigt nämlich, dass geschlechtliche Zuchtwahl in Verbindung mit gleichmässiger oder nahezu gleichmässiger Vererbung auf beide Geschlechter indirect die Art und Weise des Nestbaues bei ganzen Gruppen von Vögeln bestimmt hat.

Selbst in den Gruppen, bei welchen Mr. Wallace zufolge die Weibchen ihre hellen Farben nicht durch natürliche Zuchtwahl verloren haben, weil sie in Folge ihrer Art des Nestbaues bereits geschützt sind, weichen die Männchen oft in einem ganz unbedeutenden und gelegentlich in einem beträchtlichen Grade von den Weibchen ab. Dies ist eine sehr bezeichnende Thatsache; denn derartige Verschiedenheiten in der Färbung müssen aus dem Principe erklärt werden, dass einige der Abänderungen bei dem Männchen vom Anfange an in ihrer Ueberlieferung auf ein und das nämliche Geschlecht beschränkt gewesen sind, da sich doch kaum behaupten lässt, dass diese Verschiedenheiten,

[161] besonders wenn sie sehr unbedeutend sind, als ein Schutz für das Weibchen dienen. So bauen alle Species in der glänzenden Gruppe der Kurukus (Trogones) in Höhlen und Mr. Gould gibt Abbildungen[21] von beiden Geschlechtern von fünfundzwanzig Species, bei welchen sämmtlich, mit einer theilweisen Ausnahme, die Geschlechter zuweilen unbedeutend, zuweilen auffallend in der Farbe von einander abweichen, wobei die Männchen immer schöner als die Weibchen sind, trotzdem auch die letzteren schön sind. Alle Species von Eisvögeln bauen in Höhlen und bei den meisten der Species sind die Geschlechter gleichmässig brillant, und soweit hat Mr. Wallace's Regel Gültigkeit. Aber bei einigen der australischen Species sind die Farben des Weibchens im Ganzen etwas weniger lebhaft als die des Männchens und in einer glänzend gefärbten Art weichen die Geschlechter so bedeutend von einander ab, dass sie Anfangs für specifisch verschieden gehalten wurden.[22] Mr. R. B. Sharpe, welcher diese Gruppe specieller studirt hat, hat mir einige americanische Species (Ceryle) gezeigt, bei denen die Brust des Männchens einen schwarzen Gürtel trägt. Ferner ist auch bei Carcineutes die Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern in die Augen fallend; bei dem Männchen ist die obere Fläche düster blau mit Schwarz gebändert, während die untere Fläche theilweise rothbraun gefärbt ist; auch findet sich um den Kopf herum viel Roth. Beim Weibchen ist die obere Fläche röthlich-braun mit Schwarz gebändert und die untere Fläche ist weiss mit schwarzen Zeichnungen. Es ist eine interessante Thatsache, da sie zeigt, wie dieselbe eigenthümliche Art geschlechtlicher Färbungen oft verwandte Formen characterisirt, dass in drei Species von Dacelo das Männchen vom Weibchen nur darin abweicht, dass der Schwanz dunkelblau mit Schwarz gebändert ist, während der Schwanz des Weibchens braun mit schwärzlichen Querbalken ist, so dass hier der Schwanz der beiden Geschlechter in seiner Färbung in genau derselben Weise verschieden ist, wie die ganze obere Fläche bei den beiden Geschlechtern von Carcineutes.

Unter den Papageien, welche gleichfalls in Höhlen nisten, finden wir analoge Fälle. In den meisten Arten sind beide Geschlechter brillant gefärbt und nicht von einander zu unterscheiden, aber in nicht wenigen Species sind die Männchen im Ganzen lebhafter gefärbt als [162] die Weibchen, oder selbst sehr verschieden von jenen. So ist neben anderen scharf ausgesprochenen Verschiedenheiten die ganze untere Fläche des männlichen Königslori (Aprosmictus scapulatus) scharlachroth, während die Kehle und Brust des Weibchens grün mit Roth gefärbt ist. Bei der Euphema splendida besteht eine ähnliche Verschiedenheit; das Gesicht und die Flügeldeckfedern des Weibchens sind ausserdem von einem blasseren Blau als beim Männchen.[23] In der Familie der Meisen (Parinae), welche verborgene Nester bauen, ist das Weibchen unserer Blaumeise (Parus caeruleus) „viel weniger hell gefärbt“ als das Männchen, und bei der prachtvollen gelben Sultanmeise von Indien ist die Verschiedenheit noch grösser.[24]

Es sind ferner in der grossen Gruppe der Spechte[25] die Geschlechter allgemein nahezu gleich, aber bei dem Megapicus validus sind alle die Theile des Kopfes, des Halses und der Brust, welche bei den Männchen carmoisinroth sind, beim Weibchen blassbraun. Da bei mehreren Spechten der Kopf hell scharlachroth ist, während der des Weibchens einfach gefärbt ist, so kam mir der Gedanke, dass diese Färbung möglicherweise das Weibchen in einem gefährlichen Grade auffallend machen würde, sobald es seinen Kopf aus der das Nest enthaltenden Höhle herausstreckt, und dass in Folge hiervon diese Färbung in Uebereinstimmung mit der Ansicht Mr. Wallace's beseitigt worden sei. Diese Ansicht wird durch das unterstützt, was Malherbe in Bezug auf den Indopicus carlotta angibt, dass nämlich die jungen Weibchen ganz ebenso wie die jungen Männchen etwas Scharlachroth um ihren Kopf haben, dass aber diese Färbung bei dem erwachsenen Weibchen verschwindet, während sie bei dem erwachsenen Männchen noch intensiver wird. Aber trotz dem Allem machen die folgenden Betrachtungen diese Ansicht doch äusserst zweifelhaft. Das Männchen nimmt einen gehörigen Theil an der Bebrütung[26] und würde soweit beinahe ebenso der Gefahr ausgesetzt sein; beide Geschlechter vieler Species haben [163] einen in gleicher Weise hell scharlachroth gefärbten Kopf; bei anderen Species ist die Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern in Bezug auf diese scharlachene Färbung so unbedeutend, dass hierin kaum irgend ein wahrnehmbarer Unterschied in der darin liegenden Gefahr erblickt werden kann; und endlich ist die Färbung des Kopfes in den beiden Geschlechtern oft in anderer Weise unbedeutend verschieden.

Die bis jetzt mitgetheilten Fälle von unbedeutenden und allmählich abgestuften Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Männchen und Weibchen in denjenigen Gruppen, bei welchen als allgemeine Regel die Geschlechter einander ähnlich sind, beziehen sich sämmtlich auf Species, welche kuppelförmige oder verborgene Nester bauen. Aber ähnliche Abstufungen lassen sich in gleicher Weise in Gruppen beobachten, bei denen die Geschlechter der allgemeinen Regel nach einander ähnlich sind, welche aber offene Nester bauen. Da ich vorhin die australischen Papageien als Beispiel angeführt habe, so will ich hier ohne weitere Details mitzutheilen die australischen Tauben als Beispiel anziehen.[27] Es verdient besondere Beachtung, dass in allen diesen Fällen die unbedeutenden Verschiedenheiten im Gefieder zwischen den Geschlechtern von derselben allgemeinen Beschaffenheit sind, wie die gelegentlich auftretenden grösseren Verschiedenheiten. Eine gute Erläuterung dieser Thatsache ist bereits durch die Erwähnung der Eisvögel mitgetheilt worden, bei welchen entweder der Schwanz allein, oder die ganze obere Fläche des Gefieders in derselben Art und Weise in den beiden Geschlechtern verschieden ist. Aehnliche Fälle lassen sich bei Papageien und Tauben beobachten. Auch sind die Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Geschlechtern einer und der nämlichen Species von derselben allgemeinen Beschaffenheit wie die Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den einzelnen Species einer und der nämlichen Gruppe. Denn wenn in einer Gruppe, in welcher die Geschlechter gewöhnlich gleich sind, das Männchen beträchtlich vom Weibchen abweicht, so ist es durchaus nicht in einem vollkommen neuen Style gefärbt. Wir können daher schliessen, dass innerhalb einer und der nämlichen Gruppe die speciellen Farben beider Geschlechter, wenn sie gleich sind, und die Färbungen des Männchens, wenn diese unbedeutend oder selbst beträchtlich vom Weibchen verschieden ist, in den meisten Fällen durch eine und die [164] nämliche Ursache bestimmt worden sind; und diese ist geschlechtliche Zuchtwahl.

Wie bereits bemerkt worden ist, ist es nicht wahrscheinlich, dass Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Geschlechtern, wenn sie sehr unbedeutend sind, für das Weibchen als Schutzmittel von Nutzen sein können. Nehmen wir indessen an, dass sie von Nutzen seien, so könnte man wohl glauben, dass sie Uebergangsfälle darstellen. Wir haben aber keinen Grund zu der Annahme, dass zu irgend einer gegebenen Zeit viele Species einer Veränderung unterliegen. Wir können daher kaum zugeben, dass die zahlreichen Weibchen, welche sehr unbedeutend in der Färbung von ihren Männchen verschieden sind, jetzt alle zum Zwecke eines Schutzes dunkler zu werden beginnen. Selbst wenn wir etwas schärfer ausgesprochene geschlechtliche Verschiedenheiten in Betracht ziehen: ist es wahrscheinlich, dass z. B. der Kopf des weiblichen Buchfinken, das Carmoisinroth an der Brust des weiblichen Gimpels, das Grün des weiblichen Grünfinken, die Krone des feuerköpfigen Goldhähnchens sämmtlich durch den langsamen Process der Zuchtwahl zum Zwecke des Schutzes weniger hell gemacht worden sind? Ich kann dies nicht glauben, und noch weniger in Bezug auf unbedeutende Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern bei solchen Vögeln, welche verborgene Nester bauen. Auf der andern Seite können die Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den beiden Geschlechtern, mögen sie nun grösser oder kleiner sein, in einer bedeutenden Ausdehnung durch die Annahme erklärt werden, dass die aufeinanderfolgenden Variationen, welche die Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt haben, vom Anfange an in ihrer Ueberlieferung mehr oder weniger auf die Männchen beschränkt waren. Dass der Grad dieser geschlechtlichen Beschränkung in verschiedenen Species einer und der nämlichen Gruppe verschieden ist, wird Niemand überraschen, welcher die Gesetze der Vererbung studirt hat; denn sie sind so complicirt, dass sie uns bei unserer Unwissenheit in ihrer Wirksamkeit launenhaft zu sein scheinen.[28]

Soweit ich es nachweisen kann, gibt es nur sehr wenig, eine beträchtliche Anzahl von Species enthaltende Gruppen, bei welchen alle Arten in beiden Geschlechtern brillant gefärbt und gleich sind. Dies scheint aber, wie ich von Mr. Sclater höre, mit den Pisangfressern [165] oder Musophagae der Fall zu sein. Auch glaube ich nicht, dass irgend eine grössere Gruppe existirt, bei welcher die Geschlechter sämmtlicher Arten in ihrer Färbung sehr weit von einander verschieden wären. Mr. Wallace theilt mir mit, dass die Seidenschwänze von Südamerica (Cotingidae) eines der besten Beispiele darbieten; aber bei einigen der Species, bei welchen das Männchen eine glänzende rothe Brust hat, zeigt auch das Weibchen etwas Roth an seiner Brust, und die Weibchen anderer Species zeigen Spuren der grünen und anderen Färbungen der Männchen. Nichtsdestoweniger haben wir aber auch innerhalb anderer Gruppen Fälle von bedeutender Annäherung an eine grössere geschlechtliche Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit; und dies ist nach dem, was oben über die fluctuirende Beschaffenheit der Vererbung gesagt worden ist, ein etwas überraschender Umstand. Dass aber bei verwandten Thieren die nämlichen Gesetze in hohem Maasse gelten, ist nicht überraschend. Das Haushuhn hat eine grosse Anzahl von Rassen und Unterrassen entstehen lassen, und bei diesen weichen im Allgemeinen die Geschlechter im Gefieder von einander ab, so dass es als ein merkwürdiger Umstand betrachtet worden ist, wenn sie in gewissen Unterrassen einander ähnlich sind. Auf der anderen Seite hat die Haustaube gleichfalls eine ungeheure Anzahl von verschiedenen Rassen und Unterrassen entstehen lassen, und bei diesen sind mit seltenen Ausnahmen die beiden Geschlechter identisch gleich. Wenn daher andere Species von Gallus und Columba domesticirt worden wären und variirten, so würde es nicht voreilig sein, vorauszusagen, dass dieselben, von der herrschenden Form der Vererbung abhängigen allgemeinen Regeln der geschlechtlichen Aehnlichkeit und Unähnlichkeit in beiden Fällen gelten werden. In einer ähnlichen Weise hat allgemein dieselbe Form der Ueberlieferung durch dieselben natürlichen Gruppen hindurch geherrscht, wennschon ausgesprochene Ausnahmen von dieser Regel vorkommen. Innerhalb einer und der nämlichen Familie oder selbst derselben Gattung können die Geschlechter identisch und gleich oder sehr verschieden in der Färbung sein. Beispiele, welche sich auf dieselbe Gattung beziehen, sind bereits mitgetheilt worden, so bei Sperlingen, Fliegenschnäppern, Drosseln und Waldhühnern. In der Familie der Fasanen sind die Männchen und Weibchen beinahe sämmtlicher Species wunderbar unähnlich, sind aber einander bei dem Ohrenfasan oder Crossoptilon auritum vollständig ähnlich. In zwei Species von Chloëphaga, einer Gattung der Gänse, können die Männchen [166] nicht von den Weibchen unterschieden werden, ausgenommen durch die Grösse, während in zwei anderen die Geschlechter einander so ungleich sind, dass sie leicht fälschlich für verschiedene Arten gehalten werden können.[29]

Die folgenden Fälle können nur durch die Gesetze der Vererbung erklärt werden, wo nämlich das Weibchen in einer späten Lebensperiode gewisse Charactere erhält, welche dem Männchen eigen sind, und dann schliesslich diesem mehr oder weniger vollständig ähnlich wird. Hier kann der Schutz kaum in's Spiel gekommen sein. Mr. Blyth theilt mir mit, dass die Weibchen von Oriolus melanocephalus und einiger nahe verwandter Species, wenn sie hinreichend reif sind, um zu brüten, beträchtlich in ihrem Gefieder von den erwachsenen Männchen verschieden sind. Aber nach der zweiten oder dritten Mauserung weichen sie nur darin von jenen ab, dass der Schnabel eine leicht grünliche Färbung erhält. Bei den Zwergreihern (Ardetta) erlangt derselben Autorität zufolge „das Männchen seine schliessliche Färbung mit der ersten Mauserung, das Weibchen nicht vor der dritten oder vierten. In der Zwischenzeit bietet es eine intermediäre Färbung dar, welche schliesslich gegen ein Kleid vertauscht wird, welches mit dem des Männchens identisch ist“. So erlangt ferner der weibliche Wanderfalke (Falco peregrinus) sein blaues Gefieder langsamer als das Männchen. Mr. Swinhoe führt an, dass bei einem Drongo-Würger (Dicrurus macrocercus) das Männchen, während es fast noch ein Nestling ist, sein weiches braunes Gefieder mausert und ein gleichförmiges, glänzendes, grünlich-schwarzes erhält. Das Weibchen behält dagegen lange Zeit die weissen Streifen und Flecken auf den Achselfedern und nimmt die gleichmässige schwarze Farbe des Männchens vor den ersten drei Jahren nicht vollständig an. Derselbe ausgezeichnete Beobachter bemerkt, dass im Frühlinge des zweiten Jahres der weibliche Löffelreiher (Platalea) von China dem Männchen des ersten Jahres ähnlich ist und dass er allem Anscheine nach nicht vor dem dritten Frühlinge dasselbe erwachsene Gefieder erhält, wie es das Männchen in einem viel früheren Alter besitzt. Der weibliche nordamericanische Seidenschwanz (Bombycilla carolinensis) ist vom Männchen nur sehr wenig verschieden; aber die Anhänge, welche wie Tropfen von rothem Siegellack die Schwungfedern [167] verzieren,[30] entwickeln sich bei demselben nicht so zeitig im Leben als beim Männchen. Die obere Kinnlade beim Männchen eines indischen Papageien (Palaeornis javanicus) ist von der frühesten Jugend an korallenroth; beim Weibchen aber ist sie, wie Mr. Blyth an in Käfigen gehaltenen und wilden Vögeln beobachtet hat, anfangs schwarz und wird nicht eher roth, als bis der Vogel wenigstens ein Jahr alt ist, in welchem Alter die Geschlechter einander in allen Beziehungen ähnlich sind. Beide Geschlechter des wilden Truthuhns sind schliesslich mit einem Büschel von Borsten auf ihrer Brust versehen, aber bei zwei Jahre alten Vögeln ist dieses Büschel beim Männchen ungefähr vier Zoll lang und beim Weibchen kaum zu bemerken. Wenn indessen das Letztere sein viertes Jahr erreicht hat, so ist jenes Büschel vier bis fünf Zoll lang.[31]

Derartige Fälle dürfen nicht mit solchen vermengt werden, bei welchen erkrankte oder alte Weibchen abnormer Weise männliche Charactere annehmen, oder mit solchen, in welchen vollkommen fruchtbare Weibchen, so lange sie jung sind, durch Abänderung oder durch irgend eine unbekannte Ursache die Merkmale des Männchens annehmen.[32] Aber alle diese Fälle haben soviel mit einander gemein, dass sie, der Hypothese der Pangenesis zufolge, davon abhängen, dass aus jedem Theile des Männchens herrührende Keimchen beim Weibchen, wenn auch latent, vorhanden sind und dass ihre Entwickelung Folge von irgend einer unbedeutenden Veränderung in den Wahlverwandtschaften seiner constituirenden Gewebe ist.

[168] Ein paar Worte müssen noch über die Veränderung des Gefieders in Beziehung auf die Jahreszeit zugefügt werden. Aus früher angeführten Gründen lässt sich nur wenig daran zweifeln, dass die eleganten Schmuckfedern, die langen wallenden Federn, Federbüsche u. s. w. von Silberreihern, Reihern und vielen anderen Vögeln, welche nur während des Sommers entwickelt und behalten werden, ausschliesslich zu ornamentalen oder Hochzeitszwecken dienen, wenn sie auch beiden Geschlechtern gemeinsam zukommen. Das Weibchen wird hierdurch während der Bebrütungsperiode auffallender gemacht als während des Winters. Aber solche Vögel wie Reiher, Silberreiher werden im Stande sein, sich selbst zu vertheidigen. Da indessen Schmuckfedern wahrscheinlich während des Winters unbequem und gewiss von keinem Nutzen sind, so ist es möglich, dass die Gewohnheit, zweimal im Jahre sich zu mausern, allmählich durch natürliche Zuchtwahl zu dem Zwecke erlangt worden ist, unzuträgliche Zierathen während des Winters abzustossen. Diese Ansicht kann indess auf viele Wadevögel nicht ausgedehnt werden, bei welchen das Sommer- und Wintergefieder nur sehr wenig in der Färbung verschieden ist. Bei vertheidigungslosen Species, bei welchen entweder beide Geschlechter oder allein die Männchen während der Paarung äusserst auffällig werden, — oder wenn die Männchen in dieser Zeit so lange Schwung- oder Schwanzfedern erlangen, dass der Flug gehindert wird, wie bei Cosmetornis und Vidua —, erscheint es sicherlich auf den ersten Blick im hohen Grade wahrscheinlich, dass die zweite Mauserung zu dem speciellen Zwecke erlangt worden ist, diese Ornamente abzuwerfen. Wir müssen uns indessen daran erinnern, dass viele Vögel, so die Paradiesvögel, der Argusfasan und Pfauhahn, ihre Schmuckfedern im Winter nicht abwerfen, und es lässt sich doch kaum behaupten, dass in der Constitution dieser Vögel, mindestens der Gallinaceen, etwas liege, was eine doppelte Mauserung unmöglich macht; denn das Schneehuhn mausert sich dreimal im Jahre.[33] Es muss daher als zweifelhaft angesehen werden, ob die vielen Species, welche ihre ornamentalen Federn mausern oder ihre hellen Färbungen während des Winters verlieren, diese Gewohnheit wegen der Unbequemlichkeit oder der Gefahr, welcher sie im andern Falle ausgesetzt wären, erlangt haben.

Ich komme daher zu dem Schlusse, dass die Gewohnheit, zweimal [169] im Jahre zu mausern, in den meisten oder sämmtlichen Fällen zuerst zu irgend einem bestimmten Zwecke erlangt worden ist, vielleicht um ein wärmeres Winterkleid zu bekommen, und dass Aenderungen im Gefieder, welche während des Sommers auftreten, durch geschlechtliche Zuchtwahl angehäuft und auf die Nachkommen in derselben Zeit des Jahres überliefert wurden. Derartige Abänderungen wurden dann entweder von beiden Geschlechtern oder allein von den Männchen geerbt, je nach der Form von Vererbung, welche bei den betreffenden Arten vorherrschte. Dies erscheint wahrscheinlicher, als dass diese Species in allen Fällen ursprünglich die Neigung besessen hätten, ihr ornamentales Gefieder während des Winters zu behalten, hiervor aber durch natürliche Zuchtwahl bewahrt geblieben wären, wegen der dadurch veranlassten Unbequemlichkeit oder Gefahr.

Ich habe in diesem Capitel zu zeigen versucht, dass das Beweismaterial die Ansicht, dass Waffen, helle Farben und verschiedene Zierathen jetzt deshalb auf die Männchen beschränkt sind, weil die natürliche Zuchtwahl die Neigung zu gleichmässiger Vererbung der Charactere auf beide Geschlechter in eine Ueberlieferung allein auf das männliche Geschlecht umgewandelt habe, nicht in einer zuverlässigen Weise unterstützt. Es ist auch zweifelhaft, ob die Färbungen vieler weiblichen Vögel Folge einer zum Zwecke des Schutzes eintretenden Erhaltung von Abänderungen sind, welche von Anfang an in ihrer Ueberlieferung auf das weibliche Geschlecht beschränkt waren. Es wird aber zweckmässig sein, jede weitere Erörterung über diesen Gegenstand so lange zu verschieben, bis ich im folgenden Capitel die Verschiedenheiten im Gefieder zwischen den jungen und alten Vögeln behandeln werde.


  1. Fünfte (deutsche) Auflage, S. 221.
  2. Westminster Review. July, 1867. Journal of Travel, Vol. I. 1868, p. 73.
  3. Temminck sagt, dass der Schwanz des weiblichen Phasianus Soemmerringii nur sechs Zoll lang sei: Planches coloriées, Vol. V. 1838, p. 487 und 488; die oben mitgetheilten Messungen hat Herr Sclater für mich ausgeführt. In Bezug auf den gemeinen Fasan s. Macgillivray, History of British Birds, Vol. I, p. 118—121.
  4. Dr. Chapuis, Le Pigeon Voyageur Belge, 1865, p. 87.
  5. The Field, Sept. 1872.
  6. Bechstein, Naturgeschichte Deutschlands, 1793. Bd. 3, S. 339.
  7. Daines Barrington hielt es indessen für wahrscheinlich (Philosoph. Transact. 1773, p. 164), dass deshalb wenig weibliche Vögel singen, weil dies für sie während der Incubationszeit gefährlich gewesen wäre. Er fügt hinzu, dass eine ähnliche Ansicht möglicherweise auch die Inferiorität des Weibchens im Gefieder gegenüber dem Männchen erklären könne.
  8. Mr. Ramsay, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 50.
  9. Journal of Travel, edited by A. Murray. Vol. I. 1868, p. 78.
  10. Journal of Travel, edited by A. Murray. Vol. I. 1868, p. 281.
  11. Audubon, Ornithological Biography. Vol. I, p. 233.
  12. Jerdon, Birds of India. Vol. II, p. 108. Gould's Handbook of the Birds of Australia. Vol. I, p. 463.
  13. So hat z. B. die weibliche Eupetomena macroura einen dunkelblauen Kopf und Schwanz und röthliche Weichen; die weibliche Lampornis porphyrurus ist schwärzlich-grün auf der obern Fläche und hat Zügel und Seiten der Kehle carmoisin; die weibliche Eulampis jugularis hat den Scheitel des Kopfes und den Rücken grün, aber die Weichen und der Schwanz sind carmoisin. Es liessen sich noch viele andere Beispiele von in hohem Grade auffallenden Weibchen anführen, s. Mr. Gould's prachtvolles Werk über diese Familie.
  14. Mr. Salvin beobachtete in Guatemala (Ibis, 1864, p. 375), dass Colibri's viel weniger gern ihre Nester in sehr warmem Wetter verliessen, wenn die Sonne hell schien, als während kalten, wolkigen oder regnerischen Wetters, gerade als fürchteten sie, dass ihre Eier darunter litten.
  15. Ich will als Beispiele von düster gefärbten Vögeln, welche verborgene Nester bauen, die zu acht australischen Gattungen gehörenden Species erwähnen, welche in Gould's Handbook of the Birds of Australia, Vol. I, p. 340, 362, 365, 383, 387, 389, 391 und 414 beschrieben sind.
  16. C. Horne, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 243.
  17. Ueber das Nisten und die Farben dieser letzten Species s. Gould's Handbook etc. Vol. I, p. 504, 527.
  18. Ich habe über diesen Gegenstand Macgillivray's British Birds zu Rath gezogen, und obschon man in einigen Fällen in Bezug auf den Grad des Verborgenseins des Nestes und rücksichtlich des Grades der Auffälligkeit des Weibchens Zweifel hegen kann, so können doch die folgenden Vögel, welche sämmtlich ihre Eier in Höhlen oder kuppelförmige Nester legen, nach dem oben angenommenen Maassstabe kaum als auffällig betrachtet werden: Passer, 2 Species; Sturnus, wo das Weibchen beträchtlich weniger brillant ist als das Männchen; Cinclus, Motacilla boarula (?); Erithacus (?); Fruticola, 2 Sp.; Saxicola; Ruticilla, 2 Sp.; Sylvia, 3 Sp.; Parus, 3 Sp.; Mecistura; Anorthura; Certhia; Sitta; Jynx; Muscicapa, 2 Sp.; Hirundo, 3 Sp. und Cypselus. Die Weibchen der folgenden zwölf Vögel können nach dem nämlichen Maassstabe für auffällig angesehen werden, nämlich: Pastor, Motacilla alba, Parus major und P. caeruleus, Upupa, Picus, 4 Sp., Coracias, Alcedo und Merops.
  19. Journal of Travel, edited by A. Murray. Vol. I, p. 78.
  20. s. viele Angaben hierüber in der „Ornithological Biography“. s. auch einige merkwürdige Beobachtungen über die Nester italienischer Vögel von Eugenio Bettoni in den Atti della Società Italiana. Vol. XI. 1869, p. 487.
  21. s. seine Monographie der Trogoniden, erste Ausgabe.
  22. nämlich Cyanalcyon. Gould, Handbook to the Birds of Australia. Vol. I, p. 133. s. auch p. 130, 136.
  23. Bei den Papageien von Australien lässt sich in der Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern jede Abstufung verfolgen, s. Gould's Handbook. Vol. II, p. 14—102.
  24. Macgillivray. History of British Birds. Vol. II, p. 433. Jerdon, Birds of India. Vol. II, p. 282.
  25. Alle die folgenden Thatsachen sind dem prachtvollen Werke Malherbe's, Monographie des Picidees, 1861, entnommen.
  26. Audubon, Ornithological Biography. Vol. II, p. 75. s. auch Ibis, Vol. I, p. 268.
  27. Gould, Handbook to the Birds of Australia. Vol. II, p. 109—149.
  28. s. Bemerkungen in diesem Sinne in meinem Buche: Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. 2, Cap. 12.
  29. The Ibis, Vol. VI. 1864, p. 122.
  30. Wenn das Männchen dem Weibchen den Hof macht, werden diese Anhänge in Schwingungen versetzt und „dadurch sehr vortheilhaft zur Erscheinung gebracht“, da die Flügel ausgestreckt gehalten werden, s. A. Leith Adams, Field and Forest Rambles, 1873, p. 153.
  31. Ueber Ardetta s. die Uebersetzung von Cuvier's Règne animal von Mr. Blyth p. 159, Anmerk. Ueber Falco peregrinus: Blyth, in: Charlesworth's Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1837, p. 304; über Dicrurus: Ibis, 1863, p. 44; über Platalea: Ibis, Vol. VI. 1864, p. 366; über die Bombycilla: Audubon, Ornitholog. Biography, Vol. I, p. 229; über Palaeornis s. auch Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 263. Ueber das wilde Truthuhn: Audubon, a. a. O. Vol. I, p. 15. Von Judge Caton höre ich aber, dass in Illinois das Weibchen sehr selten das Federbüschel erhält. Analoge Fälle in Bezug auf das Weibchen von Petrocossyphus hat R. B. Sharpe mitgetheilt in: Proceed. Zoolog. Soc. 1872, p. 496.
  32. Mr. Blyth hat in der Uebersetzung von Cuvier's Règne animal verschiedene Fälle verzeichnet von Lanius, Rubicilla, Linaria und Anas. Auch Audubon hat einen ähnlichen Fall von Pyranga aestiva verzeichnet, Ornitholog. Biography, Vol. V, p. 519.
  33. s. Gould's Birds of Great Britain.
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