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Titel: Der Moorbrecher
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 594–598
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[594]
Der Moorbrecher.


„Zwischen Hecken und Dorn, zwischen Weizen und Korn, zwischen Blumen und Gras“ war ich am frühen Morgen dahingewandert, aber alle die wechselvolle Anmuth unserer Geestlandschaft hatte meinen Fuß nicht aufgehalten, denn ich wollte hinein in’s Moor, tief hinein, immer südwestlich vorwärts von meiner Oldenburger Heimstätte aus, und ich mußte geizen mit der Zeit.

Nun lag es vor mir, das Moor. Vor meinen Füßen leise ansteigend, eine braune Fläche, ohne Pflanzendecke, ohne Leben und Bewegung, mit fast unbegrenztem Horizonte, nur daß hie

[595]

Ein Oldenburger Moor-Dampfer in Arbeit.
Nach der Natur aufgenommen von M. St.

[596] und da in weitester Ferne das Dach eines Hauses oder eine kleine Baumgruppe am Himmel sich abhob. Auch diese Art von Unendlichkeit hat ihren Reiz; aber die Anregung, die sie giebt, ist eine trübe, niederdrückende, fast traurig stimmende. Das Moor ist, wie K. A. Mayer in Mannheim, vor Zeiten ein gut oldenburgischer Localdichter, sagt:

„Ein wasserstrotzender Riesenschwamm,
Ein schwarzer, hochgethürmter Schlamm,
Ein riesiger Kirchhof, wo Natur
Begraben des Lebens letzte Spur.
Einst haben hier Gras und Kraut gezittert,
Einst prangte hier Wald im Frühlingsschein;
Doch Gräser und Bäume sind längst verwittert
Und starren hervor als Todtenbein.
Was athmet, flieht die grause Oede,
Als ob ihr Hauch das Leben tödte.“

Die Gartenlaube hat vor nunmehr sechs Jahren ihren Lesern „Moorbilder aus Muffrika“ vorgeführt. Damals ist auch die Frage aufgeworfen worden, was man eigentlich mit „Muffrika“ bezeichne, und der Verfasser begnügte sich mit der ebenso vorsichtigen als allgemein gehaltenen Antwort: Muffrika ist das Land, wo der Heerrauch oder Höhenrauch herkommt.

Wer sich in dieses Land begiebt, findet nichts weniger, als lachende Gefilde; aber im Moor wie auf der Haide daneben liegt dennoch der beste Theil der Zukunft dieses nordwestlichen Deutschlands. Hier, so lehrte damals unser Gewährsmann, hier in der noch ungebändigten Natur, wo Meilen auf Meilen Landes sich rein im Zustande der Urzeit befinden, lassen sich von fleißigen Händen, die von der Erfahrung geleitet und von der Technik der Neuzeit unterstützt sind, noch Schätze heben, welche man in dieser Welt von Sand und Torfschlamm lange nicht geahnt hat. Diese Torflager der Moordistricte und die Ergiebigkeit der Oberfläche derselben, wenn sie in Ackerland verwandelt sind, was so wenig unmöglich, wie die Umgestaltung der sandigen Haide in saatlohnendes Feld, versprechen, neuerdings nach ihrem wahren Werthe gewürdigt, den Reichthum des ohnehin nicht armen Landes noch außerordentlich zu erhöhen. Jetzt sind die Moore, namentlich in den westlichen Theilen von Oldenburg und Hannover, durch ihre Größe, ihre Unwegsamkeit Völkerscheiden; sie sind, wo sie Landschaften einfaßten, Schranken für den Zugang der Cultur; von dieser sind die Muffrikaner weiter getrennt, als die Bewohner entlegener Inseln.

Aber nicht überall mehr zeigt uns das Moor diese großartige Ursprünglichkeit. In der Nähe der Geest, des sandigen Festlandes, sieht man die Spuren thätiger Menschenhand. Neben tiefen, wassergefüllten Gruben mit steil abgeschnittenen Wänden stehen kleine Torfhaufen aus lustig übereinander geschichteten, durch eine Maschine geschnittenen Torfstücken („Soden“), die in Wind und Sonne austrocknen sollen. Hie und da erstreckt sich ein kleines Buchweizenfeld mit den zahllosen röthlichweißen Blüthen in die braune, pflanzenlose Wüste. Wo das Hochmoor sich selbst überlassen blieb, ist es dicht bedeckt mit Haidekraut, calluna vulgaris und erica tetralix, dem indeß andere Pflanzen, wie die Schwarzbeere, die Aehrenlilie, Orchisarten und andere, hie und da auch eine verkümmerte Birke oder Föhre eingesprengt sind. Wo aber der Raubbau auf Buchweizen vermittelst der Brandcultur stattgefunden hat – und solches Moor ist es, das man am meisten zu sehen bekommt –, da ist alle Vegetation getödtet, und es liegt nackt und wie geschunden da. Nur am Rande der Torfgruben zeigen sich Binsen und saure Gräser und einzeln das zierliche Fingerkraut und ein verwildertes Buchweizenpflänzchen, und wo des Menschen Fuß sich einen Pfad durch die Wüste gebahnt, folgt ihm aus den nahen Holzungen das Weidenröslein mit seinen hellleuchtenden Blüthentrauben, haftend, wo jener an seiner Sohle auch nur ein wenig mineralische Nahrung auf die ausgesogenen Pflanzenreste getragen hat.

Unermeßliche Schätze bergen diese Moore; nur schade, daß sie so schwer zu heben sind. Der weiche, schlammige Moorboden trägt weder Wagen noch Pferde, und der Mensch selbst kann nur in der trockenen Jahreszeit dort sich bewegen, um seiner Arbeit nachzugehen. Darum haben Torfstich und dauernder Anbau sich in den meisten Gegenden auf die Ränder beschränken müssen. Selbst die Sandwege, die hie und da Staat und Gemeinde durch das Moor gelegt haben, können, so nützlich sie sind, das Moor nicht eigentlich erschließen, da sie nur in nächster Nähe das Terrain zugänglich machen. Wo sie nicht unmittelbar hinanreichen, bleibt das Moor unnahbar, wie zuvor.

Nur eine Weise hat – leider Gottes! – der Mensch entdeckt und bisher vorzugsweise angewandt, um sich die weiten Flächen wenigstens vorübergehend zu unterjochen: das ist die Brandcultur. Sobald im Frühling eine trockene Zeit eingetreten, geht der Moorcolonist und mancher Landmann, Knecht und Arbeiter der sandigen Geest hinaus und steckt das meist schon im Herbste vorher an seiner Oberfläche zerhackte und aufgelockerte Moor in Brand, um alsdann in das durch die Asche gedüngte Feld Buchweizen hineinzusäen. Diese Art von Cultur erstreckt sich weit hinein in das Moor, und der Staat, welcher Eigenthümer des größten Theiles ist, leiht seine ausgedehnten Flächen gegen geringen Zins dazu her. Etwa sechs, höchstens acht Jahre kann dieser „Raubbau“ fortgesetzt werden; dann ist der Boden in seiner zu Tage liegenden Schicht aller mineralischen Nährstoffe bar, und er muß zwanzig, dreißig Jahre liegen, bis aus der Tiefe und aus der Luft so viel Kraft sich wieder angesammelt hat, daß eine neue Pflanzendecke entstehen konnte, um durch abermaliges Abbrennen dem Buchweizen zur Nahrung zu dienen. Endlich hört aber alle Erneuerung auf, das Moor ist todt und kann nichts mehr hergeben, weil es nichts mehr hat.

Der Erwerb, den Tagelöhner, Gesinde und Colonisten aus diesem Buchweizenbau ziehen, ist ein sehr wechselnder. Geräth die Frucht, so liefert sie reichen Ertrag und lohnt die angewandte Mühe übermäßig; aber die Pflanze ist sehr empfindlich, besonders gegen Frost, so daß die guten Ernten nicht eben häufig sind. „Buchweizensaat,“ sagt daher das Sprüchwort, „Buchweizensaat und Weiberrath gerathen nur alle sieben Jahre“, und „Der Buchweizen ist nicht eher sicher, als bis man ihn im Leibe hat, sagte der Bauer – da fiel ihm der Pfannkuchen in die Asche“. Weil aber beim Buchweizenbau so viel vom Zufall abhängt, hat der Ertrag der wirklich guten Ernten viel Aehnlichkeit mit einem Spielgewinne: er zerrinnt oftmals so leicht wie dieser. Bei manchen Kennern unserer wirthschaftlichen Zustände gilt daher der Buchweizenbau durch Brandcultur keineswegs für eine erfreuliche Errungenschaft der Neuzeit.

Eine andere Seite der Brandcultur ist weit hinaus nur zu wohl bekannt. „Ganz Deutschland riecht’s, wenn uns’re Moore rauchen,“ singt ein anderer Localpoet, und zwar schnöder Weise nach der Melodie des Rheinweinliedes. Kaum ist der Frühling in’s Land gezogen, kaum knospet das junge Grün auf Baum und Strauch, und die Brust dehnt sich, die linden Lüfte tiefathmend einzufangen, so wälzt sich vor dem Winde ein wahrer Höllenbrodem daher über die Ebene und weiter über Berg und Thal; bleiern lastet die Luft, der ganze Himmel ist ein dichter Qualm, der die Mittagssonne zu einer mattrothen Scheibe macht, ja oft sie ganz verhüllt. Wochenlang bringt jeder junge Tag diese unangenehme, alle Frühlingsluft und Heiterkeit zerstörende Plage, die zugleich, wenn man es auch kaum hat förmlich beweisen können, auf Gedeihen und Gesundheit aller Thier und Pflanzenwelt schwerlich anders als schädlich einwirken kann.

Es giebt ein Mittel, in das Moor einzudringen, seine Vorräthe an Torf nutzbar zu machen, den Untergrund einer dauernden Cultur zu unterwerfen, das Mittel ist sicher und allbekannt: es ist die Canalisation. Durch sie erhält das Moor die nöthige Entwässerung und zugleich die Communicationswege, auf denen der Torf und demnächst die Producte der Landwirthschaft weggeführt und wiederum Dünger aus den Städten und Marschen oder von schlick-(schlamm-)reichen Mündungen der Flüsse, sowie alle Bedürfnisse des eigenen Lebens herangebracht werden können. Die holländischen und einzelne Wehne (oder auch Vehne und Fehn, im Holländischen Veen, eine durch Eindämmung und Canäle trocken gelegte Moor- und Torfgegend) in der Provinz Hannover lassen die vorzüglichen Erfolge dieses Mittels sichtbar und glänzend hervortreten. An einen Hauptcanal, der aus der Mitte des Moores zu einer offenen Wasserstraße führt, schließt sich allmählich ein ganzes Netz von Canälen an, jeder Canal an beiden Seiten von Landstraßen begleitet. Zu Wasser wie zu Lande entwickelt sich ein lebhafter Verkehr. Die Abgrabung des Torfes, der in hochbeladenen Schiffen ausgeführt wird, schafft Raum für die Herstellung von Gärten, Wiesen und Feldern. Die ersten, rohaufgerichteten Wohnungen der Ansiedler machen soliden, selbst eleganten Häusern Platz; Kirchen und [597] Schulen, Kaufläden, Mühlen, Fabriken und Schiffszimmereien mischen sich unter die Wohnhäuser, und endlich schließt sich ein Dorf an das andere, jedes eine Stätte blühender Landwirtschaft und regsamer Industrie und Ausgangspunkt einer gewinnbringenden Schifffahrt.

Das Beispiel, das die Holländer und nach ihnen die Ostfriesen gegeben, blieb anderwärts nicht unbeachtet. Auch in Oldenburg hat die Regierung schon seit längerer Zeit begonnen, die Moore des Landes durch Canäle zu erschließen, und namentlich ist es ein Unternehmen dieser Art, auf das bereits viel Geld und Mühe verwandt ist. Westlich von Oldenburg, fast unmittelbar von der schiffbaren Hunte bis zu den schiffbaren Nebenflüssen der Ems erstreckt sich ein ausgedehntes Moor, das bisher in sich unzugänglich war und zugleich eine unüberwindliche Schranke des Verkehrs zwischen den umliegenden, zum Theil fruchtbaren Gegenden bildete. Ein Hunte-Ems-Canal, der das Moor durchschneiden und die Schifffahrtsstraßen der Hunte-Weser mit denen der Ems und ihrer Nebenflüsse verbinden soll, ist seit zwei Jahrzehnten in Angriff genommen; aber von dem Canale, der etwa vier Meilen lang wird, sind kaum die äußersten Strecken hergestellt, und es ist schwer abzusehen, wann das Werk, in der bisherigen Weise fortgesetzt, zu Ende gebracht werden mag. Die bisherige Weise ist aber die, daß man von den Enden aus zunächst das Moor entwässert, eine lange, langweilige und ermüdende Arbeit, und dann das trockene oder doch halbtrockene Moor fortschafft. Die holländischen Canäle sind nicht schneller entstanden; aber man ist solch langsamer Schritte nicht mehr gewohnt und war fast im Begriff, die Geduld zu verlieren. Da wurde die Aufmerksamkeit eines Mannes, welcher trotz seiner eingreifendsten Thätigkeit bei vielen großen industriellen und finanziellen Unternehmungen in allen Theilen Deutschlands dem Gedeihen seines Geburtslandes Oldenburg die regste Theilnahme bewahrt hat, des Geheimen Finanzraths Siebold in Frankfurt am Main, auf eine Erfindung gelenkt, welche nicht nur eine massenhafte und billige Torfgewinnung aus dem Innern des Moores, sondern auch eine Beschleunigung des Canalbaues zu ermöglichen versprach. Es war dies eine Maschine, welche, auf dem Wasser schwimmend, den Torf aus dem Moore aushebt, ihn zu Torfbrei zerkeinert und diesen Brei auf das benachbarte Moor zur weitern Bearbeitung ausschüttet. Indem sie diese Geschäfte besorgt, hebt sie gleichzeitig einen Canal aus, denn der Raum, aus welchem sie den Torf hervorholt, ist zugleich dem Bette des Canals hinzugefügt. In Canada erfunden, ist die Maschine in England, Frankreich, Amerika und verschiedenen deutschen Staaten patentirt, aber abgesehen von Canada wohl nur erst in Oldenburg in Thätigkeit gesetzt. Und dies Letztere ist eben das Verdienst des Herrn Siebold. Auf seine Anregung trat im vorigen Jahre eine „Gesellschaft für Canal- und Wasserbauten“ zusammen, deren erstes Unternehmen die Verwerthung jener Maschine in der Linie des Hunte-Ems-Canals geworden ist –

Hatte ich es mich zwei Jahrzehnte hindurch nicht verdrießen lassen, die Arbeiten am Hunte-Ems-Canal, so langsam sie auch fortrückten, mit Theilnahme zu verfolgen, so mußte diese neue Erfindung mein Interesse auf’s Lebhafteste in Anspruch nehmen, und deshalb war es, daß ich trotz Sonnenbrand den stundenlangen Weg auf dem bebenden, elastischen Moore nicht scheute. Die Tage des Moorbrennens waren vorüber, und am unbewölken Himmel stieg die Sonne höher und höher. Die Luftschichten über dem Boden geriethen in jene flimmernde, wellenförmige Bewegung, für die der Volksmund den Ausdruck hat: „die Sommer-“ oder auch „die Wetterkatzen laufen,“ ein Zeichen von der Kraft der Sonnenstrahlen, die ich freilich unmittelbar hinreichend empfand. Da endlich tauchte am Horizonte ein seltsames Gebilde auf, ein dampfendes Ungeheuer mit lang-ausgestreckten Armen – es war das canalbauende Maschinenschiff. Obwohl längst erwartet, behielt der Anblick doch etwas Ueberraschendes, Frappantes, gerade weil die rauchende, ächzende Maschine mitten in der Wildniß zu ihrer Umgebung einen so schroffen Gegensatz bildete. Die wenigen Menschen, welche auf dem Schiffe und neben ihm auf dem Moore beschäftigt waren, konnten in ihrer geräuschlosen Thätigkeit den Eindruck nicht stören; aber der blinkende Wasserstreifen, den das Schiff hinter sich gezogen hatte, eben der Canal, den es sich selbst in das Moor hineingebaut, war wie ein Stück jungen frischen Lebens, das aus der beweglichen, verkehrsfreien Welt sich in die Einöde den Zugang erzwang.

Die Besichtigung der Maschine und ihrer Arbeitsstätte ist nicht ohne Weiteres gestattet; aber eine Erlaubnißkarte des gefälligen Herrn Consuls Haußmann, eines der Directoren der Gesellschaft, verschaffte mir ungehinderten Zutritt und die Möglichkeit, eine Skizze der arbeitenden Maschine zu entwerfen, zu deren Erklärung es nur weniger Worte bedürfen wird. Vorn am Schiffe heben zwei mächtige Schraubenbohrer im Fortrücken, wobei für die Spitzen der Bohrer kleine Gräben ausgegraben werden, das Moor aus und bringen es in den vordern Schiffsraum. Von hier aus wird es durch ein Paternosterwerk, den Elevator, emporgehoben und in einen Behälter geschüttet, in welchem es zwischen rotirenden und feststehenden Messern unter Zuführung von Wasser zerkleinert und innig gemengt wird. Der so gewonnene Brei fließt durch den langen Seitenarm, eine Rinne, in welcher die Zerkleinerung und Mengung mittelst rotirender und feststehender Messer fortgesetzt wird, ab auf das zur Seite liegende Moor, und zwar nicht blos an dem äußern Ende, sondern auch vorher durch hier und da angebrachte Klappen, welche man nach Belieben öffnen und schließen kann. Der kürzere Arm auf der andern Seite des Schiffes dient nur dazu, es im Gleichgewichte zu erhalten.

Die Moorfläche, auf welche der Brei ausgeschüttet wird, ist vorher von Arbeitern geschlichtet und gedichtet. Der Brei selbst wird ebenfalls zu einer gleichmäßig ausgebreiteten Schicht geebnet, wobei die Arbeiter sich kleiner, mit Stielen versehener Bretter bedienen, während zu seiner Ausbreitung über die Länge der Ausflußrinne hinaus die Hülfe von Pferden erforderlich ist. Hat er demnächst nach Aufsaugung seiner Feuchtigkeit durch den Boden sowie durch die Luft eine gewisse Consistenz erhalten, so wird er durch besondere Maschinen in „Soden“ zerschnitten, die sodann, wie auch mit anderem Torf geschieht, in kleine Haufen übereinander gelegt werden, um vollends auszutrocknen. Ist dies geschehen, so ist der Torf, der von ganz besonders guter Qualität sein soll, zum Verkauf fertig.

Das Maschinenschiff hebt in einer Stunde einen Canal von zwanzig Fuß Breite und reichlich sechs Fuß Tiefe auf eine Länge von fünfzehn Fuß aus. Das ist freilich keineswegs ein Bett, wie es der Hunte-Ems-Canal braucht. An der jetzigen Arbeitsstätte liegt das Moor zwölf Fuß tief, an vielen Stellen weit tiefer, und das Schiff muß also, so zu sagen, zwei Canäle unter einander ausgraben, ehe es nur an den Sand kommt, aus welchem endlich der eigentliche Schifffahrts-Canal ausgehoben werden muß. Die Sohlbreite des Schifffahrts-Canals soll nach den vorliegenden Plänen vorläufig auf zwanzig Fuß beschränkt werden; es leuchtet aber ein, daß die obere Weite an der Oberfläche des Moores eine weit beträchtlichere sein muß. Dem vom Schiffe ausgehobenen Canale muß mindestens noch ein zweiter, wahrscheinlich müssen ihm noch mehrere zur Seite gelegt werden. Das Alles wissen die Unternehmer, und das Alles hindert auch nicht, daß diese Art von Canalisation, wenn sie nicht aus andern Ursachen scheitern sollte, die bisher angewandte an Raschheit des Erfolges erheblich übertreffen wird, zumal da es sehr wohl thunlich ist und auch in der Absicht der Unternehmer liegt, die Zahl der Maschinenschiffe zu vermehren.

Die bisherige Methode arbeitete, wie schon angedeutet, vom trockenen Sande aus und wollte das Moor als trockene Masse bezwingen; dem aber widersetzte sich die Natur des Moores auf das Hartnäckigste. Ein „wasserstrotzender Riesenschwamm“, mußte es von dem Wasser befreit werden, ehe man zu Torfgewinn oder Anbau tiefer hineinschneiden konnte. Ein ganzes System größerer und kleinerer Gräben, gleichsam ein Vorbild des demnächstigen Canalnetzes, mußte angelegt werden, um das Wasser allmählich abzuzapfen. Und oft schien eines Jahres Arbeit durch einen nassen Winter wieder zerstört, indem der weiche „hochgetürmte Schlamm“ die breiten Gräben wieder füllte und die Ränder derselben so nahe zusammendrückte, daß kaum noch eine schmale Spalte übrig blieb. Diese Entwässerung, kostspielig und zeitraubend, mußte das Ausgraben des eigentlichen Canals und die Torffabrikation im Großen vorbereiten; nur in verhältnißmäßig trockenem Moore war die eine wie die andere Arbeit [598] möglich, das Wasser war der mächtige, immer neue Kräfte sammelnde Feind, den man zu bekämpfen hatte.

Die neue Erfindung nun bekämpft nicht diesen Feind, sie macht ihn zum Bundesgenossen, zum Diener ihrer Zwecke. Während der alte Canalbau das Wasser zu vertreiben suchte, sammelt der neue es, damit es den Menschen und ihren Werkzeugen zum Träger und zur Straße werde, aus denen sie sich bewegen und arbeiten können. Darin liegt das Geniale der Erfindung. Die Paternosterwerke, die Breibereiter etc. sind theils lange bekannt und hier wie in anderen Gegenden angewandt, theils wenigstens Anwendungen bekannter Gedanken, wie sie ein findiger Kopf leicht sich ersinnen mag, wo ihn das Bedürfniß und die Gelegenheit auffordert. Der Kern der neuen Erfindung beruht gerade darauf, daß das Moor ein wasserstrotzender Riesenschwamm ist. Der Raum, aus dem die Maschine den Torf herausgehoben, füllt sich mit dem von allen Seiten herbeisickernden und rieselnden Wasser und gestaltet sich so zu dem Canal, dessen das Schiff bedarf, damit es seine Functionen üben könne. Zugleich hindert das Wasser durch seinen Gegendruck das Zusammensinken der Canalwände, die sofort durch den Druck des schweren haltlosen Moorschlammes zusammengepreßt werden müßten, sobald einmal der Widerstand des Wassers aufhören würde. Ebenso trägt das Zusammenlaufen des Wassers in das geöffnete Bett dazu bei, die zur Seite gelegenen Flächen zu entwässern und für die weitere Bearbeitung durch Abzugsgräben etc. zugänglich zu machen. So sehr ist diese Erfindung auf das Wasser angewiesen, daß selbst der ungeheure Riesenschwamm des Moores desselben kaum genug bietet. Es ist ein Hochmoor, durch das der Canal gelegt werden soll, das heißt ein Moor, das weit über das umgebende Festland hinausgewachsen ist. Es bedarf daher besonderer Dämme, um das so hoch angesammelte Wasser aufzubewahren und am Abflusse zu hindern, und selbst die Zubringung von Wasser von außen hinein durch Schöpfmühlen hat sich bereits als nothwendig erwiesen. Arbeitet das Schiff erst an einer zweiten Bahn durch das Moor unter der jetzigen, so wird diese Schwierigkeit sich beträchtlich mindern. Freilich mögen andere dafür auftauchen.

Leicht ist den Unternehmern der Anfang nicht geworden. Fern von der Menschen Wohnungen mußte das Schiff an Ort und Stelle gebaut, jedes Stück seines Materials wie jeder Theil der Maschine mußte mit großen Kosten auf diesen Flugsandwegen bis an das Moor, und aus diesem selbst mittelst besonders construirter Schleifen herangeschafft werden, auf einem so weichen Boden, daß den Pferden Bretter unter den Hufen befestigt werden mußten, damit sie nicht bis an den Leib einsanken. Dabei waren die Arbeiter aus den nächstbelegenen Dörfern in thörichtem Brodneide eher geneigt, dem neuen Unternehmen alle möglichen Hindernisse in den Weg zu legen, als es selbst gegen hohen Lohn fördern zu helfen, und es mußten die nöthigen Arbeitskräfte aus den ostfriesischen Wehncolonien herangezogen werden.

Mit Eifer und Ausdauer hat die Direction der Gesellschaft aber bis jetzt alle Schwierigkeiten überwunden, und es steht zu hoffen, daß nunmehr dem Unternehmen, dessen Fortschritte von allen Freunden des Landes und des Volkes mit höchster Theilnahme verfolgt werden, ein günstiger Erfolg gesichert ist.