Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Der Mörder Giese
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 311–312
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[311]
175. Der Mörder Giese.

1527 auf Palmsonntag-Abend ging eine Frau, die unten am Jerusalemsberg wohnte, mit einem Lechel Bier aus Lübeck. Sie lebte nur knapp, richtete aber alles genau ein, wenn sie auch nicht immer auskam. Der Mann war ein Trunkenbold. – Warum? weiß man nicht, aber wie den Abend das arme Weib nach Hause kömmt, fängt er an mit ihr zu zanken, zieht vom Leder und haut nach ihr. Am Hals nicht gering verwundet, springt sie hinaus, um Hülfe zu suchen; da sie aber in den Graben stürzt, fällt er über sie her und schlägt sie todt. Wie er sie darauf mißhandelt, ist nicht auszusprechen, auch sonst nicht geschehn, so lange Lübeck gestanden: genug, daß man nachher noch die Überreste eines ungebornen Kindes bei ihm fand, deren er zur Hexerei gebrauchen wollen.

Nach der That packte er ruhig seine Habseligkeiten zusammen, ließ den Leichnam liegen, und machte sich davon. – Der Körper aber war kaum gefunden: so bemächtigte sich ein Entsetzen und eine Wuth der ganzen Stadt. Zu Pferde und zu Fuß sprengte nach allen Seiten alles aus, was nur sich regen konnte; endlich fand man den Kerl samt seinem Gepäck in einem Boot zu Herrenwiek, wo er sich durch einen Jungen nach der Meklenburger [312] Seite übersetzen lassen wollte. Schon Nachmittags 2 Uhr ward er auf dem Marstall zu dem scheuslich verstümmelten Körper geführt, sagte aber ganz unbefangen: „sieh, sieh, armes Weib, das dacht’ ich nicht, als ich dich gestern in die Stadt schickte, daß ich dich so wiedersehen würde!“ Aber in demselben Augenblick begann der Leichnam übermäßig zu bluten, dergestalt daß die Herren und das Volk sich höchlich verwunderten, und nach Gottes Fingerzeig den Schuldigen erkannten. Der Mörder ward also in die Frohnerei gebracht; aber man hatte Mühe, ihn lebendig durch die Gassen zu bringen, so wüthend war auf ihn das Volk, und namentlich alle Weiber. Ja, als er vor die Frohnerei kam, trat des Büttels Weib in Wuth an die Thür, und schrie: „weg, weg mit dem Schelm; der darf in mein Haus keinen Fuß setzen.“ Claus Rose aber sprach: „gemach, gemach, liebe Frau, ich will ihn schon verwahren, daß du behältst was dir Gott gegeben,“ und damit setzte er ihn in den tiefsten Keller.

Nach Ostern ward das Scheusal gerädert, geköpft und dann geviertheilt; sein Kopf aber auf eine hohe Stange gesteckt.

Bemerkungen

[398] (Mündl. und schriftl.)