Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892/Tag 4

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Vierter Tag der Verhandlung.

Gegen 9 Uhr eröffnet der Präsident, Landgerichtsdirektor Kluth, wiederum die Sitzung. In dem überfüllten Zuhörerraum bemerkt man einen Neger.

Der Präsident bemerkt: Ehe wir in der Verhandlung fortfahren, habe ich etwas zu bemerken. Die Sache hat einen Umfang angenommen, den wir nicht vorausgesehen haben. Ich habe eine Woche dafür angesetzt, zu meinem Bedauern habe ich mich aber doch noch geirrt. Es ist unmöglich, daß wir am Sonnabend fertig werden. Wir werden daher genöthigt sein, obwohl am Sonntag keine Gerichtssitzung stattfinden soll, am Sonntag zu verhandeln. Wir halten nämlich dafür, daß eine Nothlage vorliegt.

Mehrere Geschworene erheben Bedenken, am Sonntag zu verhandeln, der Präsident bemerkt jedoch, daß nach Lage der Dinge sich dies nicht anders werde thun lassen.

Er erscheint alsdann der Zeuge Gendarm Leu (Xanten). Als am Abende des Peter-Paulstages der Mord in Xanten bekannt wurde, sei er zunächst an den Thatort geeilt. Er habe ziemlich viel Blut vorgefunden, das zum Theil fingerdick auf den Erdboden unter das Stroh gesickert war. Küppers sagte: Es ist eigenthümlich, wie die Leiche hier herein kommen konnte, da beide Thüren verschlossen waren, die Leiche könne höchstens von der Gartenseite aus in die Scheune geschafft worden sein. Abends sei er in die Gastwirthschaft von Schaut gegangen und dort sei von den verschiedensten Seiten gesagt worden: Das ist ein Ritualmord, den haben die Juden gethan, es ist das eine alte rituelle Vorschrift. Die Leute zeigten dabei auf die in der Nähe liegenden jüdischen Läden.

Der Zeuge bekundet im Weiteren, daß Gerichtsassessor Buchwald die Fußspuren im Gartenweg gemessen habe.

Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Sind Sie der Meinung, daß die Fußspuren die des Mörders waren?

Zeuge: Das kann ich nicht sagen.

Präs.: Herr Rechtsanwalt, wir können doch die Zeugen nicht alle über ihre Vermuthungen vernehmen, wir wären sonst genöthigt, mehrere Monate hier zu sitzen. Es ist anzunehmen, daß jeder einzelne Mensch in Xanten und vielleicht im weiten Umkreise Xantens über den Mord eine eigene Vermuthung hat. Ich erhalte jeden Tag einen ganzen Stoß von anonymen Briefen, in denen die verschiedensten Vermuthungen ausgesprochen werden.

Die Vertheidiger bemerken, daß sie ebenfalls täglich eine Reihe solcher Schreiben erhalten.

Der folgende Zeuge ist der Polizei-Sergeant Aengeneyndt: Er habe am Peter-Paulstage gegen 10 Uhr Vormittags vor dem Clever Thore die Kinder gesehen, er habe dieselben aber nicht gekannt. – Vertheidiger Rechtsanwalt Stapper: Herr Zeuge, Sie sind bereits am 3. Juli 1891 vernommen worden. Damals haben Sie mit vollster Bestimmtheit bekundet: Unter den Kindern befand sich der kleine Johann Hegmann. – Sie wurden gefragt, ob Sie auch die anderen Kinder kannten. Da sagten Sie, ich glaube, den Stephan Kernder gesehen zu haben. Es wurde Ihnen nun der Stephan Kernder vorgeführt. Da sagten Sie, mit Sicherheit kann ich nicht sagen, ob dieser Knabe dabei war, Johann Hegmann war aber ganz bestimmt dabei, den kannte ich von früher? – Zeuge: Dessen erinnere ich mich nicht. – Präs.: Kannten Sie den Hegmann? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Wie kommt aber eine solche Aussage ins Protokoll? – Zeuge: Ich war damals in zu großer Aufregung. – Auf Antrag des Staatsanwalts wird Bürgermeister Schleß vernommen. Dieser bekundet, daß der Zeuge geistig nicht ganz intakt sei.

Es erscheint alsdann als Zeuge Steinmetz Wesendrup. Als der Präsident zur Vereidigung des Zeugen schreiten will, beantragt der Vertheidiger Rechtsanwalt Gammersbach: auf Grund des § 56 alinea 3 der Straf-Prozeß-Ordnung, den Zeugen uneidlich zu vernehmen. Der erwähnte Paragraph lautet: „Zeugen, die der Theilnahme, Begünstigung u. s. w. verdächtig sind, dürfen nicht vereidigt werden“. Selbstverständlich bezieht sich diese Gesetzesbestimmung auch auf diejenigen Zeugen, die der Thäterschaft verdächtig sind. Nun schwebt gegen den Zeugen ein Verfahren wegen Verdachts, den Johann Hegmann ermordet zu haben. Dieser Verdacht gründet sich auf die Aeußerung des Zeugen zu dem Siegmund Buschhoff: „Das sind die Sattfresser, ich werde aber dafür sorgen, daß sie keinen Schabbes mehr feiern.“ Vielleicht hat der Erste Staatsanwalt die Güte, zu bestätigen, daß gegen den Zeugen das erwähnte Verfahren schwebt.

Staatsanwalt: Es schwebt allerdings gegen den Zeugen das erwähnte Strafverfahren. Wir haben es aber hier mit dem Strafverfahren gegen Buschhoff zu thun, der § 56 alin. 3 der Straf-Prozeßordnung kann mithin auf den Zeugen keine Anwendung finden.

Verth. Rechtsanwalt Gammersbach beruft sich auf eine Reichsgerichtsentscheidung und beantragt, zum Mindesten vorläufig von der Vereidigung des Zeugen Abstand zu nehmen.

Der Gerichtshof beschließt, den Zeugen vorläufig uneidlich zu vernehmen. – Der Zeuge bekundet alsdann auf Befragen des Präsidenten: Er habe für den Angeklagten in dessen Schlachthause jüdische Grabsteine gearbeitet. Am Freitag vor dem Mord habe der Angeklagte ihm durch seine Haushälterin sagen lassen: er solle weder Sonnabend noch Sonntag, noch Montag arbeiten. Darauf habe er gesagt: Wenn er am Sonnabend nicht arbeiten könne, dann mache er die Arbeit überhaupt nicht fertig. – Verth. Rechtsanwalt Stapper: Haben Sie auch gesagt: Dann schlage ich alle Steine entzwei? – Zeuge: Jawohl, das habe ich auch gesagt. – Präs.: Sie sollen zu Siegmund Buschhoff gesagt haben: „Das sind die Sattfresser, ich werde ihnen zeigen, daß sie keinen Schabbes mehr feiern können“, ist das richtig? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Was wollten Sie damit sagen? – Zeuge: Der Siegmund Buschhoff hatte das Brot ganz dick mit Butter geschmiert; da sagte ich: die Leute fressen sich schon satt. – Präs.: Sie können es doch den Leuten nicht verdenken, wenn sie sich satt essen? – Zeuge: Da kann Buschhoff mir aber wenigstens bezahlen.

Präs.: Siegmund Buschhoff soll Ihre Aeußerung seinem Vater hinterbracht haben, infolgedessen hat Ihnen der alte Buschhoff sein Haus verboten. – Präs.: Nein, Buschhoff hat mir blos durch meine Haushälterin sagen lassen: ich dürfe Sonnabend, Sonntag und Montag nicht arbeiten. – Präs.: Sind Sie nun am Sonnabend bei Buschhoff gewesen? – Zeuge: Nein, Sonntag Mittag, als Buschhoff gerade aus der Synagoge kam, kam ich zu ihm. Da sagte mir Buschhoff, daß ein Stein etwas beschädigt sei. Ich versuchte, vorher in das Schlachthaus zu gehen, fand aber die Eingangsthür vernagelt. Am Dienstag Morgen gegen 8 Uhr, also am Tage nach dem Morde, kam ich wieder zu Buschhoff. Da sagte ich zu Frau Buschhoff: Ihr seid ja schöne Leute, Ihr schneidet den Kindern die Hälse ab! Frau Buschhoff versetzte: Ich bin nur froh, daß die Leiche nicht bei uns gefunden wurde. Ich sagte: Sind Sie denn etwas Besseres wie Küppers? Frau Buschhoff antwortete: Nein, aber wir sind Juden. In diesem Augenblick erinnerte ich mich an den Tisza-Eßlar-Prozeß, über den ich mit Buschhoff mehrfach gesprochen habe. Buschhoff hatte mir häufig gesagt: Es ist eine Verleumdung, wenn behauptet wird, daß die Juden Christenblut brauchen. – Der Zeuge erzählt im Weiteren, daß, während am Sonntag die Schlachthausthür vernagelt war, konnte er am Dienstag mit Leichtigkeit die Thür öffnen.

Präsident: Ich bemerke den Herren Geschworenen zum besseren Verständniß: Die Anklage behauptet, der Mord sei in dem Buschhoff’schen Schlachthause, das als solches nicht mehr benutzt, sondern als Grabstein-Werkstätte diente, ausgeführt und alsdann der Leichnam in die Küppers’sche Scheune geschafft worden. Um Letzteres zu bewirken, war es selbstverständlich nothwendig, die Schlachthausthür, die zweifellos am Freitag Abend vor dem Morde vernagelt wurde, wieder zu öffnen. Präs.: Sind Sie Ihrer Sache gewiß, daß die Thür nicht mehr vernagelt war? – Zeuge: Das weiß ich ganz bestimmt.

Präs.: Eine Frau will gesehen haben, daß die Schlachthausthür am Dienstag Vormittags gegen 10 Uhr noch vernagelt war. – Zeuge: Ich weiß ganz genau, daß die Thür am Dienstag früh 8 Uhr nicht vernagelt war. – Präs.: Haben Sie nun im Schlachthause etwas Auffallendes bemerkt? – Zeuge: Mein Hammer war beschmutzt und meine Sachen waren in Unordnung. – Präs.: War die Beschädigung des Grabsteines bedeutend? – Zeuge: Nein, die war ganz unbedeutend. – Präs.: Hat Buschhoff den auf dem Hofe spielenden Kindern einmal gedroht, sie kämen in den Thurm, wenn sie die Grabsteine beschädigten? – Zeuge: Das geschah mehrfach. – Präs.: Buschhoff, was sagen Sie zu der Behauptung des Zeugen, daß das Schlachthaus am Dienstag Vormittag gegen 8 Uhr geöffnet war? – Buschhoff: Darüber kann ich nichts sagen; am Dienstag früh gegen halb 6 Uhr war das Schlachthaus jedenfalls noch vernagelt. – Präs.: Sie haben das Schlachthaus am Freitag Abend vernageln lassen, damit Wesendrup dasselbe nicht mehr betreten konnte? – Buschhoff: Jawohl. – Präs.: Wer hat die Vernagelung vorgenommen. – Buschhoff: Ullenboom. – Buschhoff bemerkt im Weiteren: Es sei unwahr, daß Wesendrup Sonntag Mittags bei ihm gewesen sei. Sonntags Mittags finde überhaupt in der Synagoge kein Gottesdienst statt.

Präs.: Wesendrup, wieviel Kinder haben Sie?

Zeuge: Fünf.

Präs.: Wo sind die Kinder?

Zeuge: Ein Knabe ist bei mir, einer bei meinem Schwager und drei im Waisenhause.

Präs.: Wie kommt es, daß drei Kinder im Waisenhause sind? Sind doch ein kräftiger, junger Mann, der im Stand wäre, für seine Kinder selbst zu sorgen?

Zeuge: Der Herr Bürgermeister hat die Unterbringung der Kinder in das Waisenhaus verfügt.

Bürgermeister Schleß bekundet auf Befragen, daß er genöthigt gewesen sei, die Kinder des Wesendrup in’s Waisenhaus schaffen zu lassen, da dieser sich um seine Kinder in keiner Weise gekümmert habe.

Präs.: Wesendrup, Sie sollen mit Ihrer verstorbenen Frau in großem Unfrieden gelebt haben?

Zeuge: Das ist nicht wahr.

Präs.: Sie sollen Ihre verstorbene Frau mehrfach auch mißhandelt und diese Mißhandlung selbst vorgenommen haben, als diese infolge einer Entbindung schwer erkrankt darniederlag?

Zeuge: Ich habe das bereits in Zeitungen gelesen, ich bestreite das aber.

Präs.: Haben Sie Ihre Frau mißhandelt?

Zeuge: Nein.

Präs.: Sie behaupten, Sie hätten Ihre Frau niemals mißhandelt?

Zeuge: Kleine Streitigkeiten sind wohl vorgekommen, aber mißhandelt habe ich meine Frau nicht.

Es erscheint nun als Zeugin die Haushälterin des Wesendrup, Fräulein Pollendung. Am Peter-Paulstage, Vormittags zwischen 11½ und 11¾ Uhr, sei sie zu Buschhoff gekommen. Sie habe nur die Frau Buschhoff und die Hermine Buschhoff zu Hause getroffen. Frau Buschhoff habe auf dem Sopha gelegen und gesagt, daß sie krank sei. Da sie den Buschhoff nicht zu Hause getroffen, so sei sie gegen 12¾ Uhr noch einmal zu Buschhoff gegangen, den sie nun zu Hause antraf. Zwischen 6-7 Uhr Abends sei sie nochmals zu Buschhoff gegangen, Buschhoff selbst sei in der Synagoge gewesen. Frau Buschhoff dagegen habe vor der Thür gestanden. Diese habe sich beschwert, daß Wesendrup Grabsteine beschädigt und dieselben nicht reparirt habe. Sie habe etwas Auffälliges in der Buschhoff’schen Wohnung nicht bemerkt, die Thüren in der Buschhoff’schen Wohnung haben sämmtlich offen gestanden.

Präs.: Hat Ihnen Buschhoff am Freitag Abend einen an Wesendrup auszurichtenden Auftrag ertheilt? – Zeugin: Jawohl, Buschhoff sagte: Ich solle dem Wesendrup bestellen, daß er sich einen anderen Arbeiter nehmen wolle. – Präsident: Haben Sie das dem Wesendrup ausgerichtet? – Zeugin: Jawohl. – Präsident: Wesendrup, was sagen Sie dazu? – Wesendrup: Die Pollendung hat mir blos ausgerichtet, daß am Sonnabend, Sonntag und Montag nicht gearbeitet werden solle.

Frau Gastwirth Kluge: Am 5. Juli 1891 zwischen 2 und halb 3 Uhr Nachmittags sei Mölders in ihre Gastwirthschaft gekommen und habe 3 Schnäpse getrunken. Sie habe an dem Manne nichts Auffallendes bemerkt. Mölders erzählte: er wolle zu Hegmann gehen, um sich die Kleider des Kindes zeigen zu lassen.

Der Präsident theilt alsdann mit, daß der Entlastungszeuge Jacob Klaasen an einer Rippenfellentzündung erkrankt sei. Auf Antrag der Vertheidigung wird die kommissarische Vernehmung dieses Zeugen beschlossen.

Der folgende Zeuge ist der Sohn des Steinmetz Wesendrup, der 14jährige Carl Wesendrup. Dieser bekundet: Am Tage des Mordes sei er gegen halb 10 Uhr bei Buschhoff gewesen, habe aber nur die Frau und die Hermine angetroffen.

Gastwirth Klug: Mölders sei am 5. Juli in seiner Gastwirthschaft gewesen und habe erzählt, daß er gesehen habe, wie das kleine Joanchen in das Buschhoff’sche Haus hineingezogen worden sei.

Hierauf erscheint als Zeuge Sammetweber Kernder. – Er sei am Abend des Mordes bei Schaut gewesen, dort habe Buschhoff viel über das Kegeln gesprochen, während alle Welt über den Mord aufgeregt war. Buschhoff habe auf dem Nachhausewege noch gesagt, er habe sich heute „herausgekegelt“.

Präs: War Buschhoff an diesem Abende aufgeregt?

Zeuge: Dessen erinnere ich mich nicht.

Präs.: Haben Sie sonst etwas Auffallendes an Buschhoff bemerkt?

Zeuge: Nein.

Staatsanwalt: Buschhoff, wie kommt es, daß Sie am Abend des Mordes vom Kegeln gesprochen haben, während es bei der allgemeinen Aufregung in Xanten doch näher gelegen hätte, über den Mord zu sprechen?

Buschhoff: Ich erinnere mich wirklich nicht, was ich an diesem Abende gesprochen habe.

Staatsanwalt: Haben Sie gesagt, Sie hätten sich herausgekegelt?

Buschhoff: Das ist möglich, ich weiß es aber nicht.

Präs.: Nun, Kernder, erzählen Sie einmal, was Ihnen Ihr Sohn Stephan erzählt hat. – Zeuge: Am 5. Juli des Morgens, zu einer Zeit, wo Stephan noch im Bett lag und ich sowie auch meine Frau der Meinung waren, daß Stephan noch schlafe, sprach ich mit meiner Frau über den Mord. Da schlug Stephan plötzlich die Augen auf und fragte: „Papa, ist Buschhoff schon im Thurm“? Ich fragte den Jungen, wie er zu dieser Frage komme. Darauf erzählte mir der Kleine: Er habe gesehen, wie am Vormittage des Peter-Paulstages Frau Buschhoff auf die Straße gegangen und zu dem kleinen Hegmann gesagt habe: „Joanchen, komm doch einmal herein.“ Da Joanchen aber nicht kam, so habe ihn Frau Buschhoff in ihr Haus geführt. – Präs.: Wie alt war damals Ihr kleiner Sohn? – Zeuge: 5 Jahre. – Präsident: Sind Sie sicher, daß der Knabe die Wahrheit gesagt hat? – Zeuge: Ich zweifle nicht daran, denn der Junge war niemals lügenhaft.

Präs.: Am Peter-Paulstage, Mittags gegen 1 Uhr, soll die Schwester des ermordeten Knaben zu Ihnen gekommen und den Stephan gefragt haben: „Hast Du nicht unser Joanchen gesehen?“

Zeuge: Das ist richtig.

Präs.: Was antwortete damals der kleine Stephan?

Zeuge: Er sagte: der ist nach den Kirschen.

Präsident: Der Junge meint damit: Joanchen sei vor’s Clever Thor gegangen, um sich dort Kirschen zu suchen?

Zeuge: Ja.

Präsident: Haben Sie dem Knaben seinen Widerspruch vorgehalten?

Zeuge: Jawohl, mein Sohn begann zu weinen und äußerte: er habe damals nur so gesagt.

Oberstaatsanwalt Hamm: Wußten Sie an dem Tage, als Ihr Sohn Ihnen das Vorkommniß erzählte, daß Mölders bekundet hat: der ermordete Knabe sei in das Buschhoff’sche Haus gezogen worden?

Zeuge (zögernd): Jawohl.

Verth. Rechts-Anwalt Fleischhauer: Haben Sie oder Ihre Frau dem Stephan gesagt: Buschhoff liege bereits in Ketten geschlossen im Thurm?

Zeuge: Jawohl.

Präs.: Weshalb haben Sie dies dem Jungen gesagt?

Zeuge: Weil der Junge nicht zum Herren Amtsrichter kommen wollte; er sagte, er fürchte sich vor Buschhoff.

Präs.: Haben Sie den Jungen gefragt: weshalb er seine Wahrnehmung erst acht Tage später erzählt hat? – Zeuge: Jawohl, der Junge begann bei dieser Frage zu weinen und war zu weiterem Sprechen nicht mehr zu bewegen.

Präs.: Der Junge soll bei dem Herrn Amtsrichter, obwohl er ihn auf den Arm genommen, platt mit ihm gesprochen habe etc., nicht zum Sprechen zu bewegen gewesen sein.

Zeuge: Das ist mir nicht bekannt.

Verth. Rechts-Anwalt Fleischhauer: Am 3. Dezember v. J. wurden Sie vom hiesigen Land-Gericht wegen Mißhandlung von Judenkindern verurtheilt. Als nun Ihr Sohn Stephan vor dem Herrn Land-Gerichts-Rath Brixius erscheinen sollte, sollen Sie zu dem Herrn Polizei-Sergeanten Schlöer gesagt haben: Ich lasse den Jungen nicht hingehen, die Mörder kommen ja doch frei und unsereiner wird bestraft, haben Sie eine solche Aeußerung gethan? – Zeuge: Das habe ich allerdings gesagt; ich war an diesem Tage ungemein aufgeregt.

Fräulein Riesenkamp, die hierauf als Zeugin erscheint, bekundet: Sie sei am Peter-Paulstage, Abends gegen 7 Uhr, zu Buschhoff gekommen, dieser selbst sei nicht zu Hause gewesen. Sie habe die Frau Buschhoff wegen des Mordes gefragt. Letztere habe ihr geantwortet: der Junge habe einen Sonnenstich bekommen und sei von einem Scheerenschleifer in die Scheune gebracht worden.

Präs.: Ich will Ihnen bemerken, Zeugin, daß Frau Buschhoff diese Aeußerung mit vollster Entschiedenheit als unwahr bezeichnet.

Zeugin: Das hat Frau Buschhoff gesagt, ich erinnere mich der Worte ganz genau.

Präs.: Nun sind Sie sehr bald darauf dem Buschhoff begegnet?

Zeugin: Jawohl, ich ging in die Kirchstraße und unterhielt mich dort mit Frau Kernder über den Mord. Ich sagte dieser: Es ist furchtbar, daß dem kleinen Joanchen der Hals abgeschnitten worden ist. In diesem Augenblick kam Buschhoff vorüber und rief mir zu: „Halten Sie das Maul“.

Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Buschhoff sagte mir, er habe in der Plattsprache der Zeugin gesagt: Sie thäte besser, das Maul zu halten und mit ihrem Urtheil nicht so voreilig zu sein. Ich beantrage event. die Ladung eines Sachverständigen der plattdeutschen Sprache.

Präs.: Ich glaube nicht, daß das nöthig sein wird, Herr Rechtsanwalt!

Rechtsanwalt Fleischhauer: Ich habe auch nur, wenn erforderlich, diesen Antrag gestellt.

Präs.: Buschhoff, wie kommt es, daß Sie der Zeugin zugerufen haben, „halten Sie das Maul?“ – Buschhoff: Bereits an jenem Abend hat man die Juden beschuldigt, den Mord begangen zu haben. Ich war deshalb sehr ärgerlich und ärgerte mich auch über die leichtfertige Aeußerung der Zeugin. Ich war nämlich der Meinung und habe diese auch heute noch, das Joanchen ist von der Schaukel in die Häckselmaschine gefallen und dadurch ist das Unglück passirt.

Ein weiterer Zeuge ist der Viehzüchter und Viehhändler Junkermann, ein Sohn des Handelsmanns und ehemaligen Metzgermeisters Junkermann. Dieser erzählte: Am Tage nach dem Mord habe ihn Buschhoff nicht in sein Schlachthaus herein lassen wollen. Etwas Auffälliges habe er an Buschhoff nicht wahrgenommen. – Verth. R.-A. Stapper: Ich ersuche, dem Zeugen das an die Staatsanwaltschaft gerichtete anonyme Schreiben vorzulegen. – Präs.: Junkermann, sehen Sie sich einmal dieses Schriftstück an, kennen Sie das? – Zeuge: Jawohl, das habe ich nach dem Diktat meines Vaters geschrieben. – Präs.: Es ist das das anonyme Schreiben, das der alte Junkermann, als von ihm herrührend, vollständig in Abrede gestellt hat.

Hierauf tritt eine längere Pause ein.

Nach Wiederaufnahme der Verhandlung ersucht der Vertheidiger, Rechts-Anwalt Fleischhauer, den Präsidenten: dem Publikum den Gebrauch von Operngläsen zu untersagen. Der Präsident bemerkt, daß der Gebrauch von Operngläsern nicht gestattet sei.

Alsdann erscheint als Zeuge Klempnermeister Ullenboom. Dieser bekundet auf Befragen des Präsidenten, daß Buschhoff ein ehrlicher, braver, ja gutmüthiger Mann sei, dem jeder Jähzorn fernliege. Siegmund Buschhoff habe ihm kurz vor dem Peter-Paulstage erzählt: Wesendrup habe zu ihm gesagt: „Ihr seid Sattfresser, ich werde Deinem Vater etwas anthun, daß er keinen Schabbes mehr halten wird“. Siegmund sagte mir, sein Vater wünsche, daß ich, da Wesendrup nicht mehr das Schlachthaus betreten solle, dasselbe vernageln möge. Die Nägel hatte Siegmund Buschhoff bei Hegmann geholt. Die Vernagelung war sehr fest, daß sie nicht ohne weiteres geöffnet werden konnte.

Der Zeuge erzählt alsdann weiter: Am Peter-Paulstage ging ich gegen 10 Uhr Vormittags mit meinem Pflegling zu Buschhoff. Letzterer saß mit seiner Frau und seiner Tochter Hermine im Hinterzimmer. Gegen 10¼ Uhr brachte ich den Pflegling nach Hause. Ich begab mich alsdann gleich wieder zu Buschhoff. Letzterer verließ gegen halb 11 Uhr seine Behausung und kehrte gegen halb 1 Uhr zurück. Buschhoff trank, zu Hause angekommen, eine Tasse Kaffee. Ich begab mich alsdann nach Hause zum Mittagessen und kam zwischen eineinviertel bis halb 2 Uhr wieder zu Buschhoff. Ich traf Buschhoff und seine Tochter Hermine an. Ich las mit Buschhoff zusammen die Zeitung, unterhielt mich mit ihm und blieb bis 3 Uhr bei Buschhoff. Zu dieser Zeit war auch Siegmund Buschhoff, ein Fräulein Kahn und ein Mann, Namens Isaak, in der Buschhoff’schen Wohnung. Gegen 3 Uhr Nachmittags begab ich mich mit Buschhoff zur Pumpen-Kirmes. Abends gegen 5 Uhr traf ich mit Buschhoff bei Schaut zusammen.

Ein Geschworener: Die Art und Weise der Vernagelung ist mir nicht klar geworden, Buschhoff hat bis jetzt behauptet, daß die Thür mit sogenannten Schlagstiften (das sind spitze Instrumente, die der Steinhauer benutzt) vernagelt war, während der Zeuge bekundet: er habe die Thür mit Nägeln zugenagelt.

Präs.: Zeuge, wie ist das?

Ullenboom: Ich habe die Thür mit Nägeln zugenagelt.

Präs.: Buschhoff, was sagen Sie dazu?

Buschhoff: Die Thür war mit Eisen zugenagelt, die Nägel dürften gar nicht hinreichend sein, die Thür festzunageln.

Ullenboom: Ich habe die Thür mit Nägeln zugenagelt.

Staatsanwalt: Buschhoff, wissen Sie genau, daß die Thür mit Eisen vernagelt war? – Buschhoff: Ich habe dem Ullenboom wenigstens die Eisen dazu gegeben. – Staatsanwalt: Ob Ullenboom nicht aber trotzdem Nägel zu der Vernagelung verwandt hat, ist Ihnen vielleicht nicht bekannt? – Buschhoff: Ich bin der Meinung, die Thür wäre mit Eisen vernagelt gewesen. – Staatsanwalt: Hatten Sie überzeugt, daß die Eisen verwandt worden sind? – Buschhoff: Nein.

Präs.: Ullenboom, wer hat Ihnen die Nägel übergeben? – Zeuge: Siegmund Buschhoff.

Staatsanw.: Erinnern Sie sich, daß Ihnen Buschhoff die Eisen gegeben.

Zeuge: Nein. – Buschhoff: Ich habe die Eisen auf einen Stein neben der Thür gelegt.

Präs.: Ullenboom, haben Sie die Eisen auf dem Stein liegen sehen? – Zeuge: Ich erinnere mich nicht, ich gebe aber die Möglichkeit zu.

Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Ist es wahr, daß Sie dem Buschhoff das Betreten Ihres Hauses verboten haben, da Sie durch den Verkehr mit Buschhoff Ihre Kundschaft verloren hatten? – Zeuge: Das ist richtig. – Verth.: Sie wohnen dicht neben Buschhoff und sind im Stande, das geringste Geräusch in dem Buschhoff’schen Hause zu vernehmen? – Zeuge: Jawohl. – Verth.: Haben Sie irgend ein Schreien oder Klagen am Peter-Paulstage gehört? – Zeuge: Nein.

Vertheidiger: Wie gingen Sie am Peter-Paulstage gekleidet? – Zeuge: Ich trug einen braunen Rock. – Fräulein Ullenboom, die Schwester des Vorzeugen, bestätigt im Wesentlichen die Bekundung ihres Bruders.

Ein Geschworener fragt die Zeugin, in welchem Zimmer die Familie Buschhoff sich am Nachmittage des Peter-Paulstages aufgehalten habe.

Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Ging Ihr Bruder, wenn er bei Buschhoff war, bisweilen in Hemdsärmeln? – Zeugin: Jawohl.

Präs.: War der Pflegling Ihres Bruders mit dem kleinen Hegmann zu verwechseln? – Zeugin: Nein. – Präs.: Wie alt war der Pflegling? – Zeugin: 2½ Jahre. – Präs.: Das Kind war also kleiner als der kleine Hegmann? – Zeugin: Jawohl.

Nunmehr wird Siegmund Buschhoff in den Saal gerufen. Dieser, ein hübscher, aufgeweckter 12jähriger Knabe, betritt bitterlich weinend den Gerichtssaal. Der Angeklagte birgt sein Gesicht in sein Taschentuch und schluchzt heftig. Auch im Zuhörerraum und auf den Tribünen sieht man mehrere Leute weinen.

Es dauert eine geraume Zeit, ehe sich der kleine Buschhoff beruhigt, so daß der Präsident im Stand ist, denselben zu vernehmen.

Der Knabe erklärt: Er wolle Zeugniß ablegen. Er bekundet auf Befragen des Präsidenten, daß er behufs Vernagelung der Thür die Nägel von Hegmann geholt und diese dem Ullenboom übergeben habe. Ob auf einem Stein vor der Schlachthausthür Eisen gelegen haben, wisse er nicht. Der Kleine bittet alsdann den Präsidenten: mit seinem Vater sprechen zu dürfen. Der Präsident bemerkt jedoch, daß dies jetzt nicht angehe; in einigen Tagen werde er seinen Vater sprechen können. Der kleine Knabe verläßt weinend den Saal.

Der folgende Zeuge ist Handelsmann Meyer Alexander. Dieser erzählt, daß sein Schwager Claßen, welcher inzwischen verstorben, am Morgen des Festtages Peter und Paul mit Aengenyndi zusammen und Buschhoff durch die Marschstraße zur Weide gegangen sei.

Frau Renings: Sie wohne auf einem Dorfe bei Xanten. Am Tage nach dem Morde sei Buschhoff zu ihr gekommen, um ein Kalb zu kaufen. Sie habe sich mit Buschhoff über den Mord unterhalten. Sie habe zu Buschhoff gesagt: das Kind werde wohl vom Balken gefallen sein. Buschhoff antwortete: Das kann nicht möglich sein. Das Kind wird von der Schaukel in die Häckselmaschine gefallen sein. Es sei ihr aufgefallen, daß Buschhoff sehr aufgeregt gewesen und es sehr eilig gehabt habe.

Hierauf erscheint Stadtsekretär Devers. Dieser bekundet, er habe das Protokoll mit Mallmann in sehr sorgfältiger Weise aufgenommen.

Schneidermeister Schmitt: Er habe am Tage nach dem Morde mit dem Buschhoff über den Mord gesprochen. Buschhoff habe zu ihm gesagt, der Junge werde wohl vom Balken gefallen sein. Er (Zeuge) habe dies aber bestritten.

Buschhoff: Der Zeuge irrt sich, ich habe gesagt, daß Kind sei vielleicht aus der Schaukel gefallen. – Der Zeuge bleibt bei seiner Bekundung.

Fräulein Marie Huiskens: Am Peter-Paulstage, Nachmittags gegen 3 Uhr, ist Frau Hegmann bei Buschhoffs vorübergegangen. Frau Buschhoff stand an der Thür. Frau Hegmann sagte: ich habe mein Joanchen immer noch nicht gefunden, ich habe eine solche Angst, ich habe heute Nacht von Blut geträumt. Frau Buschhoff versetzte: der Junge wird sich schon noch finden, der alte Dr. Ueberhorst pflegte zu sagen: „man solle den Teufel nicht an die Wand malen“. Frau Buschhoff bot der Frau Hegmann eine Tasse Kaffee an, Letztere lehnte aber diese ab. Am Abend, nachdem das Kind ermordet aufgefunden war, sagte Buschhoff: ich kann vor Aufregung nicht essen, ich habe innerhalb 13 Wochen vier Kinder verloren und weiß in Folge dessen, welchen Schmerz Eltern durch den Verlust der Kinder empfinden. – Präs.: Sie sagten früher, Frau Buschhoff war sehr theilnahmslos, das sei Ihnen aufgefallen? – Zeugin: Jawohl. – Präs.: Buschhoff dagegen hat große Theilnahme gezeigt? – Zeugin: Ja. – Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Fiel Ihnen das auch auf?

Präs.: Herr Rechtsanwalt! Ich bin der Meinung, die Sache ist viel zu ernst, als daß es sich geziemt, ironische Fragen zu stellen.

Rechtsanwalt Fleischhauer: Ich bin weit entfernt, eine ironische Frage zu stellen.

Der folgende Zeuge ist der Holzschuhmacher Mörser. Dieser bekundet: Am Tage nach dem Morde sei Buschhoff des Morgens bei ihm gewesen. Buschhoff habe gesagt: Der Junge werde wohl in die Häckselmaschine gefallen sein. Er (Zeuge) antwortete: Das könne nicht möglich sein, dann müßte die Häckselmaschine beblutet sein. Buschhoff sagte alsdann: Zeig‘ mir doch einmal Dein Strohmesser. Als er es ihm gezeigt, habe Buschhoff gesagt: Das Strohmesser von Küppers ist doch bedeutend schärfer als das Deinige. – Buschhoff bestreitet diese Bekundung. Im Gegenteil, der Zeuge habe gesagt, sein Messer sei schärfer als das Küppers’sche. – Der Zeuge bleibt bei seiner Bekundung.

Rentier Kempkes bekundet: Er sei am Morgen nach dem Morgen dem Buschhoff begegnet. Es sei ihm vorgekommen, als ob Buschhoff zittere.

Die 12jährige Maria Kernder bekundet: Sie habe am Peter-Paulstage, Vormittags gegen 10 Uhr, einen fremden Juden mit einer schwarzen Ledertasche zu Buschhoff gehen sehen. Nachmittags gegen halb 6 Uhr sei der fremde Jude nach dem Bahnhof gegangen. – Buschhoff bemerkt: Die Kleine müsse sich irren, der Fremde sei am Tage vor Peter und Paul bei ihm gewesen.

Klosterbruder von Sanden (Dorsten): Er sei am Peter-Paulstage in Xanten gewesen und sei am Vormittag gegen 10 Uhr bei Buschhoff vorübergegangen. Buschhoff habe am offenen Fenster in seiner Wohnung gesessen. Er habe weder schreien noch irgend einen Klagelaut, dagegen Stimmen gehört, so daß er die Ueberzeugung gewann, daß Leute bei Buschhoff waren. Er habe vor dem Buschhoff’schen Hause Niemanden, weder Kinder, noch Erwachsene gesehen. Er kenne den Buschhoff schon seit langer Zeit als braven Mann.

Die folgende Zeugin, Fräulein Selma Rölen bekundet: Frau Buschhoff habe gesagt: Der Junge werde wohl in die Häckselmaschine gefallen sein. Als Buschhoff einmal vom Staatsanwalt kam, habe Siegmund Buschhoff etwas zu seinem Vater gesagt, was sie nicht verstehen konnte. Da sagte Buschhoff: „Ach was, wenn sie keine Beweise haben, können sie nichts machen.“ –

Präs.: Buschhoff soll Sie einmal mit schmutzigem Wasser begossen haben? – Zeugin: Jawohl. – Präs.: Weshalb mag wohl Buschhoff das gethan haben? – Zeugin: Ich vermuthe, weil ich gegen ihn etwas ausgesagt habe. – Präs.: Sind Sie sonst mit Buschhoff verfeindet gewesen? – Zeugin: Nein. – Präs.: Nun, Buschhoff, was sagen Sie dazu? – Buschhoff: Als ich von dem Herrn Staatsanwalt kam, war mein Siegmund gar nicht bei mir. Der Herr Staatsanwalt wird die Güte haben, dies zu bezeugen.

Staatsanwalt: Ich kann mich nicht daran erinnern.

Präs.: Nun, Buschhoff, wie erklären Sie Ihre Bemerkung, die Sie zu Ihrem Siegmund gethan haben? – Buschhoff: Ich kann nur sagen, daß das nicht wahr ist. Ich werde doch auch nicht auf offener Straße zu meinem Sohne eine solche Bemerkung machen, so daß es andere Leute hören können.

Präs.: Weshalb haben Sie die Zeugin mit schmutzigem Wasser begossen? – Buschhoff: Davon ist mir auch nichts bekannt. Das kann im Uebrigen gar nicht sein, da ich mich immer unten wasche. – Präs.: Was soll aber die Dame, die hier einen Eid geleistet hat, für ein Interesse haben, Sie derartig zu belasten? – Buschhoff: Das weiß ich nicht.

Die Tagelöhner Buckstege und Röse bekunden, daß Buschhoff am Tage nach dem Morde sehr aufgeregt gewesen sei.

Tagelöhner Biesemann: Er habe am Tage nach dem Morde mit Buschhoff über den Mord gesprochen. Buschhoff habe gesagt: er könne es nicht begreifen, wie der Mord passirt sein könnte. Er habe etwas Auffälliges an Buschhoff nicht wahrgenommen.

Es erscheint hierauf als Zeuge der Synagogenvorsteher der jüdischen Gemeinde zu Xanten, Kaufmann Oster: Er habe in Xanten ein Cigarren-Geschäft. Mehrere Wochen nach dem Morde sei Wesendrup in seinem Laden gewesen. Es sei zur Sprache gekommen, daß man den Buschhoff des Mordes bezichtige. Da habe Wesendrup gesagt: Buschhoff ist es nicht gewesen, der ist viel zu feige dazu. Später sagte mir einmal Wesendrup: Sie müssen mit Ullenboom dasselbe machen, was Sie an Ihrem Versöhnungsfest machen. – Präs.: Was wollte Wesendrup damit sagen? – Zeuge: Das weiß ich nicht. – Staatsanwalt: Welchem Stande gehört Buschhoff in Ihrer Religionsgemeinschaft an? – Zeuge: Buschhoff gehört dem Priesterstamme an. – Staatsanwalt: Ist Buschhoff in Folge dessen Beschränkungen unterworfen? – Zeuge: Jawohl. Priester (Kohanim heißt das auf hebräisch), dürfen in kein Haus gehen, wo ein Todter liegt, außer zu Blutsverwandten und Frau. – Der Zeuge bekundet im Weiteren, daß ihm von einem Manne, Namens Portmann, erzählt worden sei, Mölders sei am Abende des Tages, an dem er vom Amtsrichter vernommen worden, so betrunken gewesen, daß man ihn habe nach Hause führen müssen.

Frau Sackers: Ihre Tochter habe ihr erzählt, daß Mölders mit Wesendrup vielfach verkehre.

Kaufmann Löbschen: Er sei einmal mit Wesendrup von Goch nach Xanten gefahren. Da habe ihm Wesendrup gesagt: Buschhoff hat den Mord nicht begangen, das thut überhaupt nicht Einer allein. So einem Jungen kauft man etwas, nimmt ihn mit und dann wartet schon der Andere, der den Jungen in Empfang nimmt. Ich habe in meinem Leben schon soviel kaput gemacht, d. h. im Feldzuge. – Präs.: Was verstanden Sie darunter? – Zeuge: Darüber habe ich kein Urtheil.

Steinmetz Kock: Er habe bei Buschhoff gearbeitet. Letzterer habe ihn immer anständig bezahlt. Am Peter-Paulstage sei er gegen 10 Uhr Vormittags zu Buschhoff gekommen und sei etwa eine halbe Stunde bei diesem geblieben. Um dieselbe Zeit sei Ullenboom mit seinem Pflegling zu Buschhoff gekommen. Er habe mit Buschhoff, Ullenboom u. s. w. im Parterrezimmer am offenen Fenster gesessen, er habe aber kein Kind vor dem Buschhoff’schen Hause gesehen.

Präs.: Sie sind doch an diesem Tage auch in dem Buschhoff’schen Schlachthause gewesen, das jetzt als Steinmetz-Werkstätte dient? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Sie sind von der Buschhoff’schen Wohnung aus in das Schlachthaus gegangen? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Ist Ihnen im Schlachthause etwas aufgefallen? – Zeuge: Nein. – Präs.: Haben Sie den beschädigten Grabstein gesehen? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Wie groß mag wohl der Schaden gewesen sein? – Zeuge: Der Schaden hat kaum den Werth eines halben Pfennigs betragen. – Der Zeuge bekundet im Weiteren, daß Buschhoff ein sehr reeller Mann sei.

Frau Kock bestätigt zum Theil die Bekundungen ihres Gatten.

Ackerer Dranks, der ebenfalls am Peter-Paulstage gegen 10 Uhr Vormittags bei Buschhoff war, bestätigt im Allgemeinen die Bekundungen des Zeugen Kock. – Präs.: War Buschhoff an jenem Tage aufgeregt? – Zeuge: Das ist möglich. Buschhoff hatte ein Fleisch-Geschäft, damit ist viel Aerger verbunden.

Es wird alsdann nochmals Wesendrup vorgerufen.

Präs.: Wesendrup, der Gerichtshof hat beschlossen, Sie zu vereidigen. Ich frage Sie nun nochmals, ob Sie die volle Wahrheit gesagt oder ob Sie an Ihrer Aussage etwas abzuändern oder hinzuzusetzen haben? – Zeuge: Ich habe die volle Wahrheit gesagt. Ich habe nur noch zu bemerken, daß ich einmal gehört habe, wie Frau Buschhoff ihrem Manne gegenüber auf Hegmann geschimpft hat, weil dieser ihrer Tochter Hermine den Koffer nicht gemacht hat. – Buschhoff bestreitet diese Bekundung.

Wesendrup wird vereidigt und alsdann gegen halb 9 Uhr Abends die Sitzung auf Freitag vertagt.