Textdaten
<<< >>>
Autor: Unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Hausgeist Rüdy
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 254–256
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[254]
Der Hausgeist Rüdy.

Seit 70 Jahren ist das Pfarrhaus zu Obereggenen erbaut. Das alte stand nicht auf diesem Platze, sondern in dem Garten, den man jetzt den Rüdy-Garten heißt. Der Pfarrer, der im alten Hause wohnte, hatte viele Jahre lang keine Ruhe vor einem Hausgeist, der darin auf allerlei Weise sein Wesen trieb, [255] so daß der Pfarrer oftmals bei dem Abt von St. Blasien, dem die Pfarrei zustand, sich beklagte und eine andere Wohnung haben wollte. Der Abt gab ihm aber kein Gehör, und so baute sich der Pfarrer endlich ein eigenes Haus, um den Geist los zu werden. Das geschah auch, denn der Geist zog nicht in das neue Haus ein. Als der Pfarrer todt war, kaufte der Abt das neue Haus der Wittwe ab, ließ das alte niederreißen und aus dem Platze einen Garten machen, den man von dem Geiste den Rüdy-Garten hieß.

Die Leute nannten nämlich den Geist Rüdy (Rudolf); es war ein Kapuziner, der die Hausleute oft neckte, und sich in allerlei Gestalten verwandeln konnte. Oft erschien er als Knecht, und wenn er eine Arbeit verrichtete, so war es immer sehr gut gethan. Die Dienstboten wußten, daß ihnen, besonders zur Erndtezeit, Rüdy allzeit behülflich war, wenn sie die Früchte in die Scheuer brachten, wo er die Garben ihnen abnahm. Er trug Holz und Wasser, und man hätte sich über ihn nicht beklagt, wenn er nicht durch seine vielfachen Neckereien die Leute zu arg erschreckt hätte. Wenn zuweilen die Pfarrer aus der Nachbarschaft ihren Amtsbruder in Obereggenen besuchten, so sahen sie ihn zum Taubenschlag heraus schauen und fanden ihn zugleich leibhaftig im Hofe stehen, denn Rüdy hatte seine Gestalt im Taubenschlage angenommen. Wenn das Gesinde zu Nacht aß, so fing Rüdy manchmal an, das Kind zu wiegen, stürzte auch zuweilen Nachts die Wiege auf die Seite, ohne dem Kinde zu schaden. Da ober dem Ofen ein Zugloch in das obere Zimmer war, so machte der Geist oft ein Geräusch, wie das Wirbeln einer Trommel, warf auch Nüsse, Erbsen und Bohnen herab, so daß die Leute am Boden ausglitten. Holte man Wein im Keller, so klopfte Rüdy hinten am Faße, so lange als noch etwas darin war.

Es kam einmal zu dem Pfarrer ein naher Vetter von der Universität, der auch von dem Hausgeist hörte. Der Pfarrer sagte ihm, daß Rüdy Niemanden etwas zu Leid thue, wenn man ihn ruhig lasse. Das machte dem Studenten Muth, er nahm seinen Degen und wollte den Geist sogleich im Keller aussuchen. Der Knecht ging mit ihm und blieb mit dem Licht an der Kellerthüre stehen. Der Student aber ging die Stiege halb hinab, [256] und rief trotzig dem Kobold zu, er solle kommen. Da kam auch Rüdy und schlug ihn mit flacher Hand so arg auf die Backen, daß er Licht und Degen fallen ließ und wie todt hinstürzte. Der Knecht hob ihn auf und brachte ihn wieder in’s Zimmer, wo er zu sich kam. Doch war ihm kein Glied verletzt.

Wenn Winters das Gesinde Abends um den Ofen saß bei der Arbeit, und das Haus fest geschlossen war, so hörten sie doch Jemanden das Feuer schüren, was Niemand als der Rüdy seyn konnte. Als der Pfarrer das neue Haus bezog, wollte Niemand mehr in dem alten wohnen, denn der Geist war durch nichts hinaus zu treiben. Bei dem Auszug ging die Frau Pfarrerin zum letztenmal mit Knecht und Magd in das alte Haus, um den Rest herüber zu bringen; wie nun das Haus leer gemacht war, und die Frau und ihre Dienstboten zur Thüre hinaus gehen wollten, hing Rüdy in seiner Kapuzinerkutte mitten in der Thüre aufgeknüpft, wie an einem Galgen und die Pfarrerin mußte sich mühsam neben ihm vorbei drängen.[1]

(Siehe Mone’s Anzeiger etc. v. J. 1834.)

  1. Die Angabe von den Beweggründen zum Bau des neuen Pfarrhauses ist geschichtlich wahr. Es wurden beim Oberamt Lörrach deshalb Stöße von Akten geschrieben. Auch die Verhandlungen mit St. Blasien nach dem Tode des Pfarrers haben ihre Richtigkeit.