Der Gefangenwärter Bambridge im Verhör vor dem Ausschuß des Unterhauses

Sancho als Statthalter beim Mittagessen W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Der Gefangenwärter Bambridge im Verhör vor dem Ausschuß des Unterhauses
Das Haus der Gemeinen zu Robert Walpole’s Zeiten
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Der Gefangenwärter Bambridge


im Verhör vor dem Ausschuß des Unterhauses.
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DER GEFANGENWÄRTER BAMBRIDGE IM VERHÖR
VOR DEM AUSSCHUSS DES UNTERHAUSES.
BAMBRIDGE ON TRIAL FOR MURDER BY A COMMITTEE OF THE HOUSE OF COMMONS.

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Der Gefangenwärter Bambridge.
im Verhör vor dem Ausschuß des Unterhauses.
(Bambridge on trial before the comittee of the house of commons.)




Vorliegendes Blatt gehört zu den früheren Werken des Künstlers, die er verfertigte, bevor er durch den Weg der Buhlerin allgemein bekannt geworden war. Er entwarf die Composition im Jahre 1729, als der dargestellte Vorgang statt fand, und beabsichtigte dieselbe als Kupferstich herauszugeben, nachdem er ein Oelgemälde davon verfertigt hätte. Beides jedoch unterblieb. Hogarth war noch zu wenig bekannt, als daß er ersteren bei Kunsthändlern anbringen und letzteres ohne Bestellung hätte verkaufen können. Später erwarb die Skizze in Oel Horace Walpole, der sie von Hogarth selbst erhielt. Gegenwärtig wird sich dieselbe wahrscheinlich im Besitz der Familie befinden.

Der Vorgang, welcher dies Werk veranlaßte, ist folgender, wie man ihn aus Howard’s parliamentary debates und Smollet’s history of England ersehen kann, letzteres ein Werk, woran nicht viel gelegen [772] ist, welches jedoch wegen seiner Verbreitung in Deutschland angeführt werden mag.

Oglethorpe, ein Mitglied der Opposition, richtete einen Angriff auf das Ministerium Walpole’s wegen schlechter Verwaltung der Gefängnisse. Er hatte eine Menge Thatsachen scheuslicher Grausamkeit und Unterdrückung in Erfahrung gebracht, welche die Aufseher von Gefängnissen gegen Gefangene ausgeübt hatten. Somit machte er den Antrag, das Haus solle einen Ausschuß bilden, um jenes Verfahren zu untersuchen. Der Minister, welcher ohnedem jene Aufseher nicht angestellt hatte, widersetzte sich nicht, und somit fand Uebereinstimmung der Parteien in Annahme des Vorschlages statt. Oglethorpe selbst wurde zum Präsidenten des Ausschusses ernannt, dessen Untersuchung sich auf die Gefängnisse des ganzen Königreichs erstrecken sollte. Der Ausschuß begann mit dem Schuldgefängnisse der Hauptstadt, dem sogenannten Fleet-prison, und entdeckte dort eine Menge Beispiele von Unmenschlichkeit, Willkür, Betrug und Erpressung des Aufsehers Bambridge. Unter andern war ein Baronet, Sir William Rich, wegen einer unbedeutenden Veranlassung in Eisen gelegt worden. Das weitere Verfahren des Gefängnißaufsehers mag man aus den Beschlüssen des Hauses ersehen, welche einstimmig gefaßt wurden, nachdem der Ausschuß seinen Bericht abgestattet hatte. Sie lauteten: Thomas Bambridge, gegenwärtiger Aufseher des Fleet, habe absichtlich mehrere Schuldner entfliehen lassen; er sei schuldig der offenkundigsten Verletzung des Vertrauens (breach of trust), der größten Erpressungen und der höchsten Verbrechen und Vergehen (crimes & misdemeanors) in Ausübung seines Amtes, er habe willkürlich und ungesetzlich Schuldgefangene mit Fesseln beladen, dieselbe in Kerker eingesperrt und zu Grunde gerichtet, indem er sie auf höchst barbarische und grausame Weise behandelte und dabei die Gesetze des Königreichs verletzte und verachtete. – Ueber John Huggins Esq., den Nominalaufseher des Gefängnisses, welcher dies Amt als Sinekur besaß, wurde ein ähnlicher Beschluß gefaßt. Ferner votirte das Haus eine Adresse an den König, worin derselbe ersucht wurde, dem Generalanwalt den Befehl zu ertheilen, die genannten Personen nebst ihren [773] Mitschuldigen vor Gericht zu verfolgen. Jene wurden sämmtlich in das Criminalgefängniß von Newgate gebracht. Alsdann folgten mehrere Bills, die ebenfalls angenommen wurden. Nach einer Bill wurden die Angeklagten ihrer Aemter entsetzt; eine zweite war auch für die Folgezeit höchst wichtig und auch schon deßhalb merkwürdig, weil die Gesetzgebung von Großbritannien hierin den ersten Schritt zur Verbesserung der Gefängnisse that, deren grauenhaften Zustand in jenen Zeiten H. Ainsworth in dem populären Roman Jack Sheppard kürzlich geschildert hat. Die Bill, welche bald zum Statut wurde, führte den Titel: Für die bessere Regulirung des Fleetgefängnisses und für die wirksamere Verhinderung und Bestrafung des willkürlichen und ungesetzlichen Verfahrens des Aufsehers besagten Gefängnisses (a bill for the better regulating the prison of the Fleet & für more effectually preventig & punishing arbitrary & illegal practices of the warden of the said prison.)

Natürlich bewirkte die Entdeckung jener Schändlichkeiten heftige Aufregung, so daß der beabsichtigte Kupferstich auf die Stimmung des Publikums nicht übel berechnet war. Wie erwähnt, fand jedoch Hogarth, als ein damals noch unbekannter Künstler, keinen Kunsthändler, der die Herausgabe eingehen wollte.

Der Ausschuß des Unterhauses hält auf vorliegendem Blatte Sitzung in einem Zimmer des Gefängnisses, welches offenbar zur Mißhandlung der Verhafteten gedient hat. Es hängt dort ein eiserner Haken, woran die Gefangenen schwebend angebunden wurden, ferner eine Kette, um sie an die Wand zu schließen. Der Präsident zeigt dem verhafteten Gefangenwärter ein Marterwerkzeug, welches ihn überführt. Neben demselben steht ein befragter Aufwärter, und seitwärts kniet vor dem Secretär des Ausschusses ein Schuldgefangener und zeigt demselben die Art, wie er gequält wurde. Die Mitglieder des Ausschusses zeigen sämmtlich die ernste Würde, welche Gesetzgebern geziemt.

Walpole gibt über die Originalskizze in seinem Besitze ein Urtheil, welches wegen der weiteren Erklärung hinzugefügt zu werden verdient. Er sagt: Die Scene stellt eine Sitzung des Ausschusses dar. Ein zerlumpter und halb verhungerter Gefangener steht vor ihm. Der [774] Unglückliche hat eine gute Miene. Dies erhöhet das Interesse. Auf der andern Seite erblickt man den unmenschlichen Kerkermeister, gerade so eine Figur, wie Salvator Rosa im Augenblicke der Entdeckung den Jago gemalt haben würde. Büberei, Furcht und Bewußtsein der Schuld drücken sich in einer Mischung von Schwarzgelb und Todtenblässe auf seinem Gesicht aus. Angst zieht seine Lippen zusammen. Gierig, eine Lüge zu sagen, streckt er den Kopf vor. Die seitwärts gestellten Füße verrathen Neigung zur Flucht. Die eine Hand schiebt er hastig in den Busen, mit der andern reibt er an den Knopflöchern seines Rocks. Soll diese Figur ein Porträt sein, so bleibt es das auffallendste, das ein Künstler zeichnete, wo nicht, so ist es desto vortrefflicher.