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Titel: Der Biber als Baumeister
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 67–69
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Der Biber als Baumeister.

Denken wir uns drübenstehende Zeichnung sechs Mal vergrößert, so haben wir das Bild eines der größten und entschieden des stärksten Nagethieres, und zwar in sitzender Stellung. –

Da wir den Biber seiner äußern Erscheinung nach kaum für so kräftig halten können, als er seinen Kraftäußerungen nach wirklich ist, so wollen wir erst einen ganz flüchtigen Blick auf sein Knochengerüst werfen, ehe wir ihn nach seinen Wohnungen begleiten. Am Skelet des Bibers, das in vielen Stücken am besten mit dem der Wasserratte verglichen werden kann, fallen uns sogleich die gedrungenen, kurzen, aber starken Knochen der Ober- und Unterschenkel in die Augen, die kurzen, aber breiten, mit langen Fortsätzen versehenen Wirbel vom Kopfe Schwanze, und der durch seine weitabstehenden Jochbögen unverhältnißmäßig breite Schädel mit den gewaltigen Nagezähnen. Bedenken wir nun, daß dieses gedrungene Gefüge kräftiger Knochen eine hinreichend große Oberfläche als Anhaftungspunkt für die starken Sehnen darbietet, und die Muskeln an einzelnen Stellen, besonders den Kiefern, Hinterbeinen und dem Schwänze, ganz besonders entwickelt sind, so ein großer, starker Hautmuskel beiderseits vom Rücken nach dem Nacken, den Kiefern, der Schulter, der Brust und dem Bauche läuft und sich über einen Theil der Füße erstreckt: so leuchtet uns ein, wie dieses Thier Kraftäußerungen erzielen kann, die zu seinen Größendimensionen in keinem Verhältnisse stehen. Und doch würde von einem Biber das nicht geleistet werden können, was wir an ihren Bauten bewundern; dazu ist das Zusammenwirken vereinter Kräfte nöthig. Doch lernen wir nun die Leistungen selbst kennen!

Die Biber leben an und in dem Wasser, wie die Schwimmhäute der Hinterfüße schon vermuthen lassen, am liebsten in größeren Gesellschaften (Colonien) beisammen, doch trifft man sie auch vereinzelt an. In diesem Falle erscheint ihr Pelz schmutzig und besonders auf dem Rücken abgerieben, weil sie in röhrenartigen Höhlen leben, die sie vom Wasser aus unter dessen Spiegel in das Ufer graben und sie, in verschiedenen Krümmungen und unter einigen Erweiterungen allmählich nach oben gerichtet, nach einem Bruch oder Walde zu bis zu einer Länge von 100 Fuß und darüber fortführen und sie daselbst wohl auch münden lassen. Dergleichen Baue haben nichts Besonderes, sie sind hier auch nicht gemeint, sondern die sogenannten Biberburgen, die von ganzen Colonien – bis mehreren Hunderten an Zahl – aufgeführt werden und heutzutage am sichersten nur noch in Nordamerika und dem nördlichen europäischen und asiatischen Rußland anzutreffen sind, aber auch da mit der Zeit immer seltener werden. In Deutschland wurde die letzte, seit länger als 100 Jahren gehegte Colonie bei Barby an der Mündung der Ruthe in die Elbe noch in den zwanziger Jahren beobachtet (1827 beschrieben), ist aber später, unseres Wissens, eingegangen.

Es versteht sich wohl von selbst, daß die Burgen verschiedener Colonien nicht in allen ihren einzelnen Theilen genau dieselben sind, daß Unterschiede mehrfach vorkommen, bedingt durch die Localität, die nicht überall eine gleich günstige Lage hat, durch die Anzahl der Thiere, das Zahlenverhältniß des erfahrenen Alters und der unerfahrenen Jugend in der Gesellschaft und vielleicht noch durch manches Andere, was zu erforschen bisher noch nicht gelungen ist. Daher rühren auch die verschiedenen Angaben bei den verschiedenen Schriftstellern, von denen die einen als glaubwürdiger allgemeinen Anklang fanden, andere als mehr fabelhaft verworfen worden sind. Wir beschränken uns hier natürlich nur auf die Beobachtungen zuverlässiger Forscher und heben das hervor, worin ihre Angaben übereinstimmen.

Hat eine Gesellschaft Biber den Ort gefunden, der ihr zum Anbau passend erscheint, einen kleinen See oder ein Flüßchen, deren Wasser im Winter nicht bis auf den Grund friert, die in einsamer, waldiger Gegend anzutreffen sind, wie etwa an den kleinen Seen in Canada, wo sie gewisse Stellen immer wieder auswählen, auch wenn sie daselbst wiederholt gestört werden: so beginnt – im Monat August, wie man beobachtet hat – die Arbeit mit Herbeischaffung des Baumaterials, das in Holz verschiedener Stärke, wie es ein derber Baum liefert, Steinen, Erde und Schlamm besteht.

Am Interessantesten hierbei ist unstreitig die Beschaffung des nöthigen Holzes, sowohl in Rücksicht auf die physische Kraft, welche die Thiere dabei an den Tag legen, als auch rücksichtlich ihrer geistigen Befähigung, die zu bewundern wir genöthigt werden, eben so wie bei andern noch viel kleineren thierischen Wesen, wenn sie ihre Behausungen anlegen – wir erinnern beispielsweise nur an die Bienen, Ameisen, viele Vögel etc. – Nicht nur Büsche beißen die Biber ab, sondern sie fällen Bäume von 12 bis 20 Zoll Umfang des Stammes, dabei stehen sie auf den Hinterfüßen, räumen mit den vordern die Spähne weg und nagen so rund herum oder nach Befinden nur auf der einen Seite. Gegen das Ende der Arbeit sieht der kleine Holzhauer nach jedem Hiebe in die Höhe, ob der Baum bald fällt, und weiß es so geschickt einzurichten, daß er dahin fallen muß, wo er ihn hin haben will, entweder dicht neben die Stelle, wo er ihn eben braucht, oder in das Wasser, auf dem derselbe, nachdem mit vereinten Kräften die Aeste abgeschnitten und unter Umständen durch weitere Nachhülfe sein Flottwerden bewirkt worden ist, bis zum Baue hinschwimmt. Die Aeste und Zweige werden theils nachgeschickt, theils von den schwimmenden Thieren im Maule oder unter dem Kinn, von der Vorderpfote festgehalten, nachgeschafft. Der Wasserweg wird bei etwas größeren Entfernungen und größeren Lasten dem Landwege vorgezogen, da der Gang des Bibers ein schwerfälliger und unbeholfener ist.

Das gefällte Holz bleibt nun im Wasser oder seiner nächsten Nähe liegen, bis es verbraucht wird, seine Schale zur Nahrung – der Biber benagt nämlich nicht wie die Hasen, Kaninchen etc. die Stämmchen und Reiser, sondern schneidet sie stets zuvor ab, daher auch größere Colonien nicht unbedeutenden Schaden anrichten können – die abgeschälten Stücke, die nach Bedürfniß noch zerschnitten werden, zu seinen Wohnungen. Diese nun beginnen unter dem Wasser, werden von da, sich allmählich erhebend, in das Ufer röhrenförmig, in verschiedenen Windungen und Aushöhlungen hineingearbeitet und erscheinen in geringer Entfernung vom Ufer oder auf der Oberfläche kleiner Inseln als kegel- oder backofenförmige Hügel von 4 bis 7 Fuß Höhe und etwas ovalem, 8 bi5 12 Fuß im Durchmesser haltendem Grunde. Diese Hügel sind bald aus Reisig und Knüppeln aufgeschichtet, welche durch Schlamm, Erde und Steine zu einer am Grunde mehrere Fuß dicken Mauer vereinigt werden, bald herrscht die durch die Ausgrabung gewonnene, schlammige Erde vor, welche, mit Steinen, größeren und kleineren Holzstückchen vermengt, zu einem festen Gewölbe von angegebener Form verarbeitet worden ist. Ehe Frost eintritt, werden diese Hütten noch mit Schlamm beworfen, der ihnen beim Gefrieren noch größere Festigkeit verschafft. Denselben schieben sie mit Hülfe der Brust und Vorderfüße vom Wasser aus in die Höhe; daß der breite Schwanz zum Aufklatschen und Festschlagen diene, ist zwar bezweifelt worden, aber durchaus nicht unwahrscheinlich, da der Biber beim Tauchen und Schwimmen häufig mit demselben auf das Wasser schlägt, ihm diese Bewegung also gar nicht fremd und ungewohnt ist – beiläufig erwähnt, soll das durch Peitschen des Wassers weithin hörbare Geräusch zur Lockung oder Warnung anderer Biber dienen. Leider werden die meisten Arbeiten [68] zur Nachtzeit vorgenommen und entziehen sich daher den genauen Beobachtungen des Forschers, der diesen ungemein schüchternen Thieren gegenüber überhaupt nur mit der größten Vorsicht zu Werke gehen muß, wenn er ihnen etwas ablauschen will.

Das Innere der Hütten ist weit einfacher, als man zum Theil geglaubt hat, es besteht oft nur aus einer Kammer, die mit Holzspähnen, Rohr oder Kräutern ausgelegt ist und in der Mitte des Fußbodens, also vom Wasser her, ihren einzigen Zugang hat, der zugleich auch Ausgang ist, und wird in der Regel von vier alten und sechs bis acht jungen Bibern bewohnt. In andern Fällen zeigt die Seitenwand des Innenraumes noch zellenartige Aushöhlungen bei einem mittleren Zugange und, dann findet sich eine größere Einwohnerzahl. In noch andern Fällen sind Unterschiede im Innern, jedoch ohne Verbindung unter einander, jede Kammer mit ihrem besonderen Eingange, aber alle von gemeinsamem Dache bedeckt. Solche Wohnungen scheinen durch Anbau der einen an eine andere, zum Theil schon ältere zu entstehen, da es die Biber öfter vorziehen, jeden Herbst einen Neubau aufzurichten und zwar nicht selten unmittelbar neben dem alten. Sonach besteht also eine Biberwohnung aus 2 Stockwerken, dem oberen, backofenförmigen Hügel, der sich in angegebener Weise über die Erdoberfläche erhebt, und den hohlenartigen Räumen darunter, die zu ihrem größeren Theile unter dem Wasserspiegel liegen und wohin die Thiere wohl auch flüchten, wenn sie in den Hütten angegriffen werden. In der Nähe des Zuganges finden sich Reiser und ungeschälte Holzstücke als Wintervorräthe vor, mit den untern Enden in den Schlamm gesteckt, die jedoch nur erst dann angegriffen werden, wenn der Frost bedeutender geworden und der Ausgang durch das Eis versperrt ist.

Der Biber.

Die liebste Nahrung der europäischen und asiatischen Biber besteht aus der Schale der Pappeln, Birken und Weiden und den Wurzeln der Seerose. Die amerikanischen schälen überdies noch einige ihrer Heimath eigenthümliche Bäume, wie Magnolien, rundblätterige Esche u. a. m., ab. Krebse und Fische verspeisen sie nie.

Noch eines Bestandtheiles vieler Biberburgen, die aus mehreren eben beschriebenen Bauten bestehen, müssen wir gedenken, wenn wir ein vollständiges Bild einer größern Colonie haben wollen. Um nämlich den Wasserstand zu reguliren, besonders einen zu niedrigen in der trockenen Jahreszeit unmöglich werden zu lassen, bauen die Biber mit vereinten Kräften Dämme, durch die sie das Wasser entweder in eine große Bucht einsperren oder dadurch aufstauen, daß sie denselben quer durch den Fluß führen; in letzterem Falle soll ihnen eine Breite von selbst 100 Fuß nicht zu bedeutend erscheinen. Auch diese Dämme bestehen, wie die Hütten, aus einem Complex von Reisig. Knüppeln, Steinen und Schlamm, und sind nach Umständen roher oder künstlicher angelegt, je nachdem das Terrain ihre Anlage unterstützte oder erschwerte. Sie sind so fest, daß man sie als Stege benutzen kann, haben bisweilen oben Abzugslöcher für das wachsende Wasser und gehen auf der Stromseite schräg herab, wozu gewiß die Strömung des Wassers durch Anschwemmen das Ihrige beiträgt, während die entgegengesetzte Seite senkrecht abfällt; steht das Wasser ganz still, so findet man die Dämme auch durchweg von gleicher Dicke, also mit senkrechten Wänden. Du Pratz ließ einen Damm zerstören, um seine Construction kennen zu lernen, und fand als Grundlage kreuzweis gestellte Knüppel, in deren oberem Winkel, wie bei einem Sägebock, der Länge nach Verbindungshölzer lagen. Bilden leicht anwurzelnde Weiden oder Pappeln das Bauholz, so wachsen solche Dämme bisweilen stellenweise zu lebendigen Hecken aus, und die ganze Anlage dieser Thiere ist auf diese Weise im Stande, die natürliche Beschaffenheit der Gegend mehr und mehr umzuwandeln.

Bei hohem Wasserstande werden die Biber, die sonst nur nach Sonnenuntergang ihre Bauten zu verlassen pflegen, aus denselben vertrieben, liegen dann auf denselben oder werden auf Bäumen sitzend angetroffen, die aus dem Wasser hervorragen; besonders bringt sie im Frühjahre der Eisgang in solche Verlegenheiten. Haben sich dann die Wasser wieder verlaufen, so kehren die Weibchen zu den Hütten zurück und werfen Ende Frühlings zwei bis fünf blinde Junge, die erst im dritten Jahre ausgewachsen sind und als selbstständige Glieder der Colonie die elterliche Wohnung verlassen. Die Männchen schweifen dagegen den Sommer hindurch umher und kehren gegen Herbst zu ihren alten Wohnungen zurück, die sie ausbessern, hauptsächlich wieder mit Schlamm befahren, oder ganz neu bauen – wenn anders sie den Nachstellungen ihrer Feinde, zu denen der Mensch an erster Stelle zählt, glücklich entgangen sind.

Eben die Nachstellungen, denen der von Natur so scheue Biber des Castoriums (Bibergeils) und des Pelzwerkes wegen ausgesetzt ist, haben es verschuldet, daß er in vielen Gegenden nach und nach ganz verschwunden ist, und auch in den von ihm noch bewohnten immer weiter zurückgedrängt wird. Vor Zeiten war er viel weiter nach Süden verbreitet, als heut zu Tage. Daß er einst in Egypten und Indien gelebt haben müsse, ist mehr als wahrscheinlich, da die Egypter sein Bildniß unter den Hieroglyphen haben, und die Religion der Magier ihn zu tödten verbot. In ganz Europa scheint er verbreitet gewesen zu sein, wenigstens weiß man bestimmt, daß er Spanien, Frankreich, wenigstens das nördliche Italien, die Küsten des schwarzen Meeres bewohnte und an den kaukasischen Bergströmen, zwischen diesen und dem caspichen See noch jetzt angetroffen wird. In der Schweiz und am Rhein, wo man, wie in manchen andern Gegenden, fossiale Ueberreste [69] von ihm gefunden, lebte er noch in jüngeren Zeiten; an der Mosel, Maas, Yssel, Lippe, Weser, Aller etc., so wie im Lüneburgischen muß er gleichfalls häufig gewesen sein, eben so östlich von den letzteren Gegenden, besonders an der Elbe, Oder, Havel, Weichsel u. s. w., wo man ihn, wie auch an der Donau, einzeln noch jetzt finden kann. Im hohen Norden und Nordosten kommt er häufiger vor, besonders in Rußland zwischen der Dwina und dem Ural, an der Petschora, aber auch südlicher in Litthauen, dem Gouvernement Minsk, wo einige Dörfer danach benannt sind, sodann in Finnland, um den bottnischen Meerbusen, in Schweden und Norwegen. Reich an Bibern ist das asiatische Rußland und da wieder die unwirklichen Gegenden Sibiriens, am Ob und dessen Nebenflüssen, besonders im Beresowschen Gebiete, dann weiter südlich in den vom Ob und Irtisch bewässerten Strecken bis zur Issimschen Steppe, in den finstern Wäldern bei Tara, Tobolsk und Surgut, längs der Samara, dem Kinel und mehreren Steppenflüssen. Am Tas und Jenisei gehen sie bis zum 67° n. Br. hinauf. Ihre südlichste Grenze mag in Asien bis etwa zum 38° n. Br. gehen, indem sie sich vom caspischen See bis zu den wasserreichen, waldigen Gegenden der großen freien Tatarei hinziehen. Vor Allem aber ist Nordamerika der Erdtheil, in welchem die Biber in unerhörter Menge lebten, und stellenweise noch anzutreffen sind, vom mexicanischen Meerbusen und Louisiana an bis nach Pennsylvanien. Ihr Lieblingsaufenthalt scheint um die Hudsonsbay zu sein, wo noch heut zu Tage die meisten erlegt werden. In wilden Gegenden, um den Michigan-, Erie-, Ontario-, Sclaven- und Arathapeskow-See sind sie in solcher Menge anzutreffen, daß an letzterem sogar ein Stamm der Eingebornen den Namen „Biber-Indianer“ erhalten hat. Eben so häufig sind sie östlich und südöstlich von der Hudsonsbay, in Labrador und Canada. Hört man indeß von den vielen Tausenden von Fellen, die alljährlich in den Handel kommen, so steht zu befürchten, daß auch für die Biber eine Zeit eintreten wird, wo sie wie Auerochsen, Steinböcke und Gemsen durch die strengsten Jagdgesetze geschützt werden müssen, um nicht im Dienste des Menschen vollständig aus der Schöpfung zu verschwinden.