Textdaten
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Autor: Alois Wilhelm Schreiber
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Titel: Der Bannacker
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 41–43
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[41]
Der Bannacker.

In der Nähe der Ulmburg bei Oberkirch liegt ein Acker, der obigen Namen führt, von dessen Ursprung die Sage Folgendes berichtet:

Frau Judith, die Wittwe des Kastellans von Ulmburg, lebte seit ihres Mannes Tode in einem Häuschen unweit der Burg größtentheils vom Ertrag eines Feldstückes, das ihr zugehörte. Sie hatte nur eine einzige Tochter, Imma, die zum schönsten Mädchen der ganzen Gegend herangeblüht war. Als Imma sechszehn Jahre zählte, bepflanzte Frau Judith einen Acker mit Flachs, den sollte ihr Töchterlein selbst spinnen und die daraus gewobene Leinwand zu ihrer Mitgift aufbewahren.

Es wohnten aber in der Nachbarschaft einige lose Gesellen, die es für bequemer hielten, zu stehlen, als zu arbeiten, und es besonders auf die Plünderung der Feldgüter abgesehen hatten. Der Flachs, den Frau Judith gesäet, war ganz vortrefflich gediehen und der schönste in der ganzen Gemarkung, so daß die Wittwe sich nicht genug ihre Freude darüber ausdrücken konnte. Aber Imma sagte dann jedesmal traurig: „Ach, die Diebe werden ihn gewiß bald davontragen!“

„Da wollen wir ihnen schon einen Hemmbaum vorschieben!“ – versetzte die Mutter, – „Ich weiß ein Sprüchlein, das lernst du auswendig, gehst hinaus auf den Flachsacker und sagst es laut her und wie die Diebe das Feld betreten, werden sie festgebannt und können nicht mehr von der Stelle weichen.“

[42] Imma lernte den Segen auswendig und als am nächsten Sonntag die erste Festglocke läutete, ging sie hinaus und sprach folgendes Bannsprüchlein:

„Dieb oder Diebin, kommet nur an!
Ich bind’ euch alle hier mit dem Bann,
Mit dem Herr Christus die Hölle bunden,
Mit seines Leibes heiligen Wunden.

5
Es stehn drei Lilien in Blüthe

Auf unsers Herrgotts Grab;
Die erst’ ist seine Güte,
Die zweit’ sein sanft Gemüthe,
Die dritt’ sein göttlicher Will’.

10
Wer drunter ist, muß halten still,

So lange Gott und ich es will.

Wohl dreiunddreißig Engel
Die saßen beieinand’
Und pflogen mit Maria

15
Der Ehren allerhand;

Da sprach der heilge Daniel lieb:
Schaut, liebe Frau, dort kommen Dieb’,
Die wollen dein Kind dir stehlen,
Das kann ich dir nicht verhehlen!

20
Da sprach unsre liebe Frau mit dem Kind

Zu St. Peter: Bind’, St. Peter, bind’!
Da sprach St. Peter: ich habe die Dieb’
Schon festgebunden mit einem Band,
Und zwar mit Gottes selbsteigener Hand.

25
Jetzt mögen sie stehlen, drinnen und draus,

Im Wald, im Felde, Hof oder Haus!“

Nachdem Imma diesen Segen gesprochen, kehrte sie nach Hause zurück, nicht ohne Vertrauen auf den guten Erfolg, der auch nicht lange ausblieb. Denn als sie am folgenden Morgen vor Sonnenaufgang mit der Mutter auf den Flachsacker hinaus ging, um nachzusehen, fand sie daselbst zwei junge Bursche festgebannt, die sich nicht um ein Härchen von der Stelle bewegen konnten und sich mächtig schämten, in sothane Falle gerathen zu seyn. Laut jammernd flehten sie die Frauen [43] an, sie doch vom Banne zu lösen; aber obgleich das Herz der Frau Judith nicht arm an Mitleid war, so konnte sie doch die Bitten der Gefangenen nicht erfüllen, weil sie die Lösungsformel vergessen hatte, und man mußte zuletzt einen Geistlichen herbeiholen, um die Gesellen vom Banne zu lösen. Dadurch verbreitete sich die Kunde von dem Vorfalle weit und breit und das Flachsfeld erhielt vom Volke den Namen „der Bannacker.“

(S. Al. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden, den Vogesen, und dem Schwarzwalde.“)