Das heimliche Gericht - Teil 1

Textdaten
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Autor: Ludwig Ferdinand Huber
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Titel: Das heimliche Gericht
Untertitel: Einige Scenen
aus: Thalia – Zweiter Band,
Heft 5 (1788), S. 1–66
Herausgeber: Friedrich Schiller
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1788
Verlag: G. J. Göschen’sche Verlagsbuchhandlung
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: UB Bielefeld bzw. Commons
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[1]

I.

Das heimliche Gericht.

Einige Scenen. [1]




Personen:

Herzog Wilhelm von Jülich.
Konrad von Sontheim.
Mathilde, dessen Gemahlinn.

[2]

Heinrich von Westhausen.

Ulrich Zoller, Truchseß des Herzogs,
Albert von Linne.
Dietrich von Arlheim.


Richter des
heimlichen
Gerichts.

Der Erzbischof von Bremen, Aeltester des heimlichen Gerichts.
Adolf von Eimingen.
Franz, Konrads Schildknappe.
Dessen Frau.
Vermummte Richter des heimlichen Gerichts.
Knechte und Bediente aus des Herzogs und Konrads Gefolge.




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Erster Aufzug.




Erster Auftritt.

(Ein Saal in Sontheims Schloß.)

Konrad von Sontheim, Truchseß Zoller.

Konrad. Dank für Eure gute Botschaft, Herr Truchseß. Wie bald kann ich ihn also erwarten?

Truchseß. Vor Ende des Tags muß er da sein. Seine Anstalten waren ziemlich gemacht, wie er mich abschickte. Als Freund zu Freund, als Ritter zu Ritter will der Herzog zu Euch kommen, das trug er mir auf, Euch zu sagen. Er hat fast kein Gefolge.

Konrad. Ich erkenne diese fürstliche Huld. Doch – etwas muß ich erst berichtigen, und zwar mit Euch. Der Besuch des Herzogs macht Euch zu meinem Gast – wie stehen wir mit einander?

Truchseß. Herr Ritter –


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Konrad. Verzeiht, ich wollte Euch keine unangenehme Erinnerung erwecken, aber es thäte mir leid, wenn ich heute, als Euer Wirth, heimlichen Groll gegen mich in Euerm Herzen vermuthen müßte.

Truchseß. Nein. Ihr habt ja seitdem auch zu Karls Fahne geschworen. Was Ihr vorher gethan, dürft Ihr nicht mehr verantworten.

Konrad. Eure Hand! – und seid mir hier willkommen.


Zweiter Auftritt.

Die Vorigen, der Schloßwächter.

Schloßwächter (zu Konrad.) Draußen am Thor steht ein fremder Ritter, der verlangt zu Euch gelassen zu werden. Er wollte mir seinen Namen nicht geben; aber Ihr kenntet ihn, sagte er.

Konrad. So schließt ihm auf, und führt ihn hieher. (Schloßwächter gehet ab.) Eine seltne Erscheinung! Seit langer Zeit sprach kein Ritter hier ein –

Truchseß. Die Herren lassen sichs auf ihren Schlössern wohl sein, und pflegen ihrer zermalmten Knochen.


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Dritter Auftritt.

Konrad von Sontheim, Truchseß, Heinrich von Westhausen.

Heinrich (stürzt herein in Konrads Arme.)

Konrad. Was? ist es möglich? Heinrich – Du! Endlich doch! Wie konntest du so lange zögern?

Heinrich. Verzeih, es ist meine Schuld nicht, daß unsre Wege bisher so weit aus einander lagen. Hab’ ich dich doch endlich wieder gefunden! – freilich nicht ohne Mühe. Um dich herum ist alles so verändert; so prachtvoll, so kostbar alles! Kaum konnt’ ich mich durch die verbrämten Gestalten zu dir schlagen – Doch was thut das? Wenn ich nur dich wiedergefunden habe!

Truchseß (zu Sontheim.) Mein Auftrag an Euch ist ausgerichtet; ich verlasse Euch, (gegen Heinrich gekehrt) voll Freude den tapfern Westhausen gesehen zu haben, dessen Freundschaft dem Baiern für ein ganzes Heer galt.

Heinrich (indem er ihn aufmerksamer betrachtet.) Mich dünkt, ich sollte Euch kennen.


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Truchseß. Hoffentlich nicht, Herr Ritter; und wenn es wäre, so wünscht’ ich, Ihr vergäßt es und sähet mich als einen Fremden an. (zu Konrad.) Eure Frau wird noch nichts von meiner Botschaft wissen; erlaubt Ihr –

Konrad. Geht und gebietet über mein ganzes Schloß; laßt es Euch an nichts fehlen.

(Truchseß geht ab.)


Vierter Auftritt.

Konrad von Sontheim, Heinrich von Westhausen.

Konrad. Also hab’ ich dich wieder! Sage, wie heißt der glückliche Zufall, der dich jetzt nach Westphalen führt?

Heinrich. Sein Name klingt etwas hart in männlichen Ohren – Unthätigkeit, Müßiggang. Lieber freilich hätt’ ichs gesehen, wenn dein Schloß eine Herberge auf dem Wege zum Ruhm gewesen wäre. Aber eine schwüle Ruhe liegt über Deutschland. Die Fürsten und Ritter haben gelernt, ihre Leidenschaften feil tragen, und der Kaiser bezahlt die Waare gut. Ich komme von Ludwigs Söhnen, sie brauchen ihres Vaters Freunde

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nicht mehr. Auch sie haben ihre Ansprüche zur Ehre um Gold verkauft. Weißt du einen Winkel im Reiche, wo es für uns zu thun giebt, so sag’ ihn an, – wir ziehen zusammen hin.

Konrad. Oder besser, wir bleiben zusammen hier. Bist du das Herumtreiben nicht satt? Sehnst du dich nicht nach Ruhe? Ruhe aus in den Armen der Freundschaft, ich verspreche dir schöne, fröhliche Tage. Von mir sollst du die Kunst lernen, dein Leben zu genießen.

Heinrich. Ha das war es, was mir der Eintritt in Sontheims Schloß weissagte! Alles anders, alles verbrämt, auch Sontheims Sprache und Herz. Diesen Genuß des Lebens hieß uns ehemals Todesschlaf des Geists. – Wir geschäftigen Thoren! jetzt wissen wir es besser. Das Alter um seinen Sieg betrügen, freiwillig aufhören zu handeln, eh’ sein tödtender Frost uns zwingt, das ist Weisheit!

Konrad. Kein Spötter! Aber der Mann lernt haushalten mit den Kräften, die der Jüngling so oft an Fantome verschwendet.


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Heinrich. (bitter und heftig.) Fantome! – doch es ist ja wahr. Auf dem ganzen Wege hört’ ich erzählen von dem mächtigen Konrad und der schönen Mathilde. Und du bist auch mit dem Kaiser versöhnt?

Konrad. Ich bin es, ja! Und warum dieser bittre Ton? Folge meinem Rath, ich will nur ein Wort für dich sprechen, ein Wort – ich gebe dir meine Ehre zum Pfand – das dich nicht erniedrigen wird, und er vergißt auch dir das vergangene. Ich steh’ in Gnade bei ihm.

Heinrich. O meine Ahndungen! Du stehst bei Karln in Gnade, und warst Ludwigs Freund; fühlst du den Unterschied nicht? (mit Rührung, indem er ihn bei der Hand faßt) Wahrlich Konrad, diese kaiserliche Gnade kleidet dich sehr übel.

Konrad. Schwärmer! Was fragt Ludwigs Asche nach dem deutschen Reich? was frommte ihr unsre kindische Hartnäckigkeit, einen Herrn nicht erkennen zu wollen, den wir nicht stürzen können?

Heinrich. Dann, Konrad, giebt es ein Drittes. Man sieht ihm wartend zu und kriecht nicht vor den Stufen seines

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Throns. Dahin ist es gekommen? Du kennest nur zweierlei an einem großen Mann, sein Leben und seine Asche? Und wann er aufgehört hat seine Rolle zu spielen, dan verwes’t sein Andenken und sein Einfluß mit ihm, alle Spuren seines Geists verschwinden mit ihm von der Erde, jeder Stümper ist dir so viel, als er. – Der König von Böhmen ist im ruhigen Besitz des Reichs; mag er sich dessen freuen! Ich hasse Karln nicht, aber ich liebte Ludwig den Baiern – Und Gott Lob! ich hab' es noch nicht verlernt, den Kaiser zu entbehren.

Konrad. O diese stolze Sprache kenn’ ich –

Heinrich. Nein Konrad. Ich prahle nur mit dem Bilde deiner vormaligen Größe. Erkenne hier deinen Geist; hieher hat er sich geflüchtet, als du ihn von dir wiesest; schwinge dich wieder zu ihm hinauf.

Konrad. Du verkennst mich, Heinrich. Wer hat dir gesagt, daß du hier des Kaisers bedürfen würdest? Du mußt bei mir bleiben, daß unsre Seelen den alten Einklang wieder lernen. Zusammen wollen wir Ludwigs Andenken ehren, ich verantworte das Majestätsverbrechen bei Karln. Und wenn wir uns in jene Zeiten zurückdenken, die wilden, blutigen Auftritte wiederholen –


[10]

Heinrich. Recht! Dein Vorschlag gefällt mir. Die Freude ist schon eines kleinen Opfers werth. Die kindische Verwunderung, was für Männer wir waren, wie süß wird sie nicht sein! Ich sage dir, es giebt Stellen in unserm Leben, die uns unglaublich scheinen werden. Diese Narbe auf deiner Stirne soll uns Stoff geben für manche Winterabende. Wie bald möchte sie vergessen werden, wenn du ausgingst und dir neue holtest! – so wird ihr Andenken immer frisch bleiben. – O! diese Narbe! (er drückt ihn heftig an sich und küßt ihn auf die Stirne.) Konrad, dir bin ichs schuldig, daß ich noch lebe, willst du dein eignes Geschenk so herabwürdigen? (mit rührendem Spott.) Du brauchst es nicht, Konrad, denn sieh, die Schuld drückt mich nicht.

Konrad. (mit erstickter Stimme.) Warum davon? –

Heinrich. Wende dich nicht weg, Lieber. Hemme diese Thräne nicht. Es ist eine fruchtbare Thräne, ich sehe schon Thaten in ihr keimen.

Konrad. Nein Heinrich, mit mir ist es vorbei. Meine Schuld an die Welt, an meinen Stand ist bezahlt – ich darf sagen, redlich bezahlt. Ich begreif’ es sehr wohl,

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daß du noch nicht gesättigt bist mit Thaten. Die Bande, die mich fesseln, kennst du freilich nicht. Ein Weib, das mich zärtlich liebt, und Söhne, die – Trotz sei dir geboten, Westhausen – die sich ihres Vaters nicht schämen werden – aus diesen Männer zu ziehen –

Heinrich. Und wenn du doch dich verrechnetest! Dein Weib kann dich nicht lieben, wenn sie nie für dich zu zittern hat. Und deine Söhne! – Du solltest sie kennen, diese gähnenden Mißgeburten, in dem dumpfen Qualm des häuslichen Lebens ausgebrütet. Sitze du bei ihnen, und sag’ ihnen vor von den Cäsaren und Alexandern, sie werden sich die süße Ruhe ihres Vaters loben. Aber weggestohlen vom Getümmel des Kriegs, ein Augenblick erspart von Geschäften und Thaten – der sä’t Früchte für die Nachwelt. Und wenn sie fragen, wo ihr Vater ist, diese, jene schöne That von ihm erzählt wird, diese kühne Unternehmung ihn zurückhält, weit, weit von ihnen, – dann sehnen sie sich zu ihm, zu kämpfen um den Ruhm unter seinen Augen!

Konrad. (faßt ihn bei der Hand.) Und doch hab’ ich gewonnen Heinrich; denn sieh dich um, meine Mathilde erscheint.


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Fünfter Auftritt.

Die Vorigen, Mathilde.

Mathilde. So ruhig steht Ihr da, mein Gemahl? Ihr hörtet ja von dem Besuch –

Konrad. Kein Wunder, wenn ichs vergessen hätte. Hier, Mathilde, siehst du einen Mann –

Mathilde (zu Heinrich.) Ihr seid vom Gefolge des Herzogs? Kommt er Euch bald nach?

Heinrich. Ich bin von keines Herzogs Gefolge, gnädige Frau.

Konrad. Du erinnerst dich Heinrichs von Westhausen, dessen Namen ich so oft –

Mathilde. Nun? Bringt ihn der Herzog mit?

Konrad. Wie? du erräthst es noch nicht, daß er hier vor dir steht?

Mathilde. In der That! – So scheint es fast, als müßt’ ich Euch um Verzeihung bitten, Herr Ritter –


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Heinrich. Es ist nicht das erstemal, gnädige Frau, daß ich Euch sehe. Vor fünf Jahren lockte mich der Ruf der schönen Mathilde in die Augustinerkirche zu Paderborn. Ich sah’ Euch trauen mit Euerm ersten Gemahl. Aber es kostete Mühe an dem Tage zu Euerm Anblick zu kommen. Das Volk stand dicht gedrängt um Euch und Euern Bräutigam, und selbst die Heiligkeit des Platzes hielt den Ausbruch der allgemeinen Bewunderung nicht zurück.


Mathilde. Oder des allgemeinen Mitleidens, wollt Ihr vielleicht sagen. Die Wahrheit zu gestehen, Herr Ritter, ich mag nicht gern an diesen Tag erinnert sein.

Heinrich. Wie? Nicht gern an diesen Tag, der einen der ersten Männer Deutschlands zu dem Eurigen machte? Ihr war’t damals, glaub’ ich siebenzehn Jahr; die holde Fülle der Jugend stralte aus Eurer Gestalt. Aber Herrmann von Landsberg war würdig an Eurer Seite zu stehen; nie sah’ ich ein schöneres Bild des vollendeten Alters. Sein Haar färbte sich schon weiß, aber sein kraftvolles Ansehen beschämte manchen Jüngling; unter dem Schnee seines Hauptes war noch treibende Wärme sichtbar, und manche Eurer Gespielinnen schien Euer Loos zu beneiden. – Dieser Mann ist zu früh gestorben!


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Konrad. (in einem finstern Nachdenken langsam wiederholend.) Dieser Mann ist zu früh gestorben!

Heinrich. (fragend, mit Bedeutung.) Auch dir?

Konrad. (auffahrend.) Ha was ist das?

Mathilde. Die Minuten vergehen, Konrad, und es geschieht nichts zu der Aufnahme unsers vornehmen Gasts. Entlaßt mich, daß ich beßre Anstalten treffe.

Heinrich. Ein Wort nur erlaubt mir Euch zu sagen, schöne Frau!

Mathilde. Nun, Herr Ritter?

Heinrich. (faßt Konrads Hand, und führt ihn vor Mathilden.) Habt ihr nie diese Narbe bemerkt, auf Euers Konrads Stirne? – Wie gefällt sie Euch? Nicht wahr, sie steht ihm schön?

Mathilde. Sie schmückt sein männliches Gesicht, aber –


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Heinrich. Nun seht Ihr’s, jetzt sind es sieben Jahre, da fochten wir zusammen, Euer Konrad und ich, für die Sache Ludwigs von Baiern gegen den alten König von Böhmen. Im Kampfe mein Pferd unter mir todt gestochen. Eine Schaar von Böhmen umringte mich, ich lag da verwundet und wehrlos. Schon fiel eine böhmische Axt auf mein Haupt nieder, als Konrads Arm den Streich abwendete. Grimmig wie ein Löwe, stürzte er sich in den Haufen; er allein scheuchte sie alle aus einander, und machte mir Lust, daß ich aufstand und weiter focht. Von diesem Tag ist ihm die Narbe geblieben. Mir ist er sie schuldig, und ich ihm das Leben.

Mathilde. Das war sehr schön von Euerm Freunde.

Heinrich. Wirklich? Nun so hoff’ ich auch, Ihr werdet dankbar sein gegen den Mann, den Euer Conrad seinen schönsten Schmuck verdankt. Ich möchte Euch gern willkommen sein, könnt Ihr mir den Wunsch verargen?

Mathilde. Ich verstehe Euch, Ritter. Willkommen seid Ihr mir, ohngeachtet – (fein) ohngeachtet es Euch jetzt wunderbar vorzukommen scheint, daß Ihr ihn damals für mich schmücktet. (Sie geht ab.)


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Sechster Auftritt.

Konrad von Sontheim, Heinrich von Westhausen.

(Ein kurzes Stillschweigen, worin Heinrich seinen Freund betrachtet, der in sich gekehrt und tiefsinnig da steht.)

Heinrich. Ist es Euer Herzog, der Herzog von Jülich, den Ihr erwartet?

Konrad. Kein andrer.

Heinrich. Auch gut. Ich habe gewünscht diesen feinen Staatsmann zu kennen. Ludwigs Dankbarkeit hatte ihn zum Markgrafen erhoben. Wie Ludwig starb, und seine Söhne dem mächtigen Golde des böhmischen Königs unterlagen, fürchtete alles für den neuen Markgrafen. Und siehe, in kurzem bekleidete ihn Karl mit der herzoglichen Würde. Laß Deutschland noch zwei Gegenkaiser haben, so kann dieser Wilhelm die Königskrone tragen. –

Konrad. O ja, du hast ganz Recht.

Heinrich. Was ist dir? dein Gesicht umwölkt sich immer mehr. Ist diese Laune mein Willkommen, nach

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einer sechsjährigen Trennung? Ich hatte manches gegen dich auf dem Herzen, eh' ich zu dir kam. Was ich unterwegs von dir hörte, hatte mich bitter gemacht. Und doch öfnet sich meine Seele, fast wider Willen, den Freuden des Wiedersehens – aber du? - Was hast du? Rede.

Konrad. Nichts, in der That, weniger als nichts. – (nach einer kleinen Pause.) Du erwähntest vorhin Herrmanns von Landsberg – kanntest du ihn?

Heinrich. Ich bin sein Begleiter gewesen, auf mehr als Einem Zuge.

Konrad. Und sage mir – aber offenherzig – sage mir, was hieltest du von ihm? Bekenne mir's aufrichtig.

Heinrich. Deutschland hat wenig seines Gleichen mehr. Er war groß und gut.

Konrad. Wirklich? Wirklich? Das war er wirklich? (äußerst heftig) Nun ich schwör' es beim allwissenden Gott, ich hab' es nicht gewußt, daß dieser Mann groß und gut war! –

Heinrich. Konrad –


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Konrad. (wird betroffen und sammelt sich plötzlich.) Du scheinst verwundert, Heinrich –

Heinrich. Was ist aus dir geworden? Wie unnatürlich fieberhaft alle deine Bewegungen? Zuckende Angst arbeitet auf deiner Stirn, wo sonst die stille Ruhe der Helden thronte. – Konrad, ich hoffe du bist krank.

Konrad. Fast glaub' ich's auch. Laß es gut sein – Hast du mir nichts von – Landsbergs Wittwe zu sagen? – Du schweigst? Ich fürchte du bist ungerecht, du lerntest dieses Geschlecht nie kennen –

Heinrich. Nein Konrad, dann würd' ich desto nachsichtiger sein. Die wenigen Augenblicke daß ich sie sah, haben mir vieles begreiflich gemacht. Wer könnte von einer Weiberseele die Stärke fodern, sich einer Herrschaft zu begeben, die man ihr aufgedrungen hat? Hätte sie die, so wär' sie dieser Herrschaft werth. Ihre Schönheit hat dich gefesselt. Mich würde sie kalt lassen, denn ihr größter Reitz ist dahin, das süße Lächeln des schwachen Geschöpfs, womit es sich den Schutz des Starken erfleht.


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Konrad. Schwach! stark! Also blendet auch dich die verjährte Ungerechtigkeit? Dürfen wir, die Großmüthigen und Starken, uns dieser Ungleichheit, wenn sie da ist, überheben? Uebermuth war es und Mißbrauch, der uns größere Rechte gab, als ihnen.

Heinrich. Konrad, du wirst ein Gesetz nicht zerstören, von dem die ganze Schöpfung zeugt: Das Recht wohnt bei dem Starken. Wir können ihnen niemals gleiche Kräfte geben, unsre Rechte zu gebrauchen. Das Weib steigt nicht durch die Erniedrigung des Mannes. Mit ihm sinkt sie unter sich selbst, und auf der unnatürlichen Höhe, wohin Ihr sie stellt, kann sie nichts als schwindeln. – O Konrad, waren die unvergeßlichen Worte, das letzte Vermächtniß unsers grauen Lehrers, eine Prophezeihung über dich?

Konrad. Welche Worte?

Heinrich. Du hast die Zeit nicht vergessen, da wir beide an schweren Wunden darnieder lagen bei dem Einsiedler am Fuße des Brocken. Er übernahm unsre Heilung, und stärkte mit seinen Reden voll hoher Weisheit unsern Geist. Aus seiner Zelle sah er der Welt und ihrem Getümmel zu. Noch hör' ich ihn diesen Orakelspruch

[20]

stammeln. Wir hatten schon lange an seinen Worten gehangen. Durch die düstern Tannen schien die Abendsonne eine Glorie zu werfen um sein ehrwürdiges Haupt, es stralte wie wir uns die Vollendeten bilden. Da sprach er: "Aus unsern Zeiten keimen andre hervor. Bloßes Verderben duldet die Menschheit nicht lange. Man wird die Kunst erfinden, Licht aus der Finsterniß, Leben aus der Verwesung zu locken. Dem schlechten Boden wird man zu tragen geben, was noch auf diesem gedeiht. So wird man einst dieses Geschlecht zur Triebfeder des Guten für das unsrige erhöhen. Aber wehe den Männern, die diese Zukunft bereiten! – Ihr seid weit gekommen, sprach er zu uns, vor vielen Euers Zeitalters; aber einen Schritt weiter, so seid ihr nur zurück gegangen." – Und hast du diesen Schritt gethan, Konrad? – O weine, weine Vaterland, er hat ihn gethan!

(Er sinkt an Konrads Brust.)

Konrad. (sich losreißend.) Laß mich! laß mich! Ich möchte auf dich zürnen, und kann nicht. Du bist so ungerecht, aber du bist so gut, so edel! – Laß mich!

(Er eilt davon.)


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Siebenter Auftritt.

Heinrich von Westhausen allein.

(Ihm nachsehend.)

Fort ist er, geblendet von dem Stral der Wahrheit. – O du bist tief gesunken – und von welcher Höhe? – Doch die Hand der Freundschaft ist stark, sie wird ihn wieder aufrichten – Nur fassen, fassen muß er sie. – Er ist mir fremd geworden. Ich versteh' ihn nicht mehr, er versteht mich nicht mehr. Und doch – Auch dieser neue Konrad muß mein Freund werden. Sein Herz ist eingeschlafen, nicht todt – gewiß nicht todt. Ich kenne nichts, das ein solches Herz tödten könnte, nichts – als Verbrechen! – und Verbrechen kennt ein solches Herz nicht. – Ruhig, ruhig meine Seele! hier wäre ja, wonach du jagtest – Beschäftigung!

(Er geht ab.)


Achter Auftritt.

Albert von Linne, ein Knecht aus dem Schlosse.

Knecht. Folgt mir nur, Herr Ritter. Jedem vorbeiziehenden Ritter steht hier Obdach und Lager bereit.

Albert. Bin ich jetzt allein im Schloß?


[22]

Knecht. Kurz vor Euch ist ein fremder Ritter zu uns gekommen. Er weigerte sich seinen Namen an der Pforte zu geben, aber der Herr kennt ihn sehr gut.

Albert. (vor sich.) Also ist er da! – Könntet Ihr mich zu dem fremden Ritter bringen? Ich vermuthe, daß ich ihn auch kenne, und ich wünschte ihn zu sprechen.

Knecht. Sogleich such' ich ihn auf.

(ab.)


Neunter Auftritt.

Albert von Linne, darauf ein vermummter Mann.

Albert. (allein.) Wie sein Schatten bin ich ihm auf den Fersen! – Ich weiß nicht, meine Stimmung taugt nicht zum Ueberreden – Ist es dein böser Geist, Heinrich, der dich in meine Hände führte? Große Seelen gehen so leicht in diesem Abgrund unter –

Vermummter. (leise hereintretend und aus einer kleinen Entfernung rufend.) Albert von Linne!


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Albert (sich umsehend.) Wer ruft mich? – Eine sonderbare Gestalt! Aber wir haben nicht Fastnachten, ich dächt du gäbst dich zu erkennen. Wer bist du, und was willst du von mir?

Vermummter (kömmt näher und faßt seine Hand.)

Albert (einen Schritt zurücktretend.) Ha! – Wie lautet die Botschaft der Brüder?

Vermummter. Ob Ihr Euer Gewerb treu und eifrig betriebt? Wenn sollen wir zusammen kommen zur Aufnahme Heinrichs von Westhausen?

Albert. Man ist sehr besorgt um diese. Warum befürchtet man, daß er uns entrinne?

Vermummter. Weil wir ihn noch nicht haben. Wärt Ihr nicht träg gewesen, er müßte schon unser sein.

Albert. Wenn ich darauf antworten soll – wer seid Ihr? wie kamt Ihr hieher?

Vermummter. Fragt dieß ein Genosse des heimlichen Gerichts? Mein Zeichen habt Ihr erkannt, Ihr wißt was ich

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bin. Es kann Euch einerlei sein wer ich bin, ob und wie ich hieher kam.

Albert. Dem Gericht werd' ich antworten, aber nicht Euch, bis ich Euch kenne.

Vermummter. Wohlan! (er zeigt ihm sein Gesicht.)

Albert. Dieterich von Arlheim! Du bist mir der schrecklichste unter den Brüdern. Wie ich jetzt vor dir, so wird einst Westhausen vor mir schaudern.

Dieterich. Nun, woran liegt es? Warum brachtet Ihr uns Eure Beute noch nicht? Die Art Vögel heißt Schwärmer, und ist nicht schwer zu fangen; Ihr müßt ihm schlecht vorgesungen haben.

Albert. Er dauerte mich vielleicht, daß er um seine Freiheit kommen sollte, er flog so schön!

Dieterich. Um seine Freiheit? Es ist in unserm Bunde wie in der ganzen Welt. Wer nicht herrschen will, gehorche. Aber wem unser Bund den Willen zu herrschen nicht herausschlägt, der war von Ewigkeit zum Sklaven bestimmt, und wär' er auf einem Thron gebohren. Dünkt

[25]

Ihr Euch Sklav – so kann ich nichts als Euch bedauern.

Albert. Ehemals spracht Ihr anders zu mir.

Dieterich. Auch damals log ich Euch nicht. Wahrheit ist der vielfarbige Chamäleon; die ungleichsten Neigungen, die widersprechendsten Plane spiegeln sich in ihr. Eure Schuld ist es, wenn – doch jetzt Euern Entschluß. Wollt Ihr den Westhausen aufgeben, so sagt's, ich übernehm'[WS 1] ihn.

Albert. Und Ihr habt's an mir bewiesen, wie treflich Ihr Euch auf's Locken versteht.

Dieterich. Vielleicht dankt er mir's besser, als Ihr.

Albert. – Ich will ihn behalten.

Dieterich. Das freut mich. So frei von Ehrgeitz ist Eure Seele doch nicht, daß Ihr das Verdienst dieser Eroberung einem andern abträtet.

Albert. O fürchterliche Netze, in welche der Orden die Geister verwickelt. Ich begreif' es nicht woher dieser unwiderstehliche

[26]

Kützel, ihn zum Mitgenossen meines Schicksals zu machen? Was ist es, das mir bei ihm dieselbe Sprache einbläs't, die Ihr gegen mich führtet? Wie fand die Schlange, Selbstbetrug, noch Raum sich in meinen Busen zu schleichen? Welcher Zauber entzündet den Lügner mit Begeisterung, dieser Tochter der Wahrheit?

Dieterich. Das fragt Ihr noch, und fangt an grau zu werden bei'm heimlichen Gericht? Aber Ihr gefallt mir so. Bald hoff' ich Euch wiederzusehen, Euern Schüler an der Hand. Ist Eure Frist um, und nichts geschehen, so bedenkt, daß die Reihe an mich kömmt. Entgehen soll er uns nicht. Es wär' ein ewiger Schandfleck für uns, wenn Heinrich von Westhausen uns verschmähte. Lebt wohl, und der Geist des Ordens unterstütze Euer Vorhaben. Seht Euch wohl vor. Sollt' ich hier wieder vor Euch erscheinen, so ist's ein Beweis, daß die Brüder auf Euch zürnen. Doch – doch könnte dieß vielleicht nicht das letzte Geschäft des heimlichen Gerichts in diesem Schlosse sein.

Albert. Wie? Was ist das?

Dieterich. Lebt wohl. Ich höre kommen.
(Er geht ab; Albert bleibt einen Augenblick nachdenkend stehen, darauf tritt Heinrich herein.)


[27]
Zehnter Auftritt.

Albert von Linne, Heinrich von Westhausen.

Heinrich. Ha Ritter, Ihr haltet mehr als Ihr verspracht. So zeitig hätt' ich Euch nicht erwartet.

Albert. Mich verlangte nach Euch, und meiner Geschäfte waren nicht viel. Seid mir gegrüßt auf Sontheims Schloß, edler Reisegefährte. Wie ging es Euch, seit wir uns verließen?

Heinrich. Wohl und übel. Ihr habt Unheil angerichtet in meinem Kopfe.

Albert. Ich bin da es wieder gut zu machen.

Heinrich. Seid Ihr so gewiß, das zu können?

Albert. So gewiß als ich's Eurer bin. Der Funke hat gefangen, den ich Euch zuwarf.

Heinrich. Fast fürcht' ich's auch.


[28]

Albert. Fürchtet? fürchtet Ihr? Er fiel in ein edles Herz. Was fürchtet Ihr?

Heinrich. Es kreuzt sich wunderbar in meiner Seele. Zum erstenmal in meinem Leben fühl' ich die Qualen der Unentschlossenheit – Warum? Was hält mich zurück? Wie Blei hängt sich's an mir, wenn ich weiter will; und versuch' ich umzukehren, so treibt's mich wütend fort. – Ritter, bis an den Rand des Abgrunds habt Ihr mich geführt. Laßt mich nicht länger da stehen. Stoßt mich vollends hinein, oder –

Albert. Oder?

Heinrich. Oder werft mich wieder hin, wo Ihr mich fandet.

Albert. Das möcht' ich nicht um vieles.

Heinrich. Ich auch nicht. Aber diesen Zustand halt' ich nicht aus.

Albert. So sprecht deutlicher, wenn ich Euch helfen soll.

Heinrich. Ihr habt Recht. Kommt, hört mir zu. Ich will mich sammeln, und Ihr sollt alles wissen. –


[29]

Albert. Nun?

Heinrich. – In meiner Brust ist Etwas, das mich oft zu Thorheiten verführt hat. Ich kann es Euch nicht nennen, ich weiß keinen Namen dafür; doch hat es auch manchen großen Entschluß schneller zur That gereift, und darum ließ mich's unbesorgt.

Albert. Weiter, weiter! Ich verstehe Euch.

Heinrich. Jetzt aber, jetzt bedarf ich einer sicheren Bürgschaft. Es ist ein wichtiger Schritt, zu dem Ihr mich bereden wollt; ich möchte ihn thun wie ein Mann, oder ihn nicht thun. Diese Thorheit, wenn es eine wäre, entschiede über mein ganzes Leben.

Albert. Wie?

Heinrich. Nein, Ihr müßt mich anhören. Als Ihr mich traft, war ich sehr unmuthig, sehr niedergeschlagen. Schwer drückte mich die Ahndung, daß der Freund meiner Seele für mich dahin wäre. Alle meine Entwürfe lagen verdorben hinter mir. Eine traurige Erfahrung hatte die Berechnungen durchstrichen, die mir ihren Erfolg sichern sollten. Das Leben mahlte sich in meinen Augen

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düster und leer, wie der abgelaubte Wald wenn der Winter einbricht. Ein verlaßnes, entbehrliches Wesen sah' ich mich da stehen, auf dieser weiten Erde. Vergebens suchte ich rings umher nach einer guten Sache. Da stieß ich auf Euch, Ritter. Ihr verstandet mich. Eure Gespräche rissen mich aus der todten Betäubung. Bald botet Ihr mir noch kräftigeren Trost. Durch Euch sah' ich eine neue, große Laufbahn sich vor mir aufschließen. Meine ganze Seele schwebte auf Euern Lippen, meine Sinne lebten wieder auf. –

Albert. Nun? Und dieses alles hat Ein Tag zerstört? So schnell ist es verloschen, das schöne Feuer?

Heinrich (lebhaft.) Noch brennt es hier. – Aber – Gestimmt, wie ich es war, hätte mich ein Bund von bösen Geistern verführen können, unter sie zu treten. Ich bitte Euch, Freund, verdammt mich nicht. O wenn jeder Blutstropfen auf That und Entschluß deutet, da kostet's Mühe, die entzückte Seele in ihrem raschen Flug aufzuhalten, und an den Schneckengang des kalten Nachdenkens zu bannen.

Albert. Aber selten wird diese Mühe belohnt. Endlich spricht die bestochene Vernunft Euerm heißen Blute doch das Wort; und jede Minute, um die Ihr sie später beschließt,

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nimmt von dem Werth Eurer Handlung. – Warum sollt' ich Euch läugnen, Westhausen, daß ich Auftrag von meinen Brüdern hatte, Euch für unsern Bund anzuwerben? Doch wärt Ihr der nicht gewesen, für den ich Euch hielt, ich hätte mich dieser Sendung entzogen. Auch hab' ich Euch den Weg nicht gehen lassen, der unsern Lehrlingen bestimmt ist. Ich habe Euch mehr gesagt, als unsere Gesetze Ungeweihten zu sagen erlauben. Jene Vorschriften sind auf kleinere Seelen ausgerechnet. Mein Lockgesang an Euch war Wahrheit. Ich zerstreute selbst den finstern Nebel, hinter welchem meine Brüder sich so gerne bergen. –

Heinrich. Warum aber, warum dieser Nebel? Sichtbar jedem menschlichen Auge flammt die segnende Sonne dort am Himmel, entzündet mit Nacheiferung die Seele des Helden?

Albert. Dort am Himmel ist sie sicher. Uns würden die Menschen die helle Sonnenstraße nicht lange gehen lassen. Wir müssen ihnen unbegreiflich bleiben; verstünden sie uns, sie würden mit Riesenkräften an unserm Gebäude reißen. Nur unerkannt können wir das schleichende Ungeheuer Verschlimmerung bekämpfen. In nächtlichen Krümmungen finden wir seine Spuren. Leise sind seine verderblichen Tritte; aber wenn kein aufmerksames Ohr auf sie lauscht, hat es

[32]

bald Jahrhunderte durchstrichen, und Millionen vergifteter Seelen klagen die Nachlässigkeit der Vorfahren an. – Ich hab' Euch unsern Bund erklärt; sein Geist, Ihr seht es, ist ewig, wie die Sünde. Mit den Mährchen, die wir unserm Pöbel aufheften, konnt' ich Euch nicht spielen lassen. Der Name Karls des Großen hätte Euch schwerlich berauscht, und Ihr hättet zeitig eingesehen, daß kein Fürst jemals unser Stifter war. Unser Ziel ist das Eurige auch; glaubt Ihr mit uns sichrer zu gehen als allein, so habt Ihr nichts weiter zu bedenken.

Heinrich. Nichts – nichts, als eben dieses: ob ich allein besser gehe? Durch die Blendwerke, womit Ihr die Menschen schreckt, bemäntelt Ihr Eure Furcht vor den Menschen. Eure Waffen sind schlimm für Eure gute Sache. Aber diese giftigen Pfeile, fürcht' ich, stecken die Schützen selbst ab. Meuchelmord ist Eure Losung. Der Mann bietet eine offene Stirn dem Bösen, wie dem Guten. Niemals flohen meine Thaten das Licht, Und ich habe nicht selten glücklich gegen das Laster gekämpft.

Albert. Wie? Wo bin ich dann? Spricht jetzt der bittre Menschenfeind, der gestern noch im düstern Unmuth sich von seinem gesunkenen Geschlechte losriß? Zerschlagen war diese offene Stirn, kraftlos und gelähmt

[33]

diese Hand, die nur erlaubte Waffen geführt hatte. Wie ist er auf einmal so muthig, der verzweifelnde Streiter, der ermattet von vergeblicher Arbeit in der Mitte seines Laufs niedersank? So heißt sein Dank für den Labetrunk, den ich ihm reichte! Jetzt braucht er ihn ja nicht.

Heinrich. Albert! Albert! wer hat Euch so bald gelehrt mit Einem Worte in das Innerste meiner Seele zu greifen? Lernt man das im heimlichen Gericht?

Albert. Könnte wohl sein! – Aber hat sich die Welt geändert seit gestern? Euer Konrad ist also der er vor Zeiten war? Tugend und redlicher Muth sind heute im Preis gestiegen, Eigennutz und kleinliche Feigheit wieder zur Hölle geflohen? – So laßt mich gehen. Ich eile dem Orden diese große Nachricht zu bringen. Jeder von uns kann hinfort für sich wirken und genießen. Wir treten aus einander, denn die Welt braucht unsre Verbindung nicht mehr.

Heinrich. Spottet nicht. Ich habe längst geahndet, was ich von Euch nun weiß, längst die Spuren des heimlichen Gerichts mit schaudernder Ehrfurcht betrachtet. Durch diesen Bund sah ich den mangelhaften Behelf der menschlichen Gesetze ergänzt. Bei Euch glaubte ich schon jene Welt der Wahrheit zu erblicken, auf die man uns sonst

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später verweis't. Wie das Auge der Gottheit schien das heimliche Gericht über dem Volke zu schweben, und in die verborgensten Tiefen der Herzen zu schauen. Erhaben über die Furchtsamkeit des plumpen Götzen, den die Menschen Gerechtigkeit nennen, habt Ihr es gewagt nach Allwissenheit zu streben. Strenger, unbestechlicher vertretet Ihr die Stelle des Gewissens in den Seelen der Menschen. Eure Gegenwart scheut der Frevler überall, denn er sieht sie nirgends, und der leise Gedanke in seiner Brust kann ihn an Euch verrathen. Jeder Baum, an dem der Meineidige, der Heuchler vorbei geht, droht sein Hochgericht zu werden; mit jedem Schritt, den er thut, kann der Himmel über ihm sich öffnen, und Strafengel herabsenden ihn zu tödten. Ihr wolltet die Meinung der Menschen fesseln, Ihr wolltet Götter sein in ihren Augen. Das war Euer Ziel, und das habt Ihr erreicht.

Albert. Haben wir? und Ihr bedenkt Euch noch? – Ihr seid unser, Heinrich. Wahrlich, Ihr seid unser; Ihr wart es schon, eh' ich Euch sah.

Heinrich. Einen Augenblick, Ritter. Nur der fürchterliche unzerstörbare Zusammenhang aller Eurer Handlungen hat Euch zu diesem Ziele geführt. Aber ich fürchte diesen Zusammenhang. Den kleinsten Riß in Euerm Gebäude zu verhüten, dürft Ihr nicht anstehen Menschenleben

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zu opfern. Lieber alles zertreten, als Einen Schritt zurückgethan: so gebietet's der Orden. Ich fürchte dieses, denn mein Herz schlägt noch für Menschen, nicht für Menschheit allein. Doch – ich könnte mich entschließen bis an diesen Augenblick umsonst gelebt zu haben, ich könnte diese Handvoll Tage für eine bessere Zukunft hingeben; werdet Ihr aber mir alsdann einen Talismann zeigen, der Eure eigne Herzen vor Krankheiten und Seuchen schützte, der Euch auf die Stufe der Geister stellte, deren hohes Gesetz Ihr hienieden verpflanzen wollt? – Ihr seufzt? – Habt Ihr den nicht, so ist Euer Bund nur eine frevelnde Nachäffung jener geheimnißvollen Kette in der Hand des weigen Weltgeists. Diese ernsten, unerschütterlichen Sätze dienen zu Larven für gemeine Menschlichkeit; die gaukelnden Betrügerinnen, Leidenschaften hüllen sich in das ehrwürdige Gewand, denn Eurer sind viele, und Euer Name ist Mensch. – Furchtbare Sinnbilder der ewigen Gerechtigkeit, ehrwürdige Schatzbewahrer der Wahrheit und der Tugend, ich falle vor Euch nieder, und es ist mein höchster Stolz, daß Ihr mich Eurer werth achtet; aber – Eurer sind viele und Euer Name ist Mensch, mein Knie kann sich vor Euch nicht beugen. Mensch! erhabner schöner Gedanke der Schöpfung! O dein göttlicher Stempel ist zu zart, so viele Abdrücke auszuhalten.


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Albert. Doch Ritter, wenn es eben das Geheimniß unsers Ordens gewesen wäre, diesen Stempel herzustellen, wo er auf ewig verloren schien, den vielen Einheit wieder zu geben? Dann hättet Ihr ja so etwas wie Euern Talismann.

Heinrich. Dann – ja dann braucht Ihr doch mich nicht. Ich würd' in Euerm Ozean mich selbst verlieren. Gönnt immer dem Bach das bescheidne Vergnügen, seinen kleinen unansehnlichen Kreis zu bilden. Euer Werk ist vollständig ohne mich.

Albert. Nein, Heinrich, nicht also! Wir brauchen Seelen, in deren Heiligthum der reine ursprüngliche Geist unsers Bunds aufbewahrt bleibt – Seelen wie die Eurige. Die übrigen werden zu Werkzeugen geformt, bei jenen wohnt ihr Sinn.

Heinrich. Das ist viel, sehr viel! – Meinen Stolz habt Ihr befriedigt, und so wäre mir denn nichts übrig, nichts mehr – als eine einzige Frage. Aber sie entscheidet alles, und mit dieser konnt' ich meine Ueberlegung anfangen und beschließen. Antwortet mir, Ritter. (feierlich.) Richter des heimlichen Gerichts, antwortet mir bei Wahrheit und Treue.


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Albert. Ritter –

Heinrich. Nein, Ihr könnt und müßt mir antworten. Es ist weniger als was Ihr mir schon verrathen habt. Auch betrift meine Frage bloß Euch! – Ihr selbst seid einer der Auserwählten, die den Sinn des Ordens besitzen. Ihr seid keines der blinden Werkzeuge – habt Ihr also, Ihr, alles in Euerm Orden gefunden, was Ihr da suchtet, alles gefunden, weshalb Ihr hineintratet – Habt Ihr?

Albert. – Ja.

Heinrich. Ihr mußtet Euch besinnen. Es war ein Winkel in Euerm Herzen, aus welchem dieses Ja nicht kam, aus dem ein schnelleres Nein gekommen wäre, hättet Ihr ihm den Ausgang nicht verweigert. – Wenn ich Euch und meinem raschen Wunsche nun folge, wenn ich mich heute einweihen lasse in die Geheimnisse Euers finstern Gerichts – ha Ritter, wehe Euch und mir, müßt' ich einst ein solches Ja antworten auf eine solche Frage! Ich wäre der verlorenste unter den Menschen.

Albert (nach einer Pause.) Nun so sei es! So ungern, so schwer ich von Euch scheide, es sei! Steht ab, weil es noch Zeit ist, und

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vergeßt jedes Wort, das ich Euch sagte. Was Ihr sucht, findet Ihr vielleicht nirgends als in Euerm eignen Herzen. Der göttliche Gedanke wird entstellt, wenn ihn Menschenhände verkörpern. So rein, als er in dem Geiste seines Schöpfers empfangen wurde, können ihn sterbliche Werkzeuge sterblichen Augen nicht darstellen.

Heinrich (zerstreut.) Ihr könnt Recht haben. –

Albert, (nachdem beide eine Zeitlang geschwiegen haben.) Seid Ihr Willens bald weiter zu ziehen? Oder haltet Ihr Euch hier noch auf?

Heinrich. Ha Ritter, Ihr spielt falsch. Oder glaubt Ihr wirklich, unsre Rechnung sei schon abgethan, ich so leicht abgewiesen? Kennt Ihr selbst das Gewicht Eurer Verheißungen so wenig, daß Ihr mit einigen Worten jede Spur davon aus meiner Seele getilgt zu haben glaubt? – Muß ich es Euch heraussagen? – Ich will widerlegt sein.

Albert. Ich versteh' Euch nicht, Heinrich.

Heinrich. Kaum versteh' ich mich selbst!


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Albert. Was wollt Ihr von mir? Wahrheit konntet Ihr an mich fordern, die hab' ich Euch gegeben; macht das übrige mit Euch selbst aus, aber erwartet nicht daß ich Eure schwankende Seele festhalte, oder –

Heinrich. Wahrheit! Wahrheit! Was hilft mir Eure Wahrheit, bis ich weiß was ich daraus machen soll?

Albert. Horch! Welch ein Geräusch! Wir werden gestört, Ritter. Laßt uns schweigen.

Heinrich. Was? Eh' ich – Aber was geschieht? der Lärm nimmt zu – nähert sich –


Eilfter Auftritt.

Die Vorigen, Konrad, Truchseß, einige Knechte.

(Albert und Heinrich treten auf die Seite.)

Konrad (im Herauskommen zu dem einen Knecht.) Und wo fandet Ihr den Leichnam?


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Knecht. In dem Walde, der zum Schloß führt.

Konrad. Ihr kanntet ihn also?

Knecht. Es ist der Sohn Euers Waffenträgers.

Konrad. Meines Franz? Armer alter Mann! – Aber man hat von keinen Räubern gehört in der ganzen Gegend. –


Zwölfter Auftritt.

Die Vorigen, Franz, dessen Frau, mehrere Knechte.

Franz. Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! gnädiger Herr!

Frau. Mein Junge, mein armer Georg! Ach Gott!

Franz. Er ist ermordet, gnädiger Herr! ermordet in Euerm Gebiete!

Frau. Gerechtigkeit! Er war der beste Junge von der Welt.


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Konrad. Still, still! Mäßigt eine Weile Euern Schmerz. Habt Ihr keinen Verdacht? Argwöhnt Ihr auf niemanden?

Frau. Nein! ach nein! Er war so friedlich, so fromm, that niemanden etwas zu Leide.

Franz. Niemand kann sich über ihn beklagen – nein, keiner!

Mehrere Knechte. Keiner – Keiner!

Franz. Hört Ihr's, gnädiger Herr? Alle liebten ihn.

Frau. Ach ein Heiliger ist er geworden! Er wird im Himmel fürsprechen für seiner armen Eltern Sünden.

Ein Knecht. Ja wir sagten's alle, der Junge würde ein Heiliger werden.

Frau. Ach aber so früh!

Truchseß (zu Konrad.) Wer weiß, Herr Ritter, ob hinter dieser Heiligkeit –


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Franz. Was? Wer seid Ihr? (Gemurmel des Mißfallens unter den übrigen.)

Konrad (beiseite zum Truchseß.) Hütet Euch, Herr Truchseß. Wie Ihr seht, wäre Euer Spiel hier nicht gut.


Dreizehnter Auftritt.

Die Vorigen, ein Knecht.

Knecht (zum Konrad.) Gnädiger Herr, gnädiger Herr! diesen Dolch haben wir bei'm Leichnam gefunden.

Konrad. Gebt. Vielleicht daß –

Franz. In der Angst hat ihn der verruchte Mörder vergessen. O zeigt mir ihn!

Konrad (besieht den Dolch.) Was ist das? In das Eisen sind Worte gegraben –

Franz. Was?


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Konrad. "Im – im Namen des heimlichen Gerichts." –
(Er wirft voll Entsetzen den Dolch weg. Alle schrecken zusammen. Eine tiefe Stille.)

Franz (mit dem Ausdruck des höchsten Schmerzes.) Gott bewahre uns vor Verbrechen – er war mein Sohn nicht!

Frau. Und er wird nicht unter heiliger Erde liegen – O tragt seine Mutter zu ihm!

Truchseß (faßt Konrads Hand.) Gott bewahre uns vor Verbrechen! – so sprech' ich auch mit dem alten Manne dort.

Konrad (zusammenfahrend.) Ha – Gott sei uns gnädig!
(Alle gehen ab, still, mit gesenkten Häuptern. Albert und Heinrich, welche die Zeit über unbeweglich in einem Winkel gestanden haben, bleiben allein, und treten vor.)


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Vierzehnter Auftritt.

Albert von Linne, Heinrich von Westhausen.

Heinrich (nach einigem Stillschweigen, indem er ihm die Hand reicht.) Bruder!

Albert. Bruder!

Heinrich. Das ist zu viel! die verzweifelnde Mutter, der gebeugte Vater – und keiner wagte es ihn unschuldig zu glauben! – Wenn führt Ihr mich dahin?

Albert. Heute noch erwartet mich. Ich gehe, die Brüder zu berufen.

Heinrich. So lebt wohl! (Beide gehen ab auf verschiedenen Seiten.)




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Zweiter Aufzug.




Erster Auftritt.

Konrad von Sontheim (allein.)

Wo wend' ich mich hin, daß ich mir entfliehe? – Endlich, Endlich doch neigt sich dieser Tag zu seinem Ende. Aber ihm wird wieder einer folgen, und wieder einer, und sie drohen mir alle mit neuem Schrecken! – Fasse dich, Konrad, heute ist deine Ruhe gestorben. Die Rache hat mit ihrem schwarzen Stab mein Herz berührt, und alle seine Schlangen sind in Aufruhr. –


Zweiter Auftritt.

Konrad und Mathilde.

Mathilde (tritt herein, ohne daß er sie sieht. Sie steht eine Weile stillschweigend vor ihm und betrachtet ihn.) – Nun? Kein Blick für Eure Mathilde?

Konrad (aufspringend) Ha!

Mathilde. Was ist das? Seit wenn erschreckt dich mein Anblick?


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Konrad. Dein Gesicht gleicht einem menschlichen, darum erschreck' ich.

Mathilde. Konrad –

Konrad. O Mathilde, Mathilde, mit mir ist es vorbei. Ich fühle mich. Du hast keinen Gemahl mehr. Die Blüten des Lebens liegen welk umher – für mich ist keine Rettung.

Mathilde. Welche Fantasieen!

Konrad. Nicht dieses Lächeln, nicht diese Heiterkeit, Mathilde. Weine über diesen Tag. Er hat den Wurm ausgebrütet, der mein Leben aufzehren wird. Er hat dich zur Wittwe gemacht.

Mathilde. Ich begreife dich nicht. Woher diese seltsame kleinmüthige Laune?

Konrad. Laune? Nein, du irrst dich. Laune wird gebohren und stirbt im Augenblicke. Was du gehört hast, ist der künftige Innhalt meines Lebens. Heute wird Gericht über mich gehalten.


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Mathilde. Konrad, dich martert ein Fiebertraum. Sieh dich um, besinne dich. Dein Schloß steht, deine Kinder leben, dein Weib –

Konrad (den Blick starr auf einen Fleck geheftet.) Weib! Kinder! -

Mathilde. In die Höhe, schau in die Höhe, mein Gemahl. Soll dein Auge am Boden wurzeln?

Konrad (ohne wegzusehen.) Siehst du nicht? Hier! Siehst du nichts?

Mathilde. Was? Wo?

Konrad. Einen blutigen Dolch, hier, hier!

Mathilde. Träumer! – Ach Gott!

Konrad. Nun – siehst du endlich auch?

Mathilde. Hier blinkt in der That etwas –
(Sie hebt den Dolch auf.)


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Konrad. Also ist es doch wahr? Es ist kein Spiel meines erhitzen Blutes? Ich sah etwas wirkliches – Laß mich ihn fassen, ob er Körper hat – Ha und sieh! blutige Flecken daran. –

Mathilde. Aber wie kam dieses Schreckbild hieher?

Konrad. Eben fällt mir's ein. Das Blut, das an diesem Eisen klebt, hat in den Adern eines verborgenen Missethäters geflossen. In den Augen der Menschen war er ein Heiliger, aber Mord lag auf seiner Seele und Ehebruch, und die Rache fand ihn aus.

Mathilde. O mein Konrad, sprich, entdecke mir alles. Was ist geschehen? Laß mich keine Fehlbitte thun. Du gestandest ja oft, ich allein wisse dir Trost und Stärke einzuhauchen. Noch steh' ich aufrecht und will dich halten; aber ich bin nur ein Weib, spiegle dich in meinem Muth weil es noch Zeit ist. Du kannst ihn leicht niederschlagen. – Du schweigst? O ich errathe den großen Meister, der die Popanze deiner Jugend erweckt hat, um dich als Mann zu schrecken. Das ist das Werk dieser hochgepriesenen Freundschaft!

Konrad. Freundschaft? – Ich weiß von keiner Freundschaft.

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Westhausen ist mir unerträglich. Sein Blick ist mir unerträglich. Wenn er mich mit dem großen freien Auge ansieht, durchbohrt's wie ein Dolch mein Innerstes. So rede denn, und rathe! Was wollen wir thun? Wollen wir ihn senden zu seinem Abgott, Herrmann? Du verstehst mich doch? Soll er sterben von seines Bruders, von seines Wirthes Hand? – Nicht? Du schauderst? – O das ist schlimm. Du hast nicht recht an mir gehandelt. Ich hofte, du würdest meine Seele lehren, sich nicht mehr vor Blut zu entsetzen. Diese einzige Schuld drückt mich zu Boden. Warum hast du dein angefangenes Werk liegen lassen? Ein halber Bösewicht ist ein trauriges Geschöpf.

Mathilde. Ich habe das nicht um dich verdient, ich habe es nicht verdient, und mein Herz klagt mich nicht an wegen einer That, der ich deinen Besitz verdanke. Aber fahre fort, mich mit Vorwürfen zu foltern; nur bedenke, daß mit jedem Augenblick der Herzog kommen kann, rufe deswegen wenigstens deine Fassung zurück –

Konrad. Was kann es dem Herzog schaden, wenn er mich elend sieht? Er hat ein fürstliches Gewissen; ein Fürst kann seine Verbrechen adeln –

Mathilde. O Konrad, und kann das die Liebe nicht auch?


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Dritter Auftritt.

Die Vorigen, Truchseß.

Truchseß. Verzeiht, wenn ich Euch unterbreche. Von dem Thurme sieht man einen kleinen Trupp Reuter auf Euer Schloß ansprengen. Vermuthlich ist es der Herzog.

Mathilde. Der Herzog?

Konrad. Eben jetzt?

Truchseß. Bleibt ruhig, er wird Euch gern überraschen – Wißt Ihr auch, Herr Ritter, daß sich's entdeckt hat mit dem Sohn Euers Franz?

Konrad. Und was war sein Verbrechen?

Truchseß. Er liebte das Weib seines Nachbars, seine heuchlerische Frömmigkeit hatte beider Herzen erobert. Es wurde ihm nicht schwer das höllische Vorhaben auszuführen; der Ehemann starb, durch ein unmerkliches Gift aus dem Wege geräumt, und der Bube war im Begriff sich mit der Wittwe zu vermählen –


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Konrad (heftig unterbrechend.) Truchseß! –

Truchseß (kalt.) Was wollt Ihr?

Konrad. Was soll mir Euer Mährchen?

Truchseß. Mährchen?

Konrad. Ja, Ihr habt das erfunden, läugnet es nicht. Warum? Weswegen?

Truchseß. Ich begreife Euch nicht. Briefe, die man bei dem Ermordeten gefunden, enthielten das Geheimniß.

Konrad. Und darum haben sie ihm diesen Dolch in das Herz gestoßen? Hahaha!

Truchseß. Ihr habt Recht, es ist ein närrisches Ding, – ein sehr närrisches Ding, das heimliche Gericht. Ich habe mich oft gewundert, wie sie so alles erfahren.

Konrad. Alles? Wirklich alles? – Hahaha!


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Truchseß. Ihr seid ja heute sehr wilder lustiger Laune.

Konrad. Das bin ich, und hab' ich nicht Ursache dazu? Ich erwarte meinen gnädigen Herzog. Die Fürsten sehen gern heitre Menschen um sich. Wie sie es werden, kümmert sie nicht; aber ein grämliches Gesicht ist ihnen ein Majestäts-Verbrechen.

Mathilde (beiseite zu Konrad.) Wie betragt Ihr Euch?

Konrad. Gefalle ich dir nicht?


Vierter Auftritt.

Die Vorigen, der Herzog.

Herzog (inwendig, zu seinem Gefolge.) Entfernt Euch. – Ach hier finde ich ja Wirth und Wirthinn beisammen.

Konrad und Mathilde. Gnädigster Herr –

Herzog. Pfui, steht auf, wenn Ihr mich nicht zu Euern Füßen sehen wollt. Die Schönheit darf der Macht nicht

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huldigen. – Mein geliebter Konrad (indem er ihn umarmt) hier ist Euer Platz.

Konrad. Gnädiger Herr! –

Herzog. Und nichts weiter! Bald möcht' ich Euch schelten. Wollt Ihr mein Freund nicht sein?

Konrad. Ich wüßte nicht –

Mathilde. Verzeiht ihm wenigstens, wenn der Freund den Unterthan nicht ganz vergessen will.

Herzog. Ihr thut wohl Euerm Gemahl das Wort zu reden, denn er ist stumm.

Konrad. Ich fühle mich so durchdrungen von dieser Gnade –

Herzog. Nein, nein. Ich bemerke einen trüben mißmuthigen Zug auf Euerm Gesicht, aber ich bringe etwas, das diese Falte ebnen soll.

Konrad. Wirklich?


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Herzog (zu Mathilden.) Ueberlaßt mir einen Augenblick Euern Kranken; ich stehe für seine Genesung.

Mathilde. Die Gegenwart eines solchen Arztes muß ihm schon wohlthun – Kommt, Herr Truchseß (Im Abgehen beiseite zu Konrad) Konrad sei ein Mann! (Sie geht mit dem Truchseß ab.)


Fünfter Auftritt.

Konrad von Sontheim, der Herzog.

Konrad. Ihr traut Euch sehr viel zu, Herzog.

Herzog. Hört meine Zeitung. Ich habe unlängst den Kaiser gesehen. Er ist außerordentlich mit Euch zufrieden. Seine nächste Reise wird ihn dieses Wegs führen, und ich soll Euch ankündigen, daß er Euer Schloß nicht vorbei gehen wird. Sein Augenmerk scheint auf Euch vor allen Rittern Deutschlands gerichtet. Er hat große Dinge mit Euch vor.

Konrad. So müßte er erst machen, daß ich für große Dinge taugte. Und kann er das? Kann er die Todten auferwecken?

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oder ihr Andenken zernichten? dem überlästigen Schwätzer hier Stillschweigen auflegen?

Herzog. Weiche, unmännliche Seele! Das ist es, was Euch martert? Fühlt Ihr die mächtigen Triebfedern nicht mehr, Fürstengnade und Weiberliebe?

Konrad. Ja recht! Das waren die lächelnden Teufel, die mich verleiteten. Ich folgte und fiel – Jetzt haben sie kein Lächeln mehr für mich.

Herzog. Dieser Anfall wird nicht dauern. Ich vergebe Euch.

Konrad. Wißt Ihr denn schon, ob ich Euch vergebe?

Herzog. Was ist das? Welche Sprache?

Konrad. Die Sprache eines Unglücklichen, der nichts mehr zu verlieren hat. Ihr seid nicht besser als ich; gegen Euch habe ich Muth.

Herzog. Muth? Zeigt daß Ihr Muth habt, und schüttelt das Uebel ab, das Euch entnervt, das Eure schönsten

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Kräfte lähmt. Werdet wieder des hohen Schicksals würdig, das Euch erwartet.

Konrad. O diese glänzenden Flittern die mich sonst blendeten – jetzt kenn' ich sie besser. Wie gern würfe ich die höchste Gnade des größten Fürsten hin, um einen Gedanken der Ruhe in diesem Busen!

Herzog. Konrad, Euch waren die Flittern nicht bestimmt. Ihr solltet Macht erlangen und Ansehen, nicht um mehr zu heißen als andere, um mehr zu sein. Das waren nur die Stufen, worauf Ihr steigen solltet zum Ruhme, zu erhabner Wirksamkeit. Wo ist Euer Ehrgeitz hin?

Konrad. Begraben mit allen meinen Tugenden. Herzog Wilhelm, Ihr könnt hier nichts mehr gut, und nichts mehr schlimm machen – Kommt hieher, seht dort hinaus. Da liegt Landsberg – aus diesem schwarzen, sturzdrohenden Thurme fährt jeden Morgen ein böser Geist heraus, und bemächtigt sich meiner Seele. Laßt es schleifen, laßt bei Lebensstrafe verbieten daß dieser Name ausgesprochen werde – hier wird er ewig leben.

Herzog. Der Name eines Verräthers!


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Konrad. Verräther an Kaiser Karln? Was war denn ich an Ludwig? O heiliger Verräther bete für deine Mörder! – Nur eine Gnade erzeigt mir noch, die letzte. Vergeßt mich, laßt ab von meiner Seele. Meine Qualen sind nicht für Euch.

Herzog. Besinnt Euch, Sontheim, ich habe Mitleid mit Euerm Zustand. Ihr dürft Euern Freund nicht verabschieden.

Konrad. Freund? Freund und Fürst? Mein gnädigster Herr, ich sah heute die Gestalt eines Freundes. Weh mir daß ich sie vergessen hatte! – Ihr könnt nicht Freund sein.

Herzog. Gut, daß Ihr mich daran erinnert. Heinrich von Westhausen, hör' ich, ist auf Euerm Schlosse. Ich kenne den halsstarrigen Schwärmer. Seid Ihr noch fähig einen redlichen Rath anzunehmen, so sucht ihn zu entfernen. Der Kaiser wird ihn ungern bei Euch wissen.

Konrad. Ha recht so! Du bist doch der bessere von meinen beiden Teufeln. Ich hatte schon einen ähnlichen Gedanken, aber Mathilde schauderte, als ich ihn blicken ließ. – Doch – daß Ihr Euch nicht zu viel einbildet

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– nicht weil der Kaiser ihn ungern sieht; ich seh' ihn ungern.

Herzog. Was wollt Ihr? Wie versteht Ihr mich? Ihr sollt sorgen, daß er aus Euerm Schlosse kömmt und friedlich weiter zieht.

Konrad. Ja – seht Ihr aber Herzog, er wird das nicht thun, er wird nicht im Frieden weiter ziehen. Ihr müßt wissen, dieser Westhausen ist ein Geschöpf besonderer Art – er ist ein Mann, ein großer Mann, er ist, was ich war! Er ist – wie mach' ich Euch nun begreiflich was er ist? Laßt sehen! womit vergleich' ich das?

Herzog (schnell.) Kommt, kommt! Ich bleibe nicht länger bei Euch allein!
(Er geht ab.)

Konrad (ihm folgend.) Hahaha!
(Der Vorhang fällt.)


Sechster Auftritt.

(Ein finstrer enger Felsengang. Man sieht Heinrich und Albert langsam hereintappen)

Heinrich von Westhausen, Albert von Linne.

Heinrich. Sind wir zur Stelle?


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Albert. Sogleich, folgt mir.

Heinrich (bleibt stehen.) In diese Räuberhöhle muß sich die Gerechtigkeit verkriechen!

Albert. Weil Räuber auf den Gerichtsstühlen sitzen.

Heinrich. Ja – es ist sonderbar!

(Kurzes Stillschweigen.)

Heinrich. Was sagt Ihr?

Albert. Ich sprach kein Wort.

Heinrich. So hat mich der Wiederhall in diesen Klüften getäuscht.

Albert. Wollt Ihr nicht weiter?

Heinrich. Wo sind wir denn jetzt?

Albert. Dieß ist der Vorhof des heimlichen Gerichts. Gerade vor uns – Ihr könnt es nicht erkennen – ist eine eiserne Pforte, die führt auf einen Stufengang – dann sind wir am Ziel unsrer Wanderung.


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Heinrich. Es eilt ja nicht so sehr! –

Albert. Ihr scheint unruhig?

Heinrich. Kehrt Euch daran nicht. Die Luft ist drückend und schwer in diesem Gewölbe. Sie mattet mich ab. Aber das wird vorüber gehen – oder ist es Ordensluft, was mir hier auf die Seele fällt?

Albert. Was meint Ihr damit?

Heinrich. Nichts – Noch einmal, kehrt Euch an meine Worte nicht. – (Neues Stillschweigen.)

Albert. Ihr macht mir bang, Heinrich, ich gestehe es Euch. Eure Brust hebt sich, als läge ein Felsen darauf, den Ihr abwerfen wolltet, Eure Blicke sind düster und scheu –

Heinrich. Wundert Ihr Euch darüber? – Das ist nur das letzte Lebewohl von der menschlichen Gesellschaft. Ich verlasse ja heute ihren Kreis, ich trete in einen engeren Bruderkreis. – Dieser letzte Zoll ist doch kein Verbrechen gegen den Orden?


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Albert. Ritter, Ritter, ich blicke in Eure Seele.

Heinrich. Mögt Ihr! Was Ihr auch da seht, ich trete hier nicht mehr zurück. Ich habe gewählt, ich habe die Gefahr und den Preis berechnet. Mehr als mein Leben wag' ich nicht – es gab eine Zeit, wo das viel gewesen wäre, aber diese Zeit ist vorbei. Der Strom hat mich gefaßt, ich kann ihm nicht entfliehen. Wohin er mich reißen wird, überlasse ich dem Schicksal.

Albert (sehr gerührt.) Heinrich – –

Heinrich. Nun? – Ihr schweigt? – Und etwas wichtiges scheint auf Eurer Zunge zu liegen?

Albert. Heinrich! – Hinweg mit den schändlichen Ketten. Ich will sie nicht länger tragen. Höret, höret die Stimme der Freundschaft.

Heinrich. Was ist das? Was muß ich noch hören? – Ich bin ja entschlossen.

Albert. Nein Ihr sollt nicht, Ihr dürft nicht. Wir sind allein. Noch ist es Zeit. Ich wage alles – aber kommt, kommt –


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Heinrich. Wohin?

Albert. Weg von hier, von dieser furchtbaren Stätte, diesem Grabe der Geister! – Ich habe Euch hintergangen, schändlich hintergangen –

Heinrich. Ritter! –

Albert. Kommt! Ich kann von Euch nicht lassen, darum solltet Ihr Sklav werden mit mir – aber nein! das darf nicht sein. Falle über mich, was will! Wenigstens sollen mich die Tirannen in Euern Armen ermorden. Auf meinen Knieen beschwör' ich Euch, verlaßt diesen Ort, verbannt auf immer diesen gefährlichen Entschluß –

Heinrich. Albert, seid Ihr ein Mann? – Steht auf! ich bitte Euch, steht auf! – Wenn Ihr nicht gut an mir thatet, daß Ihr mich hieher brachtet, so vergeb' ich Euch schon im voraus. Diese späte Reue vergeb' ich Euch schwerer. Ich wiederhole es Euch, hier kann ich nicht mehr umkehren. Ein Gespenst winkt mir, ich kann nicht erkennen, ob es ein guter oder ein böser Geist ist; aber es tritt nicht von meiner Seele, und ich muß ihm folgen. – Beruhigt Euch. Schwarze Nacht liegt über unsrer Zukunft. Doch – das minder' Eure

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Reue! – mir selbst wird man mich niemals verführen: diese Ueberzeugung leuchtet mir in die dunkelste Zukunft.

Albert. O wie klein werd' ich vor Euch!

Heinrich. Nein Albert! Freilich habt Ihr nicht sorgfältig genug über Eure Freiheit gewacht, Ihr habt das kostbare Kleinod verloren gehen lassen. Aber tröstet Euch. Vielleicht schaff' ich's Euch wieder, und lehre es Euch bewahren, daß keine Macht auf Erden es Euch mehr raube. – Still.


Siebenter Auftritt.

Die Vorigen, ein Vermummter.

Vermummter. Heinrich von Westhausen!

Heinrich. Hier ist er.

Vermummter. Unten wartet man Eurer. Seid Ihr noch nicht bereit?

Heinrich. Geht voraus, wir folgen Euch.

Albert. Die Brüder sind also versammelt?


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Vermummter (ohne ihn anzusehen.) Kommt, Herr Ritter!

Albert (stutzend.) Das ist sonderbar!
(Sie gehen alle ab.)


Achter Auftritt.

(Ein großes unterirdisches Gewölbe, von einer in der Mitte hängenden Lampe matt erleuchtet. In der Mitte steht ein runder rothbehangener Tisch. Eine Gatterthür auf der einen Seite; das Innere scheint stark beleuchtet; auf der andern ein Stufengang.)

Der Erzbischof, der Truchseß, Dieterich von Arlheim, zwei andere Richter.

(Alle vermummt. Sie sitzen um den runden Tisch, drei Sitze leer.)

Truchseß. Ihr habt's gehört. Was soll seine Strafe sein?

Erzbischof. Strafe? Beweiset erst, daß er die verdient.

Truchseß. Aber er kann nicht bleiben.

Erzbischof. Das soll er auch nicht – wenn ihm das Strafe ist? Doch – wer unternimmt es, ihn besser zu belehren?


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Dieterich. Ich nicht, und keiner, der ihn kennt. Sein Herz hat nicht Raum genug für unsre hohe Weisheit.

Truchseß. Horcht! Sie kommen.


Neunter Auftritt.

Die Vorigen, Heinrich von Westhausen, geführt von dem Vermummten den Stufengang herunter, Albert von Linne hinterdrein.
(Der Vermummte setzt sich zu den übrigen.)

Heinrich. Was? Kein menschliches Gesicht unter allen diesen?

Erzbischof. Tretet näher, Heinrich von Westhausen.

Truchseß (unterbrechend.) Für's erste ist mein Antrag, daß Albert von Linne das Gericht verlasse.

Albert. Wie?

Truchseß. Brüder, stimmt Ihr anders?


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Dieterich. Nein, er soll abtreten. (Die übrigen schweigen.)

Erzbischof. Albert von Linne, entfernt Euch.

Albert (bleibt unentschlüssig stehen.)

Truchseß. Laßt das Gericht seine Befehle nicht wiederholen. Geht ab, bis Ihr wieder von uns hört.

Dieterich. Und in diesen Klüften hängen Eure Worte noch, die Eure Sache führen werden.

Albert (geht langsam ab. Er sieht sich noch einmal traurig und beklemmt nach Heinrich um. Endlich steigt er mit verhülltem Gesicht den Stufengang hinauf.)

Die Fortsetzung ein andermal.
Sechtes Heft. 1789.


Anmerkungen:
  1. Zu einer Zeit, wo für und gegen geheime Verbindungen so viel gesagt, geschrieben und gethan wird, habe ich gegenwärtiges Fragment, das mir von unbekannter Hand eingesendet worden, für interessant genug gehalten, um es dem Publicum vorzulegen. Man setzt bei jedem Leser desselben voraus, daß ihm das heimliche Gericht aus dem Götz von Berlichingen wenigstens bekannt ist. Eine kleine Nachricht von dieser geheimen Gesellschaft, die im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert fast ganz Deutschland überschwemmte, hat der Herr von Möser in der Berliner Monatsschrift gegeben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: übermehm'