Textdaten
Autor: Leopoldo de Villati
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Titel: Das Urtheil des Paris
Untertitel: Ein Musicalisches Schäfer-Spiel in einer Handlung
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1752]
Verlag: Haude und Spener
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: unbekannt
Originaltitel: Il giudicio di Paride
Originalsubtitel: Pastorale per musica in un atto
Originalherkunft:
Quelle: LOC = Commons
Kurzbeschreibung:
Transkription nur der deutschen Übersetzung, nicht des italienischen Originals, das ebenfalls im Buch abgedruckt ist.
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[3]

Das Urtheil

des Paris

ein

Musicalisches Schäfer-Spiel

in einer Handlung

welches

auf allergnädigsten Befehl

Sr. Königl. Majest. in Preussen

an dem höchsterfreulichen

Vermählungs-Feste

Sr. Königl. Hoheit

Friedrich Heinrichs

Printzen von Preussen, Marggrafens zu Brandenburg etc. etc.

und

Ihro Hochfürstl. Durchl.

der Prinzeßin

Wilhelmina

von Hessen-Cassel

aufgeführet werden soll.


Berlin,

bey Haude und Spener.

Mit allergnädigster Freyheit.

[5]
Inhalt des Schäfer-Spiels.

Alle Götter, so viel sich derselben im Himmel, auf Erden, und in dem Meere, befinden, beehrten die Vermählung des Peleus, und der Thetis, mit ihrer Gegenwart, und mit ihrem allgemeinen Beyfall. Die Göttin der Uneinigkeit, welche von dieser göttlichen Zusammenkunfft ausgeschlossen war, und deswegen ihren Zorn nicht bergen konnte, begab sich in den Garten von Hesperien, raubte daselbst von den Bäumen, die ein Drache bewachte, einen goldenen Apfel, worein sie die Worte: Man gebe dieses Geschencke der Allerschönsten! schnitte. Sie flog hernach auf das Gebürge von Theßalien, wo man diese glückliche Vermählung feyerlichst beging, zurück, verbarg sich daselbst in eine dunckele Wolcke, und warf dieses Zanck erweckende Geschencke mitten unter die Himmlische Versammlung. [7] Die sämmtlichen Anwesenden betrachteten diesen vortreflichen goldenen Apfel, und weil sie nicht wusten, woher derselbe kam; so glaubten sie, daß solches ein von dem Schicksal ihnen zugesendetes Geschencke sey. Unter allen bezeigten die Juno, die Pallas, und die Venus, ein grosses und gantz außerordentliches Verlangen darnach; aber, weil sie die in den Apfel eingeschnittene Schrift lasen, und eine jede sich einbildete, daß sie die Schönste sey: So übersendete der Jupiter, um die Unruhe zu stillen, den Apfel dem Paris, einem Schäfer von Königlichen Geblüte in Ida, welcher einen ungemeinen Verstand, und eine reife Beurtheilungs-Kraft, hatte, mit dem Befehl, den Ausspruch zu thun, welche von ihnen die Schönste sey. Paris zog die Venus den andern vor, und überreichte ihr den goldenen Apfel. Dieses ist der Grund zu gegenwärtigem Schäfer-Spiele, womit man auf die erwünschte Königl. Vermählung zielet, die jetzo vollzogen wird.

[9]
Personen des Schäfer-Spiels.
  • Venus.
  • Juno.
  • Pallas.
  • Mercurius.
  • Paris, ein vermeynter Schäfer, aber ein Sohn des Priamus, Königs von Troja.
  • Agelaus, Pflege-Vater des Paris.


Der Schauplatz stellt das Gefilde in dem Gebürge in der Nachbarschaft von Troja vor.

Die Poesie hat der Königl. Hof-Poete, Herr Leopold von Villati, verfertiget.

Die musicalische Composition ist von dem Königl. Capell-Meister, Herrn Carl Heinrich Graun.

Die Auszierungen des Theatri sind von dem Königl. Decorateur, Hrn. Bellavita, verfertiget worden.

Die Tänze sind von der Erfindung des Herrn Denis, Königl. Ballet-Meisters.

[11]
Das Urtheil des Paris.
Erster Auftritt.
Ein Feld, mit einem angenehmen Busche, in der Entfernung des Berges Ida, an welchem der Fluß Simois vorbey läuft, und hin und wieder Schäfer-Hütten gebauet sind.
Den Anfang des Schäfer-Spiels macht ein Tantz von Schäfern und Schäferinnen.
Paris und Agelaus.

Par.

Mein Agelaus, ich bekenne es dir,
Sowohl der Berg, als der Busch, und dieser Strich Landes,
Sind schön anzusehen; es kann auch vor den Schäfer
Ein Vergnügen seyn, wenn er seine Heerden
Bey dem süssen Schalle seiner Flöthe auf die Wiesen führet,
Aber, es mag solches einem andern angenehm und glücklich vorkommen,

[13]

Mir scheinet der Schäfer-Stand
Sehr unglücklich,
Und etwas unbeschreibliches redet in meinem Hertzen, und sagt,
Daß ich zu einem grössern Schicksal berufen bin.

Agel.

Herr! Diese Ahndung teuscht dich nicht.
Heute will ich dir ein wichtiges Geheimniß entdecken, welches mich,
Da ich es dir offenbahre,
In Gefahr setzen kann;
Jedoch es ist mir unmöglich, dich länger leiden zu sehen.
Herr! Du bist nicht mein sondern des Königs Sohn.

Par.

Ihr Götter! Was höre ich jetzt?

Agel.

Priamus, dein Vater,
Uebergab dich mir, als du kaum gebohren warest,
Aus einer mir unbekannten Ursache, und befahl mir,
Dich den wilden Thieren hinzusetzen;
Aber, das Mitleiden überwand mich, ich rettete dich,
Und erzog dich,
Ohne dir, oder sonst jemand, was davon zu entdecken,

[15]

Unter dem Namen Paris, an diesem geheiligten Berge.

Par.

Du bist mir mehr, als ein Vater, gewesen.

Agel.

Du hast bisher
Dir selbst unbekannt gelebt; allein von nun an,
Da du deine Geburt weißt:
So ermuntere deine Tapferkeit.
Mein Hertz sagt es mir zum voraus, daß du noch einmahl sehr groß werden wirst.

Du bist zum Scepter gebohren,
Und das gütige Schicksal
Wird dich noch zum Beherrscher machen.

Die Tapferkeit, welche du
Bey der Bändigung der wilden Thiere blicken liessest,
Wirst du künftig
Wieder die feindlichen Heere beweisen.

(Gehet ab.)


Zweyter Auftritt.
Mercurius, und Paris.

Mer.

Ich, als der Bote des Jupiters, komme zu dir.

[17]

Glückseliger Schäfer,
Du sollst zwischen den grösten Göttinnen,
Die der Himmel in sich faßt,
Nehmlich, der Venus, der Juno, und der Pallas,
Einen Richter abgeben. Sie werden sich deinen Augen bald zeigen.
Betrachte eine jede recht genau, und welche dir
Von ihnen die Schönste scheinen wird,
Die soll von deiner Hand den goldenen Apfel empfangen.

Alles, was die Liebe reitzendes,
Alles, was sie schönes
Im Himmel hat,
Wirst du in kurtzem sehen.

Dein Schicksal,
Du glücklicher Schäfer,
Werden noch
Die Götter selbst beneiden.

Par.

Du Ueberbringer der göttlichen Befehle,
Ich habe die Botschafft gehöret.
Aber die Vernunfft
Sagt mir, es sey nicht eines Menschen-Werck,

[19]

Einen Götter-Streit beyzulegen.
Unterdessen schweigt sie doch stille, und verehret
Mit Demuth und Ehrfurcht den Befehl des Jupiters.
Derjenige kann die Huld des Himmels hoffen,
Welcher im Gehorsam Hurtigkeit und Eyfer bezeigt.

Der Befehl macht mich betrübt;
Es ist eine grosse Gefahr,
Zu urtheilen,
Welche die schönste
Unter so grossen Göttinnen sey.

Die Schönheit ist meistens
Unter viele vertheilet,
Und es würde hart halten,
Selbige in einem Gesichte
Zusammen zu finden.

Mer.

Ich sehe die Götter kommen. Verbirg dich dort.

[21]
Dritter Auftritt.
Venus, Juno, Pallas, Mercurius, und Paris auf der Seite, welcher sich hernach nähert.

Mer.

Ihr schönen Göttinnen, ich habe den Befehl des Jupiters ausgerichtet,
Und bereits den Schäfer, welcher den vortrefflichsten Streit
Schlichten soll, angetroffen. Er mag nun,
Weil ihm so viel erlaubt ist,
Eure Gründe untersuchen.
Komm, du Phrygischer Schäfer,
Und siehe vor deinen Augen
Das Vergnügen der Welt, und die Ehre des Himmels.

Par.

Ich werde durch einen so ausnehmend prächtigen Glantz gantz verblendet.

Mer.

Ich gehe auf die Seite,
Dein Hertz mag sich in dieser Unternehmung kühn erzeigen.
Von dir will ich erfahren, welches die Schönste sey.

(Gehet ab.)
[23]
Vierter Auftritt.
Venus, Juno, Pallas, und Paris.

Jun.

Mein Paris, der du entweder
Gleich aus meinem erhabenen Ansehen,
Oder aus meinem Gesichte,
Das die Majestät schön,
Und die Liebe reitzend, macht,
Erkennen wirst, daß ich die Schönste, und die Gemahlin
Des Jupiters, bin; ich hoffe, daß du mir den Vorzug geben wirst.
Du sollst von mir ein vortrefliches Geschenck von Reichthümern haben.
Es kann dir genug seyn, daß ich Königin des Himmels bin.

Mein Schäfer,
Du sollst von mir in Ueberfluß
Edelgesteine, Gold,
Und Schätze, haben.

Diese Belohnung
Soll deines schönen Hertzens,
Soll deiner Einsicht,
Würdig seyn.

[25] Pal.

Laß dich ja nicht
Durch den eiteln Glantz des Goldes einnehmen. Die Glückseligkeit,
Welche man auf selbiges gründet,
Ist gar zu vergänglich. Eine Seele,
Ueber die das Verlangen nach dem Golde herrschet,
Hat niemahls Ruhe. Wenn du alle Reichthümer der Welt beysammen hättest;
So würdest du dennoch allezeit mehr haben wollen.
Wenn du aber mich
Vor die Schönste erklären wirst,
(Und gewiß, meine Schönheit ist nicht geringe.)
Alsdenn sollst du von mir den wahren Reichthum, und ein beständiges Gut, haben.

Das grosse Gut,
Welches ich dir
Aus wahrer Neigung zu geben verspreche,
Ist die Weisheit.

Ich werde die Freundschafft,
Die du mir erzeigest,
Freygebiger, als du verlangen kannst, belohnen.

[27] Ven.

Ich schäme mich recht, mein Paris, daß ich
Wegen meiner Schönheit mit diesen hochmüthigen Neben-Buhlerinnen
Streiten soll.
Es mag dir der Himmel, das Meer, und die Erde,
Ja alles, was sich in selbigen regt und fortpflantzt,
Und was ich durch Liebe entzünde, sagen,
Ob ich nicht die Allerschönste bin;
Aber noch mehr werden dir solches deine Blicke sagen.
Warum sollte man dir Weisheit geben;
Da du damit schon versehen bist,
Und gewürdiget worden,
Diesen Streit zu entscheiden?
Du weist bereits, mein Schäfer,
Von wem du die Reichthümer bekommen sollst.
Ich hingegen verspreche dir
Eine Königl. Schönheit, die in der Welt nicht ihres gleichen hat,
Die dich über alle Sterbliche
Glücklich machen wird;
Wenn anders eine wahre Gegenliebe

[29]

Mehr werth ist, als Reichthum, Weisheit, und alles übrige.

Wenn du sehen wirst, daß jene schönen und blitzenden Augen
Dein Hertz zum Geschencke fodern;
So wirst du dasselbe ganz vergnügt hingeben.

Du wirst durch sie verwundet werden;
Aber die Pfeile werden deiner Brust sehr werth und unschätzbar vorkommen:
Denn die Wunden der Liebe, und das Feuer derselben, sind süß und angenehm.

Par.

Schöne Venus, ich wüßte nicht,
Wie ich auch nur einen Augenblick zweifeln könnte, ob ich dir meinen Beyfall geben sollte.
Da dir keine andere Schönheit gleich ist;
So bringet es ja die Billigkeit mit sich, daß deine Forderung den Vorzug behält.

Schöne Göttin, die du die Freude,
Die du die Liebe der Götter,
Und die Allerschönste, bist,
Siehe, hier ist der streitig gewesene Apfel,
Ich übergebe ihn dir mit vollkommenem Vergnügen.

[31]

Die Götter im Himmel mußten
Deine Schönheit freylich kennen;
Aber jetzo erkennet auch ein Schäfer,
Was selbige werth ist.

Jun. Pal. Beyde.

(Der Zorn müsse das Hertz gantz einnehmen!)

Ven.

Ich nehme das Geschenck mit Freuden an.
Nunmehro, ihr meine hochmüthigen Neben-Buhlerinnen,
Ueberlaßt mir die Ehre des grossen Streits.

Ich besitze den Ruhm der Schönheit,
Vor dich mag die Ehre,
Mit gestritten zu haben, schon genug seyn.

 (Bald gegen die Juno, bald gegen die Pallas.)

Jun. Pal. Beyde.

Ein verwegener Schäfer
Kann niemahls unser würdiger Richter seyn,
Und er ist es auch nicht.

Ven.

Das Zancken ist vergeblich,
Meine Schönheit überwindet.

Jun.

Durch ein unvernünftiges Urtheil

Pal.

Siegt deine Schönheit.

[33] Jun. Pal. Beyde.

Zittere nur, du wiederwärtiger Schäfer,
Unser grosser Zorn
Wird deine Kühnheit bestrafen.

Ven.

Artiger Schäfer,
Venus wird ihre eitele Wuth
Zu nichte machen.

Alle drey.

Wir wollen sehen, wer das meiste thun kann.

 (Juno, und Pallas, gehen zusammen ab.)


Fünfter Auftritt.
Venus, und Paris.

Ven.

Geliebter Paris, ich sehe, daß du erblassest:
Was befällt dich denn vor eine Furcht?
Wenn die Göttin der Liebe bey dir ist, vor wem darfst du dich fürchten?
Weist du nicht, daß auf der Spitze meiner Pfeile
Alle Triumphe, alle Sieges-Zeichen, zu finden sind?

Par.

Durch die Kraft deiner Worte
Entfliehet bereits die Furcht aus meiner Brust.

Ven.

Und du bist meines erkenntlichen Hertzens würdig.

[35] Ven.

Ich verspreche dir ein danckbares Hertz;
Weil deine aufrichtige Gunst
Das Urtheil zu meinem Besten sprach.

Par.

Die Ursache meines Urtheils
Fand sich schon in deinem schönen Gesichte.
Ich habe dir Gerechtigkeit, nicht aber Gunst, erwiesen.

Ven. Par. beyde.

Da ich durch dich zufrieden gestellt bin;
So sollst du vergnügt in der Liebe seyn,
Durch dich hoffe ich vergnügt zu seyn;
Denn du bist die Mutter der Liebe.

Ven. Par. beyde.

Jene so angenehme Augen
Sollen künftig
Das einzige Gut deines Hertzens seyn.
Mein Hertz verlanget schon,
Jene so angenehme Augen, als mein einziges Gut,
Zu sehen.

[37]
Freye Gedancken.
Venus.

Nunmehro hast du, O Schöne Printzeßin! gesehen,
Auf was vor eine glückliche Art
Ich den Preis und hohen Ruhm der Schönheit erhalten habe;
Aber du übertrifst mich hierinnen noch sehr weit,
Indem du einen solchen Preis
Nicht von einem Schäfer, sondern von einem Helden, bekömmst.
Das ist der gröste Vorzug, O Schöne! daß du Ihm gefallen hast.

Wie die Sonne unter den Sternen die gröste Schönheit ist;
So bist du durch deine erhabene Gestalt
Die wahre Schönheit unter andern Schönen.

Man siehet in deiner Königlichen Bildung
Die süsse Liebe, und die Majestät,
Zugleich herrschen.

[39] Alle.

Ihr beyden Königl. Vermählten!
Von Euch wird in kurtzem
Mehr, als ein Held, und mehr, als eine Heldin,
Gebohren werden.

Dem Vater werden die Söhne
An Tapferkeit,
Und der Mutter
Die Königl. Töchter
An Schönheit, gleich werden.


Ende des Schäfer-Spiels.


Ein Tanz, mit welchem die Einwohner der umliegenden Gegend am Berge Ida das Fest des von dem Paris ausgesprochenen Urtheils feyerlichst begehen.