Das Sammeln der Steckmuschel in den Salzseen auf Meleda

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Titel: Das Sammeln der Steckmuschel in den Salzseen auf Meleda
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 301, 308
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[301]

Das Sammeln der Steckmuschel in den Salzseen auf Meleda.
Nach einer Zeichnung von F. Schlegel.

[308] Das Sammeln der Steckmuschel in den Salzseen auf Meleda. (Zu dem Bilde S. 301.) Meleda, die südlichste und zugleich die östlichste der größeren dalmatinischen Inseln, ist nicht so reich an fruchtbarem Boden wie die Weininseln Lissa und Lesina; dafür aber sind ihre Uferwässer mit Fischen, Krebsen und Kopffüßlern dicht bevölkert, und die gütige Mutter Natur hat in den beiden Salzseen auf dem westlichen Ende der Insel, dem Lago grande und dem Lago piccolo (dem großen und dem kleinen See), günstige Wohnstätten für die köstliche Auster, die Seedattel und für die größte der adriatischen Muscheln, die Steck- oder Schinkenmuschel, geschaffen.

Diese Seen besitzen alle Eigenschaften, die zum Gedeihen von Muscheln erforderlich sind; der Lago grande steht mit dem Meere durch einen sehr schmalen Kanal in Verbindung, so daß auch bei Hochfluthen sein Wasserstand sich nur unwesentlich verändert; durch einen ebenso schmalen Kanal ist er mit dem Lago piccolo verbunden.

Beide Seen sind nicht allzu tief und auf ihrem Grunde giebt es genug Stellen, an denen die zarte Muschelbrut – die anfangs nur von mikroskopischer Größe ist und lebhaft umherschwärmt – sich festsetzen und ungestört heranwachsen kann. Das reine, klare Wasser dieser Seen scheint dem Fleisch der Muschelthiere einen besondern Wohlgeschmack zu geben; denn die Austern von Meleda stehen bei den Feinschmeckern in noch höherer Gunst als die Lagunenaustern von Venedig, und auch das Fleisch der Steckmuschel, das im Risotto gedünstet eine beliebte Volksspeise bildet, hat einen angenehmen Geschmack.

Die Steck- oder Schinkenmuschel (Pinna squamosa) kommt auch in andern Gewässern Dalmatiens vor, nirgends aber so häufig und in solcher Größe wie in den Seen auf Meleda, in denen Exemplare von 70 bis 80 cm Länge ganz gewöhnlich sind und bisweilen solche von Meterlänge gefangen werden. Ihre Schalen sind sehr dünn und zerbrechlich; innen sind sie mit einer zarten rothbraunen Perlmutterschicht bekleidet. außen von röthlichgrauer Farbe. Sie sind wenig gewölbt, haben die Form eines sehr spitzwinkligen Dreieckes, das durch einen Bogen geschlossen ist, und zeigen undeutliche Längsfurchen, auf welchen hohle Schuppen in bogigen Querreihen stehen. Eine besondere Drüse, die „Byssusdrüse“, sondert den sogenannten Byssus ab, ein Büschel feiner, glänzender, goldbrauner klebriger Fäden von 12 bis 16 cm Länge, vermittelst deren sich das Thier am Gesteine festankert. Diese Byssusfäden wurden früher zu feinen seidenartigen Geweben verarbeitet. Die Muschel steckt mit ihrem spitzen Ende etwa bis zu einem Viertel ihrer Länge im Sand oder in Gesteinsspalten in einer Wassertiefe von 1 bis 4 Metern.

Die Fischer auf Meleda bedienen sich zum Sammeln der Steckmuscheln eines in einem Winkel von 40° gebogenen Eisenstabes, der an der Innenseite sägeartig gezahnt ist und der wie eine Haue an einer 4 Meter langen starken Stange befestigt wird. Je zwei solcher Sammler rudern in einer kleinen Barke nahe dem Seeufer hin; wenn sie über eine Stelle gekommen sind, wo sie die Muscheln vermuthen, ziehen sie die Ruder ein, und der im Vordertheil der Barke stehende Fischer gießt aus einem Bockshorn Oel auf die vom Wind und von den Ruderschlägen bewegte Wasseroberfläche: fast augenblicklich glättet sich diese in weitem Umkreis um das Fahrzeug, als wäre das Wasser plötzlich zu einer krystallhellen Eisplatte erstarrt, durch welche man den mit Algen bewachsenen Grund des Sees in ruhiger Klarheit sieht. Wie dunkle Felsblöcke auf einer Alpenwiese ragen daraus die großen Muscheln hervor.

Der zweite Fischer fährt nun mit seinem Eisen auf den Seegrund, so daß die Muschel nach ihrer Breite zwischen die Schenkel des Eisens zu stehen kommt, und reißt mit einem starken Ruck die Stange senkrecht in die Höhe. Die Fischer sammeln gewöhnlich nur große und mittelgroße Exemplare und lassen kleinere für eine künftige Ernte stehen. Sonst würde trotz ihrer ungeheuer großen Nachkommenschaft die Pinna dort schon ausgerottet sein, da man sie von September bis Ende März fängt und ihr Wachsthum kein sehr schnelles ist.

Bisweilen findet man in unseren Muscheln Perlen von granatrother oder weißer Farbe und häufig zwischen den Mantellappen des Thiers eine kleine Krabbe, die durch die am hintern Ende klaffenden Schalen eindringt und von dem Muschelthier als Mitbewohner seines Gehäuses geduldet wird. Schon den Alten war dieses eigenthümliche Zusammenleben bekannt, und sie nannten die Krabbe den „Pinnenwächter“, indem sie der Meinung waren, daß sie die Muschel vor Gefahr warne; die Zoologie hat der Krabbe den Namen Pinnotheres veterum – der Pinnenwächter der Alten – gegeben, ohne sie jedoch als „Wächter“ der Pinna anzusehen. – l –