Das Marienbild zu Eicha bei Naunhof (Ziehnert)

Textdaten
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Autor: Widar Ziehnert
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Titel: Das Marienbild zu Eicha bei Naunhof
Untertitel:
aus: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. Band 2, S. 39–46
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1838
Verlag: Rudolph & Dieterici
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Erscheinungsort: Annaberg
Übersetzer:
Originaltitel:
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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[39]
5.
Das Marienbild zu Eicha

bei
Naunhof.

[40] Eicha, ein Vorwerk im Erbamte Grimma, am linken Ufer der Parde, 3 Stunden nordwestlich von der Stadt Grimma, verdankt seinen Namen einem hohen Eichenbaum, der dort stand und unter welchem die alten Sorbenwenden ihre Abgötterei getrieben haben sollen. An der Eiche war später ein Marienbild, welches durch nachstehende Begebenheit, die der Glauben jener Zeit in’s Sagenhafte gezogen hat, und die den Chroniken gemäß in’s Jahr 1454 fällt, ein berühmter Wallfahrtsort ward. Weil in der später hier erbauten Kirche zuerst evangelisch gepredigt wurde, so wanderten alle Sonntage solche Schaaren Leipziger hierher, daß Herzog Georg es endlich bei harter Strafe verbieten mußte.




[41]

Ein Wagen fuhr bei Nauenhof
     die Leipz’ger Straße her,
er war beladen mit Gefäß
     und Kasten hoch und schwer.

5
Ein Greis im blauen Fuhrmannshemd

     schritt langaus nebenbei,
und trieb die Gaule, daß er noch
     zur Nacht in Leipzig sey.

Der Abend zog im Nebelkleid

10
     schon über Berg und Thal,

drum treibt der Fuhrmann sein Gespann
     mit Hui und Peitschenknall.

Da ruft ihn hinten wer von fern:
     „Halt an, Fuhrmann, halt an!“

15
Er sieht sich um; lautkeuchend trappt

     ein Wanderer heran.

Der buckelt’ einen Mantelsack,
     und trocknet’ sich den Schweiß:
„He, guter Fuhrmann, nehmt mich mit,

20
     die Last macht mir es heiß.“


[42]

„Ich trage wenig Fracht, und doch
     drückt mich mein Mantelsack,
als hätte mir’s ein böser Geist
     gethan zum Schabernack.“

25
„Drum hing’ ich gerne mein Gepäck

     an euern Wagen an,
damit ich leichter dann mit euch
     bis Leipzig gehen kann.“ –

Der Fuhrmann spricht: „Hängt euern Sack

30
     in Gottes Namen an;

hab’ den Gefallen manchem schon
     mein Lebetag gethan.“

Drauf mit einander gehen sie
     beim Wagen neben her,

35
und reden von der schlechten Zeit

     und andern Dingen mehr.

Gar viel erzählt der Wanderer,
     bis ihn der Fuhrmann schilt:
„So nehmt doch euern Hut hier ab

40
     vor dem Marienbild!“


Hart an dem Rand der Straße stand
     ein Eichbaum, dick und alt,
dran hing der Gottesmutter Bild,
     in Oel auf Bret gemalt.

[43]
45
Als dies der Wanderer gewahrt,

     zieht er zwar auch den Hut,
so wie der Fuhrmann, doch er thut’s
     nur so, damit er’s thut.

Er kniet nicht nieder, betet nicht

50
     nach seiner Christenpflicht,

er setzt den Hut stracks wieder auf,
     und drückt ihn in’s Gesicht.

Der greise Fuhrmann aber hält
     die Pferd’ an. Drauf kniet er

55
andächtig vor das heil’ge Bild,

     und sagt drei Ave’s her.

Der And’re harrt indessen sein,
     bis daß er fertig ist,
und schilt ihm grollend: „Eu’r Gebet

60
     ist ein’ unnütze Frist.“


Der Fuhrmann drauf: „Verzeih’ euch Gott
     das frevelhafte Wort!“
Drauf treibt er seine Pferde an,
     doch siehe – keins will fort.

65
Er spricht den Pferden freundlich zu,

     und streicht sie mit der Hand,
er schreit, er peitscht, er zerrt am Zaum,
     sie stehen wie gebannt.

[44]

Der Boden war so gleich und glatt,

70
     kein Hinderniß im Weg,

drob sinnt der Fuhrmann hin und her,
     was das bedeuten mög.’

Und flehend blickt er auf das Bild
     der Mutter Gottes hin,

75
da fährt es jähling, wie ein Blitz,

     ihm seltsam durch den Sinn.

Er faßt den Wandrer bei der Brust,
     und schnaubt’ ihn heftig an:
„Dein Mantelsack birgt Sündengut,

80
     und das ist Schuld hieran!“


„Was hast du in dem Mantelsack?
     Gesteh’, und leugn’ es nicht!“
Er rief’s. Der Wandrer sinkt todt hin
     mit bleichem Angesicht.

85
Der Fuhrmann faßt den Todten an,

     schon war er starr und kalt,
er schreckt zurück: „Ha, so hast du
     dein Sündengut bezahlt!“

Er reißt des Wandrers Mantelsack

90
     vom Wagen, und erschrickt,

als er in ihm, – o arge Greul! –
     das Heiligste erblickt.

[45]

„Im güldnen Kranz den Leib des Herrn!
     Du großer Bösewicht,

95
den Heiland hast du frech geraubt –

     Gott hielt ein recht Gericht!“

Der Fuhrmann ruft’s, und blickt gar lang
     bewegt auf die Monstranz,
und kniet vor das Madonnenbild

100
     in Mondes Silberglanz.


„Nimm, heil’ge Jungfrau, deinen Sohn
     zurück aus meiner Hand!
Will fragen überall, wo ihn
     der Bösewicht entwandt.“

105
Drauf legt er sacht das Heiligthum

     in einen Kasten ein,
und treibt die Pferde wieder an
     mit Peitschenknall und Schrein.

Die ziehn jetzt rasch und muthig an;

110
     der Mutter Gottes Bann

war nun gelöst, und bald der Weg
     nach Leipzig abgethan.

Dort meldet er dem Stadtgericht,
was unterwegs geschehn,

115
     die glauben seinen Worten gern,

als die Monstranz sie sehn.

[46]

Wie Spreu verbreitet durch das Land
     sich rasch die Wundermähr,
der Weg zu dem Marienbild

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     ward fortan nimmer leer.


In kurzem ward ein Gotteshaus
     an jener Stell’ erbaut,
das man bei Eicha hart am Weg
     noch heut zu Tage schaut.