Das Castell auf dem Süllenberge

Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Das Castell auf dem Süllenberge
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 37–40
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[37] 
14. Das Castell auf dem Süllenberge.
(1063.)

Auf dem bekannten Süll- oder Süllenberge zu Blankenese bei Hamburg soll in grauer Urzeit, noch ehe Karl der Große die Veste und Kirche zu Hammaburg gründete, eine Opferstätte oder sonst ein bedeutendes Heiligthum der alten Heiden gewesen sein. Einige sagen, die heidnischen Sachsen hätten hier den Donnergott Thor oder Asathor verehrt, und daher rührten die vielen spitzen kegelförmigen Donnerkeile her, die man vordem in den Blankeneser Bergen finden konnte; es wäre also ein Deutsches Heiligthum gewesen. – Andere erzählen, die heidnischen Wenden hätten dort gehauset, und einer ihrer Götter habe Wedel geheißen, der Sonnengott, woher auch der benachbarte Flecken Wedel seinen Namen habe; und ein Zweig des alten Dynasten-Geschlechtes derer von Wedel, die noch einen Sonnengötzen im Wappen führen, habe hier gesessen. Wieder Andere meinen, daß die Römer, als sie unter Julius Cäsar oder Drusus bis an die Nieder-Elbe gekommen, auf diesem Berge ihrem Römischen Sonnengotte, den sie „Sol“ nannten, einen Tempel errichtet hätten, davon der Name des Sol- oder Süllenberges entstanden sei. Den Tempel aber habe Kaiser Karl der Große völlig zerstört. Dem sei nun wie ihm wolle, genug, bis zum Jahre 1063 war der Süllenberg, wie die meisten Blankeneser Berge, mit dichter Waldung bedeckt, darin allerlei heidnisches Raubgesindel haus’te, das die christlichen Hamburger und Holsten plagte und drangsalte zu Wasser wie zu Lande. In jenem Jahre aber ließ Adalbert der Große, Erzbischof über Hamburg und Bremen, den Wald umhauen, dann den Süllenberg befestigen und oben darauf ein starkes Castell erbauen, wohinein er viel Kriegsvolk legte. Wer weiß, ob nicht mit der Zeit [38] eine mächtige Stadt dort in Blankenese entstanden wäre, wenn Alles nach des Erzbischofs großen Planen sich gefügt und geschickt hätte; denn er dachte: ist aus Karls Veste und Kirche ein Hamburg geworden, so kann aus meinem Castell ein Gleiches werden; er hatte im Sinn, ein Kloster in der Veste zu gründen und stiftete bereits eine Probstei daselbst, welcher er das Haupt des heiligen Secundinus, eines der Heerführer der Legion der Thebaner, schenkte, dessen Reliquien der Erzbischof vordem in Italien vom Bischofe von Turin erhalten hatte. Es ist aber doch nichts daraus geworden, denn des Erzbischofs Leute hatten auf dem Süllenberge Langeweile, und als sie die heidnischen Räuber vertrieben hatten, plagten sie die christlichen Beraubten; und statt das Land zu schützen, trieben sie Wegelagerung und allerlei Muthwillen.

Und unter den Reichsfürsten hatte der Erzbischof Adalbert auch keine Freunde, weil sie fürchteten, er möchte Patriarch oder gar Pabst von Hamburg und ganz Norddeutschland und allen Ostseeländern werden, was er auch gewollt haben soll; er wäre wohl der Mann dazu gewesen und der Kaiser war ihm sehr Freund; das Deutsche Reich wäre vielleicht dabei so schlecht nicht gefahren, wenn es statt des Römischen einen heimischen Pabst gehabt hätte. Genug, als nun ein Aufruhr unter dem Volke entstand wegen der unruhigen Burgleute auf dem Süllenberge, da haben der Herzog Ordulf von Sachsen und die anderen Fürsten und Herren stille gesessen und gern zugesehen, wie das Castell belagert, genommen und bis auf den Grund zerstört worden ist. Und das hat dem Erzbischof wehe gethan, und alle Gedanken an das Pabstthum verleidet.

Nachmals, im Jahre 1258, haben die Grafen von Holstein, aus dem Schauenburger Hause, auf dem Süllenberge ein neues Castell zu bauen beabsichtigt, bevorstehender Kriegshändel wegen mit dem Erzbischofe von Bremen. Die Hamburger [39] aber wandten dagegen ihr kaiserlich und gräflich Privilegium ein, daß nämlich auf zwei Meilen Entfernung von der Stadt keine Burg oder Festung angelegt werden dürfe. Und da sie kräftig auf ihrem Stücke bestanden (ob auch der Bischof von Paderborn versprach, es solle ihnen kein Schade dadurch geschehen), so mußte der Bau unterbleiben, und der Süllenberg blieb, wie er gewesen.

Wie’s jetzt aus dem Süllenberge aussieht, weiß Jeder. Wo einst der Heiden Altar und Heiligthum, dann ein Castell des Erzbischofs stand, da ist jetzt ein Wirthshaus gebaut, wo’s sich gut weilen läßt; früher war’s großartiger, mächtiger, erhabener dort, jetzt ist’s friedlicher, bedeutungsloser, kleiner: das ist der Unterschied der Zeiten.

Ehe dies Wirthshaus dort gebaut wurde, war der Süllenberg Jahrhunderte lang ein kahler Haidberg. So hab’ ich als Knabe ihn noch gekannt und habe oft mit andern Jungen den steilen Kegel erklettert. Oben waren allerlei Vertiefungen und Löcher, da mochten vormals Schatzgräber zu Werke gegangen sein, die bei Nacht und Nebel nach des Erzbischofs Schätzen gegraben. Die wird er aber wohl anderswo verwahrt gehabt, und was da gewesen, das werden die Zerstörer des Castells wohl zu finden gewußt haben. Wir fanden dort nur Donnerkeile, alte verrostete Nägel u. dergl., und meinten jedesmal einen großen Fund zu thun. Aber Peter Supp aus Blankenese (er ist nun todt), der dort als Junge Vieh gehütet und sich dabei wohl einmal Abends verspätet hatte, der wußte allerlei Geschichten vom Süllenberg zu erzählen, die er von seinem Ohm gehört, von den Hünen, die dort mit Nebelkappen und großen Keulen zur Nachtzeit umherliefen, und vom Klopfen und Hammern in der Tiefe der Erde, als sei dort etwas versunken, was wieder herauf wolle und dergleichen mehr, was wir verlachten, aber innerlich doch nicht unmöglich fanden.

[40] Nun aber glaube ich fest, seit die Wirthschaft sammt Theelauben, Billard und Kegelbahn dort oben ihr Wesen hat, nun liegen die Hünen gebannt in ihren Gräbern, und die versunkene Pracht verlangt gar nicht mehr zu Tage. Und höchstens der seltsame Luftzug, der zuweilen auch beim heitersten Wetter gleichsam von unten die behaglich plaudernden Gäste anweht, der soll was zu bedeuten haben, nämlich wie Peter Supp meinte: „de Hün’, de dreyt sik üm und stöhnt!“

Anmerkungen

[375] Adam von Bremen III. 25 und Schol. 75. Steltzner I. 39. Geschichte des Geschlechts Wedell (1843). Mündliche Erzählungen.