« I. Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart III. »
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II. Einwohner.


1. Bevölkerung.[1]
A. Stand der Bevölkerung.
a. Die Zahl der Angehörigen berechnete sich auf den 3. Dez. 1854 im Ganzen zu 38.783, nämlich 18.411 männlichen und| 20.372 weiblichen Geschlechts, wovon auf Stuttgart selbst 34.569 (16.325 männliche, 18.244 weibliche), auf Berg 1100 (551 männliche, 549 weibliche), auf Gablenberg 1395 (698 männliche, 697 weibliche), und auf Heslach 1719 (837 männliche, 837 weibliche) treffen.

Wie fast bei allen größeren Orten zwischen der Zahl der Angehörigen und der Zahl der Anwesenden ein Unterschied stattfindet, der für die Zahl der letzteren um so günstiger sich darstellt, je anziehender für Nicht-Angehörige die mehr oder weniger gegründeten Aussichten auf das öconomische Fortkommen oder die Annehmlichkeiten des Aufenthaltes erscheinen, so wird auch in Stuttgart die Zahl der abwesenden Angehörigen von der Zahl der anwesenden Nichtangehörigen so sehr überwogen, daß die am 3. Dezember 1855 vorgenommene Volkszählung 50.804 Anwesende ergab, nämlich 24.793 männlichen und 26.011 weiblichen Geschlechts, wovon auf Stuttgart selbst 46.507 (22.628 männliche, 23.879 weibliche), auf Berg 1293 (698 männliche, 595 weibliche), auf Gablenberg 1293 (636 männliche, 657 weibliche), und auf Heslach 1711 (831 männliche, 880 weibliche) trafen.

In Beziehung auf die Dichtigkeit der Bevölkerung ergibt sich, daß der Bezirk Stuttgart, obgleich er hinsichtlich der Fläche der kleinste des Landes ist (S. 1), doch die größte Bevölkerung hat, nämlich 70.016 Ortsangehörige, beziehungsweise 94.080 Ortsanwesende auf die Quadratmeile, oder 1/35 der gesammten Landesbevölkerung.

b. Nach Altersklassen vertheilte sich die angehörige Bevölkerung von 1846 wie folgt:

es kommen auf     
männl. weibl. 10.000 männl. 10.000 weibl.
unter 6 Jahren 2499 2562 1581 1447
von 6 bis 14 Jahren 2772 2815 1753 1590
von 14 bis 20 Jahren 1718 1752 1087 990
von 20 bis 25 Jahren 1134 1491 717 842
zusammen 8123 8620 5138 4869
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es kommen auf     
männl. weibl. 10.000 männl. 10.000 weibl.
Übertrag 8123 8620 5138 4869
von 25 bis 40 Jahren 3362 4073 2127 2301
von 40 bis 60 Jahren 3203 3514 2026 1985
von 60 bis 70 Jahren 752 1016 476 574
von 70 bis 80 Jahren 314 406 199 229
von 80 bis 90 Jahren 50 73 32 41
von 90 bis 100 Jahren 3 2 2 1
über 100 Jahre
zusammen 15.807 17.704 10.000 10.000
33.511

Es zählte also die Altersklasse der schulpflichtigen Kinder von 6–14 Jahren 5587 = 16,7 Proz., die der wehrfähigen Mannschaft von 20–40 Jahren 4496 = 13,4 Proz., die des höheren Alters von 70 Jahren und darüber 848 = 2,5 Proz. der angehörigen Bevölkerung. Die vier ersten Altersklassen bis zu 25 Jahren betragen zusammen 16.743 oder 50 Proz. und bilden daher die Hälfte der Gesammtheit.

Von den Übersiebzigjährigen entfallen auf je 1000 Einwohner 25,3; ein Verhältniß, das günstiger ist, als der Landes-Durchschnitt mit 22,5.

c. Der Überschuß der weiblichen über die männliche Bevölkerung belief sich von allen Altersklassen 1812 auf 1180, 1822 auf 1810, 1832 auf 1236, 1846 auf 1897, 1854 auf 1961 oder, es kommen 1106 weibliche auf 1000 männliche Angehörige, indeß sich diese Proportion des ganzen Landes auf 1042:1000 stellt. Bei den Anwesenden dagegen war 1846 die männliche Bevölkerung um 665 im Übergewichte, wogegen 1855 die weibliche um 1218 vorschlug.

d. In Beziehung auf den Familienstand ergaben sich bei den Angehörigen:

1832 Nov. 1. 1846 Dezbr. 3.
Verehelichte Personen 8371 11.369
Wittwer 475 506
Wittwen 1316 1831
Geschiedene 69 138
Unverehelichte 17.743 19.667
27.974 33.511

Die Zahl der Ehepaare, welche sich aus erster Zählung zu 4186, aus zweiter zu 5685 ergibt, hat sich also von 1832/46 um 1499 vermehrt. Die Zahl der Wittwen übertrifft, nach beiden Zählungen, die der Wittwer um mehr als das Dreifache.

Familien zählte man 1846 – 9143; 1855 – 10.397;| es entfallen hiernach auf 1 Familie, beziehungsweise 3,66 und 4,88 Angehörige, und auf 1 Ehepaar für das Jahr 1832 – 6,68, für 1846 – 5,89 Angehörige. (Vergl. auch hienach Trauungen.)

e. Das kirchliche Verhältniß in älteren Zeiten ist aus den Ziffern des geschichtlichen Abschnittes zu entnehmen. Von den Angehörigen waren:

im Jahr
Christen: 1832: 1846:
evangelisch-lutherischer Confession 26.617 31.405
evangelisch-reformirter Confession 110
römisch-katholischer Confession 1119 1719
von andern christlichen Bekenntnissen 2 122
Juden 126 265
27.974 33.511

Von den Anwesenden des Jahres 1852 dagegen waren 45.033 evangelisch-lutherischen, 140 reformirten Bekenntnisses, etwa 4500 Katholiken und 330 Israeliten.

f. Die Bevölkerung, nach ihren Gewerbs- und Nahrungs-Verhältnissen betrachtet, wurde amtlich seit 1822 nicht mehr erhoben; nach vorliegenden sonstigen Materialien können jedoch diese in Beziehung auf die Anwesenden für das Jahr 1853 folgendermaßen angenommen werden:

Angehörige des Hofes vom ganzen Königlichen Hause 650
Offiziere und Militärbeamte 160
Militärmannschaft 2388
Fremde Gesandtschaften 17
Im Staatsdienste überhaupt,
einschließlich der ständischen Beamten und Lehrer an den Staatsanstalten
1110
Geistliche, Lehrer an sonstigen öffentlichen und Vereins-Schulen 108
Dienstcandidaten 30
Gemeinde-Beamte und Diener 200
Advocaten (38) immatr. Notare (2) practicirende Ärzte 69
Verwalter und Diener von Privatvereinen 80
Literaten (19) und Redacteurs von Zeitschriften 28
Privatlehrer aller Art 114
Copisten, Schreibereigehilfen, Stenographen, Hofmeister etc. 85
Architecten (16), Bildhauer (11) und Maler aller Art (57) 84
Fabrikbesitzer (wovon 12 in den Weilern) 151
Fabrikarbeiter (wovon 281 in Berg) 2171
Handwerksmeister (wovon 106 in den Weilern) 1708
Handwerksgehilfen (wovon 92 in den Weilern) 4242
Mit literarischen Gewerben Beschäftigte 114
Gehilfen derselben 844
Apotheker, Commissionäre, Handelsleute und Sensale (wovon 10 in den Weilern) 390
Gehilfen derselben 1015
Fuhrleute (wovon 6 in den Weilern) 95
Gehilfen derselben 190
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Wirthe (wovon 35 in den Weilern) 419
Gehilfen derselben 268
Gärtner und Landwirthe (außer 72, welche zugleich Gewerbe betreiben)
(Hievon in Berg 6, Gablenberg 208, Heslach 266.
Von diesen 1088 treiben ausschließlich Wein-, Obst- und Garten-Bau 936)
1088
Selbstständige Tagelöhner 289
Pensionäre und Quiescenten 214
Wittwen von solchen 391
Ohne Gewerbe Lebende 187
Individuen weiblichen Geschlechtes, ohne angegebene Beschäftigung 1706
Auswärtige Schüler, Waisenhauszöglinge etc. etwa 700
Gesinde,
männliches, zur persönlichen Bequemlichkeit 137, sonstige Diener und Knechte 412 – 549;
weibliches, zur persönlichen Bequemlichkeit 1236; sonstige Dienstmädchen 3074 – 4310
4859
In Verpflegung stehende Arme
(Die im Almosen Stehenden vertheilen sich auf mehrere der zuvor erwähnten Classen.)
400
Civil- und Militär-Strafgefangene 300

Hiernach gehören von den über Abzug der Militärmannschaft verbleibenden 47.615 Einwohnern:

α. Den mehr oder minder selbstständigen Classen an: die Landbau-, Gewerbe- und Handel-Treibenden (wovon die ersteren 1/4) 4400, zusammen etwa 14.500 Einwohner, die Besoldeten, die Advocaten, Ärzte, Lehrer etc. 2700, mit etwa 8500 Einwohnern; die auswärtigen Schüler etc. etc.; ferner ungefähr die Hälfte (1500) Derer, von welchen eine Beschäftigung nicht angegeben ist, und die Pensionäre, mit etwa 3500 Einwohnern.

β. Nichtselbstständig sind: die 8845 Gehilfen aller Art und 4859 Dienstboten, zusammen ungefähr 17.500 Einwohner; die andere Hälfte derer, bei welchen eine Beschäftigung nicht angegeben ist, mit 3500 Einw., die Strafgefangenen und verpflegten Armen. Die selbstständigen Classen verhalten sich daher zu den nichtselbstständigen etwa = 9:7[2]; und das Verhältniß der unmittelbar producirenden Einwohner zu allen übrigen ist ungefähr = 13:11.

g. Unter der[e 1] Zahl der Anwesenden ist die sogenannte flottirende Bevölkerung, d. h. diejenigen Fremden, welche nur vorübergehend hier verweilen, nicht begriffen. Nach polizeilichen Aufzeichnungen sind im Jahr 1853 77.549 Personen dieser Kategorie übernachtet, und etwa 1/7 hiervon verweilte hier noch länger. Die höchsten Zahlen mit 7855 und 7698 fielen auf Oktober und März, die kleinsten mit 5059 und 5598 auf Mai und Juni. Die Hauptzahl ist im steten Steigen begriffen.

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2. Gang der Bevölkerung.
a. Trauungen kamen in der Zeit 1812–1822 bei den Angehörigen durchschnittlich vor: 195,4
Hiezu Zugang durch Einwanderung 4,9
200,3

Davon Abgang durch Tod 136,2, durch Scheidung 4,6, durch Auswanderung 18,9; zusammen 159,7; der wirkliche Zugang war also 40,6.

Die Zahl der Ehen betrug 1812 3465, 1822 3871. Auf 113 Angehörige kam 1 Trauung jährlich; im Durchschnitt des Landes kam 1 auf 143 Angehörige. Von den Anwesenden kam eine Trauung 1812 – 1833 auf 118, 1847 auf 156, und 1847–1850 auf 200 Einwohner jährlich. Die Möglichkeit, einen eigenen Herd zu gründen, ist also namhaft kleiner geworden.

b. Die jährlichen Geburten, einschließlich der Todtgeborenen, betrugen bei den Angehörigen

1812–1822 1842–1852
männliche 473,2 0692,6
weibliche 450,8 0643,4
      zusammen 924,0 1336,0

Das Verhältniß der Geborenen zu den Lebenden ist für 1812–1822 = 1:23,98 oder auf 10.000 Angehörige treffen jährlich 417 Geborene; für 1842–1852 = 1:26,27, oder auf 10.000 Angehörige kommen jährlich 380,7 Geborene. In den Weilern dagegen ist die Fruchtbarkeit größer; sowie auch für das ganze Land 1832–1842 diese Proportion = 1:23,12 war.

Bei den Anwesenden ist das Verhältniß, der großen Zahl der Unverheiratheten wegen, noch ungünstiger; es war 1812–1833 = 1:32,7, 1847 = 1:32,8, 1847–1850 = 1:31. Die ohnedieß nicht große Fruchtbarkeit[3] hat also in den letzten Nothjahren abgenommen; aber wie diese abnahm, so hat sich auch, wie hienach bemerkt, die Sterblichkeit verringert und den Abgang ersetzt[4].

| Nach einer allgemein gemachten Wahrnehmung fallen in den Winter (1. November bis 30. April) die meisten, in den Sommer die wenigsten Geburten. Nach Stimmel und Schübler wurden hier im Durchschnitt von 32 Jahren (1770–1789, 1822–1833) geboren: im Winter (Dezember, Januar, Februar) 6078, im Frühling (März, April, Mai) 5902, im Herbst (September, Oktober, November) 5857, im Sommer (Juni, Juli, August) 5855 Kinder. Werden die Zeiten der Geburt auf die der Empfängniß zurückgeführt, so fallen die meisten Empfängnisse in die Zeit des Frühlings und, da der Februar die höchste Geburtenzahl hat, gerade auf den Wonnemonat Mai, indeß die kleinste Zahl der Empfängnisse dem Herbste angehört.

c. Das Übergewicht der männlichen Geburten über die weiblichen ist gleichfalls eine allgemeine Wahrnehmung, in einer Proportion = 105:100. Bei den Angehörigen Stuttgarts war sie 1812–1822 = 105:100, 1842–1852 = 107,6:100. Bei den Anwesenden war das Verhältniß 1700–1832 = 104,7:100, 1847 = 107,9:100.

d. Das Verhältniß der Zwillingsgeburten zu den gewöhnlichen Geburten, welches im Lande 1821–1825 = 1:85 war, ist bei den Anwesenden Stuttgarts kleiner, nämlich 1750–1833 = 1:92[5], 1847 aber = 1:84. Die Drillings-Geburten verhielten sich zu den übrigen Geburten im Lande 1821–1825 = 1:6464. Bei den Anwesenden Stuttgarts 1750–1811 = 1:8664, 1812–1833 dagegen = 1:2041. Die allgemeine Proportion ist = 1:6 bis 7000. Vierlinge, deren allgemeines Verhältniß = 1:490.000 ist, sind für Stuttgart nicht vorgemerkt.

e. Die Zahl der Todtgeborenen, welche nach allgemeiner Beobachtung nahezu gleich der Sterblichkeit in den ersten 24 Stunden nach der Geburt ist, war bei den Angehörigen 1812–1822 43, nämlich 24,6 Knaben und 18,4 Mädchen. Sie verhalten sich also zu den Lebendgeborenen = 1:21,49. Im ganzen Lande dagegen erscheint es besser (1821–1825): = 1:25,9. Im Jahr 1700–1709 war hier die Proportion nur 1:39,4, 1710–1729 = 1:35,8. Das Überwiegen der Knaben, welches überall vorkommt, erklärt sich daraus, daß sie schwerer geboren werden, als die Mädchen, und daß die Zahl der Knaben überhaupt größer ist.| Nicht leicht zu erklären wäre dagegen die Thatsache, daß die Zahl der Todtgeborenen trotz der verbesserten Medicinalanstalten stets zunimmt, wenn nicht nach ziemlich allgemeinen Erfahrungen anzunehmen wäre, daß dieselbe fast überall mit der Vervollständigung der Listen sich vergrößert. Die weitere Thatsache, daß bei den Anwesenden noch mehr Todtgeborene vorkommen, dürfte aus dem Überwiegen der Unehelichen bei jenen, aus der Verheimlichung der Schwangerschaften etc. zu erklären sein; deren Verhältniß war 1812–1822 = 1:19,1, 1847 = 1:15,3, 1847–1850 = 1:16, 1852 = 1:17, 1853 = 1:14[6].

1

f. Das Verhältniß der ehelich Geborenen zu den unehelich Geborenen bietet eine höchst auffallende Verschiedenheit, je nachdem die Angehörigen oder die Anwesenden betrachtet werden. Geschieht das Erstere, so ist, da 1812–1822 125,7, 1842–1852 aber 99,6 Uneheliche geboren wurden, die Proportion beziehungsweise 1:7,35 und 1:13,41. Sie hätte sich also namhaft gebessert und überträfe die des ganzen Landes mit 1:8,6 in der Periode von 1832–1842. Bei den Anwesenden dagegen verhielten sich die unehelichen zu den ehelichen Geburten 1847 = 1:2,9, 1847–1850 sogar = 1:2,5, d. h. unter 5 Kindern waren 2 unehelich geborene. Es kommt aber hierbei sehr in Betracht, daß unter diesen Ziffern auch die in dem 1828 eröffneten Gebärhaus geborenen Kinder begriffen sind, welche zu etwa 1/3 von fremden Müttern geboren werden, die sich blos zum Zwecke ihrer Entbindung hier aufhielten[7]. Von den 1847 geborenen 340 Unehelichen fallen daher nur 227 auf die eigentlich anwesenden Einwohner; bei 1358 Gesammtgeburten ändert sich also die Proportion von 1:2,9 auf = 4,4 ab, und erscheint dieselbe gegenüber von anderen größeren Städten[8] nicht als beunruhigend, obwohl auch bei uns im Laufe der Zeit eine| große Verschlimmerung eingetreten ist. Die Proportion war 1607 = 1:45, 1701 = 1:26, 1711 = 1:63, 1721 = 1:62, 1741 = 1:28, 1771 = 1:56, 1781 = 1:21, 1791 = 1:11, 1801 = 1:13, 1815 = 1:4, 1821 = 1:6, 1821–1830 = 1:6,5, 1831–1833 (wobei überdieß die zuvor hervorgehobene Unterscheidung nicht gemacht wurde) 1:5. Nach einer allgemeinen Wahrnehmung ist bei den Unehelichen der oben erwähnte männliche Geburtsüberschuß geringer, als bei den Ehelichgeborenen. In Stuttgart wurden sogar schon mehr Mädchen als Knaben unehelich geboren. Das Verhältniß war hier zwischen den Knaben und Mädchen 1822–1833 = 100:102,6, 1847 aber wurden auf 100 Mädchen 101,1 Knaben, und im ganzen Lande 1812–1819 100 Mädchen auf 103,6 Knaben unehelich geboren.

g. Das Verhältniß der ehelichen Fruchtbarkeit war bei den Angehörigen 1812–1822 = 1:4,7; bei den Anwesenden, welches übrigens anfänglich keine namhafte Differenz gegen die Angehörigen hatte, war dasselbe 1790–1811 = 1:5,67, 1812–1833 = 1:4,12, 1838–1847 = 1:3,9. Wie die Heirathsfrequenz hat sich also auch die eheliche Fruchtbarkeit vermindert. Sie ist auch, allerdings unter dem Einfluß eines höheren Verhältnisses der unehelichen Fruchtbarkeit, geringer als im ganzen Lande, für welches 1812–1829 die Proportion 1:4,83 war.

h. Die Zahl der Gestorbenen war bei den Angehörigen durchschnittlich

1812–1822 1842–1852
männliche 463,4 0510,4
weibliche 424,1 0492,2
      zusammen 887,5 1002,6
Die Proportion der Gestorbenen und Lebenden ist beziehungsweise = 1:24,9 und 1:35. Die Sterblichkeit hat also sehr bedeutend abgenommen. Es kamen dabei auf 100 männliche Gestorbene beziehungsweise 102,1 und 135,6 männliche Geborene; und auf 100 weibliche Gestorbene 106,2 und 130,7 weibliche Geborene. Das Sterblichkeitsverhältniß ist jedoch noch günstiger, wenn es aus den Anwesenden berechnet wird. Nach auf die Kirchenregister gegründeten Berechnungen von Dr. Theuerle kamen nach Abzug der Todtgeborenen in den Jahren 1777–1810 30,39, 1811–1830 38,37, 1831–1846 40,92 Anwesende auf 1 Gestorbenen; die Proportion war ferner, ausschließlich der Weiler, wo sie sich dem Landesdurchschnitt (1832–1842 = 1:28,81) nähert, 1847 = 1:41,6, 1848 = 1:38,5, 1849 = 1:42, 1850| = 1:42,1, 1847–1850 = 1:41, 1851 = 1:45, 1852 = 1:43,1, 1853 = 1:43,2 und 1854 = 1:46,8. Im Jahr 1855 hat sich die Proportion sogar auf 1:49,9 gehoben. Diese Erscheinung ist so ungemein günstig, daß sie nur in wenigen, ganz besonders bevorzugten Gegenden des Festlandes erreicht oder übertroffen wird[9]. Sie hat nicht nur in der alljährlich sich mehrenden Zahl junger, der Stadt nicht angehöriger Leute, sondern noch viel mehr in der Verbesserung der Medicinalanstalten, namentlich deßwegen in der geringeren Sterblichkeit der Kinder, deren so viele früher den Pocken erlagen, ihren Grund. Wie aber die Zahl der Sterbenden sich verringerte, so hat die Natur zu Herstellung des Gleichgewichtes auch die Zahl der Geburten vermindert und uns für eine größere Zahl von Familienangehörigen durch eine längere Lebensdauer derselben entschädigt.

i. Das Altersverhältniß der gestorbenen Angehörigen einschließlich der Todtgeborenen war 1812–1822 unter je 10.000 Todesfällen:

männl. weibl.
vor der Geburt 531 434
unter 1 Jahr 3440 3014
vom 1. bis zurückgelegten 7. Jahr 1312 1450
vom 7. bis zurückgelegten 14. Jahr 263 356
vom 14. bis zurückgelegten 25. Jahr 721 514
vom 25. bis zurückgelegten 45. Jahr 1094 1115
vom 45. bis zurückgelegten 60. Jahr 1075 997
über 60 Jahre alt 1564 2120
zusammen 10.000 10.000
Faßt man die Todtgeborenen und im 1. Lebensjahre Gestorbenen zusammen, so beträgt diese Zahl 37 Proz. (im ganzen Lande war sie 1812–1822 nur 34,7 Proz.) oder nahezu 2/5 aller Gestorbenen, und aus der Vergleichung derselben mit den gleichzeitig Geborenen geht hervor, daß von diesen schon vor dem zurückgelegten 1. Lebensjahre 35,7 Proz. dem Tode zur Beute geworden sind und also nur 64,3 Proz. das erste Jahr überlebten. Von den Anwesenden des Jahres 1847 sind von 10.000 Neugeborenen 2860 theils vor und während der Geburt und theils bis zum 1. Lebensjahre gestorben[10]. Das Verhältniß, welches sich schon bald nach| Einführung der Kuhpocken gebessert hatte, ist also neuerlich noch befriedigender geworden. Das Sterblichkeitsverhältniß im ersten Lebensjahre war bei den Angehörigen, ausschließlich der Todtgeborenen, 1812–1831 = 1:2,9, 1847 dagegen 1:4,1. Die überall beobachtete große Sterblichkeit der Kinder bis zum 1. Jahre nimmt von da rasch ab und erreicht ihr Minimum im 14. und 15. Jahre; bis zum 45. Jahre steigt die Mortalität langsam; von hier an aber, hauptsächlich vom 60.–70. Jahre, steigert sie sich höher, erreicht jedoch selbst bis zur höchsten Stufe des Greisenalters nicht mehr die Höhe, welche sie im ersten Lebensjahre hatte. Bemerkenswerth ist, daß, wie auch in Berlin, der Sommer den meisten und der Winter den wenigsten Kindern den Tod bringt, indeß bei den Erwachsenen das gerade Gegentheil stattfindet. Der oben erwähnte Überschuß der Knaben über die Mädchen gleicht sich nicht nur durch Todtgeburten, sondern auch, nach Berechnungen der Anwesenden von 1822–1831, durch eine größere Sterblichkeit der Knaben bis zum vollendeten ersten Jahr aus. Von da an aber, namentlich vom Eintritt in die Mannbarkeit, erscheint ein Überschuß des weiblichen Geschlechtes, welcher, abgesehen von der dem schönen Geschlechte verderblicheren Altersperiode vom 40.–50. Jahre, erst nach dem 80. Jahre merklich abzunehmen beginnt. Diese Folgerungen können in der Hauptsache auch aus der oben S. 62 u. 63 gegebenen Übersicht der Altersclassen der Angehörigen gemacht werden, mit dem Unterschiede jedoch, daß der weibliche Überschuß dort erst nach dem 20. Jahre beginnt. Der Fall, daß ein Einwohner 100 Jahre und mehr erreichte, scheint seit 1799, wo eine Wittwe 102 Jahre alt starb (Elben S. 363), nicht mehr vorgekommen zu sein.

k. Was endlich das Wachsthum betrifft, so betrug die Zahl der Angehörigen

männl. weibl. im Ganzen
1812 November 1. 10.417 11.597 22.014
1822 November 1. 10.905 12.715 23.620
1832 November 1. 13.369 14.605 27.974
1842 Dezember 15. 15.883 17.130 33.013
1846 Dezember 3. 15.807 17.704 33.511
1852 Dezember 3. 18.029 19.780 37.809
1854 Dezember 3. 18.411 20.372 38.783

Von den Ortsangehörigen von 1854 wohnten im Ausland 288 männl., 157 weibl., zusammen 445 Personen.

Der natürliche Zuwachs, oder der Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen, betrug in dem Jahrzehend 1812–1822 durchschnittlich 0,729, 1842–1852 dagegen 1,45 Proz., und in den| 30 Jahren 1822–1852 14.189 Einwohner oder 60,07, jährlich also 2 Proz.

l. Diese Zunahme ist, wie diejenige aller größeren Städte, hauptsächlich auf Rechnung der Einwanderung zu setzen.

Es sind durchschnittlich

von 1812–1822 von 1842–1852
Eingewandert: männl. weibl. männl. weibl.
aus fremden Staaten 8,4 3,4 12,7 14,5
aus andern Orten des Königreichs 40,9 60,5 483,3 511,6
zusammen 49,3 63,9 496,0 526,1
00113,2 01022,1
Ausgewandert:
nach fremden Staaten 8,8 10,6 22,4 20,1
nach andern Orten des Königreichs 16,8 33,0 287,6 298,5
zusammen 25,6 43,6 310,0 318,6
00069,2 00628,6
Es sind also mehr herein- als hinausgezogen 23,7 20,3 186,0 207,5
00044,0 00393,5

Das Übergewicht der Hereingezogenen ist also beinahe um das Neunfache gestiegen. Dasselbe rührt jedoch nicht sowohl von Ausländern als von Inländern her. Der Überschuß der hereingezogenen über die hinausgezogenen Inländer, der im ersten Zeitraum nur 516 (241 männl., 275 weibl.) betrug, stieg im zweiten auf 4088 (1957 männl., 2131 weibl.), übertrifft daher den ersten nahezu um das Siebenfache. Am Beträchtlichsten waren die durchschnittlichen Zuzüge aus den Bezirken Ludwigsburg (109,0), Canstatt (63,6), Ulm 52,5), Stuttgart Amt (50,5); am Geringsten aus den Bezirken Wangen (0,8), Leutkirch (0,8), Laupheim (1,2), und Waldsee (2,0).

m. Es ist interessant, die Fluctuationen zu verfolgen, welche bei den Ortsanwesenden der Wechsel der Zeitverhältnisse verursacht hat. Stuttgart zählte um’s Jahr 1400 etwa 4000, um 1600 aber 8–9000 Einwohner; die Zahl hatte sich also in weniger als 200 Jahren verdoppelt. Durch die Seuchen im dreißigjährigen Kriege kam die Bevölkerung von 9773 im Jahr 1622 auf 8327 im Jahr 1631 (worunter 654 Mägde, 448 Diener und Knechte), und auf 4500 im Jahr 1648 herab. Im Jahr 1707 wurden 16.000 Einwohner gezählt; als aber die Residenz nach Ludwigsburg verlegt worden, erfolgte eine Abnahme auf 11.330 im Jahr 1730. Dasselbe trat aus demselben Grunde 1764 wieder ein; indeß 1758 18.145 Einwohner gezählt worden, waren 1765 nur noch 15.524 und 1769 15.151 vorhanden und hob sich erst 1778, nachdem der Herzog 1775 zurückgekehrt war, die Zahl wieder| auf 18.067. Es ist auch bemerkenswerth, und zeugt namentlich für den damals niederen Stand der Industrie, daß mindestens von 1757–1795 die Zahl der Angehörigen stets größer war, als die der Anwesenden. Weitere Zählungen von Anwesenden waren 1791 mit 19.147, 1795 mit 19.510. Ziffern von späteren Jahren sind nicht ganz zuverläßig. Am 1. November 1822 aber wurden 28.444 (wobei 5082 Fremde), 1832 35.021 (7928 Fremde), 1834 35.200, 1837 39.524, 3. Dezember 1846 48.635 Anwesende gezählt. Es waren mehr Anwesende als Angehörige vorhanden: 1822 4824, 1832 7047, 1846 15.124, 1852 12.194. Da die Zahl der Anwesenden für 1810 zu 25.000 angenommen werden darf, so hat sich dieselbe bis Ende 1852, also in 42 Jahren verdoppelt. In den 30 Jahren 1822–1852 hat sie sich um 21.559 Köpfe oder 75,78 Prozent, jährlich also um 2,52 Prozent vermehrt[11]. Von den unter obigen Ziffern begriffenen Einwohnerzahlen der Weiler haben sich diejenigen von Berg von 259 im Jahr 1765 auf 515 im Jahr 1822 erhöht; in Gablenberg hob sich die Zahl anfänglich schneller und später langsamer; von 425 im Jahr 1765 auf 965 im Jahr 1822 und 1272 im Jahr 1852; in Heslach stieg sie von 455 im Jahr 1765 auf 965 im Jahr 1822.
3. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.
1. Stamm.
Die Einwohner gehören ursprünglich dem schwäbischen Stamm an, der sich mehr in dem Stande der Weingärtner und einzelner Handwerker, z. B. Bäcker, Metzger, als unter den übrigen Gewerbetreibenden unvermischt erhalten hat; daß viele Auswärtige nicht nur aus Oberschwaben und Franken, sondern auch aus dem fernen Auslande sich eingebürgert haben, beweisen besonders die vielen fremdartigen Namen unter allen Classen, während| charakteristische Besonderheiten sich mit der Zeit verwischen. Die schwäbische Abstammung verräth sich auch in der Sprache; sie ist durchgängig, wenigstens zu Hause und im Familienkreis, die weiche schwäbische Mundart, welche es mit der richtigen Aussprache von ä, e, ö, d und t nicht genau nimmt, auch die Endsilben gerne verstümmelt oder verschluckt und das Diminutiv gerne gebraucht. In gebildeten Kreisen aber, besonders wenn Fremde anwesend sind, wird öfter auch gut Deutsch gesprochen, doch so, daß z. B. statt ist „ischt“, statt Tod „Dot“, statt Ehre „Ähre“ den Schwaben charakterisirt. Und zwar geschieht dies nicht etwa bewußtlos, sondern vorsätzlich und mit einem gewissen Selbstgefühl, weil man den Schwaben nicht verläugnen will; ja in Kirchen und Schulen wird es ebenso getrieben, und nur die höchsten Stände machen hievon eine Ausnahme. Dagegen muß aber auch angeführt werden, daß jene nichts besagende Suada und Phraseologie, welche man in andern deutschen Ländern correkter Mundart so häufig hört, hier nicht getroffen wird, daß im Gegentheil eine gewisse ehrenhafte Kürze und Gediegenheit des Ausdrucks zu bemerken ist.
2. Physische Eigenschaften.
a. Körperbau.

Der Menschenschlag ist durchschnittlich kräftig und gesund, ja mitunter schön zu nennen, und man begegnet hier mehr als in vielen anderen Städten schönen Frauen und Kindern, blühenden Jünglingen und kräftigen Männern. Die nur selten vorkommenden verkümmerten Personen gehören meist solchen Classen an, wo Unreinlichkeit und Schmutz, Verkommenheit und geringe Nahrung oder übertriebene Arbeit eine Rolle spielen.

In Betreff der Körpergröße ergab sich in den Jahren 1829–33[12], daß die militärpflichtige Mannschaft durchschnittlich 5′ 8,35″ württembergisches Maß hatte, also etwas weniger als im Oberamtsbezirk Stuttgart, wo es 5′ 8,62″ betrug; unter 1000 waren 275 (in Rottweil 382, in Maulbronn 145), welche über 6′, und 91, welche unter 5′ 5″ maßen.

b. Herrschende Krankheiten[13].
Stuttgart zerfällt in Bezug auf seine gesundheitlichen Verhältnisse, wie in Bezug auf seine allgemeine Eintheilung, in zwei| wesentlich verschiedene Abschnitte, nämlich in die eigentliche Stadt und in die Weiler. Von den letzteren schließt sich Heslach durch seine Lage und durch die Beschäftigung seiner Einwohner noch am Meisten an die eigentliche Stadt, und zwar an ihre unteren, von niederen Classen bewohnten Distrikte an. Gablenberg ist schon etwas weiter entfernt, und seine größtentheils arme Bevölkerung hat oft ihre eigenen Epidemieen gehabt. Berg endlich weicht durch seine Lage am Neckar wesentlich von St. ab. Was daher von den Gesundheitsverhältnissen St.’s berichtet wird, das ist ganz oder zum größten Theile auf die Stadt für sich zu beziehen.

Es entsteht hier vor Allem die Frage, wie sich St. in Bezug auf jene Krankheiten verhält, welche an bestimmte Lokalitäten gebunden sind, nämlich in Bezug auf Wechselfieber und auf Kropf und Cretinismus.

Ächte Wechselfieber, insbesondere andertägige Fieber, gehören in St. zu den großen Seltenheiten. Wo sie zur Behandlung kommen, sind es fast immer auswärtige, eingeschleppte Krankheitsfälle. Während 24 Jahren, von 1831–1855, wurden im C.-Hosp. nur 225 andertägige Fieber behandelt bei einer Gesammtzahl von 42.015 Kranken. Dies beträgt auf 1 Jahr 9,3 Kranke und 0,5 Prozent aller Erkrankten. Es scheint, daß nur in einzelnen Jahren die Wechselfieber weniger selten auftreten; so kamen 1834–1835 im C.-Hosp. 31 Fälle von andertägigem Fieber zur Behandlung, und auch in den folgenden Jahren, bis 1840, war die Zahl dieser Fieber etwas gesteigert. Die lokalen Verhältnisse St.’s scheinen die Entwickelung der Wechselfieber im Allgemeinen nicht zu begünstigen. Früher, als die Stadt von den S. 17 erwähnten Seen auf der nordöstlichen Seite begrenzt war, kamen in den entsprechenden Stadttheilen, z. B. in der Seegasse (jetzt Friedrichsstraße), | die Wechselfieber häufig vor. Jetzt, nach Entfernung dieser stehenden Wasser, stammen die Wechselfieberkranken, welche im C.-Hosp. zur Behandlung kommen, hauptsächlich aus Werkstätten des benachbarten Berg.

Geringere Grade von Kropf sind in St., wie an den meisten anderen Orten, nicht selten. Unter 1000 Conscriptionspflichtigen mußten 40 wegen Kröpfen ausgeschlossen werden. Dagegen fehlen in St. jene verschiedenen Formen und Stufen von cretinischer Verbildung des Knochensystems und des Gehirns, welche in mehreren Gegenden Württembergs einheimisch und öfters mit starker Kropfbildung combinirt sind. Man darf daher wohl behaupten, daß St. von endemischen Krankheiten unserer Klimate, sowohl von fieberhaften als von chronischen, unberührt ist.

Gegenüber von dieser Immunität herrscht vielfach die Ansicht, daß St. von einer epidemischen Krankheit, von dem sogenannten Schleim- und Nerven-Fieber viel häufiger als andere Orte heimgesucht werde. Man hört nicht selten behaupten, St. sei zu diesen typhösen Krankheiten durch seine eingeschlossene Lage, durch seine wenig bewegte Atmosphäre ganz besonders disponirt. Es soll hier untersucht werden, ob diese Ansicht von der krankhaften Disposition St.’s in der Wahrheit begründet ist.

Unter 42.015 Kranken des C.-Hosp. waren von 1831–1855 1272, welche an den höheren Graden des typhösen Fiebers, am Typhus oder Nervenfieber, litten. Dies beträgt 3,02 Proc. der ganzen Krankenzahl. Um aber einen vollständigen Überblick zu bekommen, müssen noch diejenigen Fälle hinzugerechnet werden, welche in den Tabellen des C.-Spitals unter der Rubrik: gastrisches Fieber aufgezählt sind. Von diesen waren es in 24 Jahren 4845, also 11 Proc. Im Ganzen gehörten also 6117 Fälle unter die Kategorie der typhösen Fieber, welche sowohl die leichteren gastrischen oder Schleim-Fieber, als die schwereren, die Nerven-Fieber oder Typhen umfaßt; diese Fälle betrugen zusammen nicht weniger als 14 Proc. aller Erkrankten. Von den Gestorbenen aber gehörten über ein Viertheil diesen Fiebern an. Diese Zahlen sind allerdings sehr bedeutend, und offenbar hat die Gewohnheit Mancher, aus den Ergebnissen des C.-Hosp. auf die Verhältnisse der ganzen Stadt zu schließen, vorzüglich zu der falschen Meinung von der Entwickelung der Typhen in St. geführt. Indeß gestalten sich die Zahlen ganz anders, wenn man die ganze Stadt und alle Classen der Bevölkerung gleichmäßig berücksichtigt. Im C.-Hosp. überwiegen gerade diejenige Altersstufe und diejenige Classe, welche der typhösen Erkrankung am Meisten ausgesetzt sind, nämlich| die Stufe von 20–30 Jahren und die Classe der Dienstboten und Handwerksgehilfen, welche zum großen Theile von Außen herein, also aus einer gewohnten Lebensweise in eine neue, oft völlig ungewohnte kommen. Dagegen sind in den Armendistrikten der hiesigen Stadt vom Januar 1852 bis September 1855 (einschließlich) 228 Personen unter einer Gesammtzahl von 5771 an typhösen Fiebern der verschiedenen Grade erkrankt. Dies ergiebt 3,9 Proc., also nicht ganz 1/3 von dem Verhältnisse des C.-Hosp. Noch größer wird die Differenz, wenn man die Todtenzahl der ganzen Stadt mit der des C.-Hosp. vergleicht. Während hier über 25 Proc., sind dort vom Januar 1852 bis Oktober 1855 (einschließlich) nur 4,98 Proz. aller Gestorbenen dem Typhus erlegen, nämlich 200 unter einer Gesammtzahl von 4011 Todesfällen. Es liegen keine genügenden statistischen Nachweise vor, um eine sichere Vergleichung dieser Zahlenergebnisse mit denen anderer Städte anstellen zu können. Indeß ist Grund vorhanden, anzunehmen, daß die typhösen Erkrankungen während der letzten Jahrzehnde in St. nicht häufiger waren, als durchschnittlich in den Städten des westlichen Europa’s. Alle Nachrichten sprechen vielmehr dafür, daß St. während des letzten Jahrzehnds mehr verschont wurde, als andere süddeutsche Städte, wie z. B. Wien und München. Wenn hienach in den lokalen Verhältnissen St’s. nichts zu liegen scheint, was die Entwickelung der typhösen Fieber besonders begünstigt, so darf doch die Betrachtung bei diesem blos negativen Resultate nicht stehen bleiben; es lassen sich vielmehr aus den obigen Erfahrungen einige Momente in der Entstehung jener Fieber aufklären. Für’s Erste ist keine Jahreszeit von dieser Krankheit unberührt; aber ihr Maximum fällt in St. wie an anderen Orten auf den Sommer und Herbst; so verhielt es sich sowohl im C.-Hosp., als in den Armendistrikten der hiesigen Stadt. Es scheint also, daß die wärmere Jahreszeit die Entwickelung der typhösen Fieber befördert. Für’s Zweite aber beweisen obige Erfahrungen, daß die dauernden Steigerungen der typhösen Erkrankungen und besonders die größeren Typhusepidemieen nicht unter dem überwiegenden Einflusse der Jahreszeiten stehen, sondern vornehmlich von allgemeineren, über weitere Strecken verbreiteten Einflüssen bedingt werden. Von 1783–1855 sind 9 Typhusepidemieen in St. beobachtet worden, nämlich 1783, 1792, 1819, 1823, 1825, 1835, 1839–1840, 1845, 1855. Davon waren die von 1825 und 1855 wenig verbreitet, und es mag bezweifelt werden, ob sie wirklich die Bezeichnung von Epidemieen verdienen. Im Sommer und Herbste herrschten von jenen Epidemieen 5, nämlich 1819, 1825, 1835, 1845 und 1855, während des Winters| aber 4, nämlich 1783 vom Aug. bis zum folgenden April, 1792 vom Aug. bis zum Febr., 1823 vom Nov. bis Febr., 1839–1840 vom Dec. bis März. Die Pausen zwischen diesen Epidemieen sind sehr verschieden gewesen; am Längsten von 1792–1819, dann von 1825–1835 und von 1845–1855; am Raschesten folgten sich die Epidemieen von 1819–1825. Diese Epidemieen genügen aber nicht, um den Gang der typhösen Fieber genau zu verfolgen; es ist hiezu nothwendig, auch außer den Epidemieen die Zahl der vereinzelt auftretenden Fälle zu berücksichtigen. Der tiefste Stand der typhösen Erkrankungen fällt während des letzten Jahrzehends in das J. 1849. Seit April 1850 zeigt sich eine ganz allmälige Zunahme, und diese prägte sich in den J. 1852–1854 in den Armendistrikten so entschieden aus, daß auf das erste Jahr 33, auf das letzte 81 leichtere und schwerere typhöse Fieber kamen. In der ganzen Stadt aber stiegen in derselben Zeit die Todesfälle durch Typhus von 42 auf 55, also um 30,9 Proz. So wurde die kleine Epidemie des Sommers und Herbstes 1855 allmälig vorbereitet. Aus diesem einzelnen Beispiele darf gewiß im Allgemeinen der Schluß gezogen werden, daß die Ursachen zum Auftreten einer Typhusepidemie nicht in Einem Jahre gegeben sind, z. B. in der Witterung oder in ausgedehnten Grabarbeiten und Bauten, sondern daß allgemeinere Einflüsse in der Entwickelung der typhösen Fieber Schwankungen bedingen, welche sich über eine ganze Reihe von Jahren erstrecken. Damit soll keineswegs geläugnet werden, daß Reinlichkeit der Straßen, der Häuser und der Brunnen die typhösen Krankheiten in ihrer weiteren Verbreitung zu hemmen vermögen. Seit 1845 ist St., trotz der oben geschilderten Bewegung in der Zahl der typhösen Fieber, von keiner stärkeren Typhusepidemie mehr heimgesucht worden; und es ist gewiß begründet, wenn man diese günstigeren Gesundheitsverhältnisse mit den städtischen Maßregeln in Verbindung setzt, durch welche die Reinlichkeit und eben damit die Salubrität der Stadt bedeutend gehoben worden ist. Insbesondere ist der Zustand des Nesenbachs und der ärmeren, von Weingärtnern etc. bewohnten Quartiere während der letzten Jahrzehnde ein völlig anderer geworden.

Diese Erörterungen werden zur Genüge beweisen, daß die sogenannten Schleim- und Nerven-Fieber für St. nicht als eine besonders häufige und charakteristische Krankheit gelten können. Ebensowenig kann dies von anderen Krankheiten der Verdauungsorgane behauptet werden.

Was hier zuerst die Ruhr oder Dysenterie betrifft, so suchte diese St. nur nach längeren Pausen heim, nämlich vorzüglich| in den J. 1783, 1811 und 1834; in dem zweitgenannten Jahre starben in St. an der Ruhr 103 Personen. Seit 1834 bildete die Ruhr noch eine kleine Epidemie im J. 1836; 1849 trat sie ziemlich verbreitet, aber nicht epidemisch auf, und ebenso brachte das J. 1854 eine mäßige Steigerung der dysenterischen Erkrankungen. Die Ruhrepidemieen fielen hier wie an anderen Orten in das Ende des Sommers und den Anfang des Herbstes. Auffallend war, daß St. im Herbste 1854 von der Ruhr nur wenig berührt wurde, während die Krankheit damals in einem großen Theile des Landes, namentlich auf dem Schwarzwalde und Welzheimer Walde, aber auch in der unmittelbaren Umgebung St.’s epidemisch herrschte. Sicher gehört St. also nicht zu denjenigen Orten, welche, wie z. B. einige Schwarzwaldgegenden, die Ruhr besonders gerne heimsucht. Im Gegentheile hat St. seit 1834 keine größere Ruhrepidemie erlebt; und diese letzte Epidemie, welche an anderen Orten ungewöhnlich bösartig auftrat, war in St. zwar weit verbreitet, aber von durchaus gutartigem Charakter.

Die einheimische Brechruhr, welche nächst der Dysenterie hier genannt werden muß, scheint in St. ganz in derselben Weise wie an anderen Orten aufzutreten. Ihre größte Entwickelung fällt in die wärmsten Monate, in Juli und August. Es geht aber aus fortgesetzten Beobachtungen hervor, daß nicht einzelne, sehr hohe Temperaturen, sondern eine länger andauernde, erhöhte Wärme die Entwickelung der Brechruhr vorzüglich begünstigen. Daher fällt auch die höchste Steigerung dieser Krankheit in der Regel auf das Ende des Juli’s oder erst auf den August (Hundstage); epidemische Ausbreitung aber erlangte die Brechruhr in den Sommern 1834 und 1848, welche sich vor anderen durch anhaltende Wärme auszeichneten. Die Brechruhr befällt hier sowohl Erwachsene als Kinder. Bei den ersteren tritt sie fast ohne Ausnahme als eine gutartige Krankheit auf, welche rasch mit Genesung endigt; nur in überaus seltenen Fällen sind der Brechruhr solche Erwachsene erlegen, welche schon vorher durch Alter, Krankheit oder kümmerliche Lebensweise in hohem Grade geschwächt waren. Bei den Kindern hingegen, und namentlich in den ersten fünf Jahren des Lebens, tritt die Brechruhr häufig als Todesursache auf. Unter 1606 Kindern, welche vom Jan. 1852 bis Okt. 1855 an verschiedenen Krankheiten starben, hatten 156 an Brechruhr gelitten; dies ergibt 9,7 Proc. aller Gestorbenen.

St. scheint in Bezug auf die Entwickelung der einheimischen Brechruhr nicht von anderen Städten abzuweichen, welche ihm in Bezug auf geographische Lage und Lebensweise ähnlich sind. Aber| es ist nothwendig, hier die Ausnahmestellung hervorzuheben, welche St. in Bezug auf die asiatische Brechruhr (sogenannte Cholera) bis jetzt bewahrt hat. Diese war 1836 von Bayern her der württembergischen Grenze sehr nahe gerückt, ohne jedoch dieselbe zu überschreiten. 1849, zur Zeit der Mannheimer Cholera, traten im nördlichen Theile Württembergs, besonders in den Oberämtern Künzelsau und Vaihingen, vereinzelte Cholerafälle auf; 1854 aber, wo die Cholera von Osten und Westen her sich Württemberg näherte, erschien sie in kleinen, selbständigen Epidemieen nicht nur an mehreren Orten des Donauthales, wie Ulm, Zwiefalten und Zwiefaltendorf, sondern die Krankheit rückte St. am Nächsten, als sie im Okt. zu Canstatt epidemisch ausbrach. Im Aug. und Sept. waren zu St. einzelne Cholerafälle durch Einschleppung aufgetreten; aber weder damals, noch während der Canstatter Epidemie kam es irgendwie zur weiteren, selbständigen Ausbreitung der Krankheit. Bis jetzt darf als Thatsache festgehalten werden, daß St. trotz der größten Annäherung der Cholera von einem epidemischen Auftreten derselben völlig verschont geblieben ist. St. theilt diesen Vorzug mit manchen anderen, namentlich höher gelegenen Orten. Es muß indeß dahingestellt bleiben, ob diese Immunität mit den klimatischen, tellurischen oder Lebens-Verhältnissen St’s. so innig zusammenhängt, daß auch in künftigen Zeiten nie eine Choleraepidemie für unsere Stadt befürchtet werden darf.

Andere akute Krankheiten der Verdauungsorgane bedürfen hier keine nähere Betrachtung, weil sie theils nur vereinzelt vorkommen, theils auch bei häufigerem Auftreten zu wenig Charakteristisches haben. Dahin gehören z. B. die einfachen Diarrhöen, welche weder einzelnen Lokalitäten noch einzelnen Jahreszeiten besonders eigen zu sein scheinen.

Den gesammten Krankheiten der Verdauungswerkzeuge stehen in großer Zahl die Krankheiten der Athmungsorgane gegenüber. Von 1831–1855 wurden im C.-Hosp. 2566 Fälle von Lungenkatarrh behandelt (ausschließlich der größeren Epidemieen von epidemischem Katarrh oder Grippe; die meisten der gezählten Fälle sind solche, die man im gewöhnlichen Leben als Katarrhfieber bezeichnet). Gegenüber der Gesammtzahl von 42.015 Kranken ergibt obige Zahl 6,1 Proc. Hiezu kommen noch die Lungenentzündungen, mit 843 Fällen, d. h. 2 Proc. aller Erkrankten; zusammen also 3409 Fälle von diesen beiden Erkrankungen der Athmungsorgane, oder 8,1 Proc. der Gesammtzahl. Die Zahlen erscheinen auf den ersten Blick sehr gering, wenn man sie mit den Zahlen der leichten und schweren typhösen Fieber, nämlich| 6117 Fällen und 13 Proz. aller Erkrankungen vergleicht. Aber gerade an diesem Punkte zeigt es sich wieder, daß aus den Ergebnissen des C.-Hosp. blos beschränkte Schlüsse gezogen werden dürfen. Es fehlen hier die Kinder und älteren Leute, bei denen Katarrhe und Lungenentzündungen so häufig vorkommen; dagegen überwiegt die Stufe von 20–30 Jahren, welche zu typhösen Erkrankungen besonders disponirt ist. Unter den 5771 Kranken, welche die Listen der Armenärzte vom Jan. 1852 bis Sept. 1855 aufweisen, befinden sich 1163, welche an Lungenkatarrh, 212, welche an Lungenentzündung erkrankt waren. Dies ergibt für jene 20,1 Proz., für diese 3,6 Proz. aller Erkrankten. Die typhösen Fieber hatten in den Armendistrikten nur 228 Kranke oder 3,9 Proz. ergeben. Also wiegen schon die Lungenentzündungen beinahe diese Fieber auf; aber Lungenkatarrhe und Lungenentzündungen zusammen betragen 1375 Fälle, oder 23,7 Proz.; ihr bedeutendes Übergewicht ist also auf’s Deutlichste ausgesprochen. Dieses Resultat ist zwar nur einem begrenzten Gebiete entnommen; aber es beruht auf der Vergleichung aller Altersclassen. Es wird durch die Todtenlisten der Stadt bestätigt. Gegenüber von 200, welche vom Jan. 1852 bis Okt. 1855 an Typhus starben, stehen 446 Todesfälle durch Lungenentzündung; diese betragen 11,1, jene nur 4,9 Proz. der sämmtlichen Gestorbenen. Nach allen diesen Thatsachen ist man gewiß berechtigt anzunehmen, daß die akuten Krankheiten der Athmungsorgane und vorzüglich die Lungenkatarrhe in St. über alle anderen akuten Erkrankungen, und namentlich über die typhösen Fieber das Übergewicht behaupten. Unsere Stadt weicht in dieser Beziehung nicht von den Gesetzen ab, welche im Allgemeinen für die Gesundheitsverhältnisse der nördlichen gemäßigten Zone gelten. Wenn in St. die einheimische Brechruhr ihre größte Ausbreitung in den wärmsten Monaten, im Juli und Aug., erreicht, so kommt dagegen die geringste Zahl von Lungenkatarrhen und Lungenentzündungen auf den Monat Juli, welcher sich vor allen anderen durch hohe Temperaturen auszeichnet. Es erhellt hieraus, daß die letzteren der Entwickelung jener Lungenkrankheiten nicht günstig sind; aber auf der anderen Seite werden diese durch niedere Temperaturen nicht ausschließlich befördert. Die kältere Jahreshälfte (von Nov. bis April) bietet allerdings im Allgemeinen viel größere Zahlen derselben dar, als die wärmere (vom Mai bis Okt.). Von 1852–1854 kamen in den Armendistrikten 865 Fälle von Lungenkatarrh und 148 von Lungenentzündung vor. Davon fallen in die wärmere Jahreshälfte 253 und 55, in die kältere 612 und 93 Fälle der genannten Krankheiten. Die 353 Todesfälle durch Lungenentzündung, welche| während jener Jahre sich in der ganzen Stadt ereigneten, vertheilen sich auf die beiden Jahreshälften wie 114 und 239. Von den Lungenkatarrhen fällt also mehr als 2/3, von den Lungenentzündungen etwa 2/3 auf die 6 kälteren Monate. Außer den niederen Temperaturen kommen aber für beide Krankheiten noch einige weitere Momente in Betracht. Für die Lungenkatarrhe ist hier die atmosphärische Feuchtigkeit zu erwähnen, welche zwar viel weniger als die Kälte, aber doch auf deutliche Weise und namentlich in Verbindung mit der Kälte einwirkt. Es scheint, daß durch feuchte Kälte vorzüglich die Katarrhe der Kinder befördert werden. Diese vermehren sich daher in einzelnen Sommern, wo auf einen warmen Anfang mehrere feuchtkalte Wochen folgen; sie steigern sich insbesondere in mäßig kalten, aber an Niederschlägen reichen Wintern. Trotz diesem Momente zweiten Ranges nehmen doch die Lungenkatarrhe mit der Kälte deutlich zu und ab. Von den Lungenentzündungen läßt sich dasselbe in beschränkterer Weise behaupten. Nach den Listen des C.-Hosp. zählt im Durchschnitte vieler Jahre der Jan., also der kälteste Monat, bei Weitem die größte Zahl von Lungenentzündungen. Aber eine Übersicht der ganzen Stadt modificirt in etwas dieses Verhältniß. In den Armendistrikten erkrankten von 1852–1855 im Jan. 28, Febr. 29, März 19, April 27, Mai 26 an Lungenentzündung. In der ganzen Stadt starben an dieser Krankheit in denselben Zeiträumen: 64, 52, 56, 57, 55. Beide Zahlenreihen deuten darauf hin, daß die kältesten Monate, Jan. und Febr., am meisten Lungenentzündungen bringen. Aber der Unterschied von den nachfolgenden Monaten ist sehr unbedeutend und der April zeigt wieder eine neue deutliche Steigerung. Diese Vermehrung der Fälle im Frühjahre trifft vorzüglich das höhere Alter. Namentlich am Ende von kalten Wintern, wie 1854 und 1855, fallen betagtere Leute häufig den Lungenentzündungen zum Opfer. Es scheint, daß hier die Wirkung der Kälte weniger eine momentane ist, sondern daß die Effekte der niederen Temperaturen sich allmälig anhäufen, und daß der Anstoß zum Ausbruche der eigentlichen Krankheit erst durch die schroffen Temperaturwechsel gegeben wird, welche das Ende des Winters und den Anfang des Frühjahres begleiten. Diese Verhältnisse fehlen in den Übersichten des C.-Hosp., weil hier die höheren Altersclassen nur wenig repräsentirt sind; die mittleren, kräftigen Altersstufen zeigen in dieser Beziehung offenbar ein anderes Verhalten. Die Katarrhe und Entzündungen der Lungen werden in St. öfters complicirt durch das Lungenemphysem. Diese chronische Veränderung des Lungengewebes ist unter der Weingärtnerclasse St.’s sehr häufig; sie hat| offenbar ihren Grund darin, daß die männlichen Mitglieder jener Classe genöthigt sind, schon vor der vollständigen Ausbildung ihres Brustkorbes schwere Lasten auf dem Rücken und bergauf zu tragen. Das Emphysem drückt den Katarrhen und Entzündungen der Athmungsorgane ein eigenthümliches Gepräge auf.

Von anderen akuten Erkrankungen der Athmungswerkzeuge scheint der Croup in früheren Jahrzehnden hier auffallend häufig gewesen zu sein. Er herrschte zu wiederholten Malen epidemisch; so erlagen demselben im J. 1807 51 Kinder. Aber seit vier Jahrzehnden ist der ächte Croup, der mit dem Pseudocroup nicht verwechselt werden darf, zu einer seltenen Krankheit geworden. Feuchte Kälte befördert den Croup; so trat er in etwas größerer Häufigkeit während des feuchten Winters 1852–1853 auf. Sein so seltenes Auftreten darf man vielleicht der Austrocknung der schon erwähnten Seen zuschreiben.

Croup, Lungenkatarrhe und Lungenentzündungen, soweit sie bisher betrachtet wurden, sind in ihrem Auftreten nicht an weitverbreitete epidemische Einflüsse, sondern an lokale Bedingungen, besonders an den Wechsel der Jahreszeiten, der Wärme- und Feuchtigkeits-Verhältnisse eines Ortes gebunden. Es kommen aber bezüglich der Athmungsorgane noch zwei Krankheiten in Betracht, welche meist in epidemischer Weise auftreten, nämlich die Grippe und der Keuchhusten.

Die Grippe erschien in diesem Jahrhunderte zum ersten Mal 1831, und zwar mit dem Anfange Julis, dann im Mai 1833, im März 1837, im Jan. und Nov. 1847, im Jan. 1851, zuletzt im Jan. 1855. Jede dieser Epidemieen bildete nur ein Glied in den Wanderungen der Krankheit über größere Gebiete. Aber man darf nicht übersehen, daß die Grippe, wiewohl sie im Allgemeinen als wandernde Krankheit erscheint, doch seit ihrem Wiederauftreten 1831 bei uns mehr und mehr heimisch geworden ist. Die zeitlichen Grenzen der Epidemieen und die bezeichnenden Symptome der Einzelfälle haben an Schärfe verloren, und zwischen den Epochen des epidemischen Auftretens kommen oft in kleinerer Zahl und in zerstreuter Weise Katarrhe vor, von welchen man im Zweifel bleibt, ob man sie als Grippe oder als gewöhnlichen Lungenkatarrh betrachten soll. Mit dieser Einbürgerung hat die Grippe offenbar auch an Schwere verloren; ihre heimtückische nervöse Form ist viel seltener geworden.

Gegenüber von der Grippe erscheint der Keuchhusten vornehmlich als eine Krankheit des Kindesalters. Er trat nach einer längeren Pause im Frühlinge 1845 epidemisch auf. Eine zweite| Epidemie fällt in den Winter 1848–1849; sie begann im Okt., erreichte ihre Höhe im Nov. und verschwand im Jan. wieder. Seither hat aber der Keuchhusten nicht mehr ganz aufgehört; er zeigte sich immer noch in vereinzelten Fällen, und von 1848–1853 brachte der Herbst immer wieder eine kleine Zunahme der Erkrankungen. Der Charakter des Keuchhustens ist im Allgemeinen ein sehr gutartiger gewesen.

Mit dem Keuchhusten ist eine andere Gruppe von Krankheiten wieder in den Vordergrund getreten, nämlich die fieberhaften Ausschläge der Kinder, Scharlach und Masern. Es ist, als ob die Keuchhustenepidemie 1845 das Signal gegeben hätte zu neuen Einbrüchen von akuten Exanthemen; die Epidemie von 1848 war aber der unmittelbare Vorläufer einer weitverbreiteten Masernepidemie. In den J. 1801 und 1814 hatten die Masern hier sehr bösartig geherrscht; in jenem Jahre unterlagen ihnen 101, in diesem 180 Individuen. Weniger verheerend zeigten sich die Epidemieen von 1805, 1821–1822 und 1827. Ausgedehnter, als alle genannten, war die Epidemie des Frühjahres 1833; sie fiel mit der Grippe zusammen, und es erkrankten gegen 5000 Personen; davon starben 131, also etwa 2,6 Proz. Kleinere Epidemieen fielen in den Herbst 1837, in’s Frühjahr 1843, in den Juni 1847. In größerer Verbreitung erschienen die Masern wieder von Herbst 1849 bis Frühling 1850. Wie im vorhergehenden Winter der Keuchhusten, so griffen in diesem die Masern epidemisch um sich und erreichten ihren Höhepunkt gleichfalls im November. Die Epidemie wiederholte sich in ähnlicher Verbreitung und während derselben Monate von 1852 auf 1853. Diese neuesten Epidemieen stehen nicht isolirt; seit mehreren Jahren durchwandern die Masern nicht nur Württemberg, sondern einen großen Theil Deutschlands und überhaupt des westlichen Europa’s. In St. haben sie sich bei ihren letzten Epidemieen sehr gutartig gezeigt; es sind nur wenige Todesfälle vorgekommen, und diese wurden durch Complikationen, namentlich Lungenentzündungen, herbeigeführt.

Der Scharlach erschien zum ersten Male wieder nach längerer Pause im Sommer 1846. Er hatte in den drei ersten Jahrzehnden des Jahrhunderts sehr oft epidemisch geherrscht; so 1807, 1814, 1818, 1821, 1824, 1825 und 1830. Auch in den zwischenliegenden Zeiten fehlte er keineswegs und zeigte geringere Steigerungen besonders 1827, 1829, 1831 und 1833. Et raffte in diesen Jahren sehr viele Kinder weg. Aber von 1833–1846 machte er eine sehr lange Pause; in diesem Zwischenraume waren nur ganz vereinzelte Fälle vorgekommen. Von Aug. bis Dez. 1846| herrschte nun der Scharlach epidemisch, aber in eigenthümlicher Weise. Neben vielen wohl ausgeprägten Fällen kam eine große Zahl von leichten Erkrankungen vor, bei welchem das fragmentarische Auftreten der Symptome und namentlich des Ausschlages daran zweifeln ließ, ob man es wirklich mit Scharlach zu thun habe. Manche gaben diesem weitverbreiteten, durchaus gutartigen Exantheme den unbestimmten Namen der Rötheln. Aber offenbar war es nichts Anderes, als eine sehr leichte Form des wahren Scharlachs. Mit dieser Epidemie war der Scharlach wieder in den Kreis der herrschenden Krankheiten eingeführt. Im Winter von 1849 auf 1850, während der Masernepidemie, erschien der Scharlach in einzelnen Fällen, aber schon etwas häufiger, mit den Masern zu- und abnehmend; seine Symptome waren ausgeprägter und intenser. Auf die Masernepidemie von 1852 auf 1853 aber folgte eine Scharlachepidemie, welche vom April bis Okt. dauerte und sehr viele Kinder ergriff. Die Krankheit war im Allgemeinen wohl charakterisirt; sie war nicht bösartig; aber neben den leichteren Erkrankungen fehlten nicht die schwereren und tödtlichen. In den Armendistrikten starben 12 Proz. der Erkrankten. Seit dieser Epidemie ist der Scharlach nicht mehr ganz aus der Stadt verschwunden; es kommen immer noch vereinzelte, bald leichtere, bald schwerere Fälle vor. Wie bei den Masern, so hängt auch beim Scharlach dieses neue Auftreten mit allgemeinen epidemischen Verhältnissen des westlichen Europa’s zusammen.

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Mit weniger Freiheit, als diese Ausschläge, konnten sich die Pocken seit Einführung der Vaccine entwickeln. Vor 1805, wo die Kuhpockenimpfung sich in St. zuerst allgemeiner verbreitete, war unsere Stadt von wiederholten, zum Theil sehr verheerenden Pockenepidemieen heimgesucht worden; 1796 erlagen den Pocken 268 Personen. In einem Zeitraume von 40 Jahren kehrten die Pockenepidemieen zehn- bis eilfmal wieder, zuletzt 1803. Nach 1805 kamen keine größeren Epidemieen mehr vor; seit 1814 wurde die Kuhpockenimpfung im ganzen Lande geordnet, und das Geimpftsein als Bedingung der Aufnahme in die Schule aufgestellt. Darum fehlte es aber doch fast zu keiner Zeit an vereinzelten, von Außen eingeschleppten oder durch fremdes Contagium hervorgerufenen Fällen, und in einigen Jahrgängen erschienen diese in auffallend größerer Zahl. So wurden 1829: 19, 1837–1838: 39 und 1848–1849: 80 Pockenkranke im C.-Hosp. behandelt. Diese Zahlen geben fast genau den Krankenstand in St. überhaupt an; denn die Kranken, welche zur öffentlichen Kenntniß kamen, wurden alle dorthin gebracht, und man darf annehmen, daß die Zahl der verheimlichten| Fälle eine sehr kleine war. So lange es noch Orte und namentlich größere Städte gibt, an welchen ein bedeutender Theil der Einwohner nicht durch Impfung geschützt ist, darf es nicht verwundern, daß die Pocken nach der Art der fieberhaften Ausschläge von Zeit zu Zeit eine epidemische Entwicklung gewinnen, und dann auch solche Orte nicht ganz verschonen, welche trotz der allgemeinen Anwendung der Vaccine doch nur in bedingter Weise gegen den Einfluß des starken Pockenkontagiums geschützt sind. Der Impfung aber verdankt es St., daß die Pocken seit 1805 nie mehr in größeren Epidemieen und fast nur in der milderen Form der Varioloiden hier aufgetreten sind; 1848–1849 starben von den 80 Ergriffenen nur zwei, und zwar neugeborene und ungeimpfte Kinder; die Form der ächten Pocken fand sich nur bei drei Männern, welche alle genasen, und von denen Einer nie vaccinirt worden war. Man darf annehmen, daß mit der Verbreitung der Vaccination die Wahrscheinlichkeit der Pockenepidemieen und der schweren Pockenerkrankungen eine immer geringere wird.

Von weiteren akuten Krankheiten, von Rothlaufen und Halsentzündungen, Muskel- und Gelenks-Rheumatismen ist nichts Besonderes zu erwähnen.

Unter den chronischen Krankheiten nimmt die Schwindsucht, d. h. die Tuberkulose, und vorzüglich die Lungentuberkulose, die erste Stelle ein. Im C.-Hosp. befanden sich von 1831–1855 unter 42.015 Kranken 1249 Schwindsüchtige; diese betrugen also 2,9 Proz. aller Erkrankten. Ähnlich, nur etwas niederer, stellt sich das Verhältniß in den Armendistrikten; unter 5771, welche von Jan. 1852 bis Sept. 1855 erkrankten, waren 154, d. h. 2,6 Proz. mit Tuberkulose behaftet. Die Zahl der an Lungenschwindsucht Gestorbenen verhielt sich zur Gesammtzahl der Todten im C.-Hosp. = 1:3,3; es starben also an Schwindsucht 30,3 Proz. oder mehr als der Vierte der aufgenommenen Kranken. Nach der Zusammenstellung von G. Cleß kamen aber in der ganzen Stadt auf 4356 Erwachsene, welche von 1828–1837 starben, 924, als deren Todesursache in den Kirchenregistern Auszehrung, Lungensucht, Schwindsucht und Zehrfieber angegeben ist. Dies gibt ein Verhältniß = 1:4,7 oder 21,2 Proz., also besser als im C.-Hosp., dessen Kranke zum größten Theile im blühenden Alter stehen und der Lungentuberkulose daher besonders ausgesetzt sind. Nach den von G. Cleß angestellten Vergleichungen gehören diese Verhältnisse noch zu den günstigeren. St. reiht sich mit der großen Zahl seiner Tuberkulösen den anderen größeren Städten an; aber seine Verhältnisse sind z. B. besser, als die von Berlin, Hamburg,| Breslau, Montpellier, Straßburg, London. Während in Paris die Lungenschwindsucht beim weiblichen Geschlechte häufiger ist, als beim männlichen, zeigt in St. das letztere ein kleines Übergewicht. Unter den 924 Schwindsüchtigen, welche in 10 Jahren in St. starben, sind 518 Männer und 406 Weiber, also von jenen 56, von diesen 44 Proz. – Nach den Gewerben ist die Mortalität der Schwindsucht sehr verschieden. Nach den Erfahrungen des C.-Hosp. halten die Schuster das Mittel; über dem Mittel der Sterblichkeit stehen die Buchdrucker, Küfer, Schlosser, Schneider und Ipser; unter dem Mittel die Schreiner, Maurer, Kutscher, Bäcker, Steinhauer und Zimmerleute. – Was endlich die Jahreszeiten betrifft, so macht sich ihr Einfluß auf zweierlei Art geltend. Am meisten Schwindsüchtige sterben in der kalten Jahreszeit und besonders im Frühjahre; aber die Aufnahme der Lungenleidenden war im C.-Hosp. am Stärksten im Sommer, und zwar namentlich im Aug. Auch sonst wird eine Verschlimmerung der Brustleiden öfters in der heißesten Zeit des Jahres beobachtet. Die größte Sterblichkeit der Schwindsüchtigen aber fällt in diejenigen Monate, welche überhaupt die größte Zahl der Lungenkrankheiten, besonders der Katarrhe und Entzündungen der Lungen, bringen.

An die Tuberkelkrankheit schließt sich die Skrophulose an. Sie fällt in ihren höheren Graden vielfach mit der Tuberkulose zusammen. Da die Skrophulose fast ausschließlich eine Krankheit des kindlichen Alters ist, so tritt sie unter den Kranken des C.-Hosp. nur sehr selten auf. Um so häufiger ist sie in den Armendistrikten. Hier kamen auf 5771 Kranke 220, welche mit Skrophulose behaftet waren, d. h. 3,8 Proz. der Gesammtzahl litt an den verschiedenen Graden dieser Krankheit. Faßt man die Skrophulose mit der verwandten Tuberkulose zusammen, so ergeben sich 6,4 Proz.; ein bedeutender Theil der Bevölkerung war also diesen chronischen Leiden unterworfen; aber es fehlen die Anhaltspunkte, um auch für die Skrophulose eine Vergleichung mit anderen Orten anzustellen, wie sie oben für die Tuberkulose gegeben wurde. Jedenfalls sind gerade für Tuberkel und Skropheln die Zahlen der Armendistrikte höher, als diejenigen, welche für die ganze Stadt gelten; unter den Armen wirken die Ursachen jener Krankheiten anhaltender und tiefer ein, als unter den Vermöglichen.

Diesen weitverbreiteten Krankheitszuständen stellen wir die Bleichsucht gegenüber, eine Krankheit des weiblichen Geschlechtes, welche hier sehr häufig Gegenstand der Behandlung wird. Wenn man gewöhnlich annimmt, die höheren Stände seien der Bleichsucht vorzüglich unterworfen, so wird diese Ansicht durch die Ergebnisse des C.-Hosp. und| durch die Erfahrungen der städtischen Praxis keineswegs bestätigt. Es zeigt sich vielmehr, daß jene Krankheit unter der dienenden Classe und überhaupt unter den niederen Ständen mindestens ebenso häufig ist, als unter den höheren. Unter 20.046 weiblichen Kranken, welche von 1831–1855 im C.-Hosp. behandelt wurden und zum großen Theil der dienenden Classe angehörten, waren 1944, die allein wegen Bleichsucht in’s Hospital eintraten. Dies ergibt 9,6 Proz., also mehr als den zwölften Theil aller weiblichen Kranken. Der jährliche Durchschnitt jener 24 Jahre beträgt gerade 81. Über diesem Durchschnitte liegen fast alle Jahre von 1838–1850; vor dem ersteren Jahre waren die Zahlen geringer, und seit dem letzteren zeigt sich wieder eine deutliche allmälige Abnahme; von 1854 auf 1855 wurden nur 46 wegen Bleichsucht behandelt. In Bezug auf die Zahl der Bleichsüchtigen scheint St. viele andere Städte zu übertreffen. Es läßt sich nicht entscheiden, ob der Grund hiefür mehr in der Lebensweise der Einwohner oder in den geographischen Verhältnissen des Ortes zu suchen ist.

Von anderen chronischen Krankheiten ist wenig zu sagen.

Herzkrankheiten sind ziemlich häufig; von 1831–1855 kamen im C.-Hosp. 143 Fälle von organischen Fehlern des Herzens zur Behandlung. Chronische Magenleiden, welche in manchen Gegenden Württembergs besonders häufig sind, kommen verhältnißmäßig selten vor. An Magenkrebs insbesondere wurden im C.-Hosp. von 1831–1855 nur 26 Kranke, also wenig mehr als 1 Kranker im Jahre behandelt. Auch Krebsleiden anderer Organe sind nicht häufig. Von Gebärmutterkrebs kamen 23, von Leberkrebs 4, von Mastdarm-, Nieren- und Hirn-Krebs je 1 Fall zur Beobachtung.

Brightische Nierenkrankheit ist erst in neuerer Zeit Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit geworden; sie scheint hier zu den selteneren Krankheiten zu gehören.

Blasensteine sind in St. seltener als in anderen Gegenden Württembergs, z. B. am nördlichen und südlichen Fuße der Alp.

Die venerischen Krankheiten werden, insoweit sie im C.-Hosp. zur Behandlung kommen, weiter unten ihre Berücksichtigung finden und, da es außer den Ergebnissen dieses Hospitales keine andere sichere Quelle gibt, aus welcher ihre hiesige Verbreitung beurtheilt werden könnte, hier nicht weiter erwähnt.

Unter den parasitischen Thieren, welche den Menschen heimsuchen, verdient zuerst eine kurze Bemerkung der Bandwurm. Im C.-Hosp. wurden an diesem von 1831–1855 nur 79 Personen behandelt. Nach den Zusammenstellungen von G. Cleß kamen| im C.-Hosp. während 10 Jahren bei 16 verschiedenen Gewerben 13 Fälle von Bandwurm vor. Davon fielen auf die Metzger 7 Fälle; eine Zahl von 12 Proz. aller bei den Angehörigen dieses Gewerbs vorgekommenen Erkrankungen.

Bei Weitem verbreiteter als der Bandwurm ist die Krätzmilbe und die von ihr erregte Krätze. Sie liefert in das C.-Hosp. jährlich eine große Zahl von Kranken. Von 1828–1853 wurden daselbst 9647, d. h. 24,5 Proz. aller Kranken an Krätze behandelt; unter dieser Zahl waren freilich viele nur durchwandernde, St. nicht angehörende, Handwerksgesellen. Die Zahl der Krätzigen stieg anfangs bis 1830; dann nahm sie wieder ab bis 1836. Von diesem Jahre an bemerkt man ein fast stetiges Steigen bis 1851–1852; hier erreichten die Krätzigen die enorme Zahl von 802. Seither ist wieder eine langsame Abnahme zu bemerken. Unter den St. Gewerben lieferten die meisten Krätzigen die Buchbinder, Flaschner, Dreher, Schreiner, Schneider, Wagner, Schuster und Weber; am wenigsten die Gerber, Steinhauer, Zimmerleute, Bäcker, Gold- und Silber-Arbeiter, Metzger, Buchdrucker und Ipser. – Die Jahreszeiten unterschieden sich bedeutend in der Zahl der Krätzigen. Die kleinste Zahl fiel auf die Monate Aug. bis Nov., die größte auf die Wintermonate.

Überblickt man diese ganze Reihe von akuten und chronischen Krankheiten, so kann als Endresultat ausgesprochen werden, daß St. frei von endemischen Krankheiten ist; daß es die gewöhnlichen Krankheiten des westlichen Europa’s, typhöse Fieber, Katarrhe und Entzündungen der Lungen, Tuberkulose und Skropheln, in mäßigem Grade theilt; daß es von wandernden epidemischen Krankheiten während der letzten Jahrzehnde nie in bösartiger Weise berührt worden ist; endlich daß zu St. von allen Krankheiten nur die Bleichsucht in ungewöhnlicher Häufigkeit auftritt. Dieses Gesammt-Ergebnis ist sicher ein günstiges, und es wird durch die oben erwähnten günstigen Sterblichkeitsverhältnisse unserer Stadt vollkommen bestätigt.

c. Moralische Eigenschaften.
Um auf die moralischen und intellectuellen Eigenschaften zu kommen, so spiegelt sich Schwaben in seiner Hauptstadt ab, deren Einwohner sich durch Gemüthlichkeit, tiefes und feines Gefühl, Treuherzigkeit, Geselligkeit und Arbeitsamkeit kennzeichnen; die Weingärtner insbesondere sind ein rastlos arbeitendes abgehärtetes Geschlecht. Der Stuttgarter liebt sein Vaterland und ganz besonders seine Vaterstadt; er hängt seinem angestammten Fürsten| an und weiß die Freiheiten seiner Verfassung zu würdigen. Ist er auch nicht leicht in Ekstase zu versetzen, so zeigt er doch auf Impuls Lebendigkeit, Heiterkeit und Witz. Bei mäßiger Lebenslust ist ihm ein großer Sinn für das Familienleben und die Natur eigen. Ein musikalischer Sinn gibt sich durch viele Vereine, sehr verbreitetes Clavierspiel und große Gesangeslust kund. Den Kunstsinn hob schon Schubart hervor, und Göthe erkennt an, daß sich im Theater, welches übrigens der eigentliche Bürgerstand seltener besucht, sowohl durch Schweigen als Beifall immer ein richtiges Gefühl verrathe. Des überhandnehmenden Luxus ungeachtet hat die Neigung zu weiser Sparsamkeit, welche durch einige Anstalten genährt wird, im Allgemeinen nicht fühlbar abgenommen. Ein großer Sinn für Wohlthätigkeit spricht sich in namhaften Stiftungen und vielen mildthätigen Vereinen aus, wirkt aber vielleicht noch mehr im Stillen. Die Religiosität hat noch immer die Oberhand, mehr als in anderen größeren Städten, und wird durch besondere Vereine gepflegt. Erhält sie auch da und dort durch den hervortretenden Pietismus ein eigenes Gepräge, so gibt dies doch den anders Denkenden keinen besonderen Anstoß, sowie auch im Allgemeinen eine wohlthuende Toleranz herrscht, die sich auch in der Erscheinung ausspricht, daß nach mehrjährigen Erfahrungen unter vier Ehen der Katholiken drei gemischte sind. An kirchlichem Sinne steht Stuttgart dem platten Lande wenig nach, wie dies schon die an Festtagen überfüllten Kirchen ersehen lassen. Die intellectuelle Bildung hat sich früher, als in manchen anderen Orten, gehoben, und es wurde dem fanatischen Glauben an Hexen 1663 das letzte Opfer gebracht; 1684 wurde noch eine der Hexerei verdächtigte Verstorbene in loco separato begraben, schon 1697 aber die behauptete Existenz eines Poltergeistes als praesumtio erklärt und 1741 eine Klage wegen Hexerei mit einem ernstlichen Verweis „wegen heillosen Aberglaubens“ abgewiesen. Mit dem Verkehre nach Außen klärten sich die Geister allmälig ab; es entstanden Zeitungen, 1712 das erste Kaffeehaus, 1783–1784 die „Metzler’sche Lesegesellschaft mit Kunstversammlungen und literarischen Vorlesungen“, 1785 die erste öffentliche Leihbibliothek. Die Freimaurerloge Karl zu den drei Cedern ward 1772 (nach Pfaff 1777) errichtet und 1781 der Illuminaten-Orden hierher verpflanzt. Schon längst kann sich, nach dem Urtheile Fremder, Stuttgart mit jeder anderen Hauptstadt hinsichtlich der Bildungsstufe messen. Eine tüchtige Schulbildung ist, wie in keiner anderen Stadt, durch alle Classen der Bevölkerung verbreitet, und ein guter Schulsack ist hier sprichwörtlich geworden. Der Gebildete versteht meist mehrere Sprachen (und selbst ein Theil der| jüngeren Damen liest und spricht Französisch und Englisch): die eigentliche Gelehrsamkeit ist selten mit Einseitigkeit oder Selbstüberschätzung verbunden. Der den Schwaben überhaupt eigene Mangel an Redefertigkeit und Gewandtheit im Umgang verursacht aber nicht selten, daß sein Wissen verkannt wird. Ein Norddeutscher hat die Bemerkung gemacht, daß es trotz ihres großen Reichthums an Gemüth und Verstand lange dauere, bis sie warm werden und diese aufschließen, und da sie auch eine geringe Fertigkeit im Sprechen haben, so verschwinde der ungünstige Eindruck auf den Oberflächlichen erst bei näherer Bekanntschaft. (Morgenblatt 1847 S. 539.)

Hervorzuheben ist die große Neigung zur Association für Erreichung gemeinschaftlicher Zwecke. Indessen vor 20–25 Jahren die Zahl der Vereine aller Art etwa 30 betragen hat, ist dieselbe jetzt auf mehr als 200 gestiegen, welche, wie diese Schrift zeigen wird, die Förderung sowohl der Geselligkeit, der Wissenschaft, der Kunst und Industrie, als der Religiosität, Moralität, Sparsamkeit, Kranken- und Armen-Pflege zum Zweck haben[14]. Es ist nur zu wünschen, daß auch der Hilflosigkeit der kleinen Handwerker etc. durch Errichtung von Speiseanstalten oder Vereinen zu Anschaffung von Nahrungsmitteln, zu Rohstoffen, zu Darlehen und Vorschüssen, zu Beschaffung wohlfeiler Wohnungen und zu gemeinschaftlichem Geschäftsbetrieb und Verkauf durch Betheiligung der Wohlhabenden, deren Capitalien nach anderweitigen Erfahrungen gut rentiren würden, gesteuert werde.

Mit der intellectuellen Bildung hielt die sittliche Schritt. So lange man die Gesetze mit Blut geschrieben (s. unten die Beschreibung des neuen Baues), waren auch die Sitten so roh, daß es sogar Hofangehörige waren, über welche 1514 und 1618 der Magistrat bei dem Landtage klagte, daß sie an den Bürgern Tag und Nacht mit Fenstereinwerfen, Raufen und Verwunden etc. ihren Hochmuth üben. Noch 1678 kamen fast allnächtlich Beraubungen und Verwundungen, namentlich durch Soldaten und Herrendiener, und Schlägereien unter den jungen Leuten auf den Straßen der Stadt vor, und die Vorsicht gebot, während des Gottesdienstes die Stadtthore zu schließen und Niemand ohne brennendes Licht Nachts auf der Straße zu dulden. Schon längst aber gehören Ausbrüche solcher Rohheiten und noch mehr grobe Verbrechen zu den Seltenheiten. Der Zunahme der unehelichen Geburten ungeachtet scheint sich die öffentliche Sittlichkeit wenigstens nicht verschlimmert zu haben,| da sich bei etwa 6000 Einwohnern bis zur Reformation zwei Frauenhäuser (in der Gaisgasse) befanden, welche dem Stifte zinsten und wovon das eine der Herrschaft gehörte, deren Frauen dieser noch 1520 10 Schilling wöchentlich zu entrichten hatten. Wenn auch Stuttgart den großen Städten immer näher rückt, so kann doch nicht gesagt werden, daß in demselben Verhältnisse die Sittenverderbniß überhaupt wachse. Der Mittelstand hauptsächlich hat seine Sittenreinheit ungleich besser bewahrt, als derjenige in vielen anderen größeren Städten.

Folgende Übersicht enthält die in den Jahren 1850, 1851 und 1852 zur Anzeige gebrachten, theils von dem Stadt-Polizei-Amt, theils von der K. Stadtdirection abgerügten Polizeivergehen und die dem K. Criminalamt zur Aburtheilung übergebenen Vergehen und Verbrechen.

I. Polizeiübertretungen im engern Sinn.
Verfehlungen gegen die
Jahrgänge
1850 1851 1852
Medicinalgesetze 32 41 111
Öffentliche Ruhe und Sicherheit 803 539 723
Religions-Polizei-Gesetze 35 113 879
Sittlichkeit 165 145 77
Landwirthschaftliche Polizei-Gesetze und Verordnungen 21 17 20
Wegordnung 243 430 355
Baugesetze 3 2 5
Feuer-Polizei-Gesetze 17 41 26
Gewerbeordnung 164 308 416
Verschiedene Polizei-Verordnungen 96 205 176
II. Polizei-Übertretungen, die nach dem Polizeistrafgesetz mit Strafe bedroht sind.
Jahrgänge
1850 1851 1852
Handlungen gegen den der Obrigkeit gebührenden Gehorsam 359 410 491
Handlungen gegen das obrigk. Ansehen 29 4 25
Frevel gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit 1597 2189 2926
Handlungen und Unterlassungen, welche das Leben
und die Gesundheit von Menschen gefährden
3 1 4
|
Jahrgänge
1850 1851 1852
Handlungen gegen die Sittlichkeit 172 163 183
Mißhandlung von Thieren 26 32 31
Ehrenbeleidigung 34 109 78
Beeinträchtigung fremden Eigenthums 245 257 286
III. Dem K. Criminalamt übergebene Verbrechen und Vergehen.
Jahrgänge
1850 1851 1852
Widersetzung 31 27 12
Beeinträchtigung fremden Eigenthums 439 515 478
Unbotmäßigkeit 19 6
Körperverletzung 34 36 16
Selbsthilfe 2 2 1
Verleumdung 10 9 7
Gefährliche Drohung 15 12 1
Fälschung 56 44 29
Mord 1
Raub 3
Hochverrath 1

Die Spielsucht, einst so bedeutend, daß die Menschen ihren eigenen Leib verspielten, wie sich z. B. 1455 ein hiesiger Bürger „ob dem Spiel verhandelt hat“ und darum in Strafe kam, erregt in unseren Tagen kaum noch ein Ärgerniß. Das Billardspiel hat in neueren Zeiten abgenommen, wogegen das Kegelspiel in Aufnahme kam. Ein in jüngster Zeit entstandener Schachverein von 28 Mitgliedern, wovon 25 Stuttgarter, spielt auch durch Correspondenz mit auswärtigen Schachclubbs, namentlich in Nimwegen.

d. Leben und Sitten.
Was die Lebensweise betrifft, so ist die Wohnung im Allgemeinen gesund und bequem, wenn auch bei Neubauten mehr auf die Zahl, als auf die Größe der Zimmer Bedacht genommen wird, welches überall da von Nachtheil auf die Gesundheit ist, wo des manchfach unverhältnißmäßig hohen Miethzinses wegen die äußerste Einschränkung geboten ist. Die Nahrung bietet keine Besonderheiten dar. Man speist, was mit den climatischen Verhältnissen zusammenhängen mag, viel und oft: zwischen dem Frühstück und Mittagessen und zwischen diesem und dem Nachtessen ist in den meisten Häusern ein „Zehne- und ein Vesper-Brod“ eingeführt. Die| Kartoffel, wie herrschend sie auch ist, hat noch nicht die Bedeutung, wie im nördlichen Deutschland; vielmehr bildet das Brod, und zwar das gutnährende weiße, die Grundlage der Nahrung, an welches sich zunächst die Gemüse anreihen. Der Genuß des Fleisches ist stärker als auf dem Lande, aber doch geringer als in mehreren anderen größeren Städten. Als Frühstück wird überall Kaffee, allerdings häufig durch Surrogate bis zur Unkenntlichkeit entstellt, genossen. Der Genuß des Weines hat gegen früher, besonders was das Maß der einzelnen Weintrinker betrifft, bedeutend abgenommen; dagegen ist das Biertrinken allgemeiner geworden. Neben diesem wird von den unteren Classen hauptsächlich Obstmost genossen und ist der Branntwein kaum zu erwähnen.

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Der Wechsel in der Kleidertracht begann hauptsächlich zur Zeit der Reformation, indem schon jetzt die bis dahin bestandene Nationaltracht durch die französische verdorben ward. Er kann hier nicht näher verfolgt werden; es mag aber von Interesse sein, ein wenig der längst vergessenen Predigt zu lauschen, welche der witzige und unerschrockene Hofprediger Lucas Osiander d. ä. im Jahr 1586 über die „hoffärtige ungestalte Kleidung der Weibs- und Manns-Personen“ gehalten hat. Alles, sagt er, was aus Frankreich, Niederland, Wälschland und anderen hoffärtigen Völkern nach Deutschland komme, werde nachgeahmt, „und nehmen die welschen Krämer von uns gutes Geld und geben uns sammetene und seidene Lumpen dafür.“ Die „Weibsbilder“ tragen Sammethütchen so klein, daß sie wie ein Apfel auf dem Kopfe sitzen; ihre über Drähte gezogenen Haare gleichen einem Säuhag, und Etliche streichen ihre Gesichter an. Sie tragen dicke Kröse (Halskraußen), daß der Kopf aussieht, als liege er auf einer Schüssel; Reife an den Kleidern, daß diese beim Niedersitzen in die Höhe stehen, und hohe Schuhe und Pantoffeln, um größer zu scheinen. Die Mannspersonen haben vorne aufstehende zottige Haare, als ob sie der Satan rückwärts durch einen Zaun gezogen hätte. Sie tragen Hüte mit vergoldeten und silbernen Spangen, von einem sammetenen Frauengürtel umschlungen, damit anzuzeigen, daß sie die Weiber über sich herrschen lassen; dicke Krösen und goldene Ketten um den Hals; Ärmel so lang und weit, wie die Commißsäcke der Landsknechte und Wurstsammler, dazu die langen ausgefüllten Gänsbäuche, die unter dem Hals anfangen und weit unter den Gürtel herabhängen, wie ein Erker an dem Hause hängt und es umziehen möchte. Sammet und Seide genügt nicht mehr; die Kleider werden auch noch mit goldenen und silbernen Borten besetzt. Die Mäntel reichen nur noch bis zum Gürtel und werden mit Hintansetzung aller Ehrbarkeit| selbst von Hofleuten auf die linke Schulter gehängt. Junge „Kerle“ schleifen Pantoffeln an den Füßen nach und klopfen damit wie alte Weiber, und Andere lassen sich seidene Nestel mit silbernen Steften an die Schuhe machen. Überhaupt aber, sobald wir etwas Neues vom Ausland ersehen, sind wir „die Affen; dieses ist eine große Leichtfertigkeit, die uns Deutsche bei anderen Völkern sehr verkleinert.“ – Die erste Perrücke kam 1610 aus Frankreich hierher. Eine allgemeine Kleiderordnung von 1656 wollte dem Luxus steuern, fruchtete aber nicht viel; doch scheint sie bewirkt zu haben, daß der Mantel bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts das Hauptstück der Kleidung blieb, ohne welchen selbst die Gymnasisten weder Schule noch Kirche besuchen durften. Das Degentragen war allgemein und wurde erst vor etwa 200 Jahren beschränkt; 1723 ward es den Gymnasisten der VII. Classe, den Gold- und Silber-Arbeiter-Gesellen, 1740 den Apothekergehilfen, Handlungsbuchhaltern, Barbier- und Zinkenisten-Gesellen wieder gestattet. Inzwischen ist die Pariser Mode zu fast unumschränkter Herrschaft gelangt. In der äußeren Erscheinung verschwindet beinahe aller Unterschied des Standes, und vielfach sucht Jeder es den Andern sowohl in Kleidern, als in Befriedigung anderer eingebildeter Bedürfnisse gleich zu thun, wodurch Manche das Elend, in welches sie frühe genug verfallen, sich selbst bereiten. Auch die Weingärtner haben ihre langen blauen Sonntagsröcke, Lederhosen, Schuhe und Dreispitze abgelegt, und nur die Frachtfuhrleute und Wagenspanner sind noch ihrer hergebrachten Tracht treu geblieben.

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Von geselligen Vergnügungen standen lange Zeit die Fastnachtslustbarkeiten oben an, die der Hof auch nach der Reformation glänzend beging (1610 wurden die ersten venetianischen Masken hierher gebracht). Ein Nachklang derselben im Bürgerstande war das 1618 erwähnte „Gassatum gehen“, ein Umgang mit Musik, Mummerei und Tänzen. In Nachahmung der Pariser Vergnügungen wurden, wie sehr auch die Stadtgeistlichen dagegen eiferten, 1715 die Carnevale mit Redouten eingeführt, auf welchen sich nach herzoglichem Befehl alle angesehenen Einwohner bei Strafe einzufinden hatten und 1716 alle Zinkenisten und Musikanten des Landes zum Aufspielen hierher kommen mußten. Im Jahr 1775 führte Herzog Carl Eugen eine mit der Maimesse verbundene venetianische Messe ein, wobei in dem prächtig erleuchteten unteren Stockwerke des Herrenhauses Casino’s statthatten. Alle diese Lustbarkeiten, von welchen die öffentlichen Redouten noch in unsere Zeit hereinreichten, wollten jedoch bei den ernsteren protestantischen Bürgern keinen rechten Anklang finden. Im Übrigen fanden unsere| Vorfahren in den schlichteren, im Mittelalter entstandenen, Trinkstuben je mit zwei geschworenen Stubenmeistern, ihr Vergnügen. Jede Zunft hatte ihre Trinkstube, desgleichen die Armbrust- und Büchsen-Schützen (1558) und die Weingärtner (1625). In der „Bürgerstube“ auf dem Rathhause kamen die Magistratsmitglieder, fürstlichen Räthe und andere angesehenere Einwohner zusammen, und verwahrten die Stubenmeister (1610) außer 50–60 silbernen Trinkgeschirren „die ganze silberne Stute, oder der Stadt Willkomm.“ Zwei Stadtküchenmeister (1507–1574) besorgten bei größeren Schmäusen die Einkäufe, indeß der „Stubenknecht“ die Gäste bediente. Noch jetzt, nachdem die Trinkstuben in den Wirthshäusern längst vollends aufgegangen, ist bei der Mehrzahl der Besuch der Wein- und Bier-Häuser Sitte, da hier Jeder des Abends seine Gesellschaft findet, indeß die Kaffeehäuser seltener besucht werden. Der häusliche Theetisch, um welchen sich im Norden auch die mittleren Stände versammeln, ist den Eingeborenen fast ganz unbekannt, und ein offenes Haus wird nur von Wenigen gehalten. Jene gesellige Unterhaltung hat sich jedoch schon seit längerer Zeit theilweise durch Kunst und Wissenschaft veredelt. Die hierher gehörigen Privatgesellschaften sind: das ältere sog. obere Museum (Canzleistraße Nro. 11) für wissenschaftliche und gesellschaftliche Unterhaltung gebildeter Männer, 1806, beziehungsweise 1816 aus der zuvor erwähnten Lesegesellschaft entstanden. Die Mitgliederzahl war Ende 1852 959. Der Beitrag ist für die ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder 1. Classe 16 fl.; die außerordentlichen Mitglieder 2. Classe haben monatlich 2 fl. zu entrichten. Die Einnahmen wie die Ausgaben waren 17.000 fl. Die Gesellschaft besitzt drei Gebäude mit 58.500 fl. Brandvers.-Anschlag, einen Garten (die Silberburg) und zu 12.530 fl. angeschlagene Mobilien. Die Schulden betragen in den Mitgliedern zustehenden Verschreibungen von 100 fl. 51.000 fl. Es liegen 85 deutsche, 6 französische und 4 englische Zeitschriften auf, von welchen, wie auch von der sehr bedeutenden Bibliothek die Fachwissenschaften ausgeschlossen sind. Winters finden in den hübschen Sälen Bälle, Concerte, wissenschaftliche Vorlesungen und andere Unterhaltungen statt; Sommers wird weniger die gute Restauration im Gesellschaftshaus, als die Silberburg besucht. Die 1824 gegründete Bürgergesellschaft bietet in dem 1834 mit dem Gasthofe zum König von Württemberg erworbenen Nebengebäude einen Vereinigungsort für den hiesigen Bürger- und Gewerbe-Stand zu geselliger (und literarischer) Unterhaltung. Die Zahl der ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder mit einem beiden Kategorieen| gemeinschaftlichen Jahresbeitrage von 8 fl. ist 5–600. Im Jahr 1853 war die ständige Einnahme 4500 fl.; das Vermögen bestand an Gebäuden im Brandvers.-Anschlage 51.000 fl., einem nächst der Silberburg angekauften Gesellschaftsgarten und einem zu 8000 fl. versicherten Mobiliar; die Schuldensumme in 70.000 fl. Die Zahl der Zeitschriften ist 40; die Bibliothek enthält etwa 700 Bände. Die Sommer- und Winter-Unterhaltungen kommen mit den zuvor erwähnten nahezu überein. Das Gesellschaftshaus enthält einen sehr schönen Saal. – Die 1822 von Hofsängern gegründete, aus 25 Mitgliedern bestehende Concordia sucht das gesellige Vergnügen zu fördern und gibt kleine theatralische Vorstellungen zu wohlthätigen Zwecken. – Dasselbe ist der Fall mit der aus jungen Leuten aus dem Handels- und Gewerbe-Stande bestehenden Thalia und mit dem 1851 von einer Anzahl Beamten gestifteten Hirschkranze, welcher 86 Mitglieder mit 3 fl. Jahresbeitrag zählt. Außer diesen sind noch einige andere gesellige Vereine vorhanden, welche sich jedoch gegen Nichtmitglieder strenge abschließen. Auch im Übrigen herrscht das Ausschließungsprincip noch um Vieles stärker, als es die Bildungsstufe der Zeit rechtfertigt. Außerdem besuchen die Stuttgarter die in neueren Zeiten entstandenen, meist recht hübsch gelegenen Biergärten, wo sich bei guten Militärmusiken auch das schöne Geschlecht einfindet. Hier geben auch zuweilen die in einem späteren Abschnitte zu erwähnenden musikalischen Vereine geschätzte Productionen. Einer der lieblichsten Vergnügungsorte, die schon erwähnte Silberburg, ist am Tage des von dem Liederkranz gegründeten Schillerfestes, das seit 1825 die Gebildeten als Frühlingsfest begehen, dem größeren Publikum geöffnet. Die rührend schönen Maienfeste der Schuljugend in der einst so schattigen Stadtallee haben nun modernere Formen angenommen. – Die so große Lust unserer Vorfahren am Scheibenschießen hat sich längst verringert, seit Wehr und Waffen nicht mehr zur Rüstung des Bürgers gehören. Wie an den unten zu erwähnenden fürstlichen Schießen die Bürger sich betheiligten, so nahmen auch die Fürsten an den Schießen der Bürger Theil. Die schon im fünfzehnten Jahrhundert erwähnte Stahl- und Armbrust-Gesellschaft und die 1500 errichtete Gesellschaft der Büchsenschützen hielten z. B. am 10. August 1501 hier ein großes Schießen, wobei mit der Armbrust auf 315′, und mit der Büchse auf 660′ Entfernung geschossen wurde, und so viele Schützen aus Bayern, Franken, Rheinland, Schweiz und Tyrol erschienen, daß sie bei den Bürgern einquartiert und selbst die entferntesten Ämter zu Lieferung von Lebensmitteln angewiesen werden mußten. Herzog Ulrich selbst mit seinen Hofjunkern schoß mit.| Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand erzählt in seiner Lebensbeschreibung von einem Stuttgarter Schneider, der den Scheibenschießen bis Cöln nachgezogen. Noch am 13. September 1618 hielten die Bürger ein großes Armbrustschießen, und es war noch allgemein Sitte, Sonntags mit Armbrust und Büchse sich zu üben. Das städtische Armbrusthaus lag am Graben gegen die Eßlinger Vorstadt, das Büchsenschießhaus anfänglich am mittleren See bei dem Büchsenthor. Jetzt hält die Schützengesellschaft, welche unter 2 Schützenmeistern etwa 400 Mitglieder zählt, ihre Übungen in dem 1840 in der Nähe des Militärschießhauses bei dem Feuersee erbauten städtischen Schießhause. – Vielfache Vergnügungen bieten auch die näheren Umgebungen der Stadt dar, wovon der Schloßgarten obenan steht. Das an seinem Ende gelegene Berg wird hauptsächlich Sommers seiner Mineralquellen und Flußbäder wegen stark besucht, indeß Canstatt nicht bloß in der schönen Jahreszeit und hauptsächlich am landwirthschaftlichen Volksfeste, sondern auch Winters bei den Reunionen die Stuttgarter versammelt. Die Bälle, Soireen und Concerte werden sehr fleißig besucht. Außerdem sind Tauf- und Hochzeit-Schmäuse überall üblich; auch wird die Gelegenheit, welche die Eisenbahn darbietet, zu nahen und fernen Ausflügen recht häufig benützt.

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Von besonderen Gewohnheiten ist wenig zu erwähnen. In älteren Zeiten wurde die Begleitung des Täuflings vor der Stiftskirche von dem Thürmer und Zinkenisten „angeblasen“, und auch bei „offenen Hochzeiten“ ging man (schon 1400) mit Trommeln und Pfeifen zur Kirche, vor welcher die Braut gleichfalls mit Musik empfangen wurde. Dieser Lärm war 1592 so groß, daß der Prediger nicht gehört werden konnte und das Übermaß mit der Strafe des Narrenhäusleins bedroht ward. Die Hochzeit-Bankette des Hofadels wurden im Schlosse, die der sonstigen Angeseheneren im Herren- und Rath-Hause gehalten. – Bei Leichenzügen wurde großer Pomp entfaltet. Die nächsten Blutsverwandten bildeten „die Männer- und Weiber-Klage“. Die erstere trug „Vorhänge“ oder „Maultüchlein“, welche bis über die Nase hinaufreichten; die Frauen wurden (noch 1713) in „Stürzen“ geführt, d. h. das Angesicht und der ganze Leib war mit Flor und schwarzem Tuch eingehüllt, wodurch Sommers nicht selten Ohnmachten verursacht wurden. Die Feier eröffnete ein oft Stunden langes Gepränge wegen des Vorantrittes, und wurde durch ebenso lange dauerndes Condoliren geschlossen. Bei Vornehmen gingen Präceptoren mit Gymnasisten, bei Anderen Schulmeister mit Schulkindern unter Gesang voran. Jene waren (noch 1784) durch| Nachtleichen ausgezeichnet, für welche 1741 anstatt der Fackeln Stocklaternen verordnet wurden. Sie wurden noch 1783 nicht selten in den Kirchen beigesetzt. Die Leichenreden wurden 1751 allgemein verboten. Die Tagleichen wurden noch gegen Ende des verflossenen Jahrhunderts von Frauen und Mädchen begleitet. Nunmehr sind auch die Leichenbegängnisse einfach, und Frauen und Mädchen sieht man nicht mehr im Geleite, wohl aber neuerlich weibliche Dienstboten mit Blumen etc. Gemäß der Leichenordnung vom 20. Januar 1823 bestehen die schon 1741 aufgekommenen Leichenwagen und Leichentücher von verschiedener Abstufung, für deren Benützung dem Armenkasten beziehungsweise 1 fl. bis 7 fl. 36 kr. und 20 kr. bis 16 fl. zu entrichten sind.

Auch von sonstigen Sitten ist nichts mehr hervorzuheben. Das Leben hatte zwar nach der Reformation noch manche Fröhlichkeiten geboten. An Sommer Johanni waren noch 1659 bei Tag die Johannisbäder, Abends die Johannisfeuer ziemlich häufig. Das „Maienstecken“ unter Trommel- und Pfeifen-Schall geschah noch 1665. In der Fastnacht, noch 1620, zogen die Gesellen der Handwerke und, einen eigens gefertigten Rebstock voran, die jungen Weingärtner mit Saitenspiel durch die Straßen, um bei den Kunden und Bauleuten „das Küchlein“ zu holen. In den Christfeiertagen sangen und musicirten noch 1650 die Präceptoren und Musiker der Stiftskirche vor den Häusern, und noch 1725 erhielten arme Frauen die Erlaubniß, vor denselben Nachts geistliche Lieder zu singen. Alles Dieses hat längst aufgehört.

C. Merkwürdige Eingeborene.

In Stuttgart geboren sind folgende Männer, welche sich im Leben hervorgethan oder durch Leistungen in Wissenschaft und Kunst einen Namen gemacht haben:

Joh. Lorcher, geb. um 1460, Canzler des Grafen Eberhard d. j.

Heinr. Lorcher, studirt 1477 in Tübingen, stirbt 29. Aug. 1520 als Landschreiber; bekannt aus der Geschichte jener Zeit.

Jac. Rinmann, starb um 1520, schrieb eine, die Zeit von 1481–1520 umfassende Chronik.

Joh. Alex. Brassicanus (Kölburger) wurde 1524 als Prof. des Civilrechts an die Univ. Wien berufen. Er gab 1527 einige Schriften des Lucianos von Samosata in lat. Übersetzung heraus u. starb 1539.

Mart. Borrhaus (Keller), geb. 1499, studirte in Tüb. und Wittenberg, wird Wiedertäufer, 1542 Prof. d. Theologie in Basel, starb 11. Oct. 1564 an der Pest. Guter Sprachkenner durch Reuchlin, u. Theolog.

Joh. Feßler, geb. 1502, stud. d. Rechte, 1550 würt. Canzler, starb den 22. März 1572, ausgezeichnet als Mensch und Staatsmann.

Lud. Grempp, geb. 1509, stud. d. Rechte in Tüb. u. Ingolstadt, würt. Rath u. 1541 Syndicus der Stadt Straßburg, starb 1581, vermachte der Univers. Tüb. seine Bibliothek u. 18.000 fl.

| Seb. Linckh, stud. 1525 in Tüb., angesehener Prof. der Rhetorik in Ingolstadt, starb 16. Dec. 1548.

Joh. Fürderer, stud. 1527 in Tüb., 1530 Propst in Göppingen, 1532 würt. Canzler.

Joach. Münsinger von Frundeck, geb. 1514, gebildet auf den Univ. Dole, Padna, 1535 berühmter Prof. der Institutionen in Freiburg i. B., 1556 Canzler in Wolfenbüttel, starb 3. Mai 1588. Seine Observ. camerales u. s. Werk ü. d. Institutionen sind die ausgezeichnetsten seiner vielen Schriften. Auch war er Dichter. (F. W. Tafinger, Andenken des etc. J. Mynsinger v. Fr. Tüb. 1767. 4.) St.

Seb. Küng, stud. 1527 in Tüb. Verfasser einer kurzen würt. Chronik.

Joh. Grabisgad, stud. 1536 in Tüb. und wurde ein guter Augenarzt.

Jac. Härtelin, stud. 1549 in Tüb., wurde ein berühmter Arzt in Wien.

Mart. Eisengrein, geb. 1535, stud. in Tüb., Ingolstadt und Wien die Rechte, wurde hier Prof. am Gymnasium, trat zur kath. Kirche über u. widmete sich ganz der Theologie; 1559 Domherr zu Wien, später Vice-Canzler der Univ. Ingolstadt, starb 1576.

Mathäus Enzlin, geb. 16. Mai 1556, stud. die Rechte in Tüb., 1581 Prof. derselben in Heidelberg u. 1585 in Tüb., an beiden Orten großen Beifalls sich erfreuend, 1599 Geheimer Rath des Herzogs Friedrich von Württ. Als solcher bewirkte er zu Schwächung der landständischen Rechte die berüchtigte Erläuterung des Tübinger Vertrages, und wurde unter dessen Nachfolger wegen Veruntreuung fürstlicher Gelder 22. Nov. 1613 in Urach enthauptet.

Hieron. Megiser, geb. um 1557, stud. in Tüb. Theologie, um 1589 österreich. Geschichtschreiber, starb als erzherzogl. Historicus um 1618 in Linz. Nach großen Reisen verbreitete er die Kunde fremder Länder u. Völker u. ihrer Sprachen in mehrmals aufgelegten eigenen Werken u. Übersetzungen. Er schrieb auch die älteste gedruckte türkische Sprachlehre (1612), eine Chronik des H. Kärnthen etc.

Conr. Schott, 1561 geb. und in der Jugend erblindet, ein rühmlich bekannter Orgelbauer, der die Werke im Münster zu Ulm, St. Michael in Hall, in der hiesigen Stiftskirche etc. fertigte.

Felix Bidenbach, geb. 8. Sept. 1564, ward 1604 würt. Hofprediger, 1606 Abt von Adelberg, 1608 von Maulbronn, starb 7. Jan. 1612. Er schrieb einige Promtuarien für den Kirchendienst, wovon das seit 1603 mehrmals aufgelegte manuale ministrorum ecclesiae besonders geschätzt war.

Lucas Osiander, geb. 6. Mai 1571, ward 1612 Abt von Bebenhausen, 1616 von Maulbronn, 1620 Prof. d. Theol. u. Canzler d. Univ. Tüb. u. machte sich durch mehrere Schriften gegen die Calvinisten, Schwenkfelder und Katholiken, sowie durch seine Vorträge einen Namen.

Ge. Rud. Weckherlin, geb. 15. Sept. 1584, stud. in Tüb. d. Rechte, bereiste Frankreich und England, ward 1609 würt. Secretär und Hofdichter, und 1620 Secretär bei der deutschen Canzlei in London, wo er 1651 oder bald hernach starb. Er war einer der ausgezeichnetsten Dichter Deutschlands, da ihm selbst der spätere Opitz an Kraft u. Schwung der Phantasie nachstand, führte das Sonnett in die deutsche Literatur ein u. schrieb die ersten deutschen Hirtengedichte u. Gedichte in schwäb. Mundart. Seine Gedichte erschienen erstmals 1618 in Stuttgart. (C. P. Conz, v. d. Leben u. d. Schriften R. W. 1803.)

Joh. Conr. v. Varenbüler, geb. 26. Nov. 1595, stud. in Tüb. die Rechte, würt. Geheimerrath, berühmt durch seine glänzende polit. Laufbahn| (theilw. in schwed. Diensten) und seine ungemeinen Verdienste um die vollkommene Wiederherstellung Württembergs als einer der würt. Gesandten beim westphäl. Friedensschlusse, wofür ihn H. Eberhard III. mit dem Lehengute Hemmingen belohnte. Starb 10. April 1657, nachdem K. Ferdinand III. seinen alten Adel anerkannt hatte.

Joh. Ge. Walz, geb. um 1606, starb 24. Dec. 1658 als Decan von Schorndorf, schrieb eine nicht gedruckte Chronik von Göppingen und die württ. Stamm- und Namens-Quell (1657).

Lucas Backmeister, geb. 1640, dichtete mehrere seiner Zeit geschätzte geistliche Lieder.

Ge. Hein. Häberlin, geb. 30. Sept. 1644, ward 1681 Prof. d. Theol. in Tüb., 1692 Prälat von Alpirsbach und Stifts-Prediger hier, starb 20. Aug. 1699. Berühmter Lehrer, Verf. vieler homiletischer u. polemischer Schriften u. eines Gesangbuches (1689.)

Matthäus Hiller, geb. 15. Febr. 1646, ward 1692 Prof. der Philos. und Philologie in Tüb., 1716 Abt von Königsbronn, starb im Febr. 1725. Einer der ausgezeichnetsten Orientalisten seiner Zeit, schrieb: Lexicon latino-hebraicon, hierophyticon, onornasticum sacrum etc.

Joh. Wolfg. Jäger, geb. 17. März 1647, ward 1680 Prof. d. Philos., 1689 d. Theol. in Tüb., 1699 Stifts-Prediger hier, 1702 Univ.-Canzler u. Prälat v. Adelberg, starb 2. April 1720. Verfasser vieler philos.-theol., kirchenrechtl. u. geschichtl. Schriften. Wegen s. defensio imper. Josephi contra curiae Rom. Bullas, 1708, legte ihm der Kaiser das Prädicat eminentissimus bei.

Fried. Conr. Hiller, geb. 1652, gest. 23. Jan. 1726 als Canzlei-Advocat, dichtete 172 geistliche, 1711 erschienene Lieder, wovon die kernigsten in die würt. Gesangbücher aufgenommen wurden und theilweise beim Volke noch eingebürgert sind.

Joh. Reinh. Hedinger, geb. 7. Sept. 1664, bereiste einen großen Theil Europa’s, 1694 Prof. des Natur- und Völker-Rechts in Gießen, 1698 würt. Hofprediger, als welcher er Freimuth und Unerschrockenheit in seltenem Grade bewährte, starb 28. Dec. 1704. Von s. vielen Schriften sind zu erwähnen: eine Übersetzung des N. Test. (1704 etc.), eine neue Ausgabe der ganzen Bibel (1704) und das Gesangbuch für die Hofkirche („andächtiger Herzensklang“ 1700) mit vielen feurigen Liedern.

Eberh. Lud. Gruber, geb. 1666, verließ 1706 den würt. Kirchendienst, um sich als einer der Inspirirten nach Pennsylvanien zu begeben, wo er auch starb. Er schrieb zwei Theile Lieder, alle auf den Namen Jesus gedichtet.

Gottf. Hoffmann, geb. 13. Mai 1669, ward 1707 Prof. d. Theol. in Tüb., starb 8. Dec. 1728. Sehr gelehrter vorzüglicher Prediger, stritt gegen die Separatisten u. war Mitarbeiter an Hedingers Gesangbuch u. Bibelausgabe.

Christoph Pfaff, geb. 25. Dec. 1686, nach größeren Reisen 1717 Prof. d. Theol. in Tüb., 1720 Univ.-Canzler, 1727 zugl. Abt von Lorch, 1756 Generalsuperintendent u. Canzler d. Univ. Gießen, wo er 19. Nov. 1760 starb. Ungemein fruchtbarer theol. Schriftsteller, Begründer des kirchenrechtlichen sog. Collegial-Systems u. berühmt durch seine Bemühungen, die Reformirten mit den Lutheranern zu vereinigen. Auch ist das sog. Pfaff’sche Bibelwerk von ihm.

Joh. Chran. Klemm, geb. 22. Oct. 1688, ward 1710 u. 1726 Prof. d. Philos. u. orient. Sprachen, 1730 Prof. d. Theol. in Tüb., starb 1. Oct.| 1754. Durch die Schrift, die nöthige Glaubenseinigkeit der prot. Kirchen (1719) ward er der Urheber der kaum erwähnten Unions-Versuche.

Dan. Maichel, geb. 14. Oct. 1693, Theologe, machte auf Kosten d. Herzogs 1718 Reisen, 1723 Prof. d. Philos. u. Theol. in Tüb., starb 28. Jan. 1752 als Prälat von Königsbronn. Außer mehreren philos. Schriften verfaßte er 1721 eine Anleitung z. Kenntniß d. Pariser Bibliotheken.

Joh. And. Gramlich, geb. 1. Juli 1689, nach einer größeren Reise 1726 Hofcaplan u. 1727 Hofprediger hier, starb 7. April 1728. Er wirkte auf diesen damals sehr schwierigen Posten im Geiste Hedinger’s u. schrieb Erbauungsbücher u. geistliche Lieder.

Joh. Jac. Moser von Filseck, geb. 18. Jan. 1701, im 19. Jahre Prof. d. Rechte in Tüb., 1726 Regierungsrath hier, 1736 Director d. Univ. Frankfurt a. d. O., 1747 landgr. hessen-homb. Geh. Rath, 1751 zur Stelle eines würt. Landschaftsconsulenten berufen. Als solcher widersetzte er sich, obgleich nicht unterstützt von dem ständ. Ausschusse, den Eingriffen Montmartins in die Rechte des Landes, wurde deßwegen 12. Juli 1759 ohne alle Untersuchung auf die Festung Hohentwiel in härteste Haft gebracht und erst 25. Sept. 1764, nach Fürsprache Friedrichs d. Gr. u. Friedrichs V. von Dänemark (der letztere ernannte ihn 1759 zum Etatsrath), auf Befehl des Kaisers befreit. Ohne Groll im Herzen diente er dem Herzoge Carl, der ihm jetzt mündlich sein Unrecht bekannte, bis an seinen Tod, am 30. Sept. 1785 mit Rath und That, namentlich auch bei Errichtung des Erbvergleichs. Er schuf das deutsche Staatsrecht, brachte das positive europ. Völkerrecht empor u. schrieb einige hundert Druckbände, worunter 27 der relig. Erbauung gewidmet. Diese enthalten mehr als 1000 im Gefängnisse gedichtete geistliche Lieder, die er, weil ihm keine Schreibmaterialien zugelassen waren, mit der Lichtputze an den Rand einer Bibel und an die Wände kritzelte. Er hat seine Lebens-Geschichte (3. Aufl. 4 Bde. 1777–83) selbst beschrieben.

Chran. Fried. Sattler, geb. 17. Nov. 1705, stud. d. Rechte in Tüb., 1736 Geh. Archivar, seit 1776 mit d. Titel Regier.-Rath, starb 16. Mai 1785. Durch s. Geschichte Würtenbergs in 14 Quartbänden hat er sich ein bleibendes Verdienst erworben.

Joh. Gli. Breyer, getauft 25. Dec. 1715, stud. in Tüb. d. Rechte, ward nach größeren Reisen 1740 Auditor bei einem ungarischen Regimente, 1748 würt. Geh. Secretär, starb 25. Jan. 1796 als w. Geheimerrath. Er machte sich durch seine Elementa juris publici Würtembergici (1782) verdient.

Gfr. Ploucquet, geb. 25. Aug. 1716, stud. in Tüb. Philos. u. Theol., 1750 Prof. d. Logik u. Metaphysik, starb daselbst, den Nachruhm eines scharfsinnigen Denkers und witzigen Kopfes hinterlassend, 13. Sept. 1790. Sein Hauptwerk ist Expositiones philosophiae theoreticae 1782. Siehe Andenken G. P. 1790.

Ph. Fri. Rieger, geb. 2. October 1722, ward 1742 preuß. Auditor, 1755 würt. Regiments-Quartier-Meister u. bald Liebling des H. Carl E., der ihm unter Ernennung zum Major u. Oberst die Leitung des Kriegsraths anvertraute und sich ganz von ihm beherrschen ließ. Er führte die verfassungswidrigen Militär-Aushebungen aus und preßte mit dem Säbel in der Hand der Landschaft Gelder für seinen Herrn ab, ward aber durch die Arglist seines Nebenbuhlers Montmartin 28. Nov. 1762 gestürzt, u. ohne Untersuchung in härtestes Gefängniß nach Hohentwiel gebracht, von wo er erst auf Andrängen des Königs von Dänemark nach 1460 Leidenstagen befreit wurde. Der Herzog, einsehend, daß er das Verbrechen, dessen er bezüchtigt worden, nicht begangen habe, ernannte ihn 1776 zum Commandanten| der Veste Hohenasberg, wo er 15. Mai 1782 starb. Im Gefängniß hat er mehrere Lieder gedichtet.

Fried. Carl v. Moser, Sohn des zuvor Genannten, geb. 18. Dec. 1723, stud. d. Rechte in Jena, 1753 hessen-darmst. Legat.-Rath, 1763 hessen-kasselscher Geh.-Rath, 1767 Reichs-Hofrath u. nach vorangegangener Anerkennung seines angestammten Adels in den Freiherrnstand erhoben, 1772 hessen-darmst. dirig. Minister. Wie er voll patriotischen Feuers in mehreren Schriften die Ehre Deutschlands und die Menschenwürde mit unerhörtem Freimuthe verfocht, so kämpfte er auch in Darmstadt unerschrocken gegen Unrecht, wofür er hier wie dort tödtlich gehaßt ward. Er nahm daher 1780 seine Entlassung, wurde nun aber des Mißbrauchs der Amtsgewalt beschuldigt, ohne Urtheil und Recht des Landes verwiesen und sein Vermögen confiscirt, das ihm erst des Landgrafen Sohn und Nachfolger zurückgab, der ihm auch eine Pension aussetzte. Von 1780 an, zuletzt in Ludwigsburg, wo er 10. Sept. 1798 starb, widmete er sich ausschließlich der Schriftstellerei. Er schrieb gegen 70 Bücher histor. staatsrechtl. und politischen Inhalts und zählte nach Charakter und Talent zu den ersten Männern seiner Zeit. (H. v. Busche, Fr. C. v. M., 1846.)

Joh. Ge. Hopfengärtner, getauft 21. März 1724, starb 9. Nov. 1796 als würt. Rath und Leibarzt; einer der größten deutschen Ärzte.

Joh. Lud. Fricker, geb. 14. Juni 1729, seit 1764 Pfarrer in Dettingen u. U., wo er 13. Sept. 1766 starb, schuf eine Menge religiöser Gesellschaften auf der mittleren Alp, auf die er durch sein Büchlein „Die Weisheit im Staube“ noch heute einwirkt. Er war ein guter Mathematiker u. Dichter einiger geistlichen Lieder voll Feuers.

Joh. Frie. Consbruch, getauft 22. Sept. 1736, ward 1771 Professor an der hohen Carlsschule, 1780 würt. Leibarzt, starb 13. Sept. 1810. Ein verdienter Arzt.

Chrn. Fri. v. Jäger, geb. 13. Oct. 1739, ward 1767 Prof. d. Medicin zu Tüb., 1780 h. Rath u. Leibmedicus R. d. C. V. O., starb 7. Sept. 1808. Seine 1780 erschienene Schrift über die Lungen-Probe hat noch jetzt classischen Werth.

Aug. Fri. Böck, geb. 6. Dec. 1739, ward 1767 Prof. d. Philos. in Tüb., 1798 Prälat von Alpirsbach, 1804 von Hirschau, starb 21. Aug. 1815. Von s. Schriften ist hauptsächlich die Geschichte der Univ. Tüb. (1774) zu erwähnen.

Glie. Fri. Rösler, geb. 24. Juli 1740, ward 1766 Helfer in Lauffen, 1769 Prof. an dem hiesigen Gymnasium, starb 12. Dec. 1790. Er untersuchte mit Unterstützung der Regierung die natürlichen Verhältnisse des Landes, u. begann 1788 die sehr werthvollen „Beiträge zur Naturgeschichte des H. W.“ herauszugeben, die aber leider unvollendet blieben.

Jac. Fri. Autenrieth, getauft 31. Jan. 1740, Prof. der Cameral-Wissensch. u. Canzlei-Praxis an d. hohen Carlsschule, machte große Reisen in Frankreich u. Amerika, starb 27. März 1800 als Vicedirector der Rentkammer u. Geh.-Rath. Er war besonders als Lehrer ausgezeichnet u. trat 1779 in einer Abhandlung für die unbeschränkte Vertheilung der Bauerngüter auf.

Cha. v. Klein, geb. 24. Aug. 1740, bildete sich haupts. in Frankreich, 1774 Chirurgien major, dann zugl. Prof. von d. h. Carlsschule, Leibmedicus, R. d. Civ.-Verd.-Ord., starb 25. Jan. 1815. Ein ausgezeichneter Arzt.

Ga. Cha. Raff, geb. 31. Dec. 1742 , stud. in Göttingen Theol.,| 1784 Conrector d. Lyceums daselbst, als welcher er 5. Juni 1788 starb; ein berühmter Jugendschriftsteller, dessen Geographie f. Kinder u. Naturgeschichte f. Kinder oftmals aufgelegt u. in fremde Sprachen übersetzt wurden.

Carl Aug. Göriz, geb. 29. Nov. 1744, war Erzieher des Ministers Carl v. Stein, bereiste Spanien u. a. Länder, 1778 Waisenhaus-Prediger hier, 1780 zugleich Prof. an der Militär-Academie, starb 7. Nov. 1799. Er gab interessante Nachrichten über Spanien in Zeitschriften.

Carl Fri. Elsässer, geb. 27. Mai 1746, ward 1771 Canzlei-Advocat, 1775 Prof. d. Rechte in Erlangen, 1784 Prof. an der hohen Carlsschule in Stuttgart u. Regierungsrath, 1806 Ober-Tribunalrath in Tübingen, gest. als solcher den 2. Jun. 1815. Mit Cha. Gmelin gab er „die neueste jurist. Literatur“ heraus.

Reinh. Ferd. Hei. Fischer, geb. 18. Juni 1746, in der hiesigen Kunst-Academie gebildet, 1766 würt. Cabinets-Dessinateur, 1773 O.-Lieut. u. Hofarchitect, 1775 Hauptmann u. Prof. der Baukunst an der Carls-Academie, 1794 Major, 1797 Ober-Baudirektor, 1802 in Ruhestand versetzt, starb 25. Juni 1813. Er führte einen großen Theil der Schöpfungen des Herzogs Carl E. aus. Von ihm sind die meisten Gebäude auf der Solitude, der Lorbeer-Saal, die Kirche, der lange Stall etc., ebenso Hohenheim mit seinen vielen Gebäuden und Garten-Anlagen, das Schloß Scharnhausen, der neuere Theil der Academie, die Planie, das kleine Theater dahier, und viele andere Bauten.

Glo. Cha. Storr, geb. 10. Sept. 1746, ward 1775 Prof. d. Philos., 1777 d. Theol. in Tüb., 1797 O.-Hof-Prediger in Stuttg., gest. 18. Jan. 1805. Ein ausgezeichneter Lehrer, nach dessen Dogmatik (1793) noch in neuerer Zeit gelesen wurde.

Joh. Gfr. Moll, geb. 20. Juli 1747, Theologe, 1775 u. f. Lehrer an der Carls-Academie u. d. hohen Carlsschule, 1794 am Gymnasium hier, 1805 pensionirt, starb 23. Febr. 1830; ein ausgezeichneter, aber durch Schriften wenig bekannter Mathematiker.

Joh. Jac. Thill, getauft 23. Dec. 1747, starb als Pfarrvicar 31. März 1772, unstreitig einer der vorzüglichsten älteren Dichter Württembergs. Proben seiner Gedichte gibt Gräter’s Iduna und Hermode, 1813, S. 6.

Gli. Conr. Chra. Storr, geb. 16. Juni 1749, stud. in Tüb. d. Medicin, machte größere Reisen, 1772 Arzt u. Lehrer der Naturgesch. an d. Milit.-Academie, 1774 Prof. d. Chemie u. Botanik in Tüb., wegen Kränklichkeit seit 1801 im Ruhestand, 27. Febr. 1821 gest. Ein tüchtiger Naturforscher, der aus eigenen Mitteln in Tüb. eine reiche, nachmals vom Staat erworbene Naturaliensammlung anlegte, woran es der Univ. gebrach.

Fr. Christo. Jonath. Fischer, getauft 13. Febr. 1750, stud. in Tüb. d. Rechte, 1779 Prof. an d. Univ. Halle, wo er 30. Sept. 1797 starb. Ein angesehener Geschichtsforscher. Außer Gegenständen des Cameral-, Polizei-, Staats- und Lehen-Rechtes, schrieb er hauptsächlich eine Geschichte der deutschen Erbfolge (1778), Gesch. d. Despotismus in Deutschland (1780), u. eine Gesch. d. deutschen Handels, der Schifffahrt, Erfindungen, Künste etc. in 4 Thln. (1785–92).

Cha. Glo. Pregizer, geb. 18. März 1751, zuletzt Stadt-Pfarrer in Haiterbach, gest. 30. Oct. 1816, stiftete die auch unter dem Namen der Pregizianer oder Schüttler bekannten „christlichen Gemeinschaften fröhlicher Christen“, u. dichtete viele geistliche Lieder in volksthümlichem Tone.

Joh. Jac. Hein. Nast, geb. 8. Nov. 1751, Theologe, 1772 Prof. d. Philos. u. griech. Literatur an d. Milit.-Acad. u. h. Carlsschule, 1794| Prof. am hies. Gymnas., 1807 Pfarrer in Plochingen, starb 23. Aug. 1822; wurde durch mehrere Schriften, hauptsächlich s. Römischen Kriegs-Alterthümer (1783), rühmlich bekannt.

Lud. Timoth. v. Spittler, geb. 11. Nov. 1752, stud. in Tüb. die Theologie, 1779 Prof. d. Philos. u. Geschichte in Göttingen, 1797 würt. Geh.-Rath, 1806 in den Freiherrnstand erhoben, Großkr. d. Civil-Verd.-Ordens, Staats-Minister, Präsid. d. Oberstudien-Direction u. Curator d. Univ. Tüb., starb 14. März 1810. Ein großer, philosophisch gebildeter, tiefdenkender, scharfblickender Historiker. Seine von C. Wächter gesammelten u. 1827 neu herausg. Werke haben, nächst Kirchenrecht und Politik, Kirchengeschichte, Gesch. d. europ. Staaten u. Specialgesch., namentlich auch Württembergs, zum Gegenstande.

Fri. Wilh. Köhler, geb. 23. April 1754, zuletzt Pfarrer in Ebersbach, starb 9. März 1810, sehr verdient um Verbesserung des Volks-Schulwesens und Einführung von Industrie-Schulen durch seine Schwäb. Provincialblätter (1796) u. a. Schriften.

Joh. Frie. Leybold, geb. 1755, ein Carlsschüler, später Lehrer an der hohen Carlsschule, 1794 Rath und Prof. der Kupferstecherkunst in Wien, wo er 1838 starb. Er lieferte zahlreiche treffliche Kupferstiche und war auch Miniatur-Maler.

Joh. Heinr. Boll (mit d. Klosternamen Bernhard), geb. 8. Juni 1756, ev.-lutherisch getauft, trat 1772 in d. Jesuiten-Orden u. 1775 in das Cisterzienser-Kloster Salem; 1827 Erzbischof von Freiburg i. B., starb 6. März 1836.

Ph. Jac. v. Scheffauer, getauft 8. Mai 1756, Zögling d. Milit-Acad., bildete sich in Paris, vornemlich aber in Rom, wo ihn die Antike begeisterte, als Bildhauer weiter aus, starb in Stuttg. 13. Nov. 1808 als Hofbildhauer, Prof. u. R. d. Civ.-Verd.-Ord. Er zählte zu den verdienstvollsten Künstlern seiner Zeit. Die Büste Keppler’s war sein letztes Werk.

Wilh. Ferd. Lud. Scheffer, geb. 12. Juli 1756, stud. in Tüb. d. Rechte, ward 1779 w. Archivar, 1819 mit d. Rang eines Reg.-Raths, starb 26. Jan. 1826, hatte große Verdienste um die Einrichtung des Staats-Archives u. um die vaterländ. Geschichte, obwohl nur ein kleiner Theil seiner histor. Schriften gedruckt wurde. Unter letzteren befindet sich eine histor. Beschreibg. von Stuttg. in Handschrift, welche das Staats-Archiv verwahrt.

Eberh. Fri. v. Georgii, geb. 18. Jan. 1757, stud. in Tüb. d. Rechte, 1780 Prof. d. Natur- u. Kriegs-Rechts an der hohen Carlsschule etc., legte, nachdem er dem souveränen Könige den Diensteid versagt, die Stelle eines Reg.-Raths nieder, wurde aber schon 1807 wieder in den Dienst berufen, 1817 Präsident des Ober-Tribunals, 1823 Comm. d. Kron-O., starb 13. April 1830; ein ebenso tüchtiger Beamter als reiner Patriot.

Ph. Fri. v. Hetsch, geb. 10. Sept. 1758, Zögling der Milit.-Acad., 1782 w. Hofmaler, 1800 Galerie-Director, 1808 R. d. Civ.-Verd.-Ord., starb hier 1. Jan. 1839. Seine lebensvollen Meisterwerke, meist großartige histor. Gemälde: Ödipus, Brutus und Porcia, Odin, der Abschied des Regulus, Daniel in der Löwengrube, der zürnende Achilleus, Tullia, Cornelia etc., ausgezeichnet durch Einfachheit der Composition, edlen Styl und heiteres Colorit, schuf er hauptsächlich 1800–1810.

Gotth. Fri. Stäudlin, geb. 15. Oct. 1758, wurde, nachdem er in Tüb. die Rechte absolvirt, Ehegerichts-Advocat. Schon in s. 19. Jahre gab er Gedichte heraus, die allgemeine Theilnahme erregten; er arbeitete an dem Würt. Gesangbuche von 1791 u. lieferte selbst Lieder dazu; 1782 u. f. gab| er den Schw. Musen-Almanach heraus; von 1791–93 setzte er Schubart’s Chronik fort; 17. Sept. 1795 fand er im Rhein den Tod. Auch seine beiden Brüder Gli. Frie. u. Carl Fri. u. seine Schwester Charlotte dichteten; die Gedichte der vier Geschwister erschienen 1827.

Joh. Hei. v. Dannecker, geb. 15. Oct. 1758, Zögling der Milit.-Acad., 1780 Hofbildhauer, bildete sich in Paris u. Rom weiter aus, 1790 Prof. d. Bildhauerkunst an d. w. Kunst-Academie, 1816 Hofrath, dann Director d. Kunstschule, R. d. Civ.-Verd.-O. u. d. w. Kr., starb hier 8. Dec. 1841. Einer der berühmtesten Meister der durch tiefes Eindringen in den Geist der Antike neugeborenen deutschen Sculptur. Seine durch zartes Gefühl für Naturwahrheit ausgezeichneten Hauptwerke sind: Ariadne, ein Christus, Amor und Psyche, die Klage der Ceres, ferner die Büsten von Schiller, Lavater, Gluck, der Könige Friedrich und Wilhelm und der Königin Catharina (Grüneisen u. Wagner, D.’s Werke u. Lebens-Abriß 1841.)

Fri. Wilh. v. Hoven, geb. 11. März 1759, Zögling d. Milit.-Academie, bald Hofmedicus in Ludwigsburg, 1803 Prof. in Würzburg, 1808 Kreis-Med.-Rath u. Director d. Krankenanstalten in Nürnberg, starb in Nördlingen 6. Febr. 1838; Jugendfreund Schillers, Verfasser einiger geschätzten med. Schriften (s. dessen anziehende Autobiographie 1840).

Victor Hein. Riecke, geb. 17. Mai 1759, ward 1782 Pfarrer der ev. Gemeinde Brünn in Mähren, 1802 Waisenhaus-Prediger u. Schulinspector hier, starb 14. Jan. 1830 als Pf. in Lustnau; hatte um das hies. Schulwesen große Verdienste.

Fri. Cha. Weisser, geb. 7. März 1761, erlernte die Schreiberei, 1785 Canzlist etc. bei d. Landschaft, 1806 O.-Steuerrath, 1811 mit d. Titel O.-Finanzrath, 1822 in d. Ruhestand versetzt, 9. Jan 1836 gest. Die hohe Bildung, welche seine Erzählungen, Romanzen, Epigramme, hauptsächlich aber seine witzigen Satiren bekunden, verdankt er dem Selbststudium. Die pros. Schr. erschienen 1818/22 in 6 Bdn.

Carl Frie. Stäudlin, Bruder des Obigen, geb. 25. Juli 1761, machte die theol. Laufbahn, ward nach größeren Reisen 1790 ord. Prof. d. Theologie in Göttingen, starb ebendaselbst 5. Juli 1826, früher Rationalist, später entschiedener Supernaturalist. Erwarb sich große Verdienste um die theol. u. kirchengeschichtliche Literatur. (Hemsen zur Erinnerung an C. F. St. 1826.)

Joh. And. Streicher, geb. 13. Dec. 1761, Zögling d. Milit.-Acad., vertrauter Freund Schillers, Virtuos auf d. Clavier u. rühmlich bekannter Pianofortefabr. in Wien, wo er 25. Mai 1833 starb.

Joh. Fri. Cotta v. Cottendorf, geb. 27. Apr. 1764, widmete sich anfänglich d. Rechtsfache, übernahm die Buchhandlung seines Vaters u. brachte sie durch großartige Thätigkeit zum glücklichsten Aufschwung. Er gründete die Allg. Zeitung, das Morgenblatt u. viele a. Zeitschriften, errichtete Zweig-Anstalten in München u. Augsburg u. verlegte die Werke der meisten großen Geister Deutschlands. Er erhielt 1810 die Freiherrnwürde, war für die Landwirthschaft u. die Dampfschifffahrt sehr thätig, seit 1819 rittersch. Abg., seit 1824 Vice-Präsid. d. Kammer d. Abg., starb 29. Dec. 1832 als Rittergutsbesitzer, Kammerherr, Commenthur u. Ritter mehrerer Orden.

Joh. Ge. Aug. v. Hartmann, geb. 5. Oct. 1764, stud. d. Rechts- u. Cameralw., 1788 Prof. d. letztern an d. hohen Carlsschule, 1806 aus den bei Georgii angegebenen Gründen einige Zeit außer Thätigkeit, 1812 Staatsrath, 1816 Geh.-Rath, 1817 Präsid. d. O.-Rech.-Kammer, 1818| Commth. d. Kr.-Ord., 1819 Präs. d. Central-Stellen des Wohlth. u. landw. Ver., 1835 R. d. Fried.-Ord., trat nach rühmlichen Bemühungen um die mit diesen Vereinen verbund. Anstalten 1847 in d. Ruhestand, starb 4. Jan. 1849. Er vertheidigte 1807 die Selbstständigkeit der Stiftungen u. die gesetzliche Freiheit der Gemeinden, schrieb (1792) eine Anleitung z. Hauswirthschaft, u. gab 1812 mit Laurop eine Zeitschrift für Forstwissenschaft (1802) heraus.

Carl Fri. v. Lebret, geb. 1. Nov. 1764, widmete sich d. Theologie, 1789 Bibliothekar u. Prof. d. Münzkunde u. Diplomatik an d. hohen Carlsschule, 1791 zugl. Inspector des Münz- u. Medallen-, u. 1806 d. Kunst-Cabinets; 1826 R. d. O. d. w. K., 1828 O.-Bibl. u. O.-Studienrath, starb 24. Oct. 1829; einer der ersten Polyhistoren Deutschlands von vielen Verdiensten um d. öff. Bibliothek.

Joh. Fried. Pfaff, geb. 22. Dec. 1765, Zögling d. Mil.-Academie, 1788 Prof. d. Mathem. an d. Univ. Helmstädt, 1810 in Halle, gest. daselbst 21. April 1825. Einer der ersten Mathematiker Deutschlands. Von s. Schriften ist der Versuch einer neuen Summations-Methode d. wichtigste. (Seine Lebensbeschr. s. Samml. v. Briefen von J. F. P. 1853.)

Joh. Carl Fri. Hauff, geb. 21. April 1766, Theologe, 1794 Prof. d. Philos. a. d. Univ. Marburg, 1817–1830 Prof. d. Physik in Gent, starb 24. Dec. 1846 in Brüssel; hat sich durch mehrere mathem. Schriften bekannt gemacht.

Benj. Ferd. v. Mohl, geb. 4. Juni 1766, stud. in d. h. Carlsschule d. Rechte, 1789 Prof. derselben an dieser, 1794 Reg.-Rath, 1811 Staats-Rath, 1820 lebensl. Mitgl. d. Kammer der Standesherren, 1830 Präsid. des ev. Consistor., 1841 pens., 6. Aug. 1845 gest. hier als Großkr. d. Kr.-Ord. u. R. d. Fried.-Ord.

Cha. Wilh. Ketterlinus, geb. 24. Dec. 1766, durch J. G. Müller in d. h. Carlsschule gebildet, 1789 Hofkupferstecher, ging 1799 nach Petersburg, wo er 18. Mai 1803 starb; ausgezeichneter Künstler.

Lud. Fri. v. Frank, geb. 4. April 1767, Carlsschüler, Medicinal-Rath, R. d. Kr.-Ord., starb 2. Dec. 1836. Verdienter Arzt, dessen „Arzt als Hausfreund“, von 1823–1854 acht Aufl. erlebte.

Lud. Fri. Griesinger, geb. 2. Juni 1767, stud. in Tüb. d. Rechte, Advocat in Stuttg., 1815/19 u. 1820/26 Abg. d. OA. Stuttg. z. Stände-Vers., starb hier 22. Febr. 1845. Ein gelehrter, namentlich im Civilfach ausgezeichneter Jurist, der sich durch die Fortsetzung des Danz’schen Handbuches (9. u. 10. B.) auch im deutschen Recht einen Namen machte. Sein Hauptwerk ist d. Commentar des würt. Landrechts in 10 B.

Cha. Lud. Neuffer, geb. 26. Jan. 1769, starb 29. Juli 1836 als Stadt-Pfarrer am Münster in Ulm; gab mehrere lyrische u. epische Gedichte, Sittengemälde etc., u. eine sehr geschätzte Übersetzung der Äneis heraus und war einer unserer besten Dichter.

Ge. Wilh. Fri. Hegel, geb. 27. Aug. 1770, machte d. theol. Laufbahn in Tübingen, wurde 1806 a. Prof. d. Philos. in Jena, 1808 Rector d. Gymnas. in Nürnberg, 1816 Prof. d. Philos. in Heidelberg, 1818 in Berlin, R. d. r. Adl.-O. III. Cl., starb daselbst am 14. Nov. 1831 an d. Cholera. Berühmter Philosoph, dessen gesammelten Schriften erstmals 1832–40 in 18 Bdn. erschienen sind. (C. Rosenkranz, G. W. F. H.’s Leben 1844.)

Ph. Fri. Hopfengärtner, getauft 28. Oct. 1769, Sohn des Obigen, ward 1794 Physicus in Stuttgart, 1801 Leibarzt, starb 1. Dec. 1807; ein| ausgezeichneter Arzt. Seinen Scharfsinn beweisen die von ihm verfaßten Bemerkungen über d. menschl. Entwicklungen (1792) u. die Kuh-Pocken (1799.)

Gli. Fri. Walz, geb. 7. Dec. 1771, stud. d. Medicin in d. h. Carlsschule u. die Thierarzneikunde in Wien u. Berlin, 1794 würt. Landthier-Arzt, 1806 Mitgl. d. Med.-Dep., 1825 O.-M.-R., seit 1821 zugleich Vorsteher u. Lehrer der Thierarzneischule, die durch s. Bemühungen geschaffen ward, starb 4. Febr. 1834. Als erster wissensch. gebildeter Thierarzt hatte er große Verdienste, namentlich um d. feine Schafzucht; schrieb 1806 ü. d. Behandlung d. Rinderpest u. 1809 der Schafraude.

Carl Cha. v. Klein, Sohn des Obigen, geb. 28. Jan. 1772, Carlsschüler, 1796 w. Hofmedicus u. Leibchirurg, 1806 O.-Med.-Rath, R. d. Civ.-Verd. u. russ. Wladimir-Ord. IV. Cl., gest. 9. Febr. 1825; sehr berühmt als Operateur, namentlich im Steinschnitte, Anhänger des Magnetismus u. Verf. mehr. Schriften über Chirurgie u. gerichtl. Arzneikunde.

Carl Cha. v. Flatt, geb. 18. Aug. 1772, ward 1803 Prof. d. Theol. in Tüb., 1812 Stifts-Prediger hier, später Director des Studien-Raths u. General-Superint. v. Ulm. Comm. d. Kr.-Ord., 1842 pens., 20. Nov. 1843 gest., kämpfte als Lehrer u. Schriftsteller für d. christl. Theismus gegen die neue Philosophie. Hauptschrift Untersuch. ü. d. Lehre v. d. Versöhnung der Menschen mit Gott, 1792, 2 Thle.

Tob. Fri. Lotter. geb. 14. Sept. 1772, dem Handelsstande gewidmet, 1817 Mitgl. d. Centralleit. d. Wohlth.-Ver., 1826 außero. Mitgl. d. Commiss. f. d. Erziehungshäuser, starb 20. Febr. 1834; um die Armenfürsorge, namentlich die Suppen-, Industrie-Anstalten u. Kleinkinder-Schulen, höchst verdient, schrieb, ohne sich zu nennen, mehrere gute, auf Erbauung u. Veredlung d. Jugend gerichtete Bücher, wie die Beispiele des Guten etc.

Joh. Her. Ferd. v. Autenrieth, Sohn des Obigen, geb. 20. Oct. 1772, Carlsschüler, nach großen Reisen 1796 Hofmedicus, 1797 ord. Prof. in Tüb., 1819 zugleich Vice-Canzler, u. 1822 Canzler d. Univ., 1828 consult. Leibarzt, R. d. Kr.-Ord., Mitgl. von 18 gelehrten ausl. Gesellschaften, starb 2. Mai 1835. Er schuf 1803 d. Clinicum u. trug nach u. nach fast alle Fächer d. Heilkunde vor; ausgezeichnet als Lehrer d. Anatomie, Physiol. u. gerichtl. Medicin; als Schriftsteller im med. u. naturhist. Fache berühmt, als pract. Arzt von europ. Ruf.

Cha. Hein. Pfaff, geb. 2. März 1773, Carlsschüler, 1797 Prof. d. Medicin, dann d. Chemie, R. d. Danebr.-Ord., u. 1829 dän. Staatsrath in Kiel, wo er 23. April 1852 starb; schrieb hauptsächlich ü. d. thier. Electricität (1795), ein System der mat. med. (1808 etc.), über Newtons Farbenlehre (1813), eine analyt. Chemie (1821) u. eine schleswig-holstein. Pharmacopöa (1832), u. war einer d. ausgezeichnetsten Physiker u. Chemiker s. Zeit.

Bernh. Gli. v. Denzel, geb. 29. Dec. 1773, Theologe, 1811 Inspector des neuerrichteten Schullehrer-Seminars in Eßlingen, von wo aus er 1816 bei der Organisation des Schulwesens im H. Nassau mitwirkte, erhob die Anstalt zu einer Zierde W.’s, 1830 R. d. Kr.-Ord., 1832 T. u. Rang eines Prälaten; starb 13. Aug. 1838. Er wirkte im Geiste Pestalozzis höchstverdienstlich f. d. Volksschulwesen. Verf. mehr. pädagog. Schriften.

Ferd. Aug. Hartmann, geb. 14. Juli 1774, Carlsschüler, bildete sich in Italien für die Kunst aus, 1810 Lehrer d. Geschichtsmalerei, und dann Director d. Kunst-Academie in Dresden, wo er 6. Jan. 1842 starb. Ausgezeichneter Portrait- u. Historien-Maler u. verdienstvoller Lehrer.

| Joh. Wilh. And. Pfaff, Bruder der zwei Obengenannten, geb. 5. Dec. 1774, Theologe, 1803 Prof. u. Hofrath an d. Univ. Dorpat, 1809 an d. Realinstitut in Nürnberg, 1817 o. Prof. a. d. Univ. Würzburg, 1818 an der in Erlangen, wo er 26. Juli 1835 starb. Geistreicher Physiker u. Mathematiker, u. auch durch s. Schriften über Astrologie bekannt.

Glo. Ge. v. Barth, geb. 21. Juni 1777, Carlsschüler, in Berlin, Paris u. Italien weiter ausgebildet, 1811 Hofbaumeister, 1818 O.-Baurath beim Fin.-Minist., 1834 R. d. Kr.-Ord., 1843 pens., starb 2. Jan. 1848. Die von ihm ausgeführten Staatsbauten: der Saal der Kammer der Abgeordneten, das Staats-Archiv, das Museum der bildenden Künste, die academische Aula in Tübingen etc., zeigen namentlich eine zarte Behandlung d. Formen.

Carl Lohbauer, geb. 30. Juni 1777, Carlsschüler, trat 1794 in w. Militärdienste, wurde Hauptmann, trat 1809 aus, machte aber 16. Juli 1809 den Feldzug gegen die Vorarlberger mit u. blieb 1809 vor d. Feinde; als Dichter u. Prosaist ausgezeichnet. S. ges. Schr. erschienen 1811.

Cha. Gli. Blumhard, geb. 29. April 1779. Theologe, 1803 Secretär d. deutschen Christenthumsgesellsch. in Basel, 1816 Inspector der dortigen Missionsgesellschaft, starb daselbst 19. Dec. 1838. Er war sehr thätig in diesem Beruf, gab das Miss.-Magazin heraus u. schrieb eine Missionsgeschichte.

Conr. Hein. Schweickle, geb. 28. März 1779, durch Scheffauer u. Dannecker, und dann in Frankreich gebildet, machte sich in Rom durch einen Amor in Marmor bekannt, Prof. der Bildhauerkunst an d. Akademie in Neapel, 1830 als des Carbonarismus verdächtig entlassen, starb in Stuttg. 2. Juni 1833.

Glie. Schick, geb. 15. Aug. 1779, Carlsschüler, bildete sich in Paris u. Rom weiter aus, kehrte von hier krank zurück u. starb in Stuttg. 7. Mai 1812; berühmter Maler im histor. Fache. Sein bestes Bild ist Apollo unter d. Hirten.

Cho. Fri. v. Schmidlin, geb. 25. Aug. 1780, widmete sich in Tüb. dem Rechtsfache, 1803 O.-Amtmann etc., 1821 prov., 1827 def. Minister d. Innern u. d. Kirchen- u. Schulwesens, als welcher er 28. Dec. 1830 starb; Comm. d. Kr.-Ord., R. d. Fried.-Ord., und sowohl seiner staatsmännischen Verdienste, als seines Characters wegen, von den höchsten Ständen an durch alle Classen noch im Tode geehrt.

Cho. Fri. Carl v. Kölle, geb. 11. Febr. 1781, stud. in Tüb. d. Rechte, 1803 Privat-Docent u. Hofgerichts-Advocat daselbst, 1806 Leg.-Secr. bei der w. Gesandtsch. in Paris, später im Haag, in München, in Carlsruhe, wo er an Hebels rheinländ. Hausfreund arbeitete, und in Dresden, 1815 w. Geschäftsträger in Rom, 1827 Geh. Leg.-Rath, R. d. Kr.-Ord., 1833 zurückgerufen, starb in Stuttg. 12. Sept. 1848. Seine polit. Schriften ü. Italien u. d. „Betrachtungen über Diplomatie“ haben bleibenden Werth.

Carl Hei. v. Schwab, geb. 20. März 1781, stud. in Tüb. u. Göttingen d. Rechte, machte schon 1804 d. s. Schrift „über d. unvermeidliche Unrecht“ Aufsehen in d. gelehrten Welt, trat 1807 in d. w. Staatsdienst, 1819 vortrag. Rath im Justiz.-Min., wo er sich mit vielen gesetzgeberischen Arbeiten, namentlich dem Pfandgesetz, beschäftigte, 1830 Präs. d. O.-Trib., 1831 Geh.-Rath u. Chef d. Just.-Minist., 1839 in letzterer Eigensch. in d. Ruhestand versetzt, starb als Comth. d. Kr.-Ord. u. R. d. Friedr.-Ord. 23. Jan. 1847.

Go. Cha. v. Seubert, geb. 9. Juli 1782, ward 1811 Pfarrer in| Freudenthal, 1822 Garnisons-Pf. in St., 1835 Generalsuperint. von Tüb., starb 7. Dec. 1835; ganz ausgezeichneter Canzelredner, gab 1822–27 eine kirchlich-protest. Zeitschrift, u. 1822–37 s. Predigten heraus.

Joh. Fri. Wilh. Müller, geb. 11. Dec. 1782, starb in Sonnenstein als Prof. d. Kunst-Academie in Dresden 3. Mai 1816, ebenso berühmt als Kupferstecher, wie sein Vater Joh. Gh. v. M. Johannes von Dominichino u. Madonna von Rafael sind wohl die ausgezeichnetsten s. Werke.

Gli. Cha. Eb. v. Etzel, geb. 15. Dec. 1784, ward 1807 Weginspector, 1810 durch Cabinetsbefehl s. Dienstes entlassen, 1817 Baurath, 1819 O.-Baurath beim Min. d. Innern, 1832 R., 1838 Comm. d. Kr.-Ord., starb 30. Nov. 1840; bekannt durch den Bau d. Wilhelmssteige, der Neckarbrücke bei Canstatt etc.

Carl Jac. Th. Leybold, geb. 19. März 1786, Sohn des Obigen, wurde in Wien und Italien gebildet, starb 20. Juli 1851 als Prof. an der Kunstschule, hochgeachtet als Historien- u. Portrait-Maler, mit feinem Gefühle für Anmuth der Form, Reiz, Kraft und Harmonie der Färbung. Erhielt von Göthe 1826 für eine Darstellung den ersten Preis.

Franz Cho. Fri. v. Kausler, geb. 21. Nov. 1789, machte als w. Artillerie-Officier die Feldzüge von 1812–15, starb als Oberst a. D. 10. Dec. 1848, bekannt durch s. militär-wissensch. Werke, welche d. Kriegsgeschichte u. d. Theorie u. Praxis d. Stabs-Officiers behandeln, namentl. seinen großen Schlachten-Atlas.

Gust. Benj. Schwab, Bruder des Obigen, geb. 19. Juni 1792, Theologe, machte schon 1809 wohlgelungene lyrische Versuche, 1817 Prof. am obern Gymn. hier, 1837 Pf. in Gomaringen, 1841 Stadt-Pf. u. Amtsdekan hier, 1845 O.-Consist. u. O.-Studien-Rath, starb 4. Nov. 1850. Er steht durch s. Gedichte (erstmals ges. 1829), namentlich s. köstlichen Romanzen voll schwäb. Volksthümlichkeit u. patriot. Innigkeit s. Vorbilde Uhland würdig zur Seite. Auch durch Sammelwerke hat er sich um d. deutsche Poesie u. durch s. „Neckarseite d. schwäb. Alp“ (1823) u. „der Bodensee“ (1827) um die Landeskunde verdient gemacht.

Cha. Gli. Uber, geb. 14. Mai 1795, bildete sich in Ludwigsburg, ging 1818 nach Berlin, 1827 K. preuß. Hofbildhauer, R. d. r. Adler-O. III. Cl., u. d. sächs. O. vom weißen Falken, starb 14. März 1845 in Berlin. Dort u. in Weimar sind mehrere s. trefflichen Marmorgebilde.

Carl Fri. Heinzmann, geb. 2. Dec. 1795, ward durch Seele f. d. Malerei gebildet, trat 1814 in das w. Milit., 1815 Officier, ging bald darauf mit Unterstützung des Königs nach München, widmete sich ausschließlich der Landschafts-Malerei, namentlich auf Porcellan, und brachte es hierin zu anerkannter Meisterschaft; starb dort 9. Juli 1846.

Carl Göriz, geb. 3. Nov. 1802, bildete sich in Hohenheim u. Tüb. f. d. Landwirthschaft, machte größere Reisen, ward Verwalter von Privat-Gütern, 1831 Prof. d. Landw. in Hohenheim, 1845 Prof. d. Land- u. Forstw. in Tüb., wo er 5. Februar 1853 starb. Seine verdienstliche literarische Thätigkeit ging vornemlich auf rationelles Sammeln von Erfahrungen; sein Hauptwerk ist d. Landw. Betriebslehre (1852 etc.)

Wilh. Hauff, geb. 29. Nov. 1802, Theologe, 1827 Redacteur des Morgenblattes, starb 18. Nov. 1827; verfaßte innerhalb zwei Jahren mehrere beliebte Dichtungen, wor. namentlich Lichtenstein u. die Phantasieen im Bremer Rathskeller hervorragen. S. sämmtl. Werke erschienen 1854 in sechster Aufl.

| Albert Const. Lucian Schott, geb. 27. Dec. 1809, Theologe, starb 21. Nov. 1847 als Prof. am hiesigen oberen Gymn. u. Mitgl. d. stat-top. Büreau; verdient, hauptsächlich durch seine Sprachstudien.

Adolph Schoder, geb. 2. Dec. 1817, stud. in Tüb. d. Rechte. 1843 O.-Just.-Assessor, 1845 Canzlei-Dir. im Min. d. Innern, 1848 Abg. z. Ständevers. u. Nationalvers., 1849 Vice-Präs. d. letzteren, verließ d. Staatsdienst, Rechts-Anwalt, 1851 Präs. d. Stände-Vers., starb 12. Nov. 1852. Führer der Volks-Partei u. angesehen durch Talente u. Rednergabe. (S. das Leben Ad. Sch. zur Erinnerung für s. Freunde etc., Stuttg. 1852.)

Von den hier geborenen Frauen sind drei wegen ihres merkwürdigen Lebens auszuzeichnen, wovon nur die letztgenannte unmittelbar im Auslande bekannt wurde, indeß die anderen in engeren Kreisen namentlich durch werkthätige Religiosität sich einen Namen machten.

Beata Sturm, geb. 17. Dec. 1682, in der Jugend fast ganz erblindet, gest. 11. Januar 1730, eine geistliche Heldin der inneren Mission, die sich ganz den armen Kranken u. Nothleidenden opferte, daher die würt. Tabea genannt. (S. C. G. Rieger, d. würt. Tabea, 4. Aufl. 1791. Dagegen erschien: würt. Heiligenlegende etc. Halle 1789.)

Fri. Ros. Vischer, geb. 14. Mai 1703, Gattin des oben erwähnten J. J. Moser, starb während dessen Gefangenschaft 3. Sept. 1762. (S. J. J. Moser Etwas aus dem inneren Leben der Frau etc. 1775.)

Elise (Maria Christiane Elisab.) Hahn, geb. 19. Nov. 1769, bot dem Dichter Bürger, von dessen Gedichten hingerissen, in einem Gedichte die Hand zu einer Ehe (1790), die für denselben nicht glücklich war. Nach der Scheidung 1792 wurde sie Schauspielerin u. starb 24. Nov. 1833 in Frankfurt a. M. Sie schrieb 1799–1814 Gedichte, Romane u. Schauspiele.


  1. Die von drei zu drei Jahren für die Zwecke des Zollvereins stattfindenden Volkszählungen haben die Ortsanwesenden zum Gegenstand; während die seit 1828 vorgeschriebenen jährlichen und zwölfjährlichen Berechnungen der Bevölkerung nicht die Anwesenden oder die thatsächliche Bevölkerung, sondern blos die Angehörigen betreffen. Da nun diese amtlichen Berechnungen für die interessanteren Beziehungen Vergleichungen mit anderen Städten nicht zulassen, so wurde bei Darstellung, mehrerer Verhältnisse Cleß und Schübler, medic. Statistik von Stuttgart, 1815, 8. Pimmel, Untersuchungen über die Bevölkerung von Stuttgart, Dissert. u. d. Präs. von Schübler, Tüb. 1834, Dr. G. Cleß, die Geburts- und die Sterblichkeits-Verhältnisse Stuttgarts im Jahr 1847 in den Jahresheften des V. für vaterländische Naturkunde IV, S. 120. und mehrere schätzbare Aufsätze des Letzteren in Elbens Schwäbischer Chronik benützt, welche alle sich auf die Kirchenregister gründen, die Weiler jedoch außer Berechnung lassen.
  2. In Frankfurt a. M. ist dieses Verhältniß = 225:350. S. Meidinger zur Statistik von Frankfurt a. M. S. 23.
  3. In Berlin 1828–1849 = 1:28,21, 1850 = 1:29,69, 1851 = 1:28,68, 1852 = 1:27,74. In Wien 1830–1847 = 1:20 (Hain). In Dresden = 1:23, Hamburg 1826–1835 = 1:31 (Neddermeier). Paris = 1:27. London = 1:35 (Cleß). Rom 1817–25 = 1:30,23. Petersburg 1813–1822 = 1:46,7. Brüssel 1834 = 1:26,0 L. Moser, Ges. der Lebensdauer.
  4. Doch kam zu Ende des 15. Jahrhunderts der merkwürdige Fall vor, daß eine Weingärtnersfrau zwölf Söhne nacheinander gebar, die alle das männliche Alter erreichten, weswegen sie von Kaiser Maximilian I. die Freiheit erhielt, einen zum Tode verurtheilten Übelthäter zu erlösen. Auch die Frau des Präceptors Nast gebar 8. September 1774 den zwölften Knaben, ohne je ein Mädchen geboren zu haben.
  5. Berlin 1825–1827 = 1:88. Leipzig 1801–1831 = 1:86,66. Hamburg 1823–1829 = 1:80. Paris = 1:91. London = 1:90. (L. Moser S. 217.)
  6. In Berlin bessert es sich: 1785–1821 = 1:19,5, 1842 = 1:23,37, 1852 = 1:25. Hamburg 1820–1827 = 1:16. Leipzig = 1:17,7. Paris 1804–14 = 1:22,1.
  7. Von den im Etatsjahre 1853–1854 in dasselbe aufgenommenen 378 Frauenspersonen haben sich 256 in Stuttgart aufgehalten und 122, die von auswärts gekommen, nur behufs ihrer Entbindung Aufnahme gefunden.
  8. In Berlin 1849 = 1:5,4, 1851 = 1:5,57, 1852 = 1:6,93. Königsberg = 1:3,5. Wien 1839–47 = 1:2,07, 1848 = 1:1. Grätz 1839–1847 = 1:1,6 (Hain). München manchmal = 1:1. Dresden 1832–1839 = 1:4,6, 1849 = 1:3,6. Hannover 1852 = 1:4. Frankfurt a. M. 1822–46 = 1:6,6, Hamburg 1826–1835 = 1:5, Bremen 1852 = 1:7,4. Lübeck 1852 = 1:5,1. Paris 1817–1823 = 1:1,7, 1841–1850 = 1:3. London 1845–1847 = 1:3,8. Brüssel 1841–1850 = 1:3. Haag 1850 = 1:9. Amsterdam 1850 = 1:11 (Horn, Studien).
  9. In Wien 1830–1847 = 1:20,2 (Hain), 1847 und 1851 = 1:23. Berlin 1828–1849 = 1:31,38, 1849 = 1:30, 1850 = 1:37,94, 1851 = 1:37,79, 1852 = 1:37,97. Dresden 1800–1837 = 1:30,5. Hamburg 1819–1825 = 1:34. Amsterdam 1829 = 1:27,3. Paris 1822–1826 = 1:36,4. Rom = 1:25. Genf 1842–1845 = 1:47. Venedig = 1:20,4 (Hain). London = 1:46. St. Petersburg = 1:37.
  10. In Wien 1830–1847 3,411, im Königreich Preußen 1816–1849 2798 von 10.000 Neugeborenen (Hain).
  11. Die Bevölkerung von Berlin hat sich mit 203.668 im Jahr 1825 und 423.846 im Jahr 1852 innerhalb 27 Jahren verdoppelt, und zählte 1590 nur 12.000 Einwohner. Die Zunahme ist neuerlich 3 Proz. jährlich. Diejenige von München hat sich vom Jahr 1688–1818 und von da bis 1852 verdoppelt. Von allen deutschen Städten erfolgte die Vermehrung von Elberfeld-Barmen am Stärksten; sie stieg von 14.540 im Jahr 1792 auf 74.648 im Jahr 1852. In Cöln bedurfte die Verdoppelung 36–37 Jahre, von 47.000 im Jahr 1815 auf 100.000 im Jahr 1852. Die Bevölkerung der nicht genannten deutschen Residenzen scheint sich weniger rasch zu vermehren. Weimar bedarf zu seiner Verdoppelung mehr als 100 Jahre, ebenso Paris, dessen Zahl von 509.640 im Jahr 1719 erst im Jahr 1851 auf 1.021.530 Einwohner gestiegen ist. Die Bevölkerung von London dagegen ist von 958.863 im Jahr 1801 auf 2.361.640 im Jahr 1861 gestiegen und hat sich von 1801–1841 verdoppelt.
  12. S. Württ. Jahrbücher für 1833. 1. Heft. S. 371.
  13. Von Professor Dr. Otto Köstlin. Derselbe bemerkt, daß, um die Gesundheitsverhältnisse eines Ortes in der rechten Weise zu schildern, eigentlich langjährige statistische Übersichten der daselbst aufgetretenen Krankheiten erforderlich wären. Da dieselben fehlen, so bleiben nur Angaben über einzelne Bruchtheile des ganzen Beobachtungsgebietes übrig. In dieser Hinsicht gewähren insbesondere die Ergebnisse des unten zu beschreibenden Catharinenhospitals (C.-Hosp.) die wichtigsten Anhaltspunkte. Sie sind seit mehr als 30 Jahren im Correspondenzblatte des württ. ärztlichen Vereins enthalten; von den J. 1828–1833 hat G. Cleß eine umfassende Übersicht (Medicinische Statistik der inneren Abtheilung des C.-Hosp. in St. 1841) herausgegeben. Da übrigens diese Ergebnisse sich hauptsächlich auf die meist in einem Lebensalter von 20–80 Jahren stehenden Dienstboten und Handwerksgehilfen beschränken, so hat der Verf. die Krankheitsübersichten des unten zu erwähnenden Instituts der Armenärzte mitbenutzt, welche zwar nur auf die Kranken in den niederen Classen sich beziehen, aber doch alle Altersstufen umfassen und groß genug sind, um bestimmte Schlüsse zu erlauben. Außerdem hat der Verf. seine eigenen Erfahrungen, die S. 62 erwähnten Schriften von Cleß und Schübler und von Plieninger und die Todtenregister benützt. Vergl. auch G. Cleß, Geschichte der Schleimfieber-Epidemieen in St. von 1783–1836. Stuttg. 1837.
  14. Ein jedoch nicht vollständiger Wegweiser zu den in den Bereich der inneren Mission gehörenden Vereinen etc. erschien 1850. Stuttg. 8.
Berichtigungen und Ergänzungen
  1. Korrigiert nach Seite III S. 65 L. 10 von unten ist Unter der Zahl anstatt Unter die etc. zu lesen.


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