« Kapitel B 9 Beschreibung des Oberamts Welzheim Kapitel B 11 »
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10. Gemeinde Unter-Schlechtbach,
bestehend aus 6 Parcellen, mit 1310 Einwohnern.
Dieser Bezirk gehört ausschließlich dem bei Rudersberg erwähnten Wieslaufthale an. Seine Breite und Länge beträgt je eine Stunde. Die Anhöhen zu beiden Seiten des Thales sind mit Weinreben besetzt und dieses ist der Länge nach von der Wieslauf bewässert und von der bei Rudersberg erwähnten Straße durchzogen. Der Bezirk grenzt westlich an das Oberamt Waiblingen, südlich und östlich an das Oberamt Schorndorf. Er genießt eines milden Klimas und die Sterblichkeit ist gering; die Lage von Lindenthal scheint jedoch der Gesundheit nicht sehr zuträglich zu seyn. Ackerbau, Weinbau und Wieswachs sind ergiebig, und besonders verdient der Kartoffelbau Erwähnung. Allein der Boden reicht hier noch weniger für die anwachsende Bevölkerung hin, als in Rudersberg, obgleich hier die wenigsten Geburten (oben S. 35) vorkommen. Die landwirthschaftlichen und Nahrungs-Verhältnisse sind wie dort. Die Markung ist von allen Gemeinden die kleinste und fast am Stärksten parcellirt. Die Einwohner sind sehr fleißig und sparsam. Der Besuch der Wirthshäuser findet nur bei außerordentlichen Gelegenheiten Statt. Es sind 206 Haupt- und 97 Neben-Gebäude da. Alle Felder werden flürlich gebaut. Ein Morgen Ackers wird zu 125–280 fl., Garten 300 bis 400 fl., Wiesen 150–350fl., Weinberg 200–250 fl., Wald 100–160 fl. verkauft. Am Höchsten stehen die Güterpreise in Oberschlechtbach, am Niedrigsten in Lindenthal. Durchschnittlich soll nur das fünffache Saatkorn geerntet werden. Weinbau findet in Unterschlechtbach, Lindenthal und Michelau Statt. Die Obstkultur findet stets mehr Aufnahme. Die Stallfütterung ist seit längerer Zeit eingeführt und der Rindviehstand gut. Die Farrenhaltung liegt der Stabsgemeinde ob. An Gewerben sind nur 2 Mahlmühlen und 1 Gips- und 1 Öl-Mühle zu erwähnen; doch weben auch viele Einwohner Leinwand zum Verkaufe. Andere gewerbliche | Erzeugnisse werden nicht ausgeführt; auch keine landwirthschaftliche, indem – wie erwähnt – der Ertrag des Feldes kaum das eigene Bedürfniß befriedigt.

Der Bezirk ist dem Forstamte Schorndorf zugetheilt. Der große Zehente steht dem Staate, der kleine den Pfarreien, der Novalzehente von den seit 1806 entstandenen Neubrüchen zu Unterschlechtbach und Lindenthal der Standesherrschaft Limpurg-Sontheim-Gaildorf zu. Diese ist auch im erstgenannten Orte zum Theil und im letztgenannten allein Grundherrin. An den grundherrlichen Rechten des Staats hat die Gemeinde seit 1817 für 1131 fl. 52 kr. abgekauft. Unterschlechtbach und Lindenthal sind nach Rudersberg, die übrigen Parcellen nach Steinenberg, OA. Schorndorf, eingepfarrt. Eine Schule ist in Unterschlechtbach. Unterschlechtbach stand bis 1806 zum Theil, und Lindenthal ganz unter limpurgischer Hohheit. Die übrigen Bestandtheile der Gemeinde waren früher Zugehörden des Amtes Rudersberg (s. dort). Der im Jahr 1821 gebildete Gemeindebezirk Mittelschlechtbach (aus diesem Orte, Michelau und Oberschlechtbach bestehend) wurde 1834, unter Vereinigung desselben mit dem von Unterschlechtbach, aufgelöst.

1) Unterschlechtbach, früher Großschlechtbach, Dorf mit 429 evangel. Einwohnern an der Wieslauf. Mit Ausnahme des dem Grafen v. Pückler Namens der Standesherrschaft Limpurg-Sontheim-Gaildorf auf einem besondern Distrikte zustehenden Weinzehenten ist der Staat alleiniger Zehentherr. In die übrigen Grundgefälle theilen sich dieselben, indem der genannten Standesherrschaft die Grundherrlichkeit über 11 übrigens längst zertrümmerte Lehen zusteht. Der Ort ist Sitz eines Revierförsters. Das Schulhaus, das früher auch als Rathhaus benützt ward, wurde 1821 erbaut. Die Nahrungsverhältnisse sind zuvor angegeben worden. An der früher in Oberschlechtbach befindlich gewesenen Schule, die bereits 1686 als Sommerschule bestand, stehen ein Schulmeister und ein Gehilfe. Die Errichtung einer Industrieschule ist im Werke. Ein Begräbnißplatz ist nicht vorhanden.

Die drei Orte Schlechtbach waren einst, wie wir bei Rudersberg sahen, eine Zugehörde der Burg Waldenstein; die Grundherrlichkeit aber befand sich frühe schon in verschiedenen Händen und es waren hauptsächlich einige Bürgerfamilien Schorndorfs | daran betheiligt. Heinricus dictus Hezze (Heß) bekennt 1298, er habe dem Kloster Adelberg um seiner Seele Heils wegen tertiam partem curie sitam apud oppodum quod vulgariter Minnerslecbach appellatur, den er von Ritter Walter von Urbach erkauft, übergeben. Das Kloster Gotteszell verkaufte 1436 an Hans Schelz, genannt Küchenmeister und seine Hausfrau Margaretha Gaisbergerin in Schorndorf, 1 Gut zu Michelau, 1 zu Schlechtbach und 1 zu Lindenthal; dieser kauft 1439 von Anna Gaisberger, Claus Ötingers Gattin, 4 Lehen zu Asperg und Krehwinkel und 6 zu Schlechtbach. Diese Güter kamen 1475 an Sigmund Heß zu Schorndorf und wurden von Graf Ulrich von Württemberg für steuerfrei erklärt. Herzog Ulrich kaufte dieselben, sammt der Vogtei darüber, 1541 und 1544 von Thomas und Philipp Heß um 880 fl. – Wegen Waldenstein besaß Württemberg zuvor schon die Mahlmühle und 8 Lehen hier. Die 11 Lehen, welche Limpurg in Unterschlechtbach besaß, kaufte dieses theils 1478 von Eberhard von Urbach, und theils mit Lindenthal. Limpurg und Württemberg übte je auf seinen Gütern alle Hohheit und Obrigkeit aus, bis 1806 der ganze Ort unter württembergische Hohheit kam.

Die Zehentrechte des Staats hier und in Lindenthal rühren von der vormaligen Pflege des Hochstiftes Constanz in Schorndorf, wegen der Pfarrei Oppelsbohm, her.

Aus der Bezeichnung »oppidum« ist zu schließen, daß hier einst eine Burg stand, worüber jedoch alle weiteren Nachrichten mangeln. Dort saß wohl der Diepoldus de Slechbach, der 1181 im Gefolge Kaisers Friedrich I. des Hohenstaufen vorkommt. (Besold.)

2) Kirschenwasenhof, Hof mit 10 evangel. Einwohnern, liegt 1/4 Stunde von Unterschlechtbach, auf der Höhe des sogenannten Kirschenwasen, auf der Markung von Mittelschlechtbach, auf der Grenze des OA. Schorndorf. Von dem Heuzehenten ist der Hof befreit; die übrigen Grundgefälle stehen dem Staat zu. Dieses nur 15 Morgen große Gütchen ist neueren Ursprungs.

3) Lindenthal, früher Lindithal, Weiler mit 238 evangel. Einwohnern, westlich 1/2 Stunde von Unterschlechtbach. Mit Ausnahme eines Districtes, wovon dem Grafen v. Pückler, als Inhaber der Standesherrschaft Limpurg-Sontheim-Gaildorf, der Weinzehent zusteht, ist der Staat alleiniger Zehentherr. Die übrigen grundherrlichen Rechte gehören zu der ebenerwähnten Standesherrschaft. Der Ort liegt in einem anmuthigen Seitenthale unter Obstbäumen versteckt. Von Berg und Wald eingeschlossen, ist der Kessel nur gegen Osten offen. Die Menschen erreichen selten die gewöhnliche Größe und haben ein blasses Aussehen. Nächst dem Weinbau ist | der Wieswachs zu erwähnen, welcher bedeutender als der Ackerbau ist. Ursprünglich mit Waldenstein verbunden, kam auch dieser Ort in die Hände von schorndorfer Bürgern. Ulrich Sorg, ein solcher, kaufte 1352 vom Kloster Adelberg Alles, was es hier besaß, ausgenommen 1 Morgen „Wingarts“ um 208 Pfund Heller. Diese Güter, aus 13 Lehen bestehend, kamen später an die Schertlin, Heß und Weselin zu Schorndorf; der Held Sebastian Schertlin kaufte 1528 und 1529 das Ganze zusammen und veräußerte es 1531 an Limpurg, welches sofort bis 1806 alle Hohheit und Obrigkeit hier ausübte. Württemberg hatte nur den großen Zoll und 11 Sch. Heller Küchengeld von dem bei Unterschlechtbach erwähnten Gute. Jeder der Unterthanen hatte früher an Limpurg jährlich einen „Hackbömisch“ (3 kr.) als Surrogat zu entrichten, weil sie zuvor „den Stabherren gen Schorndorf einen Tag dienen“ mußten.

4) Michelau, früher Michenlau, Weiler mit 216 evang. Einwohnern, südlich 3/4 Stunden von Unterschlechtbach, an der Grenze des OA. Schorndorf. Der große und Wein-Zehent gebührt dem Staat, in den kleinen theilen sich dieser und die Pfarrei Welzheim, welche statt des ganzen Heuzehenten 44 kr. anzusprechen hat. Die übrigen Grundgefälle bezieht der Staat. Der Ort zählte nur 103 Einw. im J. 1774; die Zahl hat sich also indessen verdoppelt. Er theilt mit Unterschlechtbach seine Verhältnisse und war ein Bestandtheil der Herrschaft Waldenstein; Württemberg erwarb aber seine grundherrlichen Rechte an sieben Hoftheilen allermeist erst 1541 und 1543 von Heß. Das Kloster Adelberg besaß einige Zehentrechte und die Mahlmühle; das Stift Backnang einen 1520 von Georg v. Gaisberg erworbenen Hof, und das Kloster Lorch die übrigen Zehenten und die Kelter, wovon es der Kellerei jährlich einen Eimer Wein zu reichen hatte. In alten Zeiten und noch 1567 war der Ort Filial von Welzheim. Des Alberts von Michelau, der im Dienstverhältnisse zu Waldenstein stand, ward oben S. 240 gedacht.

5) Mittelschlechtbach, Weiler mit 216 evang. Einwohnern, ist beinahe ganz verbunden mit Unterschlechtbach, und von diesem nur durch die Wieslauf getrennt. Alle Zehenten, einschließlich eines Heuzehentgeldes, bezieht der Staat, dem auch die übrigen Grundgefälle gebühren. Im Übrigen s. oben. Der Ort kam mit Waldenstein an Württemberg, welches dadurch auch alle grundherrlichen Rechte, in der Mühle und 10 Lehen bestehend, erwarb.

6) Oberschlechtbach, Weiler mit 215 evang. Einwohnern, beinahe ganz mit Unterschlechtbach verbunden, an der Wieslauf. – Die Zehent- und grundherrlichen Verhältnisse sind die so eben beschriebenen, mit dem Unterschiede, daß der Ort von dem Heuzehenten | befreit ist. Über Nahrungs- und andere Verhältnisse s. zuvor. Auch dieser Ort kam durch Waldenstein an Württemberg; mit dieser Burg waren 7 Lehen verbunden. Die Custoreipfründe des Stiftes Lorch bezog von zwei Lehen den Zehenten, da dieselben in alten Zeiten Filialien derselben waren. Auch in Mittelschlechtbach bezog dieselbe einige Zehentrechte, woraus Ähnliches zu schließen ist. Am 13. Sept. 1843 brannten 4 Wohngebäude und 1 Scheune ab.

Nach dem Kellerei-Lagerbuch von 1690 liegen Äcker zwischen Ober- und Unter-Schlechtbach „in der Römerklingen.“ Auch auf der Markung von Michelau heißt eine Weinberghalde „im Römerstein“ und eine Wiese „der Römergraben.“ Es ist daher wahrscheinlich, daß auch das Wieslaufthal den Römern zum Aufenthalt gedient hatte.


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