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Pliezhausen,

Gemeinde II. Klasse mit 1259 Einwohnern, worunter 5 Kath. und 9 eig. Konf. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Tübingen eingepfarrt. 31/8 Stunden nordöstlich von Tübingen gelegen.

Der große, in die Länge gezogene Ort hat eine geschützte und sehr freundliche Lage in einer Mulde oberhalb des linken Neckarthalabhanges. Schöne Obstbaumwiesen umschließen ihn rings und hübsche Gärtchen liegen überall zwischen seinen großenteils stattlichen Häusern, die ziemlich zerstreut an den reinlichen, gekandelten, wie der Ort selbst, bergan führenden Straßen stehen. Von jeder höheren Stelle aus hat man eine prachtvolle Aussicht über das Neckarthal und an die ganze Albkette vom Hohenstaufen bis zum Plettenberge. Die Kirche, einst eine Wallfahrtskirche, liegt hoch und schön am östlichen Saume des Dorfes auf dem noch ummauerten früheren Friedhofe, ist ganz in spätgothischen Formen erbaut und bildet ein Rechteck mit westlich angebautem Thurme; über dessen Portale steht 1523.

An der Westseite des Schiffes, nördlich vom Thurme, ist das römische Steinbild eines Merkur in halberhabener Arbeit eingemauert, auf der anderen Seite ein romanischer Fratzenkopf. An der Südseite der Kirche befindet sich ein schönes spätgothisches Portal; das hier unterbrochene Gesimse endigt in Thierköpfe; über der an derselben Seite angebauten Sakristei sind zwei gothische Schlußsteine, Jakob und Maria darstellend, eingemauert. Die Kirche wurde 1778 erweitert. Das Innere hat eine flache Decke, gegen Osten erhielten sich noch die vier Gurtträger des früheren Chorgewölbes, die Brustbilder der vier Kirchenväter darstellend. Die Orgel steht auf der östlichen Empore; der Taufstein ist alt, hohl und achteckig. Der sehr alte dreistockige Thurm hat in seinem unteren Geschoß 61/2′ dicke Mauern und wird von einem ziemlich hohen vierseitigen Zeltdache bekrönt.| Von seinen drei Glocken hat die größte als Umschrift die Namen der vier Evangelisten in gothischen Minuskeln und die Jahreszahl 1493, die mittlere trägt dieselbe Umschrift und die Jahreszahl 1483; die dritte: 1809 gegossen Franz Kurz in Reutlingen. Außen an der Kirche stehen alte, zum Theil dreihundertjährige Grabdenkmale. Die Baulast ruht auf der Stiftungspflege; Orgel und Glocken hat die Gemeinde zu unterhalten.

Der neue Begräbnißplatz ward 1864 außerhalb des Ortes angelegt.

Zunächst der Kirche hat das von den Spitälern Nürtingen und Urach zu unterhaltende Pfarrhaus eine herrliche freie Lage mit prachtvoller Aussicht; die starken Mauern seines ersten Stockes rühren von einem alten Schlosse her und zeigen noch Schießscharten.

Das schon alte, im Jahr 1836 gründlich erneuerte Rathhaus befindet sich in gutem Zustande.

Das stattliche Schulhaus enthält zwei große, helle Lehrzimmer und die angenehme Wohnung des Schulmeisters; die Gemeinde beabsichtigt im Jahr 1868 ein zweites Schulhaus für einen weiteren Schulmeister zu bauen.

Eine Kelter mit zwei Bäumen; zwei Armenhäuser und ein großer Schafstall bestehen.

Ein uraltes hohes Haus führt den Namen „der Spital,“ aus welchem Grunde weiß man nicht; sodann war das jetzige Gasthaus zum Lamm früher ein Schlößchen, wie seine reichere Bauart noch jetzt verräth. An seinem steinernen ersten Stock ist gegen den Hof hin eingemeißelt: Anno D. 1623. Diser Bau stet in Gottes Hand Und ist zum braiten Stain genannt; der zweite mit hübschem Holzwerk verzierte Stock zeigt noch Reste von Bemalung und einige Inschriften (Sprüche).

Sehr gutes Trinkwasser liefern hinreichend drei laufende und drei Ziehbrunnen; das Wasser zu zwei der laufenden Brunnen wird in hölzernen Deucheln weit hergeleitet, der dritte, eine ausgezeichnet reiche und gute Quelle, entspringt im Orte selbst und wurde erst vor einigen Jahren aus dem Sandsteinfelsen, worauf das Dorf ruht, ergraben.

Auch außerhalb des Ortes lassen sich mit Leichtigkeit Brunnen graben, überdieß fließt der Häringswiesenbach und der Merzenbach über die Markung und an ihrem Saume strömt der Neckar hin, der zuweilen das Thal überschwemmt und Schaden anrichtet. Eine Wette ist vorhanden.

| Vicinalstraßen gehen von hier nach Kirchentellinsfurth, Oferdingen, Mittelstadt, Neckar-Tenzlingen und Gniebel. Zwei steinerne von der Gemeinde zu unterhaltende Brücken führen über den Häringswiesenbach und über den Merzenbach.

Die Einwohner, besonders die Männer, ein schöner kräftiger Schlag, erreichen nicht selten ein hohes Alter (der älteste Ortsbürger zählt gegenwärtig 86, und mehrere bald 80 Jahre); sie sind fleißig, betriebsam, geordnet, auch fehlt es ihnen nicht an kirchlichem Sinne. Ihre Volkstracht ist verschwunden, was darin seinen Grund hat, weil sehr viele Ortsangehörige auswärts, namentlich in Städten, arbeiten.

Erwerbsquellen sind Feldbau, Viehzucht und etwas Weinbau; doch leben die meisten Bürger durch Arbeit in den großen weitberühmten Steinbrüchen auf hiesiger Markung, oder sie suchen als Maurer, Ipser, Steinhauer und Zimmerleute auswärts, namentlich auch im Elsaß und in der Schweiz, ihr Auskommen. Genannte Steinbrüche, herrlicher weißer Keupersandstein, liefern Bausteine weithin, bis zu den Dombauten von Ulm und Köln, ferner unzählige Mühlsteine, hauptsächlich nach der Schweiz. Ganz Reutlingen samt seiner Marienkirche soll von den Pliezhauser Steinen erbaut sein. Handel mit Fegsand wird ebenfalls getrieben.

Außer den schon angeführten Gewerben arbeitet kein anderes nach außen; vier Schildwirthschaften, zwei Kauf- und zwei Kramläden bestehen.

Die Vermögensverhältnisse gehören zu den mittleren; der begütertste Bürger besitzt etwa 30, der Mittelmann 12–14 Morgen, die ärmere Klasse 1 Morgen oder auch gar kein Grundeigenthum.

Bürger von den Nachbarorten haben viele Güterstücke auf hiesiger Markung inne.

Die Bodenverhältnisse der mittelgroßen Markung sind zwar ziemlich verschieden, jedoch im allgemeinen fruchtbar, zum Theil sehr fruchtbar; sie bestehen hauptsächlich aus Lehm, dem zuweilen eine günstige Beimengung von Sand zukommt. Zur Besserung des Bodens verwendet man, außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln, auch Asche und Gips.

Das Klima ist mild, doch schaden zuweilen Frühlingsfröste den feineren Gewächsen und der Obstblüthe. Hagelschlag kommt selten vor.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe (Brabanter Pflug, Walze, eiserne Egge, Repssämaschine) gut und umsichtig betrieben.

| Von den Cerealien baut man vorzugsweise Dinkel und Gerste; letztere geräth vorzüglich. Die häufigsten Brachgewächse sind hier Kartoffeln, dreiblättriger Klee, Wicken, Kraut, Reps, Mohn, Hanf und Flachs; die beiden letzteren kommen häufig nach außen zum Verkauf, ebenso wird ziemlich viel Getreide auf der Schranne in Reutlingen abgesetzt.

Der Wiesenbau ist beträchtlich und liefert insbesondere im Neckarthal ein sehr gutes Futter.

Der früher ausgedehntere Weinbau ist nicht mehr bedeutend; man zieht vorherrschend Sylvaner, Klevner und nur wenig mehr Müllertrauben; das Erzeugniß, das theilweise in benachbarte Dörfer abgesetzt wird, ist mittelgut und wurde im Jahr 1865 mit 72 fl. per Eimer bezahlt.

Der sehr ausgedehnte Obstbau beschäftigt sich hauptsächlich mit den gewöhnlichen Mostsorten und etwas Zwetschgen; der Obstertrag wird gemostet, gedörrt, gebrannt und in günstigen Jahren in großer Menge nach außen verkauft.

Der Holzertrag aus den Gemeindewaldungen wird verkauft, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von etwa 800 fl. sichert.

Eigentliche Weiden sind nicht vorhanden und nur die Stoppelweide wird gegenwärtig um 175 fl. jährlich an Ortsbürger, welche vom 1. März bis Georgi 200, nach der Ernte 300 und von Martini bis zum neuen Jahr 500 Stück Bastardschafe laufen lassen, verpachtet. Die Überwinterung der Schafe geschieht im Ort und die Wolle wird nach Metzingen und Reutlingen abgesetzt. Die Pferchnutzung trägt der Gemeinde 400 fl. ein.

Die Gemeinde besitzt überdieß einige Güterstücke, aus denen sie ein jährliches Pachtgeld von etwa 1000 fl. bezieht; überdieß sind ergiebige Allmanden vorhanden, welche den Ortsbürgern unentgeltlich zur Benutzung überlassen werden.

Die Rindviehzucht wird ziemlich gut getrieben; sie beschäftigt sich mit verschiedenen Racen, die durch zwei Farren (Kreuzung von Simmenthaler und Neckarschlag) nachgezüchtet werden. Der Handel mit Vieh ist nicht bedeutend.

Von Belang ist die Schweinezucht (halbenglische Race), welche einen namhaften Verkauf an Ferkeln und gemästeten Schweinen zuläßt; ins Haus werden nur wenige geschlachtet.

Geflügel wird für den eigenen Bedarf und zum Verkauf nach Stuttgart gezogen.

Die Bienenzucht ist unbedeutend.

| Mehrere Stiftungen, im Betrag von 373 fl., sind vorhanden, von deren Zinsen Brod für Arme und Bücher für Schulkinder angeschafft werden.

Eine ehemalige Römerstraße führt unter der Benennung Heerweg durch den westlichen Theil der Markung in der Richtung gegen Gniebel; etwa 600 Schritte östlich von dieser Straße stand auch der abgegangene Ort Bütensülz (s. unten).

In dem nördlich dieser Stelle gelegenen Reisachwald sieht man noch deutliche Spuren von ehemaligen 30′ breiten Ackerbeeten.

In dem 1/4 Stunde nordöstlich vom Ort gelegenen Schelmenwald stand eine Burg, von der noch Überreste des Burggrabens und der Kellergewölbe vorhanden sind.

Auf dem sog. Käpele, 1/4 Stunde nördlich von Pliezhausen, soll eine Kapelle gestanden sein.

Über das Geschichtliche ist die Beschreibung des Oberamts Urach, zu welchem P. bis 1842 gehört hatte, zu vergleichen. Zum erstenmale tritt der Ort im Jahr 1092 in die Geschichte ein, als Wernher von Kirchheim und seine Mutter Richinza dem Kloster Allerheiligen in Schaffhausen a. Rh. all ihr Eigenthum in „Plidolfeshusin[1], Butinsulza“ (s. oben) und anliegenden Orten vermachten (Wirt. Urk. Buch 1, 296), woraus die zwei Höfe dieses Klosters erwuchsen, deren letzterer nur noch im Flurnamen fortlebt.[2] Auch das Kloster Blaubeuren erhielt im 12. Jahrhundert ein hiesiges Hofgut. (Sattler Grafen. 4te Forts. Beil. S. 371 der ersten Ausg).

P. gehörte den Grafen von Achalm-Urach und die Oberherrlichkeit hierüber kam wohl mit der Grafschaft Urach zwischen 1254 bis 1265 an Württemberg.

Einen Haupttheil des Orts hatte genanntes Kloster Allerheiligen; es besaß Kirche, Zehnten und Gülten, verkaufte aber 1528 alles, nebst Gütern in Dörnach, an die Spitäler in Urach und Nürtingen für 3600 fl.

Ein hiesiges Hofgut erhielt um 1100 das Kloster Zwiefalten (Blidolfishusin. Berthold bei Pertz Script. 10, 106). In späterer Zeit bekam das Kloster Sirnau Einkünfte.

| Besitzungen hatten vordem die Rempen von Pfullingen und mehrere Bürger von Reutlingen; die Stadt Reutlingen selbst hatte zwei Gülthöfe, auch die dortige Geistlichkeit war allhier begütert.

Der – jetzt königliche Kirchensatz – wechselte bis in neuere Zeit zwischen den Spitalern Nürtingen und Urach.



  1. Eine spätere Schreibweise ist Blidoltzhusen (1275). Freiburger Diöcesanarchiv 1, 79.
  2. Das „Bütensülzer Häule“, ein rings von Äckern und Weideflächen umgebenes, 143/8 Morgen 43,3 Ruthen haltendes Feldholz wurde 1854 ausgestockt und in Ackerfeld verwandelt. In seiner Nähe beim s. g. Galgenbrunnen soll der Hof gestanden haben.
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