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22. Thalheim,

in ältern Urkunden Daleheim, Dale, Thala, Thalen etc., ein evang. Pfarrdorf in dem Steinlacher Thale, 5 St. von der Oberamtsstadt entfernt, in einem engen Thälchen zwischen hohen Bergen der Alp gelegen, das 991 Einwohner zählt. Cameralamt Tübingen, Forstamt Urach [1].

Die Steinlach durchfließt den Ort, der sehr zerstreut liegt, und wenige gute Häuser hat, und treibt vorwärts des Orts gegen Mössingen mehrere Mühlen [2]. Reizend ist der Weg von diesem Orte nach Thalheim. S. S. 40. Die Kirche steht einzeln auf einer Anhöhe, auf der man eine schöne Übersicht ins Neckarthal und in entferntere Gegenden hat[3]. Auf dem, der Kirche westlich gegenüber liegenden | Farrenberg liegen am südlichen Abhange desselben die Ruinen der Burg Andeck, nur wenige Überbleibsel zeigen die Spuren derselben. Dann stehen um das Dorf noch ansehnliche Berge umher. Die beengte Lage des Ortes legt dem Ackerbau manche Hindernisse in den Weg. Gewerbe sind wenige, außer der Spinnerey, die thätig betrieben wird. Der Wohlstand ist ziemlich gering. Der Großzehnte gebührt dem Staate, der kleine und der Heuzehnte, auf ungefähr 3/4 der Wiesen und Länder der von Schillingischen Gutsherrschaft, im übrigen der Pfarrey. Zehentfrey sind 177/8 M. Gärten und 137/8 M. Wiesen[4]. Es ist S. 6 bemerkt worden, daß in den Traditionen von Lorsch die Dalesheimer marca schon im 8. Jahrhundert häufig vorkommt[5]. Es ist kein Zweifel, daß darunter unser Thalheim zu verstehen sey. Auf dem Concil zu Costanz (1414 – 1418) war auch Cunrad Schenk von Thalheim gegenwärtig. 1439 reversiren sich Heinrich und sein Sohn Cunrad die Grezinger von Thalheim, unten an der Vestung Andeck, als sich letzterer an dem dortigen Meßpriester vergriffen, deswegen zu Horb festgehalten, und auf | Fürsprache der edlen Gräfin von Eberstein losgelassen wurde, daß sie nichts weiter gegen besagten Meßpriester, noch wider die Edle, Jakob Herter von Herteneck, des Grafen von Würtemberg Hofmeister, und Conrad von Stetten unternehmen werden. Die Herter und Stetten hatten in Thalheim Güter, so wie sich ein edles Geschlecht von Thalheim schrieb, wie aus mehreren bewährten Urkunden zu ersehen ist[6]. Kraft von Thalheim wohnte 1495 dem Reichstage zu Worms bey; Cunrad von Stetten war 1416 zu Thalheim ob Tübingen gesessen; so wie 1444 Cunrad von Stetten der jüngere. Dieser und seine Hausfrau, Anna von Wendenstein, hatten 1436 das halbe Dorf Thalheim von Jakob Herter von Herteneck seinem Schwager um 1000 fl. erkauft. 1442 theilt Brida von Kaltenthal, Jerg Herters Wittwe, mit ihrem Sohne Hans; diesem werden Nera, Tußlingen und Tala, die 3 Dörfer mit Leuten und Gütern, die auch Jerg Herter seel. bis zu seinem Tod da gehabt hat. 1446 bis 49 verkaufen die Gebrüder Herter von Herteneck nach und nach ihre Besitzungen zu Thalheim, und ihren Theil an der Burg Andeck den Grafen von Würtemberg, und mehrere andere Theile an dem Dorf brachte Herzog Friedrich von den Töchtern des Eberhards von Karpfen 1605 – 1618 an sich, 1620 verkauften diese Töchtern ihre alte und neue Behausung, und einige Rechte zu Thalheim an Hans Heinrich von Offenburg, von dessen Erben solche an die Schilling von Canstatt kamen. Das alte Geschlecht derer von Ow soll auch hier, so wie in Öschingen, ansäßig gewesen seyn[7], und mehrere hiesige Familien, die sich noch von Au schreiben, wollen von diesem adelichen Geschlechte sich | ableiten. In alten Zeiten war hier auch ein Klösterlein von Franziskaner Nonnen. Die letzte Nonne starb erst 1610[8].



  1. Grundherr eines vormals ritterschaftlichen Guts zu Thalheim ist die Familie Schilling von Canstatt zu 9/10 und die von Gültlingen zu 1/10. Das Gut ist Lehen, es gehörte früher ein Schloß im Dorfe dazu, das vor ungefähr 20 Jahren auf den Abbruch verkauft worden ist, auch gehören noch dazu: ein Jägerhaus und Wirthschaftsgebäude mit ungefähr 45 M. Grundeigenthum (s. Tab. II.), ferner ein Weiderecht, ein Frohnrecht, die große und kleine Jagd, auf 5 Markungen umher, das Fischrecht und ein Beholzungsrecht in den Communwaldungen. Als Allodium gehören dazu: Zehentrechte und Gefälle zu Thalheim, ferner Gefälle zu Willmandingen, Genkingen, Poltringen etc. Mit dem Gute war auch die Gerichtsbarkeit über 1/4 von Thalheim verbunden, die zwar bis 1796 ausgeübt, in diesem Jahre aber auf die schon in dem Lehensbriefe von 1620 festgesetzte „modica coercitio" über die Ehehaften beschränkt und nachher ganz aufgehoben. A. d. H.
  2. Der Ort hat 2 Mahlmühlen, 1 Ölmühle, 1 Öl-, Säge- und Gypsmühle. A. d. H.
  3. Vor der Reformation hatte die Kirche eine berühmte Wallfahrt zu der verlassenen Mutter Gottes, deren hölzernes Bild noch jetzt im Chor der Kirche, hinter dem Altar gezeigt, und von den benachbarten Katholiken besucht wird. In und außer der Kirche befinden sich mehrere Grabmäler, darunter: „Hans Rudolff von Dierberg von Wildendierberg," gest. 1599; „Magdalena von Karpfen, geb. Spettin," gest. 1596; Caspar von Karpfen zu Pflummern und Thalheim, gest 1603. An der Kirche stand vor der Reformation neben dem Pfarrer auch ein Kaplan. Der Kirchkopf, an dessen Fuße die Kirche liegt und der sich an den Riedernberg anlehnt, zeigt auf seinem, mit Wald bedeckten, Gipfel deutliche Spuren von Schanzen. Vergl. Beschr. des Oberamts Reutlingen. S. 146. A. d. H.
  4. Der Zehnte des Staats ist auf 9 Jahre an Thalheimer Einwohner für 147 Sch. Dinkel, 70 Sch. Haber, 2 Sch. Gerste, 4 Fdr. Stroh, und 148 fl. 30 kr. für überlassene Noval- und andere Zehentsurrogatgelder verliehen. A. d. H.
  5. Die Urkunden beweisen zugleich auch das Alter der Kirche zu Thalheim. Nach denselben schenkt im J. 873 ein gewisser Wolfrit in pago allemannorum in Daleheimer marca portionem suam in ecclesia illa, quae ibidem constructa est in Hattenhundere. A. d. H.
  6. Die frühern Besitzer von Thalheim waren ohne Zweifel die Herrn von Thalheim und von Andeck. Auf sie folgten die Herter von Hertneck, welche den größten Theil der Steinlach inne hatten, im Besitze. Die von Stetten hatten nur vorübergehend Antheil. Auf Würtemberg kam der Ort von den Hertern. S. u. A. d. H.
  7. Balthasar von Ow hatte eine Dorothea von Stetten im 15. Jahrhundert zur Ehe. A. d. H.
  8. Das Schillingische Gut besaßen, nach den von dem Administrator Herrn Oberamtspfleger Schütz zu Tübingen aus den Akten mitgetheilten Notizen, ehemals die Herrn von Dachenhausen, durch Kauf und Verwandtschaft kam es von diesen an die von Karpfen, dann an Herzog Joh. Friedrich von Würtemberg, der es 1620 seinem Rath und Obervogt Hans Heinrich von Offenburg zu einem Kunkellehen für 5500 fl. gab. Von diesem kam es an seine Tochter Agnes Susanna, verehelichte von Dergenau, von ihr an ihren Sohn Heinr. Friedr. von Dergenau, und dann an dessen Tochter, Eva Maria, Gemahlin Ludw. Friedr. Schillings von Canstadt, von dem es 1733 seine Söhne erbten. 1768 erhielt die Gemahlin des Frh. Sam. Friedr. von Gültlingen zu Berneck, eine geb. Schilling, 1/10 als ihr Erbtheil davon, deren Erben diesen Theil noch besitzen. Ihr Bruder, der F. Hechingische Oberjägermeister C. Fr. von Schilling, Besitzer der 9/10 ist es, über dessen Verlassenschaft 1812 ein Concurs ausbrach, der zur Zeit noch nicht beendigt ist. Die Zehnten und Gefälle zu Thalheim kamen 1627 durch Tausch gegen ein Gut bey Spaichingen von Würtemberg an die Grundherrschaft. Die Burg Andeck, wovon Thalheim ohne Zweifel eine Zugehörung war, obgleich in Thalheim selber auch eine Burg war, stand sehr kühn auf der südöstlichen Spitze des Farrenbergs bey dem Dorfe, durch einen Einschnitt von dem Hauptberge getrennt. Es sind jetzt nur noch wenige Reste davon zu sehen; schon in einem Landbuche von 1624 wird die Burg Ruine genannt. Von ihr schrieben sich die Schenken von Andeck, welche nach allen Umständen und Nachrichten mit den Herrn von Thalheim, die sich, wie oben gezeigt ist, auch Schenken nannten, mit den Schenken von Staufenberg und den Schenken von Erpfingen von Einem Geschlechte waren. Jeder Zweig schrieb sich von seinem Sitze, und den Namen Schenk führten sie von dem Familienamte. Die Burgen und Schlösser Stauffenberg, Andeck, Thalheim und Erpfingen lagen alle in der Nähe beysammen. Die Schenken von Andeck kommen häufig in Urkunden vor, so Rudolph und Conrad die Schenken von Andeck 1366; Conrad allein 1369, Rudolph Schenk von Andeck 1380. Friedrich Schenk von Andeck steht als Zeuge in dem Kaufbriefe von Rosek 1410. Noch häufiger kommen die Thalheim vor; da es aber mehrere Orte mit dem Namen Thalheim gibt, welche eigene Edelleute hatten, insbesondere Thalheim bey Hausen, und Thalheim bey Marchthal; so ist häufig schwer zu unterscheiden, von welchem Thalheim gerade die Rede ist. Wie Thalheim, so war auch die Burg Andeck an die Herter, und von diesen an Würtemberg gekommen. 1402 wohnt Fritz Herter von Tußlingen zu Andeck gesessen, einer Verhandlung bey, und 1449 verkauft Wilhelm Herter mit seinem Antheil an Thalheim auch seine vier Theile an dem Schloß Andeck an Graf Ludwig von Würtemberg. Ein Viertel der Burg besaßen noch die von Karpfen, welche es 1618 ebenfalls an Würtemberg verkauften. Durch Tausch überließ Würtemberg 1627 dem Herrn von Offenburg die ganze Burg, die damals vermuthlich schon zerfallen war, und 1664 wurde dieselbe mit dem Farrenberg von den von Degernau der Gemeinde Thalheim auf ewige Zeiten, gegen einen jährlichen Zins von 11 fl. 26 kr. überlassen. An dem Abhange des Farrenbergs steht das Fohlenhaus, das vor wenigen Jahren für die, nun wieder aufgegebene, Fohlenweide-Anstalt des Oberamts erbaut worden ist. In dem Thale abwärts liegen mehrere zerstreute Häuser, namentlich die Obere Mühle mit 9, die Untere Mühle mit 2, die Salmiakhütte mit 10 und die Bleiche mit 12 Einw. Letztere, deren Betrieb übrigens gering ist, liegt am östlichen Berghange, weithin sichtbar. A. d. H.
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