« Kapitel B 22 Beschreibung des Oberamts Nagold Kapitel B 24 »
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Ober-Thalheim,
Gemeinde III. Kl. mit 570 Einw., worunter 15 Evang. a. Ober-Thalheim, Dorf, b. Ziegelhof. – Filial von Unter-Thalheim; die Evang. sind nach Haiterbach eingepfarrt.


In dem freundlichen Steinach-Thale, nur einige 100 Schritte oberhalb Unter–Thalheim und 21/4 Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt liegt der mittelgroße, etwas enge angelegte, in die Länge gedehnte Ort, welcher theils in die Thalebene, theils an die südöstlichen Thalgehänge hingebaut ist. Die meist kleinen, aus Holz erbauten Gebäude verrathen die Mittellosigkeit der Einwohner.

Am westlichen Ende des Orts liegt ziemlich erhöht die kleine, unansehnliche, dem heil. Martin geweihte Kirche, die an der Ostseite 3seitig geschlossen ist; an der westlichen Seite steht der 4eckige, mit einem Satteldach versehene Thurm. Das Innere enthält einen im Rococcogeschmack, kunstlos ausgeführten Altar. Die Kirche ist Eigenthum der Gemeinde, welche sie auch im Bau zu unterhalten hat.

Im Jahr 1845 wurde ein eigener Begräbnißplatz errichtet; früher mußten die Verstorbenen in Unter-Thalheim beerdigt werden.

Das beinahe in der Mitte des Orts gelegene, ansehnliche Schulhaus enthält ein Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und die Gemeinderathsstube.

Gutes Trinkwasser ist hinreichend vorhanden und überdieß fließt die Steinach durch den Ort und setzt daselbst eine Mühle mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang in Bewegung. Das Fischrecht in derselben hat die Gemeinde, welche es um 1 fl. 24 kr. jährlich verpachtet.

Die im Allgemeinen fleißigen Einwohner finden ihre Haupterwerbsquellen in Feldbau und Viehzucht; die ärmere Klasse derselben sucht sich durch Taglohnarbeiten ihr spärliches Auskommen zu sichern. Die Vermögensumstände sind sehr verschieden; der wohlhabendste | Bürger besitzt 83 Morgen Feld und 4 Morgen Wald, der mittelbegüterte Bürger 18 Morgen Feld und 1 Morgen Wald und die ziemlich zahlreiche ärmere Klasse entweder 1–11/2 Morgen Feld oder gar kein Grundeigenthum.

Die mittelgroße Markung bildet, mit Ausnahme des etwas schroff eingeschnittenen Steinach-Thales, eine wellige Hochebene und hat im Allgemeinen einen mittelfruchtbaren, kalkreichen Boden, dem der Muschelkalk in geringer Tiefe als Unterlage dient und häufig in zahllosen Trümmern beigemengt ist. An einzelnen Stellen, namentlich im südlichen Theil der Markung, wird der Muschelkalk von einem fruchtbaren dem Getreidebau günstigen Diluviallehm überlagert.

In dreizelglicher Flureintheilung wird die Landwirthschaft unter theilweiser Anwendung verbesserter Ackergeräthe gut betrieben und als Bodenverbesserungsmittel werden außer dem gewöhnlichen Stalldünger, die Jauche, Hallerde, der Gyps und Pferch angewendet.

Man baut Dinkel, Weizen, Roggen, Gerste, Haber und in der Brache, von der etwa 130 Morgen angeblümt werden, Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Reps, Hanf etc. Ein Morgen erträgt durchschnittlich an Dinkel, 4–8 Scheffel, an Haber 3–4 Scheffel, an Roggen 11/2–2 Scheffel und an Gerste 3–31/2 Scheffel. Das Getreideerzeugniß reicht nicht nur für den örtlichen Bedarf, sondern erlaubt noch einen Verkauf von etwa 500 Scheffeln jährlich.

Der Wiesenbau ist ziemlich ausgedehnt, übrigens erlauben die Wiesen nur in nassen Jahrgängen 2 Schnitte und ertragen alsdann 12–15 Ctr. Heu und 6–8 Ctr. Öhmd.

Die Obstzucht ist nicht von Belang und beschränkt sich auf späte Mostsorten und Zwetschgen.

Was die Güterpreise betrifft, so bewegen sich die der Äcker von 30–400 fl., die der Wiesen von 60–300 fl. per Morgen.

Der namhafte Rindviehstand besteht aus einer tüchtigen Landrace, welche durch 2 Farren (Simmenthaler und veredelte Landrace) nachgezüchtet und verbessert wird. Die Anschaffung und Haltung der Farren besorgt ein Ortsbürger gegen eine Gemeindeentschädigung von jährlich 88 fl. Der Handel mit Vieh ist unbeträchtlich.

Schafzucht wird von einzelnen Bürgern getrieben, welche gegenwärtig einen jährlichen Schafweidepacht von 270 fl. entrichten, überdieß trägt die Pferchnutzung der Gemeindekasse jährlich 350 bis 400 fl. ein.

Die Schweinezucht ist unbedeutend, indem die meisten Ferkel | von Außen bezogen, und theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf gemästet werden.

An Waldungen besitzt die Gemeinde 2821/8 Morgen 46 Ruthen, deren jährlicher in etwa 100 Klafter bestehender Ertrag an die Ortsbürger vertheilt wird; überdieß verkauft die Gemeinde alljährlich für etwa 150 fl. abgängiges Holz und verwendet den Erlös zu Gemeindezwecken.

Zu der Gemeinde gehört:

Der Ziegelhof, 1/4 Stunde südlich vom Ort auf der Hochebene an dem sog. Hochsträß gelegen.

Thalheim (Ober- und Unter-Thalheim wurde in frühester Zeit nicht unterschieden) erscheint erstmals um 1100. Damals beschenkte das Kl. Reichenbach Cuno Dienstmann Graf Hugo’s von Tübingen mit einem Hubengut und Enzmann von „Daleheim“ mit einer halben Hube je in „Daleheim“ (Wirt. Urk.-Buch 2, 402, letzteres Geschenk wurde durch das Kloster bald wieder ausgetauscht, Eb. 406. Schwerlich dürfte an dieser Stelle Th. O.A. Rottenburg gemeint sein). Die ursprünglich pfalzgräflich tübingische Dienstherrlichkeit über den Ort gieng im 13. Jahrhundert auf die Grafen von Hohenberg über.

Graf Rudolf von Hohenberg belehnte den 10. Aug. 1385 mit Ober-Thalheim und dem gegen Nagold hin liegenden Theile von Unter-Thalheim Kunzen und Diemo Kechler, weil. Konrad Kechler’s Söhne, von welcher Zeit an dieses Lehen bei der Kechler’schen Familie verblieb. Rudolf, der letzte des Hohenbergischen Zweiges zu Hohenberg, Horb, Rottenburg und Haigerloch († 1387), hatte schon 1381 seinen Besitz unter Vorbehalt lebenslänglicher Nutznießung an Österreich veräußert; und so ist wohl nach seinem Ableben die Oberlehensherrlichkeit über Ober- und Unter-Thalheim an Östereich gekommen. Nicht Kechlerische Theile von Ober- und Unter-Thalheim wurden von verschiedenen andern Rittern besessen, z. B. im Anfang des 15. Jahrhunderts von Meinloch von Leinstetten. Am 15. Jan. 1425 belehnte herzog Friedrich der ältere von Östreich Stephan von Emershofen mit den zwei Höfen O. u. U. Th., Lehen der Herrschaft Hohenberg, welche letzterer von genanntem Meinloch gekauft hatte (Lichnowsky Habsburg 5 Nr. 2260).

Landeshoheit und Blutbann in Ober-Thalheim waren österreichisch, die Steuern aber wurden zur Reichsritterschaft Cantons Neckarschwarzwald gezogen.

Im Jahr 1806 kam O. Th. u. U. Th. unter die Staatshoheit Württembergs.


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