« Kapitel B 11 Beschreibung des Oberamts Nürtingen Kapitel B 13 »
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12. Hardt,
Dorf, Gemeinde III. Cl. mit 224 evangelischen Einwohnern, Filialisten von Ober-Ensingen und 2 Katholiken, Filialisten von Unter-Boihingen, 11/8 Stunde nordwestlich von Nürtingen, die kleinste Gemeinde des Oberamts. Südlich von der Aich und westlich vom Föllbach begrenzt, zieht sich die Hardter Markung den größtentheils bewaldeten linken Thalhang hinan und breitet sich auf der Höhe gegen Wolfschlugen aus. Der leichte und mit Ausnahme der Zelg Rothhölzle fruchtbare Boden liefert als Haupterzeugnisse nicht bloß zum eigenen Verbrauch, sondern auch zu auswärtigem Verkauf Dinkel, Haber und Flachs, letztern in besonderer Menge und Güte. Nicht minder ist das Obst, das hier reichlich und gerne geräth, ein wichtiger Erwerbszweig. Weniger ergiebig sind die am Abhang liegenden Wiesen. Die Preise eines Morgen Ackers bewegen sich zwischen 150 und 500 fl., eines Morgen Wiesen zwischen 200 und 650 fl. Die Waldfläche der Markung ist mit | Ausnahme von 281/4 Mrg. Staatswald, zwischen hiesigen und Wolfschluger Privaten getheilt, wovon jene 741/4, diese 82 Mrg. besitzen. Die Rindviehzucht ist ein mit Vortheil und steigender Sorgfalt betriebener Nahrungszweig; es wird viel mit Stieren gehandelt, auch Mastung zu auswärtigem Verkauf betrieben. Unbedeutend ist die Schafzucht; der Pacht der geringen Weide erträgt nur 50 fl. Einige Bürger beschäftigen sich erfolgreich mit Bienenzucht.

Die Bewohner sind ein gesunder, wohlgebauter Schlag Leute, ausgezeichnet durch Fleiß, Wirthschaftlichkeit und stilles, eingezogenes Leben. Sie haben ihr gutes Auskommen und zählen nur sehr wenige eigentlich Arme. Gewerbebetrieb und Nebenbeschäftigungen finden sich nicht, mit Ausnahme des Ausbeutens eines bedeutenden Mühlsteinbruchs auf hiesiger Markung und einer Schildwirthschaft; früher wurden auch Wetzsteine hier bereitet.

Die Verhältnisse der Gemeinde haben sich eigenthümlich gestaltet. Bis 1808 waren die Bürger von allen Steuern, Abgaben und Leistungen, mit Ausnahme der Zehnten und und Lehensgefälle, befreit (s. hienach). Seit 1808 sind sie neusteuerbar, müssen aber ihren Communalaufwand unter sich umlegen, und haben von den Amtscorporationslasten einen Beitrag zur Besoldung des OA.-Chirurgen übernommen. Die Markung zerfällt, außer einigen eigenen Gütern, in zwei, ehemals große, doch frühzeitig unter mehrere Bauern getheilte Höfe, von welchen der eine dem Herrn von Neuhausen, der andere dem Frauenkloster in Kirchheim lehnbar war und die daher noch jetzt der Neuhauser und Kirchheimer Hof heißen. Die Lehensgefälle beider Höfe sind abgelöst. Den großen und kleinen Zehnten, letzteren von der Pfarrpfründe Nürtingen herrührend, erhebt der Staat. Der Heuzehnten, soweit er gereicht wurde (die Kirchheimer Hofwiesen waren von jeher frei), ist abgelöst.

Am Südabhang der Filderhöhe in einem Garten von Obstbäumen liegt freundlich das reinliche und wohlgebaute Dörfchen. Die Einwohner sind in die Kirche und Schule des 5/8 Stunden entfernten Ober-Ensingen gewiesen. Bis der Fond zum Bau eines eigenen Schulhauses wird vorhanden seyn, was in den nächsten Jahren der Fall seyn wird, reicht die Gemeinde dem Schullehrer im Mutterorte eine Besoldungszulage von 30 fl. Auch ein eigenes Rathhaus besitzt der Ort nicht. Quellwasser ist hinreichend vorhanden. – Eine prachtvolle Aussicht nach der Alp, in das Neckarthal und einige Seitenthäler öffnet sich hinter dem Ort auf der Höhe gegen Wolfschlugen.

An dem waldigen Thalhang, merkwürdig durch die zusammengestürzten mächtigen Sandfelsbänke, von welchen oben bei Grötzingen | die Rede war, gelangt man zu dem hohlen Stein oder der berühmten sogenannten Ulrichshöhle. Sie war übrigens nie eine eigentliche Höhle, sondern von jeher eine große Felsenspalte. Diese Spalte, von welcher Rösler Beiträge III. S. 103 f. eine mehr ausführliche als klare Beschreibung gibt, erkennt man in ihrer ursprünglichen Gestaltung jetzt nicht mehr, indem die benachbarten Wolfschluger, welche hier Waldungen besitzen, große Massen von Steinen ausgebrochen und weggeführt haben. Vor ungefähr 20 Jahren noch sah man zwei Felsblöcke, wovon der obere 18′ lang, 24′ hoch und 14′ dick, der untere 21′ lang, etwa 19′ hoch und oben 16′ dick war, unten aber in eine Spitze auslief, und welche so zusammenstießen, daß sie einen Zwischenraum von 3′ Breite, und 10′ Höhe bildeten, ohne sich jedoch auf einer Seite oder oben ganz zu schließen. Jetzt ist zwar das weitere Steinbrechen hier verboten, allein die ganze Felspartie hat bereits ihre merkwürdige romantische Gestaltung verloren. Nach der Aussage der Leute in Hardt sollen vor einigen Jahren alte Waffenstücke, Spieße etc. dort gefunden worden seyn.

Von der Ulrichshöhle hat sich folgende Sage, welche sich übrigens nicht auf gleichzeitige Quellen zurückführen läßt, erhalten. Herzog Ulrich verbarg sich daselbst einige Tage auf seiner Flucht und wurde von vier Hardter Bürgern (aus so viel bestand der Hof damals) mit Lebensmitteln erhalten; er bot ihnen dafür eine Gnadenbezeugung an, sie baten aber um nicht mehr, als um die Erlaubniß, einen Fuchs, welcher ihnen Schaden that, zu tödten. Ulrich gab ihnen nicht nur den Fuchs Preis, sondern schenkte ihnen auch theils vollkommene Steuerfreiheit, theils Freiheit von allen Jagd- und Frohn-Diensten (Rösler a. a. O.). Daß diese Hardter Hofbauern seit unvordenklichen Zeiten bis zum Jahr 1808 dieser Freiheit genoßen (die zu zahlende Türkensteuer ausgenommen), ist jedenfalls sicher.

Am Nordostende der Markung führt die Straße von Nürtingen nach Stuttgart mittelst der Teufelsbrücke über die Teufelsklinge, eine Lokalität, wohin, wie schon der Name erwarten läßt, Aberglaube und Sage manch seltsamen Spuck verlegen.

In älteren Zeiten gehörte der Weiler ins Gericht zu Nürtingen und der große Zehnten der Herrschaft. Wolf von Altenstaig verkauft 1366 dem Frauenkloster Kirchheim unter Teck „einen Hof zu Harde gelegen“ mit allen Rechten, nebst einer Steingrube, die u. A. 1 Pfd. Pfeffer gültet, um 427 Pfd. Hll. für frei und eigen, wie das sein väterliches Erbe ist. Dasselbe Kloster kaufte 1432 von einem Bauern „das Holz gelegen zu Hart am Wiler,“ wovon ein Theil liegt „in dem alten Hart,“ um 160 Pfd. Hll. Der andere | Hof gehörte zu dem hohenbergischen Lehen Neuhausen (s. OA.-Beschreib. von Eßlingen, S. 217). Hardt bedeutet nach Schmid schwäb. Wörterbuch ein hohes waldbewachsenes Land. Der Ort war im 30jährigen Kriege ganz verlassen.



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