« Kapitel B 18 Beschreibung des Oberamts Horb Kapitel B 20 »
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Mühlen,
am Neckar,
Gemeinde III. Klasse mit 643 Einw., wor. 180 Kath. 1 eigener Confession und 129 Israel. a. Mühlen, Pfarrdorf, 541 Einw., b. Egelsthal, Weiler, 102 Einw. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Bildechingen, beziehungs-weise nach Nordstetten, eingepfarrt.


Der freundliche, reingehaltene etwas städtisch aussehende Ort hat an der Vereinigung des Eutinger Thals mit dem Neckar-Thal eine sehr angenehme, geschützte Lage und ist theils in die Ebene des Neckarthals, theils in die des Eutinger Thals etwas weitläufig hingebaut, so daß die Gebäude häufig durch kleine Gärten oder Hofräume von einander getrennt sind. Die schönste Partie des Orts befindet sich am westlichen Ende desselben an der Straße nach Horb, wo Kirche, Pfarrhaus, Schloß mit Nebengebäuden und einzelnen Gebäuden, welche früher zum Schloß gehörten, beisammen stehen.

Die Pfarrkirche ist im Rococostyl erbaut und hat an ihrem Äußeren nichts Bemerkenswerthes, dagegen enthält das 1859 freundlich | erneuerte Innere zwei Neuneck’sche Grabdenkmale, je einen geharnischten Ritter vorstellend, das eine von 1590, das andere ohne Jahrszahl. Der viereckige mit Staffelgiebeln versehene Thurm ist alt und enthält in seinem oberen Stockwerk spitzbogige, jedoch nicht ornamentirte Fenster; die auf ihm hängenden Glocken sind 1794 und 1818 von C. G. Neubert in Ludwigsburg gegossen worden. Die Unterhaltung der Kirche liegt dem Patron derselben, Freiherrn v. Münch ob.

Der Begräbnißplatz liegt ziemlich weit unterhalb des Dorfes am südlichen Thalabhang gegen den Neckar.

Der israelitische Begräbnißplatz befindet sich oberhalb des Dorfs auf der entgegengesetzten Seite des Neckars unfern des Waldes und ist mit einer lebendigen Hecke umfriedigt.

Das freundliche Pfarrhaus hat in der Nähe der Kirche eine angenehme Lage mit freier Aussicht in das Neckarthal und wird von dem Freiherrn v. Münch unterhalten.

Das ansehnliche 1824 erbaute Rathhaus, das in den 40ger Jahrgängen um ein Stockwerk erhöht wurde, enthält im unteren Stockwerk ein Magazin für die Löschgeräthschaften und eine öffentliche Backanstalt, im mittleren ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters, und im obern die Gelasse für den Gemeinderath und ein Wohnzimmer für den Lehrgehilfen.

Eine Industrieschule besteht. Im Ort befindet sich überdieß eine Synagoge und ein israelitisches Schulhaus, in welchem der an der Schule unterrichtende Lehrer freie Wohnung hat. Ein öffentliches Waschhaus ist vorhanden.

Das dem Freiherrn v. Münch gehörige, ansehnliche, übrigens in einfachem Styl erbaute Schloß mit Garten und Nebengebäuden, ist gegenwärtig nicht bewohnt; zu demselben gehören 125 Morgen zerstreut liegende Felder und 120 Morgen Waldungen.

Das alte Schloß, welches aus zwei Flügeln bestand und von Israeliten bewohnt war, brannte 1807, den 14. Juli, ab.

Mit gutem Trinkwasser, das zwei Pumpbrunnen liefern, ist der Ort hinreichend versehen; überdieß fließt der 1/4 Stunde nördlich vom Ort in einer starken Quelle entspringende Thalbach (Mühlbach) mitten durch den Ort, dessen klares Wasser ebenfalls benützt wird. Der Bach treibt im Ort eine Mühle mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang; eine weitere Mühle mit sechs Mahlgängen und einem Gerbgang liegt an einem den Ort berührenden Arm des Neckars, während der eigentliche Fluß einige hundert Schritte südlich vom Ort vorüberfließt. Oberhalb des Dorfs führt eine hölzerne Brücke über | den Neckar, bei der Brückengeld entrichtet werden muß, was der Gemeinde jährlich etwa 12 fl. einträgt; überdieß sind noch innerhalb des Orts drei kleinere Brücken über den Mühlbach angelegt.

Die noch im Bau begriffene Eisenbahn führt an dem jenseitigen (rechten) Ufer in kleiner Entfernung am Ort vorüber und das Stationsgebäude liegt etwa 1/4 Stunde unterhalb des Orts. Vicinalstraßen führen nach der eine Stunde westlich gelegenen Oberamtsstadt, nach Eutingen, Bildechingen, Börstingen und Ahldorf, die dem Ort den Verkehr mit der Umgegend hinlänglich sichern.

Die im allgemeinen fleißigen und betriebsamen Einwohner finden ihre Hauptnahrungsquellen in Feldbau, Viehzucht, Gewerbe und Taglohnarbeiten. Der landwirthschaftliche Betrieb ist nicht sehr bedeutend, weil die meisten Güter auf der beschwerlich zu erreichenden Hochebene liegen und überdieß ein namhafter Theil der Markung Eigenthum des Freiherrn v. Münch ist. Von den Gewerben sind außer den schon erwähnten Mühlen zu nennen: eine Fadenzwirnerei, welche 15 Personen beschäftigt, zwei Gipsmühlen, zwei Sägmühlen, worunter eine mit mechanischer Einrichtung, drei Reibmühlen, eine Ölmühle, vier Schildwirthschaften, worunter drei mit Brauereien, drei Krämer, eine Gerberei, eine Seifensiederei, eine Zeugmacherei und in der Parzelle Egelsthal eine Pappendeckelfabrik, welche 6 Personen beschäftigt; die übrigen Gewerbe dienen nur den örtlichen Bedürfnissen mit Ausnahme des Handels, welche die Israeliten mit Leder, Tuch, Betten, Vieh etc. treiben. Auch befinden sich viele Maurer im Ort, die auswärts arbeiten. Unterhalb des Dorfs sind zwei Gipsgruben gegen 300′ tief in den Berg hinein angelegt, welche die Gemeinde um 30 fl. jährlich verpachtet; der daselbst gewonnene Gips wird im Ort gemahlen und in die Umgegend als Düngungsmittel abgesetzt; zu einer andern Verwendung ist er zu unrein. Die Vermögensumstände der Einwohner gehören zu den mittelmäßigen, indem der wohlhabendste Bürger etwa 36 Morgen Felder, der sogenannte Mittelmann 12 Morgen und die minder bemittelte Klasse 2–3 Morgen besitzt.

Die nicht große, in die Länge gezogene Markung ist, mit Ausnahme der bedeutenden Gehänge gegen das Neckar- und Mühlbach-Thal, eben und hat im allgemeinen einen fruchtbaren Boden, der auf der Hochebene aus Lehm, an den Abhängen aus den Verwitterungen des Muschelkalks und in den Thalebenen aus fruchtbaren Alluvialablagerungen besteht.

Der Ackerbau wird in dreizelgiger Flureintheilung unter Anwendung | verbesserter Ackergeräthe gut betrieben und zur Besserung des Bodens kommen, außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln, die Jauche, Salzasche und Gips in Anwendung. Man baut die gewöhnlichen Getreidearten und erntet im Durchschnitt 10 Scheffel Dinkel, 6 Scheffel Haber, 6 Scheffel Weizen und 7 Scheffel Gerste per Morgen; die Brache wird mit Kartoffeln, Reps und Futterkräutern (dreiblättriger Klee, Luzerne und Esparsette) angeblümt. Hanf wird für den eigenen Bedarf meist in Ländern gezogen und in neuerer Zeit hat auch der Hopfenbau Eingang gefunden, dessen Ertrag von den Bierbrauern im Ort selbst verbraucht wird. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 250–700 fl. Von den Getreideerzeugnissen kommen nach Freudenstadt zum Verkauf.

Die durchgängig zweimähdigen Wiesen, welche theilweise bewässert werden können, liefern gutes Futter und zwar durchschnittlich vom Morgen 25–30 Centner Heu und 12–15 Centner Öhmd. Der höchste Preis eines Morgens ist gegenwärtig 1000 fl., der mittlere 800 fl. und der geringste 600 fl.

Die Obstzucht ist gerade nicht ausgedehnt, jedoch im Zunehmen begriffen und außer den Obstbäumen an den Straßen und in den um den Ort liegenden Gärten sind auch viele Jungstämme auf Allmanden gesetzt worden, deren Pflege dem Stiftungspfleger übertragen ist; man zieht nur Mostsorten und Zwetschgen, die gerne gedeihen und im Ort verbraucht werden. Eine Baumschule ist vorhanden.

Die Weide ist gut und nebst der Herbstweide um 244 fl. verpachtet; überdieß trägt die Pferchnutzung 155 fl. der Gemeindekasse ein.

Die Pferdezucht ist ganz unbedeutend und die Rindviehzucht, die sich mit einem gewöhnlichen Landschlag beschäftigt, in mittelmäßigem Zustande; für die Nachzucht sind gute Farren aufgestellt, die der Meiereibeständer hält. Einige im Ort ansäßige Israeliten treiben Handel mit Vieh.

Die Schafzucht, welche der Pächter des v. Münch’schen Guts in Egelsthal betreibt, ist im Zunehmen begriffen; es werden meist Bastarde gehalten und im Ort überwintert. Der Abstoß der Schafe geschieht auf dem Sulzer Schafmarkt und die Wolle kommt an Tuchmacher zum Verkauf.

Was die Zucht der Schweine betrifft, so ist diese verhältnißmäßig bedeutender als in anderen Orten des Bezirks; man züchtet vorzugsweise die halbenglische Race und führt mehr Schweine aus als ein.

| Die im Zunehmen begriffene Bienenzucht wird mit Glück betrieben; Wachs und Honig verkauft man nach Außen.

Die Fischerei, welche hauptsächlich auf Weißfische, weniger Forellen und Aale angewiesen ist, bildet eine kleine Erwerbsquelle; das Fischrecht hat der Freiherr v. Münch, der es um 12 fl. jährlich verpachtet.

Die Gemeinde besitzt 400 Morgen Waldungen, von denen 70 Morgen als Schafweide benützt werden; von dem Waldertrag erhält jeder Bürger jährl. 1/2 Klafter Holz und 25 St. Wellen; der Rest wird verkauft und der Erlös zu Gemeindezwecken verwendet.

In der Nähe des Orts wurden schon römische Münzen gefunden.

Ein Eberhard v. Mulin, erscheint den 14. Septbr. 1075 zu Worms als Zeuge Kaiser Heinrichs IV. für Hirschau, welches Kloster am hiesigen Orte um diese Zeit hier Land und zwei Mühlen erhielt. (Wirt. Urk. Buch 1, 280. Cod. Hirsaug. 27a). Heinrich von Mulen schenkte in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts Güter in Rothfelden bei Nagold an das Kloster Alpirsbach (Wirt. Urk. Buch 2, 416.). Im Jahr 1361 verkaufte Leutgart, Gräfin von Tübingen, dem Kloster Wittichen einige Grundstücke zu Mühlen. Einigen Besitz hatten allhier auch die Herren v. Geroldseck (Reiner, Geneal. des Hauses Hohenzollern 48.).

Der Ort gehörte im 14. Jahrhundert den Herren v. Neuneck. Im Jahr 1434 hatte Stefan v. Ow und noch 1530 Bastian v. Ow die Kirche mit 1/3 des Kirchensatzes, die Widem, die Mühle und den Frucht-, Heu- und Wein-Zehnten zu Mühlen als Werdenberg-Heiligenberger Lehen, wie solches Stefans Gemahlin, Benigna v. Böcklin 1407 von ihrem verstorbenen Großvater, Hans v. Neuneck, geerbt hatte. (v. Ow’sches Archiv.). 1460 verkauft Ludwig von Emershofen „Mülen und Egelstall“ an Wilhelm Böcklin.[ER 1] Im Jahr 1546 war Hans Konrad v. Fürst im Besitz von Mühlen, gerieth aber durch seine Anhänglichkeit an Herzog Ulrich von Würtemberg in eine schlimme Lage. Später erscheinen allhier wieder die v. Neuneck. Mit dem im Jahr 1590 gestorbenen Heinrich v. Neuneck zu Glatt, Mühlen und Egelstall, dessen Grabstein oben erwähnt ist, erlosch sein Mannsstamm, worauf der Sohn seiner Schwester Veronica, Johann Konrad Megenzer von Felldorf († 1613), Mühlen und Egelstall erbte. Zwischen 1662 und 1673 kam Mühlen und Egelstall von den Megenzer an den württembergischen Oberstjägermeister von Schönfeld, neben dessen Familie bald die der Freiherrn v. Grünthal als Mitbesitzerin auftritt. Letztere verkaufte bereits 1715 beide Besitzungen | an das Stift Muri. Dem Verkaufe wurde auch die hohe Jurisdiktion einverleibt, wogegen Österreich protestirte. Darauf erbot sich Muri 1718 die hohe Jurisdiction und den Blutbann als österreichische Lehen zu empfangen. Später erwarb diese Megenzer’schen Güter Mühlen und Egelstall Joh. Thomas v. Rauner d. ä., großbritannischer und hannoverischer Rath und Rathsherr zu Augsburg († 2. Dec. 1735). Darauf nannte sich der als Kanzler in Gießen 1760 gestorbene Cp. Matthäus Pfaff, welcher Maria Susanne, dessen Tochter, zur Frau hatte, Erbherr zu Mühringen und Mühlen und war zeitweiliger Mitbesitzer. Ihn überwuchs in solchem Besitz Christian v. Münch zu Augsburg, welcher 1713 zu Augsburg Anna Barbara v. Rauner geheirathet hatte und 1757 starb. Dessen Urenkel ist der jetzige Besitzer von Mühlen und Egelsthal.

Mühlen stand unter dem v. Münchischen, wie früher Rauner’schen Obervogteiamt in Hohenmühringen.

Die Steuern wurden bis 1806 zur Reichsritterschaft eingezogen; Landeshoheit, Blutbann, Geleit und Forstherrlichkeit übten die Besitzer.

Die Reformation führten die v. Neuneck im 16. Jahrhundert hier ein. Erster evangelischer Pfarrer war 1567 Daniel Fink.[ER 2]

Im Jahr 1805 kam das Dorf unter die Staatshoheit von Württemberg.

Den 14. Juli 1807 brannte das gutsherrschaftliche Schlößchen zu Mühlen, worin 13 Judenfamilien wohnten, ganz ab.

Das Patronat über die Pfarrei hat der Gutsherr.

Zu der Gemeinde gehört:

b. Egelsthal, ein freundlicher Weiler, der auf der rechten Neckarseite eine stillromantische Lage hat. Die alte Schreibung ist Egolstall (1365 Kl. Witticher Urk.), Egelstall, woraus späterhin Egelsthal gemacht wurde. In früherer Zeit gehörte Egelsthal den Herren v. Neuneck; 1323 lebte Trageboto v. Neuneck zu Egelsthal. In der Mitte des 14. Jahrhunderts war hier ein Burgsitz der Guten von Sulz; so schrieb sich 1363 Friedrich der Gut von Egelsthal, und noch 1409 Siglin der Gut von Egelsthal (Schmid, Grafen v. Hohenb. 460). Im Jahr 1479 nannte sich Wilhelm Böcklin „zu Egelstall“[ER 3] (Steinhofer 3, 299). Im vorigen Jahrhundert ist Egelsthal (1715 verkauft von dem Freiherrn von Grünthal an das Kloster Muri, von diesem 1737 an v. Rauner)[ER 4] wie Mühlen dauernd an die Freiherrn v. Münch gekommen (vergl. Mühlen). Die Besitzer des Gutes Egelsthal waren Mitglieder der unmittelbaren Reichsritterschaft. Das Gut beträgt etwa 150 Morgen Felder und 130 Morgen Waldungen. In einem | ansehnlichen Gebäude wohnen der Gutspächter und der Revierjäger. Rückwärts desselben liegen in einem engen Seitenthälchen des Neckarthales die Pappendeckelfabrik und einige, meist von Taglöhnern bewohnte Häuser.

Errata

  1. S. 214. Die markierte Textpassage wurde eingefügt. Siehe Berichtigungen und Nachträge, Seite 273–276.
  2. S. 215. L. 19. Nach „ein“ füge bei: Erster evangelischer Pfarrer war 1567 Daniel Fink. Siehe Berichtigungen und Nachträge, Seite 273–276.
  3. S. 215 L. 5 v. u. lies: Egelstall statt Egelsthal. Siehe Berichtigungen und Nachträge, Seite 273–276.
  4. S. 215 L. 4 v. u. Nach „Egelsthal“ füge ein: 1715 verkauft von dem Freiherrn von Grünthal an das Kloster Muri, von diesem 1737 an v. Rauner. Siehe Berichtigungen und Nachträge, Seite 273–276.


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