Beschreibung des Oberamts Freudenstadt/Kapitel B 29

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Reichenbach,
Gemeinde III. Kl. mit 885 Einw., wor. 5 Kath. a. Reichenbach, Pfarrdorf mit Marktrecht, 754 Einw. b. Thonbach, Weiler, 131 Einw. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Heiligenbronn, O.A. Horb, eingepfarrt.


Der Ort Reichenbach, vormaliges Kloster[1], ist 2 Stunden nördlich von Freudenstadt entfernt, in dem ziemlich erweiterten Murg-Thale, | an der Stelle, wo die Murg den Reichenbach (daher der Ortsname) aufnimmt, schön und romantisch gelegen. An den für den Ackerbau benützten Ausläufern der sehr hohen, bewaldeten Thalgehängen lagern sich in mäßigen Entfernungen von dem enge geschlossenen Ort einzeln stehende, malerische Bauernwohnungen, die Vieles zu der Anmuth der Gegend beitragen. Das marktberechtigte Dorf, zugleich Sitz eines K. Revierförsters, durch das die Hauptstraße des Murg-Thals führt, ist durch Vicinalstraßen mit Igelsberg, Ober-Musbach und Thonbach verbunden und mit reinlichen Ortsstraßen versehen; die meist ansehnlichen, zum Theil im städtischen Styl erbauten Häuser sind durchgängig mit Ziegeln gedeckt. Es zerfällt in 2 Abtheilungen, in die innerhalb der ehemaligen, größtentheils noch erhaltenen Klostermauern gelegenen und in die außerhalb derselben stehenden Gebäude. Inner der Mauern sind die Kirche nebst dem anstoßenden, theilweise noch erhaltenen Kloster, der Thurm, das Pfarrhaus, die ehemalige Klostermühle mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang, das Gasthaus (Sonne), das Viehhaus, der Fruchtkasten und mehrere früher den Klosterhandwerksleuten eingeräumten, nun in Bauernwohnungen umgewandelten Gebäude. Die nun als Pfarrkirche dienende, vormalige Klosterkirche, welche Wilhelm, Abt von Hirschau, im Jahr 1082 zu bauen anfing, wurde im Jahr 1086 vollendet und von Gebhard, Bischof zu Constanz, dem heiligen Gregor zu Ehren, eingeweiht; sie war im romanischen Styl erbaut, ursprünglich dreischiffig, hatte an der Ostseite zwischen Langhaus und Chor 2 viereckige Thürme, welche, sowie die Seitenschiffe im Laufe der Zeit abgegangen sind und wofür nun ein sogenannter Dachreiter dem westlichen Giebel der Basilika aufgesetzt ist; indessen hat sich an derselben noch Vieles von der früheren Anlage erhalten. Das schmucklose, auffallend lange Schiff mit rundbogigen Fenstern schließt sich im Osten mit einer halbrunden Altarnische, unter deren Dachgesimse ein Rundbogenfries und über demselben ein Dreischlitzfries hinzieht. Die gleichen Friese sind an den zu beiden Seiten der Altarnische angebauten Vorstößen und an dem östlichen Dachgiebel des Langhauses angebracht; letzterer wurde übrigens theilweise zerstört und durch einen hölzernen, spitzeren ergänzt. Sowohl an der Altarnische als an den Vorstößen befinden sich noch sehr alte Rundbogenfensterchen, während an der ersteren später auch ein Spitzbogenfenster eingebrochen wurde, das nach seiner ganzen Construction schon der Verfallperiode des germanischen Styls angehört. Die an der Westseite der Kirche befindliche Vorhalle (Paradies), zu der 3 Rundbögen führen, enthält 3 Kreuzgewölbe, deren 3/4 runde | Gurten theils von einfachen Säulen, theils von Säulenbündeln, einzelne auch von Consolen ausgehen und an den Kreuzungspunkten mit schön gearbeiteten Rosetten schließen. Von der Vorhalle führt ein ansehnlicher, einfacher Rundbogen, dessen hölzerne Thüre mit alten bronzenen Thürklopfern geziert ist, in die hohe, flach gedeckte Kirche, die übrigens ihre frühere Ausstattung (Altar, Chorstühle, Grabdenkmale) bei den vorgenommenen Restaurationen verloren hat (s. Hausleutner, Schwäb. Arch. II. Bd. S. 86). Nur in der Vorhalle ist die Grabplatte des Stifters des Klosters mit theilweise noch lesbarer Inschrift (nach Hausleutner): Anno domini … VII. Id. Aug. obiit Berno conversus. Anima ejus requiescat in pace vorhanden. Ferner enthält die Kirche noch den ursprünglichen, im romanischen Geschmack ausgeführten, 12eckigen, hohlen Taufstein. Von dem Langhaus führt ein runder Triumphbogen zwischen den beiden ursprünglichen, beinahe mit dem ganzen Leib in die Kirche hereinragenden Thürmen in den um 3 Stufen höher gelegten halbkreisförmigen Chorraum und von da eine Stufe aufwärts in die halbrunde Altarnische. Zu beiden Seiten des Chorraums befinden sich die Vorstöße (Anbaue), welche künstlich construirte Gewölbe enthalten, deren kantige Gurten an den Kreuzungspunkten schöne Rosetten zeigen; zu dem nördlichen Anbau führen Rundbögen, von prachtvollen Säulenbündeln ausgehend, während der südliche, von einer kunstreichen Säule unterstützte, zugemauert ist. An der Ecke der Altarnische steht ein im germanischen Styl gut ausgeführtes Tabernakel. Die beiden Kirchenglocken tragen die Jahrzahlen 1625 und 1652.

Ein ummauerter Begräbnißplatz lehnt sich an die nördliche Seite der Kirche.

Von dem eigentlichen Kloster ist nur der vordere an die südliche Seite der Kirche stoßende Theil noch vorhanden, welcher gänzlich verändert gegenwärtig die Wohnung des Revierförsters und im untern Stockwerk die geräumige Schule nebst den Wohngelassen des Lehrerpersonals enthält.

Außer der Volksschule. an welcher ein Lehrer und ein Lehrgehilfe unterrichten, besteht auch eine Industrieschule und seit 1833 eine Zeichnungsschule, an der der gegenwärtige Ortsvorstand Burkhart Unterricht ertheilt.

Das in der Nähe der Kirche angenehm gelegene Pfarrhaus, an dessen Vorderseite sich ein freundlicher Garten und Hofraum anlehnt, wird wie die Kirche und das Schulhaus von dem Staate unterhalten.

Den hinter der Kirche stehenden Fruchtkasten (früher Bind- und Schulhaus) hat der Staat im Jahr 1854 an Privaten verkauft; der | untere massive Stock dieses Gebäudes mit seinem rundbogigen Eingang und seinen rundbogigen Fenstern stammt noch aus der romanischen Periode. Unter demselben befindet sich der ehemalige, geräumige Klosterkeller. In dem südlich von der Kirche stehenden, alten, viereckigen Thurm, den die Gemeinde dem Staat abgekauft hat, sind die Ortsgefängnisse eingerichtet.

Ein Rathhaus ist nicht vorhanden, die Gelasse für den Gemeinderath befinden sich in dem Gasthaus zur Sonne; dagegen besteht schon längst ein Gemeindebackhaus.

Der Ort erhält sein Trinkwasser aus 10 Rohrbrunnen und einem Schöpfbrunnen, dem sogen. Siechbrunnen. Auf der Markung befinden sich viele gute Quellen, von denen der Klosterbrunnen im Reichenbachthälchen so stark ist, daß er im Stande wäre, eine Mühle zu treiben; in den Ort geleitet, speist er 5 Brunnen. Der Gastbrunnen, welcher ebenfalls im Reichenbachthälchen entspringt, speist den Gastbrunnen am Wirthshaus zur Sonne, und liefert das beste Wasser, das Heilkräfte besitzen soll und von Kranken häufig genossen wird. Zunächst am Ort bestand früher ein Weiher, der durch Schwellung des Reichenbachs Wasser erhielt.

Die Einwohner sind im Allgemeinen fleißig, aber außer einigen Vermöglichen meist unbemittelt, so daß die Gemeinde namhafte Opfer zur Unterstützung der Ortsarmen zu bringen hat. Der größte Güterbesitz beträgt 30 Morgen, der mittlere 5–6 Morgen, viele besitzen 1/2 Morgen und mehrere haben gar keinen Grundbesitz. Die meisten Parzellen sind 1–2 Morgen groß. Erwerbsquellen sind neben Feldbau und Viehzucht hauptsächlich die Arbeiten in den Waldungen und der Holzhandel, indem das Holz in den Staatswaldungen gekauft, auf den 2 vorhandenen bedeutenden Sägmühlen geschnitten und auf der Achse an die badische Murgschifferschaft in Gernsbach abgesetzt wird. Neben den genannten Gewerben sind 3 Schildwirthschaften, 2 Kaufleute, ein Krämer und eine Bierbrauerei vorhanden und überdieß die gewöhnlichen Handwerker in ziemlicher Anzahl vertreten.

Krämermärkte werden im Juni und September abgehalten.

Die große, übrigens meist mit Wald bestockte, sehr bergige Markung, welche von den Thälern der Murg, des Thonbachs, des Reichenbachs und einer Menge kleiner Seitenthälchen tief durchfurcht wird, hat im Allgemeinen einen mittelfruchtbaren, rothsandigen, düngerbedürftigen Boden (Verwitterung des bunten Sandsteins); im Thal und an den untersten Ausläufern der Thalgehänge haben sich stellenweise fruchtbare Alluvial- und Diluvialgebilde abgelagert und | in der Nähe des Orts kommt Torf in der Thalsohle vor. Steinbrüche sind nicht angelegt, dagegen werden die nöthigen Bausteine von den los herumliegenden Trümmergesteinen gewonnen; zu Straßenmaterial werden die Gerölle und Geschiebe der Murg benützt. Es ist eine Lehmgrube vorhanden; Fegsand, der auch in der Umgegend Absatz findet, wird aus einer auf der Markung zu Tage gehenden Schichte einer weißen Abänderung des bunten Sandsteins gewonnen.

Die klimatischen Verhältnisse sind bedeutend günstiger als in Freudenstadt, wegen häufiger kalter Nebel und Reifen wollen aber die feineren Gartengewächse wie Gurken, Bohnen etc. doch nicht gedeihen; auch ist das Thal gerade gegen Norden geöffnet, daher Frühlingsfröste nicht selten schädlich einwirken. Hagelschlag kommt selten vor, indem der Brückenkopf, ein westlich vom Ort sich erhebender, hoher Berg eine Wetterscheide bildet.

Der ohne Flurzwang betriebene Ackerbau ist nicht beträchtlich, dagegen der Wiesenbau ausgedehnt. Man baut hauptsächlich Roggen und Kartoffeln, weniger Hafer, Gerste, weiße Rüben, Kohlraben, Kraut, etwas Flachs und Hanf. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens Acker wird zu 21/2 Scheffel Roggen, 5 Scheffel Hafer, 31/2–4 Scheffel Gerste angegeben, indessen reicht das Erzeugniß an Getreide für das Bedürfniß des Orts nicht hin, so daß noch viele Früchte von Außen zugekauft werden müssen. Die Wiesen, welche übrigens wegen des theilweise moorigen Grundes nicht selten saures Futter liefern, sind zwei-, zuweilen dreimähdig und können beinahe durchgängig bewässert werden; sie ertragen durchschnittlich 20 Ctr. Heu und 10 Ctr. Öhmd pr. Morgen. Was die Güterpreise betrifft, so bewegen sich die Äcker von 80–250 fl. und die der Wiesen von 80–500 fl. pr. Morgen.

Die Obstzucht, welche sich hauptsächlich mit späten Mostsorten und Zwetschgen beschäftigt, ist ziemlich ausgedehnt, liefert jedoch selten einen erheblichen Ertrag.

Der Rindviehstand (Landrace) ist mittelmäßig und gestattet nur einen unbedeutenden Handel mit Stieren und Zugochsen. Die Zucht der Schweine hat sehr abgenommen, dagegen wird die der Ziegen, in Ermanglung des Rindviehs, in ziemlicher Ausdehnung von minder Bemittelten betrieben. Die Bienenzucht ist von keinem Belang.

Die Fischerei in der Murg, welche, wie ihre Seitenzuflüsse, ziemlich viele Forellen, Aschen und zuweilen Aale beherbergt, ist nicht unbeträchtlich. Früher kamen zuweilen Lachse von dem Rhein | herauf bis in die Gegend von Reichenbach; in neuerer Zeit zeigen sie solche nur höchst selten. Das Fischrecht ist vom Staat verpachtet; sobald die Murg austritt, hat jeder Ortsbürger das Recht, ein Essen Fische für sich und seine Familie zu fangen.

Die Gemeinde besitzt keine eigenen Waldungen, dagegen dürfen die Ortsbürger nicht nur Leseholz in den Staatswaldungen, sondern auch auf dem Hilpersberg Streu sammeln und Rindvieh, Schweine und Ziegen in die Staatswaldungen austreiben.

Über das Vermögen der Gemeinde und der Stiftungspflege s. Tabelle III. Für die ehemaligen Reichenbacher Oberamtsorte ist eine Almosenpflege vorhanden, zu welcher der Staat jährlich 50 fl., 6 Scheffel Dinkel und 12 Scheffel Roggen beiträgt.

Nach Aufhebung des eigenen Oberamts im Jahr 1807 war der Ort der Sitz eines Oberforstamts, welches nach einigen Jahren nach Freudenstadt verlegt wurde.

Der Pfarrsatz ist landesherrlich.

Der zur Gemeinde gehörige Weiler Thonbach (Reichenbacher Höfe) liegt 1/4 Stunde südwestlich vom Mutterort an der Einmündung des Thonbachs in die Murg. Er besteht aus vereinzelten Häusern und Häusergruppen, die sich äußerst malerisch theils in der Thalebene des Thonbachs, theils an den untern Thalgehängen des Murgthales lagern. Die natürlichen und landwirthschaftlichen Verhältnisse, wie die Mittel des Erwerbs sind die gleichen wie in dem Mutterort, dagegen befinden sich die Einwohner in besseren Vermögensumständen als die von Reichenbach. Gutes Trinkwasser ist hinreichend vorhanden. Von Gewerben sind eine Mühle mit einem Gerbgang und einem Säggang, ferner eine Säg-, Öl- und Gerstenstampfmühle zu nennen.

Die Einwohner sind nach Reichenbach eingepfarrt und die schulpflichtigen Kinder besuchen die Schule daselbst.

Die Höfe verdanken ihre Entstehung dem Kloster Reichenbach, welchem schon im J. 1085 hiesige Wiesen und Wälder geschenkt wurden (juxta Dovmbach. Cod. Reichenbac. 4 b; vgl. ib. 16 a).

Geschichte des Klosters Reichenbach[2]. Bern (von Siegburg) übergab dem Abt Wilhelm von Hirschau ein Grundstück am Zusammenfluß des Reichenbachs mit der Murg, mit einer Hube zu Fischbach, unter der Bedingung, daß hier ein Kloster gegründet werde. Nach vorhergegangener Berathung mit den älteren Conventualen | schickte der Abt im Mai 1082 3 Mönche und 5 Laienbrüder an den Ort; unter den letzteren befand sich Ernst, ein frommer Rheinländer aus Geisenheim, der sich ins Kloster Hirschau begeben hatte, und nun der eigentliche Begründer, „der zweite Vater“ der neuen Stiftung wurde. Denn da seine Genossen hier nichts als dichten Wald und öde Wildniß fanden und Anfangs in von Tannenreisern gebauten Hütten wohnen mußten, wären alle wieder abgezogen, hätte er nicht ihren Muth erfrischt und durch seine Ermahnungen sie bewogen, auszuharren; zugleich förderte er das Werk durch reichliche Geldbeiträge. Nach 3 Jahren stand das Kloster, dessen Kirche Bischof Gebhard von Constanz den 27. Sept. 1085 zu Ehren des hl. Gregorius einweihte, woher es, wiewohl auch der h. Remigius als Patron vorkommt, den Namen Gregoriuszell erhielt, der jedoch die alte Benennung Reichenbach nicht zu verdrängen vermochte.

In das Kloster kamen ein Prior, ein Subprior und 16 Conventualen; Bern selbst trat als Laienbruder ein und starb hier. Selbstständig aber wurde das Kloster nicht und blieb als Priorat dem Kloster Hirschau unterworfen (den 8. März 1095 bestätigt Pabst Urban II. diesem Kloster auch cellulam Sancti Gregorii, que dicitur Richinbach), dessen Abt oberster Verwalter und Aufseher war, den Prior ein- und absetzen durfte. Ein von Prior Theoger (Vita Theogeri in Pertz, Mon. 14, 451) gegründetes Nonnenkloster gieng bald wieder ein (Mack a. a. O. 38). Nächst Bern wurden namentlich der obengenannte Ernst und seine Schwestersöhne Ernst und Volrad Wohlthäter des Klosters, dem sie Güter im Rheinthal bei Worms und Geisenheim schenkten, welche aber bald für näher gelegene vertauscht wurden. Auch der Abt Wilhelm und sein Nachfolger Gebhard erwiesen sich freigebig gegen das Kloster und dieses erhielt gleich in den ersten Jahren seines Bestehens von verschiedenen Laien nicht nur den größten Theil der Wälder, Weiden und Feldgüter in seiner Nähe, sondern auch entferntere Besitzungen. Diese Freigebigkeit dauerte auch in spätern Zeiten noch fort, aber manches entferntere Gut gieng freilich auch wieder verloren, solche Güter verpachtete man daher häufig und kaufte von ihrem Ertrag neue Güter und Gülten.

Die Abhängigkeit von Hirschau wurde den Reichenbachern oft lästig und sie ließen es daher auch nicht an Versuchen fehlen, sich davon frei zu machen. Im Jahr 1332 entstand über die Priorswahl zwischen den Mönchen und dem Abt Wighard von Hirschau ein Streit, der Jahre lang fortdauerte und endlich so ernstlich wurde, daß der Abt 1354 den Prior Volmar absetzte und die widerspenstigen | Conventualen einkerkerte. Je mehr aber der Abt sein Recht zu behaupten suchte, desto mehr wuchs auch die Widerspenstigkeit der Mönche und erst nach 4 Jahren wurde die Sache durch die Äbte von Bebenhausen und Herrenalb zu Gunsten des Abts von Hirschau entschieden. Im Jahr 1432 wählten die Reichenbacher eigenmächtig einen Prior; Abt Wolf von Hirschau erschien sogleich und erklärte die Wahl für ungültig, die unbotmäßigen Mönche aber bestanden hartnäckig darauf, daß sie das Recht hätten, ihren Prior selbst zu wählen, und Wolf brachte daher die Sache an die Kirchenversammlung in Basel. Diese ließ eine Untersuchung anstellen und am 27. Jan. 1438 wurde entschieden: der Abt zu Hirschau hat ausschließlich das Recht, den Prior in Reichenbach ein- und abzusetzen, und diese Würde, so oft er will, einem Mönche seines Klosters zu übertragen, auch muß ihm der Prior alljährlich Rechnung ablegen. Als hierauf Abt Wolf das Kloster reformiren wollte, entstanden neue Unruhen, doch vermittelte der Abt von Sulz und die Reichenbacher mußten bekennen, daß ihr Kloster in Geistlichem und Weltlichem Hirschau unterworfen und wie eine Tochter der Mutter verpflichtet sey. Spätere Versuche, sich unabhängig zu machen, wie im Jahre 1473, führten zu nichts Anderem, als daß sie das Abhängigkeitsverhältniß Reichenbachs noch mehr befestigten. Vergebens baten 1486 die Mönche um Wiedereinsetzung ihres vom Abt entsetzten Priors, der Nachfolger desselben mußte sich verschreiben, nur so lange der Abt es haben wolle, in seinem Amte zu bleiben und dasselbe auf dessen Befehl sogleich niederzulegen (Cleß 3, 36). Um dieses Abhängigkeitsverhältniß desto sicherer zu erhalten, wurde von Zeit zu Zeit ein Theil der Mönche nach Hirschau versetzt und neue Conventualen von hier ausgeschickt.

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Schutzvögte des Klosters waren ursprünglich die Grafen von Calw als Beschützer des Mutterklosters Hirschau; auch Herzog Berthold IV. von Zäringen († 1186) wird als Schutzvogt angeführt (Cod. Reichenb. 37 b). Den 19. Nov. 1339 übertrug Abt Sigmund von Hirschau und Prior Reinbot von Reichenbach die Schutzvogtei den Grafen von Eberstein (Krieg v. Hochfelden Gr. v. Eb. 373) und diese theilten sich durch den Vergleich vom 10. März 1399 mit den Markgrafen von Baden darein. Seit jedoch 1342 Hirschau unter württembergischen Schirm gekommen war, machten auch die Grafen von Württemberg Ansprüche auf die Schutzvogtei. Baden und Eberstein dagegen beriefen sich auf die freiwillige Übertragung des Schutzes und auf den Umstand, daß die meisten Klostergüter im Umfang der Grafschaft Eberstein lägen, sie drangen zugleich auf die buchstäbliche | Erfüllung der alten Bedeutung des Wortes Kastvogtei; namentlich verlangten sie größeren Einfluß bei den Priorswahlen und 1438 wurde ihnen bewilligt, daß künftig der Abt zu Hirschau den Prior nur mit ihrem Wissen und Rath ernennen, von ihnen auch die jährliche Rechnungsabhör durch Abgeordnete beschickt werden dürfe (Cleß 2, 341). Bei der Erneurung dieses Vertrags im Jahr 1472 fügte man die Beschränkung bei, daß der Abt nicht gerade verbunden sey, ihren Rath bei der Priorswahl zu befolgen (ebendas. 342. 3, 35. 36). Doch erwarb sich Baden nach und nach einen entschiedeneren Einfluß auf die inneren Angelegenheiten des Klosters und half auch Haushaltungs- und andere Ordnungen machen. Durch den Vertrag von 1469 aber mußte es die Schutzvogtei in Reichenbach und in der Umgegend an Württemberg abtreten.

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Als im J. 1534 Herzog Ulrich die Reformation in Württemberg einführte, blieb der damalige Prior von Reichenbach, Valentin Wetzel, in seinem Amte, war jedoch den evangelischen Äbten in Hirschau gehorsam. Diese Abhängigkeit von Hirschau dauerte fort, bis 1581 der ehrgeizige, ränkevolle Johann Hügelin Prior wurde, welcher sich nun sogleich davon frei zu machen suchte. Herzog Ludwig von Württemberg begann deßwegen langwährende Unterhandlungen, sein Nachfolger Friedrich I. trat entschiedener auf; der Vogt zu Dornstetten wurde um sein Gutachten befragt und erklärte, man könne leicht von Baiersbronn aus das Kloster einnehmen, und wenn eine stärkere Kriegsmacht nöthig würde, könne man aus den benachbarten Ämtern in 12–14 Stunden wohl 1500 Mann aufbringen. Am 24. Oct. 1595 besetzten hierauf der Rath Tholde und der Hauptmann Grimmeisen mit etlich 100 Mann zu Roß und zu Fuß, auch einigem Geschütz das Kloster, aus dem der Prior entfloh; die Novizen wurden entlassen, dem Konvent aber „ein unkatholischer Schaffner aufgedrungen.“ Bei der hierauf eingenommenen Huldigung jedoch durften die Unterthanen die Pflichten gegen Baden und Eberstein als ihre Schirmherren vorbehalten und der Herzog selbst erklärte, er habe durchaus nicht die Absicht, ihre Rechte zu kränken, sondern allein die Rechte des Klosters Hirschau zu handhaben. Dennoch klagte Markgraf Ernst Friedrich über diese That als einen Eingriff in seine oberherrlichen Rechte. Hierauf aber erwiederte der Herzog: Grund und Boden des Priorats gehörten dem Kloster Hirschau und da Hügelin versucht habe, sich der Abhängigkeit von diesem zu entziehen, die Schirmsherren aber sich gar nichts um das Priorat bekümmert hätten, so halte er es für seine Pflicht, einem solchen Unwesen vorzubeugen, | den Conventualen den Eid, den sie vormals dem Kloster Hirschau hätten leisten müssen, abzufordern und die Unterthanen huldigen zu lassen; er erbiete sich übrigens, wenn diese Antwort nicht als genügend erscheine, zu aller Billigkeit. Als jedoch der Probst des Stifts zu Baden ihm die Kleinodien und Urkunden des Klosters vorenthielt und der Bischof von Constanz dessen Gefälle im Hohenbergischen einzog, legte Friedrich Beschlag auf die Einkünfte der Stifter Baden und Horb in seinen Landen und zwang so Bischof und Probst zur Nachgiebigkeit. Indeß war der entflohene Prior nach Prag gegangen, wo er am 24. März 1596 dem Kaiser Rudolf II. persönlich eine Klagschrift gegen den Herzog übergab, worauf der Kaiser den 7. Juni 1596 dem Herzog, der mit diesem „eigenthätigen Einfall und Zugriff zu viel gethan habe“, befahl, das Kloster innerhalb 6 Wochen dem Prior zurückzugeben, weil das Kloster Hirschau reformirt sey und daher kein Recht mehr auf dieses Priorat habe. Dieser kaiserliche Befehl aber blieb ohne Wirkung und dem Bischof von Constanz, der dem Herzog den 6. März 1598 schrieb, da Hügelin todt sey, hoffe er, daß der Schaffner und das andere weltliche Verwaltungspersonal aus dem Kloster entfernt und dieses in integrum restituirt werden würde, antwortete Friedrich (den 8. März 1598), er sey nicht gesonnen, sich der Administration des Klosters zu entschlagen, vielmehr werde er die Rechte seines Klosters Hirschau auf Reichenbach fortwährend zu behaupten wissen und müsse gegen die Wahl eines neuen Priors protestiren, weil diese vertragsmäßig allein dem Abt in Hirschau zustehe (Gerbert 3, 439 ff.). Am 2. Juni 1602 kaufte er dann den Grafen Philipp und Hans Jakob Gebrüder von Eberstein für 23.000 fl. ihre Rechte an das Priorat, und für 6000 fl. noch insbesondere das Vogtrecht über dasselbe ab und ließ, nach dem Abzug der Conventualen, durch den ersten hiesigen Pfarrer Daniel Hitzler im Jahr 1603 Reichenbach reformiren, dasselbe auch durch den Landtagsabschied vom 25. Jan. 1605 der Landschaft incorporiren.

Von sonstigen Schicksalen des Klosters ist wenig bekannt; von unruhigen, habsüchtigen und gewaltthätigen Nachbarn hatte es, wie andere Klöster, Manches zu leiden; 1360 befahl Pabst Innocenz VI. dem Abt von Alpirsbach, ihm die unrechtmäßiger Weise entrissenen Güter wieder zu verschaffen, 1471 mußten die Bürger in Horb wegen Beschädigung des Klosterhofs in der Stadt 131 Pf. H. Schadenersatz zahlen, die Dornstetter aber ein geraubtes Klostergut wieder herausgeben.

Der dreißigjährige Krieg brachte Reichenbach für einige Zeit wieder in fremden Besitz. Am 30. April 1628 erschien, auf Veranlassung | des Bischofs von Constanz, ein scharfes kaiserliches Rescript, das Württemberg die Herausgabe des Klosters gebot (Sattler 6, 226), hierauf zogen im März 1629 die ersten katholischen Mönche in Reichenbach ein. Benedikt Rauch aus Wiblingen wurde als Prior berufen und ließ am 5. April die Unterthanen, von denen die meisten längst schon der protestantischen Confession ergeben waren, huldigen. Kaiser Ferdinand II. nahm das Kloster in seinen besonderen Schutz und am Klosterthor wurde der kaiserliche Adler angeschlagen. In der Nacht des 16. Juni 1631 überfiel eine Freibeuterschaar, der sich der Schultheiß von Reichenbach mit seinen Leuten anschloß, das Kloster, plünderte es und mißhandelte die Conventualen. Diese flohen nach Horb, nur der Prior hielt standhaft aus, bis die Schweden herannahten, worauf auch er sich entfernte und erst 1635 wieder zurückkehrte. Da er indeß zum Abt von Wiblingen erwählt worden war, ernannte er den Albert Gerhard zu seinem Stellvertreter, nach dessen Tode (d. 6. Dec. 1646) Ernst Fabri Prior wurde. Dieser wandte zwar Alles an, um die Wiederherausgabe des Klosters an Württemberg zu vereiteln, aber umsonst; der westphälische Friede (1648) verschaffte dem Herzog Eberhard III. den Besitz Reichenbachs wieder und ein langjähriger Proceß, den kurz nachher Baden wegen seiner Ansprüche daran erhob, blieb ohne Erfolg.

Vor Aufhebung des Klosteramts stund solches unter der Schirmsvogtei Freudenstadt.

Der Hauptkern der Güter des Priorats, aus welchem sich das spätere Klosteramt bildete (I, 5), war im jetzigen Oberamt Freudenstadt, doch hatte Reichenbach in früher Zeit auch vereinzelte Besitzungen in den Oberämtern Balingen, Besigheim, Böblingen, Brackenheim, Herrenberg, Horb, Leonberg, Nagold, Oberndorf, Rottenburg, Stuttgart, Sulz, Vaihingen, ferner im jetzigen Großherzogthum Baden Höfe zu Achern, Altschweier, Sulzbach (bei Ettlingen) u. m. a. (Stälin, Wirt. Gesch. 2, 702.)

Bis 1805 hatte Kloster Reichenbach Sitz und Stimme auf den Landtagen.


  1. Wichtige Geschichtsquelle: Codex traditionum monasterii Reichenbacensis, Handschrift des 12. Jahrhunderts mit Fortsetzungen aus dem 13. (auf der königl. öffentlichen Bibliothek, Hist. O. Nr. 147), herausgegeben bei Kuen, Collectio 1 b, 55 sqq., in den Württ. Jahrb. Jahrg. 1852 a, 105–139 und im Wirt. Urk.-Buch Bd. 2. Schluß. Hilfsmittel: Mart. Mack, Histor. et donationes Reichenbac. monasterii bei Kuen a. a. O. 1 b, 29 ff.
  2. Als Wappen führte das Kloster ein goldenes R im rothen Schilde, hinter welchem ein Abtsstab hervorragte.
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