« Kapitel B 8 Beschreibung des Oberamts Calw Kapitel B 10 »
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Dachtel,
Gemeinde III. Kl. mit 476 Einw., wor. 1 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Dätzingen, O.A. Böblingen eingepfarrt.


Der kleine, ziemlich regelmäßig in die Länge gebaute Ort hat in dem schmalen, wiesenreichen Aidthale, welches bei Dachtel seinen Anfang nimmt, eine geschützte, angenehme Lage. Die Entfernung von der nordwestlich gelegenen Oberamtsstadt beträgt 21/2 Stunden. Durch den nördlichen Theil fließt die Aid (auch Aischbach und Mühlbach genannt), welche 1/8 Stunde westlich vom Ort entspringt, zunächst am Ort einen Zufluß durch das Kettenbrünnle und den Riedgraben erhält und nur einige hundert Schritte unterhalb des Dorfs eine Mühle mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang in Bewegung setzt. An den wohl unterhaltenen, mit Kandeln versehenen Ortsstraßen lagern die im Allgemeinen freundlichen ländlichen Wohnungen, welche größtentheils aus Holz erbaut und mit Ziegelplatten gedeckt sind.

Die beinahe in der Mitte des Orts gelegene Pfarrkirche, welche von der Stiftungs- und Gemeindepflege unterhalten wird, wurde im Jahr 1601 an der Stelle der frühern neu erbaut; im Winter 1768/69 brannte sie bis auf die Mauern ab und wurde alsdann in ihrem gegenwärtigen Zustande wieder hergestellt. Sie ist in einem ganz einfachen Styl mit spitzbogigen Fenstern, jedoch ohne Füllungen erbaut; der Chor schließt mit einem halben Sechseck. Das Innere wurde im Jahr 1856 freundlich erneuert und mit flacher Gypsdecke in Langhaus und Chor versehen. Von dem viereckigen, ziemlich hohen und mit einem Zeltdach versehenen Thurm genießt man eine freundliche Aussicht dem Aidthal entlang, in dessen Hintergrunde Böblingen mit seinen Umgebungen sichtbar ist. Die beiden auf dem Thurme hängenden Glocken wurden von Christian Ludwig Neubert in Ludwigsburg 1761 gegossen.

| Um die Kirche liegt der ehemalige, im Jahr 1839 aufgegebene Begräbnißplatz, dessen hohe und feste Ringmauer erst in neuerer Zeit namhaft abgetragen und erniedrigt wurde; ein neuer Begräbnißplatz ist am östlichen Ende des Dorfs angelegt und ummauert worden. Das von dem Staat zu unterhaltende Pfarrhaus nebst Öconomiegebäuden, Garten und Hof hat eine angenehme Lage an der Hauptstraße zunächst der Kirche.

Das ansehnliche, im Jahr 1827 neu erbaute Schulhaus enthält ein Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und die Gelasse für den Gemeinderath. Ein öffentliches Waschhaus, an welches im Jahr 1838 ein Backhaus angebaut wurde, besteht schon längst. Ein Schafhaus steht am westlichen Ende des Dorfes.

Der Ort erhält aus 6 Pumpbrunnen gutes Trinkwasser, das auch in trockenen Sommern nicht nachläßt; überdieß befinden sich ganz in der Nähe des Orts reichlich fließende Quellen, von denen das sog. Kettenbrünnle das beste, häufig von Kranken gesuchte Wasser liefert. Der Ursprung der Aid oder des Aischbachs soll etwas hartes Wasser führen. Oberhalb des Aidursprungs befinden sich mehrere periodisch fließende Quellen (Hungerbrunnen), die öfters so stark fließen, daß sie eine Mühle in Bewegung setzen könnten.

Die mittelgroße, durchaus unebene, hügelige Markung hat im Allgemeinen einen fruchtbaren, nicht tiefgründigen, meist steinigen Boden, der theils aus den Verwitterungen des Hauptmuschelkalks und im südwestlichen Theil der Markung aus den Zersetzungen des Lettenkohlendolomits besteht; in den Thälern und an den Ausläufern der Hügel lagert theils ein kalter, sog. Malmboden, theils ein fruchtbarer Lehm- und Alluvialboden.

Das Klima ist ziemlich mild und die Luft gesund; Frühlingsfröste schaden zuweilen dem Obst und den feineren Gewächsen; Hagelschlag kommt häufiger vor als in dem nahe gelegenen Deckenpfronn. Die Einwohner sind im Allgemeinen körperlich wohlgebaute, gesunde Leute, die sich häufig eines hohen Alters erfreuen und selten von epidemischen Krankheiten heimgesucht werden; in sittlicher Beziehung vereinigen sie mit einem großen Fleiß einen geordneten, friedfertigen Lebenswandel und religiösen Sinn. Ihre Nahrungsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht und ihre Vermögensumstände gehören im Allgemeinen zu den günstigen, indem der Mittelstand vorherrscht und gegenwärtig nicht Eine Familie der Gemeindeunterstützung bedarf. Der vermöglichste Bürger besitzt 42 Morgen Güter und der sog. Mittelmann etwa 18 Morgen; auch der Unbemitteltste hat noch einigen Grundbesitz. Gantungen gehören zu den Seltenheiten. Die | Markung ist ziemlich klein parcellirt und die meisten Grundstücke sind nur 1/2 Morgen groß.

Die Landwirthschaft wird nach drei Zelgen mit 1/4 Bracheinbau umsichtig und fleißig betrieben; der deutsche Pflug ist wegen des steinigen Bodens immer noch der vorherrschende, dagegen ist eine Gemeindewalze vorhanden und die Düngerstätten werden immer mehr zu verbessern gesucht. Von den Getreidearten baut man vorzugsweise Dinkel, Hafer, Gerste und in der Brache dreiblätterigen Klee, Esparsette, Kartoffeln, weiße Rüben, weniger Hanf und Reps. Mit dem Hopfenbau sind in neuerer Zeit kleine Versuche gemacht worden, die günstige Ergebnisse lieferten. Auf den Morgen säet man 7–8 Sri. Dinkel, 4–5 Sri. Hafer, 2 Sri. Gerste und erhält einen durchschnittlichen Ertrag von 4–10 Schfl. Dinkel, 2–5 Schfl. Hafer und 2–5 Schfl. Gerste per Morgen. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 40–500 fl. Von den Getreideerzeugnissen werden über den eigenen Bedarf jährlich etwa 1000 Schfl. Dinkel und 100 Schfl. Hafer auf der Schranne in Calw abgesetzt. Die Wiesen sind nicht sehr ausgedehnt, daher für den nöthigen Viehstand mit Futtersurrogaten (Klee, Esparsette, Ackerbohnen und Wicken) stark nachgeholfen werden muß; etwa zur Hälfte wässerbar, ertragen sie per Morgen 25 Ctr. Heu und 10–12 Ctr. Öhmd; in trockenen Jahrgängen fehlt zuweilen bei den nicht wässerbaren Wiesen der Öhmdertrag beinahe ganz. Die geringsten Wiesen kosten 300 fl. und die ergiebigsten 700 fl. pr. Mrg.

Die im Zunehmen begriffene Obstzucht ist unbedeutend und befriedigt nicht einmal das örtliche Bedürfniß, so daß noch ziemlich viel Obst von Außen aufgekauft werden muß; sie beschäftigt sich hauptsächlich mit späten Mostsorten (Luiken, Knausbirnen, Palmischbirnen) und ziemlich vielen Zwetschgen.

Die Rindviehzucht ist ziemlich mittelmäßig und erlaubt nur einen kleinen Handel mit Kühen; man hält vorzugsweise eine rothe Landrace, welche durch 2 Landfarren nachgezüchtet wird. Die Haltung der Zuchtstiere besorgt ein Bürger gegen Entschädigung von Seiten der Gemeinde.

Ein Ortsschäfer weidet gegen ein Pachtgeld von 260 fl. etwa 300 Stück Bastardschafe auf der Markung; überdieß trägt die Pferchnutzung der Gemeinde gegen 200 fl. jährlich ein.

Die Zucht der Bienen und des Geflügels ist nicht von Belang.

Die Gewerbe dienen, mit Ausnahme von 2 Schildwirthschaften und 2 Kramläden, nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen.

| Durch Vicinalstraßen nach Deufringen, Gechingen und Deckenpfronn ist dem Ort der Verkehr nach Außen gesichert.

Die Gemeinde besitzt 275 Morgen größtentheils mit Laubhölzern bestockte Waldungen, deren jährlicher Ertrag mit 75 Klaftern und 1500 Stück Wellen an die Ortsbürger vertheilt wird, so daß jeder 1/2 Klafter und 15–20 Stück Wellen erhält; überdieß wird etwa für 50–70 fl. jährlich Holz verkauft. Etwa 200 Morgen Gemeindegüter sind vorhanden, von denen gegen 100 Morgen als Schafweide liegen bleiben und die übrigen den Bürgern unentgeldlich zum Anbau überlassen werden. Über das Gemeinde- und Stiftungsvermögen s. Tabelle III.

Auf dem sog. „Höhnle“, etwa 1/4 Stunde südwestlich vom Ort, erschließt sich dem Auge ein ausgebreitetes Panorama an den Schwarzwald, die Alp und über den Schönbuch.

Dachtel erscheint als Dachtela im Codex des Klosters Hirschau, welches schon im 12. Jahrhundert durch die Mildthätigkeit Ludwigs von Ostelsheim, eines gräflich Calw’schen Ministerialen, ein hiesiges Gut erhielt (Cod. Hirsaug. 43b; s. auch eb. 70a). Den Ort selbst mit Vogtei, Kirchensatz und Zehnten besaßen später die Herren von Waldeck und von ihnen kam er an Württemberg. Heinrich von Waldeck verkaufte an letztere Herrschaft im J. 1413 1/4 der Vogtei und 72 Malter Fruchtgülten, 1417 mit seinem Neffen Conrad weitere Güter, 1419 aber all seine übrigen Gülten und Liegenschaften (Steinhofer Wirt. Chron. 2, 618. 678). Den Rest der Vogtei und des Orts erwarb Württemberg 1418 von den Kindern des Hans von Altheim und von Rafan Hofwart, an welche er von den von Waldeck erblich gekommen war (Steinhofer 2, 674. Sattler Topogr. 208). So lange Dachtel waldeckisch war, mußten die Einwohner jedes Jahr ein Faß Wein frohnweise auf das Schloß Waldeck führen, unter württembergischer Herrschaft wurde diese Frohn in die Abgabe von 1 Pfund Heller, Weinfuhrpfund genannt, verwandelt. Sie waren auch verpflichtet, ihre Gülten nach Calw zu führen und dort an dem Kasten messen zu lassen; vom Umgeld aber waren sie befreit, „in Ansehung, daß sie die groß Maß haben“ (Reyscher Stat. Rechte 608).

Den Kirchensatz, Widumhof und Zehnten verkauften Heinrich von Waldeck und sein Neffe Konrad 1417 und 1419 an Württemberg, welchem 1428 auch Tristan und Wilhelm von Waldeck ihre Gerechtigkeit an der Kirche übergaben (Steinhofer 2, 653. 678. 742. Sattler Grafen 2, 92).

In Folge der Drangsale des 30jährigen Kriegs war Dachtel von 1640–1648 Filial von Gechingen, 1648–1652 von Deckenpfronn.

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