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  • Meyers Konversations-Lexikon 1888: S. 366 f. und Stadtplan

C&P:

Braunschweig (hierzu der Stadtplan), die Haupt- und Residenzstadt des gleichnamigen Herzogtums, liegt in einer wohlangebauten Ebene an der Oker, 62m ü. M., im Knotenpunkt mehrerer Eisenbahnen (nach Magdeburg, Hannover, Holzminden etc.) und ist eine interessante, ihr altdeutsches Bild im Innern treu bewahrende Stadt. Die hauptsächlichsten Straßen u. Plätze innerhalb der frühern Ringmauern sind: der Bohlweg, der Schloß-, Burg-, Wilhelmsplatz, der Altstadt-, Kohl- u. Hagenmarkt, der letztgenannte mit dem von A. Breymann entworfenen u. von Howaldt in Bronze gegossenen Brunnenstandbild Heinrichs des Löwen geschmückt. Unter den in architektonischer Hinsicht ausgezeichneten Kirchen behauptet der ehrwürdige Dom (im Rundbogenstil 1173 von Heinrich dem Löwen gegründet, 1346 durch ein neues südliches Seitenschiff, 1469 durch ein nördliches erweitert) den obersten Rang. In seinem Innern sind von Interesse die Wandmalereien, das aus dem Anfang des 13. Jahrh. stammende Grabmal Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin Mathilde und die Krypte mit dem Erbbegräbnis der Braunschweiger Welfen. Neben dem Dom liegen die Überreste der im Juli 1873 niedergebrannten Burgkaserne, der ehemaligen, schon 1068 erwähnten Burg Dankwarderode, in welcher Heinrich der Löwe 1195 starb. In der Mitte des Burgplatzes steht die 1166 von Heinrich dem Löwen errichtete Rugesäule mit dem Bronzelöwen. Andre bedeutende Kirchen sind: die Katharinenkirche (1172 ebenfalls von Heinrich dem Löwen gegründet) mit interessantem Turm (1192-1379 erbaut); die in den Jahren 1862-64 im Innern vollständig restaurierte Brüderkirche mit dem 1345 begonnenen erhabenen Chor und dem prachtvollen Hochaltar (einem Schnitzwerk aus dem Ende des 14. Jahrh.); die Martinikirche (um 1180-90 erbaut) mit romanischen Türmen, reichen, aus dem 14. Jahrh. stammenden Seitenportalen und der prächtigen Annenkapelle (von 1434); die Magnikirche, die älteste der Stadt (1031 begonnen); die Paulinerkirche, die jetzt als Zeughaus dient, ein edler Hallenbau von 1343, mit wohlerhaltenen Kreuzgängen; die Andreaskirche mit einem 104m hohen Turm (begonnen 1200, vollendet 1532); die Ägidienkirche, jetzt zu Kunst- und andern Ausstellungen benutzt (begonnen 1278, vollendet 1434), und der neue jüdische Tempel. Unter den öffentlichen Profangebäuden steht obenan: das Residenzschloß, aus der Stätte des in der Revolution vom 7. Sept. 1830 abgebrannten Grauen Hofs gelegen, an seiner Nordseite von Parkanlagen umgeben. Es wurde 1831-36 nach Ottmers Plan ausgeführt, dann, nachdem es 23.-24. Febr. 1865 zum zweitenmal ein Raub der Flammen geworden, bis 1869 nach dem frühern Plan von neuem erbaut. Eine Hauptzierde bildet die herrliche, von Howaldt nach Rietschels Modell in Kupfer getriebene Quadriga der Brunonia, welche das Gebäude krönt. Auf dem Schloßplatz stehen seit 1874 die Reiterstandbilder der Herzöge Karl Wilhelm Ferdinand (gest. 1806) und Friedrich Wilhelm (gest. 1815). Unter den übrigen Bauten zeichnen sich aus: das Altstadt-Rathaus, ein Juwel der Gotik (aus dem 14. und 15. Jahrh., s. Tafel "Gehe zu Baukunst X", Fig. 2), vor demselben der schlanke, in Blei gegossene Brunnen von 1408; das Neustadt-Rathaus (aus dem 15. Jahrh., aber im 18. Jahrh. gänzlich umgebaut) mit dem Museum der Stadt; das Gewandhaus (aus dem 13. Jahrh.) mit reicher Ostfassade im Renaissancestil (von 1589); die alte Wage, ein interessanter Fachwerkbau von 1534, und außer vielen, reich mit Schnitzwerk verzierten Privatholzbauwerken aus dem 15. und 16. Jahrh. sowie vielen Renaissance-Privatsteinbauten aus dem 16. und 17. Jahrh.: das Bahnhofsgebäude, die Infanteriekaserne (beide von Ottmer) und das Gesamtgymnasium (von Fr. Krahe erbaut). Als historisch merkwürdige Gebäude sind auch Lessings Sterbehaus (aus dem Ägidienmarkt) und K. F. Gauß' Geburtshaus (aus der nördlichen Wilhelmsstraße) zu erwähnen. Unter den Promenaden und Gärten, welche die Stadt an Stelle der ehemaligen Festungswerke umgeben, zeichnen sich besonders der herzogliche Park mit dem neuen Hoftheater, der Hollandsche und der Eisenbahnpark aus. Unweit der beiden letztgenannten liegt der eine weite Umschau gewährende Windmühlenberg, zu seinen Füßen der Monumentplatz mit dem 23m hohen Obelisken von Eisen (1822 zu Ehren der Herzöge Karl Wilhelm Ferdinand und Friedrich Wilhelm nach Krahes Entwurf errichtet); unweit davon das Lessingdenkmal mit der berühmten Statue des Dichters von Rietschel (seit 1853, s. Tafel "Gehe zu Bildhauerkunst IX", Fig. 3). Außerhalb der Stadt liegen die herzoglichen Lustschlösser Alt- und Neu-Richmond in lieblichen Parkumgebungen; das Schilldenkmal, 1837 errichtet über den Gebeinen der hier 1809 erschossenen 14 Schillschen Krieger, und unweit davon der Magnikirchhof mit der Grabstätte Lessings. Die Zahl der Einwohner betrug mit Einschluß der Garnison (Stab der 40. Infanteriebrigade, 2 Bataillone Nr. 67, Husarenregiment Nr. 17) 1880: 75,038, darunter 3444 Katholiken und 406 Juden. Die Industrie der Stadt ist ansehnlich; besonders hervorzuheben sind: Jutespinnerei (1470 Arbeiter), eine Nähmaschinenfabrik (700 Arbeiter), Fabriken für Rübenzucker, Eisen-

gußwaren, Maschinen aller Art, Eisenbahngut, Tabak, Woll- und Baumwollzeug, Stärke, Gold- und Silberwaren, Leder, Handschuhe, lackierte Waren, Tapeten, Papiermaché, Farben, chemische Artikel, Spielkarten, Zichorie, Würste, Pfefferkuchen, endlich Brennereien und Brauereien (die berühmte "Mumme"). Nicht weniger bedeutend als die Gewerbe ist der Handel Braunschweigs. In der Mitte zwischen Hamburg und Leipzig, Hamburg und Frankfurt a. M., Bremen und Leipzig, Lübeck und Frankfurt nebst Augsburg gelegen, kam B. schon früh in Besitz eines großen Speditionshandels. Die beiden Messen Braunschweigs waren früher nach der Leipziger und Frankfurter die größten im westlichen Deutschland, sind aber jetzt nur noch von ganz geringer Bedeutung. Der Warenumsatz Braunschweigs wird auf 15 Mill. Mk. jährlich angeschlagen. B. hat 8 Buchhandlungen, 6 Buchdruckereien (darunter die große Viewegsche) und mehrere Schriftgießereien. Von Zeitungen erscheinen: die "Braunschweiger Anzeigen" (Regierungsblatt), das "Braunschweiger Tageblatt", die "Braunschweiger Landeszeitung". In Watenbüttel bei B. erfand Jürgen 1530 das Spinnrad. Für Wissenschaft und Kunst ist durch Sammlungen und Anstalten reichlich gesorgt. Das herzogliche Museum bewahrt einen reichen Schatz von Antiken, mittelalterlichen (namentlich kirchlichen) Kunstschätzen, Kupferstichen, Handzeichnungen und viele wertvolle Gemälde. Das berühmte, beim Sturm von Mantua 1630 erbeutete sogen. "Mantuaner Onyxgefäß" (aus einem einzigen Onyx geschnitten, in altetruskischer Krugform) war 1830 mit Herzog Karl aus dem Schloß verschwunden; Genf, die Universalerbin des Herzogs, gab dasselbe aber als ein zum herzoglichen Familienfideikommiß gehörendes Kunstwerk 1874 zurück. Ferner gibt es ein städtisches Museum, eine öffentliche Bibliothek auf dem Carolinum und eine städtische Bibliothek, mit dem Stadtarchiv verbunden. An Bildungsanstalten bestehen in B.: die Technische Hochschule (Carolo-Wilhelmina) in fünf Abteilungen: für Architektur, Ingenieurbauwesen, Maschinenbau, chemische Technik und Pharmazie, und in einer sechsten für allgemein bildende Wissenschaften und Künste; ein Gymnasium, ein Realgymnasium, ein Schullehrerseminar, eine Taubstummen- und eine Blindenanstalt, eine Zeichenschule des Kunstvereins etc. Vortrefflich sind die Wohlthätigkeitsanstalten, insbesondere für Armen- und Krankenpflege, unter denen hervorzuheben sind: 2 protestantische Fräuleinklöster (Ägidien- und Kreuzkloster), die Stifter St. Blasii (1173 von Heinrich dem Löwen gestiftet) und St. Cyriaci, 14 Beguinenhäuser und 3 Hospitäler, das große Waisenhaus (Beatae Mariae Virginis), das kleine St. Annenwaisenhaus, das große Krankenhaus mit einer Akkouchieranstalt, das Militärlazarett, das städtische Armenpflegehaus mit einer Krankenanstalt. Andre Anstalten sind: das Leihhaus, eine Bank, eine Kreditanstalt und ein Hypothekenbank, eine Klassenlotterie, eine Feuerversicherungsanstalt für das ganze Land und eine allgemeine Anstalt für Lebens- und Rentenversicherung. B. hat einen Zentralfriedhof, einen botanischen Garten, eine Gas- und Wasserleitung, Kanalisation, ein Schlachthaus und Pferdebahnen. B. ist Sitz der höchsten Behörden: des Staatsministeriums, des Finanzkollegiums, der Kammer, des Oberpostamts sowie eines Oberlandes- und Landgerichts (letzteres für die 16 Amtsgerichte zu Blankenburg, B., Harzburg, Hasselfelde, Helmstedt, Kalvörde, Königslutter, Riddagshausen, Salder, Schöningen, Schöppenstedt, Thedinghausen, Vechelde, Vorsfelde, Walkenried und Wolfenbüttel). Geschichte. Nach der Sage wurde B. 861 von Bruno, dem Sohn des Herzogs Ludolf von Sachsen, gegründet und nach ihm Brunswich (vom althochdeutschen wich, "Flecken") genannt. Ludolfs Bruder Dankwarth gründete nach derselben Sage das nach ihm benannte Dankwarderode (vgl. v. Heinemann, Die Burg Dankwarderode, Braunschw. 1880). Ottos des Erlauchten Sohn Heinrich soll den Ort mit Mauern umgeben haben. In Urkunden erscheint die Villa Brunswich zuerst 1031. Bis zum Tod Ekberts II. (1090) blieb sie im Besitz der Brunonen, kam dann durch Heirat an den spätern König Lothar und von ihm an das Haus der Welfen (1137). Heinrich der Löwe befestigte B. und erbaute den Dom. Ihre Treue gegen Heinrich den Löwen bewährte die Stadt 1189 und 1192, indem sie König Heinrich VI. und dann den Bischöfen von Hildesheim und Halberstadt tapfern Widerstand leistete. Ebenso wurde sie 1227 von einem Reichsheer vergeblich belagert. Die Freiheiten, die der erste Herzog von B., Otto, der Stadt verlieh, förderten ihre Macht ungemein, ebenso der Beitritt zur Hansa. B. wurde eine hansische Quartierstadt und vermittelte besonders den Handelsverkehr zwischen den Seestädten und dem Binnenland; doch hat es die Rechte einer Reichsstadt nie erlangen können. Mit Unterstützung Bugenhagens wurde 1528 die Reformation hier durchgeführt, und 1531 trat die Stadt dem Schmalkaldischen Bund bei. Mit Waffengewalt wahrte sie das neue Bekenntnis gegen Herzog Heinrich den jüngern und unterwarf sich 1553 erst, als dieser die Religionsveränderung anerkannte. Nach dem Verfall der Hansa hatte ihr Handel durch die Messen, für welche Herzog Heinrich der ältere kaiserliche Privilegien ausgewirkt hatte, neuen Aufschwung genommen. Doch mißlangen auch im 17. Jahrh. alle Versuche der Stadt, sich der Hoheit der Herzöge zu entziehen; 1671 wurde sie von dem celleschen Feldmarschall Georg Friedrich von Waldeck durch eine Belagerung zur Übergabe gezwungen. Sie nahm eine herzogliche Besatzung auf und erhielt dafür Bestätigung ihrer Privilegien, jedoch blieben die städtischen Besitzungen seitdem im Besitz der Herzöge, und die wichtigsten Befugnisse des frühern Rats gingen an herzogliche Behörden über, Zustände, welche erst 1858 durch Vergleich geregelt wurden. Herzogliche Residenz der braunschweigischen Fürsten war B. 1753 wieder geworden. Das Schloß empfing 1813 den alten Fürstenstamm zurück und ist nun, nach den Bränden von 1830 und 1863, einer der prachtvollsten Fürstensitze Deutschlands. Im August 1861 feierte die Stadt das Jubelfest ihres tausendjährigen Bestehens. Vgl. Schröder und Aßmann, Die Stadt B. (Braunschw. 1841); Knoll, B. und Umgebung (das. 1882); Sack, Geschichte Braunschweigs (das. 1861); Dürre, Braunschweigs Entstehung und städtische Entwickelung (das. 1857); Derselbe, Geschichte der Stadt B. im Mittelalter (Wolfenb. 1875); Heusinger, Geschichte der Residenzstadt B. 1806-31 (das. 1861); "Die Chroniken der niedersächsischen Städte", Bd. 1 und 2 (Bd. 6 und 16 der "Chroniken der deutschen Städte", Leipz. 1868-80); "Urkundenbuch der Stadt B." (hrsg. von Hänselmann, Braunschw. 1862 bis 1873, Bd. 1 in 3 Abtlgn.).