BLKÖ:Wolkenstein-Trostburg, Marcus Sittich von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 58 (1889), ab Seite: 61. (Quelle)
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22. Marcus Sittich von Wolkenstein-Trostburg (geb. am 5. Mai 1563, gest. 1620). Er ist das sechzehnte Kind Wilhelms II. aus dessen zweiter Ehe mit Benigna von Annenberg. Schon in früher Jugend beschäftigte ihn das Studium der heiligen Schrift und der alten Classiker. Vierzehn Jahre alt, verließ er nach dem Tode seines Vaters 1577 seine Heimat und trat, dem Wunsche seiner Brüder und seines Vormundes Engelhard Christoph Vintler folgend, als Edelknabe in die Dienste des Cardinals Andreas von Oesterreich, der damals zu Rom lebte. Von Italien begab er sich übers Meer nach Spanien, von da nach den Niederlanden und that in beiden Ländern freiwillige Kriegsdienste. Aber sein schwächlicher Körperbau ließ ihn die Strapazen des Krieges nicht gut ertragen, und so kehrte er nach zwölfjähriger Abwesenheit 1589 ins Vaterland zurück, wo er sich noch im nämlichen Jahre zu Roveredo mit Anna Maria, Tochter des dortigen Schloßhauptmannes Freiherrn von Trautson, vermälte. Anfangs lebte er in seinem eigenen Hause zu Bozen, später auf dem Schlosse Ravenstein, welches er 1599 gekauft und schön hatte ausbauen lassen. Nachdem er seine erste Frau und die mit ihr erzeugten Kinder bald und rasch hintereinander verloren, verheiratete er sich am 16. April 1603 zum zweiten Male, und zwar mit der Witwe des portugiesischen Obersten Hieronymus von Lodron, Victoria geborenen Gräfin Arco. Von da ab beschäftigte sich Marc Sittich mit der Verwaltung seiner Güter, welche er noch durch Ankauf der Herrschaft Wangen auf dem Ritten und einer zweiten im Pusterthale vermehrte; die reichliche Muße aber, die ihm blieb, verwendete er zur Abfassung seiner Chronik von Tirol. Ehe er jedoch an diese Arbeit ging, berieth er sich über dieselbe mit Freunden und anderen wohlerfahrenen Männern seiner Heimat. Und als er darüber im Klaren war, durchwanderte er das Land Tirol. Kein Ungemach der Witterung scheuend, begab er sich überall hin, wo er etwas zu finden hoffte. Alle Kirchen- und Klosterarchive, alle Bibliotheken und Sammlungen, zu denen er Zutritt hatte, durchsuchte er mit unermüdlichem Eifer, durchlas die verschiedenartigsten daselbst befindlichen Urkunden und Handschriften, Uebergabsbriefe, Käufe und Verkäufe, Briefe, Verträge, Salbücher, Rechnungs- und Meßbücher, Kalender, Todtenzettel, Reime, Sprüche, Lieder und Gesänge, was er nur vorfand, und schrieb Alles ab. Auch die Heiligthümer, Monstranzen, Säulen, Kreuze, Altarsteine, Münzen, Gräber und Gemälde besichtigte er und schrieb auf, was seinen Zwecken diente. Mit großen Unkosten verschaffte er sich oft Originale und Abschriften von wichtigen Urkunden und hinterlegte sie in seiner Bibliothek. [62] Von allen Seiten zog er Erkundigungen ein und suchte Aufschlüsse, wo er solche vermuthete. Einzelne wohlwollende und kundige Männer unterstützten ihn in seinem Vorhaben, so Matthias Burglehner, der ihm Urkundenauszüge besorgte, und Andreas Freiherr Brandis, welcher ihm die Geschichte seines Hauses und verwandter Geschlechter zur Benützung übersandte. Manche freilich, wie die Herren von Annenberg, Payer, Camp und Andere, zeigten sich minder willfährig und verschlossen ihm geradezu ihre urkundlichen Schätze aus oft nichtigen Gründen, aus Unverständniß oder auch aus Uebelwollen. Unter solchen Umständen stellte Marc Sittich seine „Chronik Tirols“ zusammen, welche aus vierzehn Büchern besteht, mit deren sechstem die specifisch-tirolische Geschichte anhebt; das eilfte enthält die Geschichte des Bisthums Trient, das zwölfte des Bisthums Brixen, das dreizehnte die der Abteien, Propsteien und einzelnen Klöster, das vierzehnte die der Geschlechter, ihrer Wohnsitze u. d. m. Leider hat sich kein vollständiges Exemplar dieser Chronik erhalten. Aber was davon auf uns gekommen ist, läßt auf die Tüchtigkeit und Gründlichkeit des ganzen Werkes schließen. Von anderen Arbeiten Marc Sittichs sind vorhanden: ein „Auszug aus den landesfürstlichen Freiheitsbriefen für die gefürstete Grafschaft Tirol“; – „Landtags- und Congreßverhandlungen und derlei Acten und Instrumente“, ein im Archiv der Tiroler Landschaft zu Innsbruck befindlicher Großfolioband von 521 Blättern, in welchem die wichtigsten Urkunden aus der Zeit 1365 bis 1524 enthalten sind; – dann noch ein „Chronicon Austriae“, welches eine in deutscher Sprache verfaßte Fortsetzung und Umarbeitung eines in Pez„Rerum austriacarum scriptores“ stehenden Chronicon ist. Dr. Joseph Egger in seiner unten in den Quellen genannten Abhandlung erörtert ausführlich den Charakter und die Behandlung dieser Aufzeichnungen Marc Sittichs, denen er einen großen geschichtlichen Werth zuspricht, weshalb wir auf ihn verweisen. [Jahresbericht der k. k. Oberrealschule zu Innsbruck für das Schuljahr 1866/67 (Innsbruck 1867, Wagner, 4°.) S. 16–23 in der Abhandlung: „Die ältesten Geschichtsschreiber Tirols“. Von Dr. Jos. Egger. – Weber (Beda). Tirol und die Reformation u. s. w., S. 345: entwirft eben kein zu schmeichelhaftes Bild des Chronisten Marc Sittich, den wir trotz alledem doch weit höher stellen, als seinen Bruder, den Reliquiensammler Engelhard Theodorich, dessen Verdiensten wir im Uebrigen nicht zu nahe treten wollen; auch ist Beda Weber’s Schilderung eine Probe seiner Befangenheit in allen Dingen, die er in seinen mystisch-ekstatischen Gedankenkreis nicht unterbringen kann.] –