Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Warga, Johann
Band: 49 (1884), ab Seite: 267. (Quelle)
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Varga, Katharina (Bauernaufwieglerin, geb. in Ungarn, Ort und Jahr ihrer Geburt unbekannt), Zeitgenossin; sie trieb ihr Unwesen in der zweiten Hälfte der Vierziger-Jahre. In der am Schlusse angegebenen Quelle wird ausführlicher über diese Frau und ihre eigenthümliche Habhaftwerbung berichtet. Wie schon zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts unter Nicola Ursz [siehe diesen S. 147 dieses Bandes], so erhoben sich die Walachen in Siebenbürgen auch im Jahre 1846; der Widerstand steigerte sich in immer bedenklicherer Weise, nur leitete dieses Mal kein Mann, sondern ein Weib, keine siebenbürgische Walachin, sondern eine in Ungarn geborene Magyarin die drohende Bewegung. Nach unserer Quelle sind die Antecedentien dieser Frau bis heute noch nicht aufgeklärt, ebenso ist es unbekannt, wodurch die den gebildeteren Ständen angehörige und dem bei der walachischen Bevölkerung unpopulären magyarischen Stamme entsprossene Frau sich das unbedingte Vertrauen der sonst so mißtrauischen und widerhaarigen Gebirgsbewohner zu erwerben [268] wußte. Auch über ihre leitenden Absichten ist kein Anhaltspunkt zu positiver Beurtheilung vorhanden. Zunächst scheint es, als habe sie von den Gemeinden unter dem Vorwande, ihnen zu verlorenen Rechten wieder zu verhelfen, ausgiebige Geldleistungen erzielen wollen. Solche weibliche Sachwalter waren, wie Herr von Friedenfels erzählt, in Ungarn nie eine Seltenheit. In der Wahl ihrer Mittel nahm sie es nicht eben sehr genau, so spiegelte sie, um sich bei der Menge Ansehen und Vertrauen zu verschaffen, derselben vor, sie besitze bei Hofe großen Einfluß, weit sie Kaiser Ferdinands Amme gewesen sei. Nun aber war dies eine offenbare Lüge, schon aus dem einfachen Grunde, weil Katharina um mehrere Jahre jünger war, als der Kaiser, welchen sie gesäugt haben wollte. Indeß die Masse, die nur auf materielle Erfolge rechnete, nahm sich gar nicht die Mühe, diese absurde Unwahrheit näher zu prüfen, um dadurch zur Ueberzeugung zu gelangen, daß sie es mit einer Betrügerin zu thun habe. Zu jener Zeit war gerade im Topánfalvaer Bergdistricte, in den Gemeinden Abrudfalva, Bucsum und Kerpenyes, eine ungewöhnliche Bewegung zu bemerken; Widerstand gegen die Behörden, Drohungen und Gewaltthätigkeiten gegen Alle, welche dem Gesetze seinen Weg bahnen wollten, traten immer bedenklicher hervor, und schon traute sich kein Cameral- und Comitatsbeamter dahin zu gehen, die wiederholten Aufforderungen aber, Katharina Varga auszuliefern und zum gesetzlichen Gehorsam zurückzukehren, blieben unbeachtet. Nun wurde auch ein Militärcommando zur Aufhebung dieser Volkstribunin in die Berge entsendet, aber von dem commandirenden Stabsofficier, der gar bald die Gefährlichkeit des Unternehmens und die Unmöglichkeit der Ausführung erkannte und nutzloses Blutvergießen, wie denn auch einen möglichen, dem Ansehen der kaiserlichen Waffen schädlichen Mißerfolg vermeiden wollte, wieder zurückgezogen. In dieser Nothlage wandte man sich an den kurz zuvor als bischöflicher Vicar der Griechisch-Orientalischen nach Siebenbürgen entsendeten Archimandriten von Kovil, Andreas Schaguna [Bd. XXIX, S. 86], mit der Aufforderung, durch das bekanntlich beim walachischen Volke höchst einflußreiche priesterliche Ansehen die Bevölkerung zu Gehorsam und Ordnung zurückzuführen. Es gelang ihm auch wirklich, die erregten Massen von weiteren Ausschreitungen zurückzuhalten und zum ruhigen Abwarten der in ihrem Urbarialprocesse zu fallenden Entscheidung zu vermögen, Nun stellte man Ende September 1846 an Schaguna die weitere Forderung, er möge die erwähnten Gemeinden dahin bringen, die Ruhestörerin, falls dieselbe wieder unter der Bevölkerung erscheinen sollte, zu ergreifen und der politischen Behörde „zur Abschiebung in ihre Heimat“ auszuliefern. Diese Aufforderung blieb jedoch ohne Erfolg. Katharina Varga trieb nach wie vor ihr Unwesen unter den Bergbewohnern, und die Erregung der Gemüther steigerte sich in bedenklichster Weise aufs Neue. Da faßte Schaguna einen kühnen Entschluß, den er nach kluger Vorbereitung auch muthig ausführte. Nachdem er eine Kirchenvisitation in jener Gegend angekündigt hatte, erschien er zu Weihnachten 1846 in derselben und bestellte auf den ersten Christtag (griechischen Kalenders) alle Gläubigen in eine Gemeinde. In dieser hielt er nun die Kirchenfeierlichkeit ab, und nach Schluß derselben ließ er die Leute [269] sich im Freien versammeln, wo er dann eine längere Rede hielt, in welcher er der Menge das Erfolglose und Verderbliche ihrer Bestrebungen verständlich machte und sie zuletzt aufforderte, ihm ein paar Männer aus ihrer Mitte zu nennen, die ihm die Beschwerden des Volkes kundgeben sollten, und mit denen er sich, um sie über die ganze Angelegenheit aufzuklären, besprechen konnte. Was er nun erwartet und worauf er seinen Plan gebaut hatte, geschah: als Vertreter und Sprecher der Beschwerdeführer wurde ihm Katharina Varga vorgeführt. Sobald jedoch dieselbe zu reden begann, ergriff der stattliche im vollen Priesterornate prangende Mann die Ruhestörerin und schob sie in den nächst ihm stehenden Wagen, der Kutscher, schon im vorhinein verständigt, hieb in die Pferde, und Niemand wagte dem geheiligten hohen Priester Widerstand zu leisten. Im raschen Laufe enteilte der Wagen, und bald war die Aufwieglerin nach Karlsburg abgeliefert, wo sie in festen Gewahrsam genommen wurde. Am 4. Februar 1847 ward dem Vicar Schaguna für den bewiesenen tactvollen Eifer die ah. Zufriedenheit zu erkennen gegeben, zugleich aber angeordnet: daß Katharina Varga bis auf Weiteres zu Karlsburg in strenger Haft gehalten werde. Später erfolgte ihre Verurtheilung zu mehrjährigem Kerker. „So hatte“, ruft unser Gewährsmann aus, „ein einziger Mann, freilich ausgestattet mit allen Vorzügen einer imposanten Persönlichkeit, bewußten Willens und hierarchischen Ansehens, vollführt, was thatsächlich eine selbst größere militärische Demonstration, auch mit starkem Blutvergießen erfolgreich kaum zu vollführen vermocht hätte“. Die bei dem Unternehmen mitbetheiligten griechisch-orientalischen Ortsgeistlichen erhielten angemessene Belohnungen in Geld.

Friedenfels (Eugen von). Joseph Bedeus von Scharberg. Beiträge zur Zeitgeschichte Siebenbürgens im neunzehnten Jahrhundert (Wien 1876, Braumüller, gr. 8°.) Bd. I, S. 194, 414 u. f.; Bd. II, S. 405.