Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Thibeaux, Ludwig
Band: 44 (1882), ab Seite: 218. (Quelle)
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Thiel, Franz (Cabinetsdirector Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph, geb. in Wien am 20. Jänner 1797, gest. in Döbling am 21. Juni 1877). Nach dem Tode seines Vaters, des kaiserlichen geheimen Cabinetsofficials Ignaz Thiel, welcher sich des besonderen Vertrauens weiland Seiner Majestät Franz I. erfreute, auf Kosten des Kaisers erzogen und in der damaligen Wiener Realschule herangebildet, sah er sich mit Schluß seiner erfolgreichen Studien im Alter von achtzehn Jahren durch ah. Handschreiben vom 6. April 1815 zum geheimen Cabinets-Accessisten ernannt. 1817 zum geheimen Cabinetskanzlisten, am 4. Mai 1839 zum geheimen Cabinetsregistrator befördert, stieg er am 8. September 1843 zum ersten wirklichen geheimen Cabinetssecretär und mit allerhöchstem Handschreiben vom 13. April 1850 zum wirklichen Hofrathe und Director der geheimen Cabinetskanzlei auf, welch letztere Stelle er bis zu seiner am 18. October 1865 auf eigenes Ansuchen erfolgten Versetzung in den bleibenden Ruhestand versah. Fünfzehn Jahre waltete er seines Amtes auf diesem Vertrauensposten, der durch den unmittelbaren Verkehr mit dem Monarchen nicht geringe Wichtigkeit und Bedeutung besitzt. Denn in dieser Vertrauensstellung war er eben das Mittelorgan zwischen dem Monarchen, den Ministern und den übrigen leitenden Kräften des Staates, hatte aber überdies als Großalmosenier des Kaisers Gelegenheit zu einer beneidenswerthen wohlthätigen Wirksamkeit, die er geräuschlos in bewunderungswürdiger Selbstlosigkeit und durch die unerschöpfliche Gnade seines Monarchen in ausgiebigster Weise übte. Wie viele Thränen der Kaiser durch seines Cabinetsdirectors vertraute Hand getrocknet, wie vieles Leid er gelindert, wie das Alles in schlichtester Weise – daß die Rechte nicht wußte, was die Linke gab – geschah, wer weiß es? Der Verewigte allein könnte es berichten. Thiel hätte seine wichtige, einflußreiche Stellung bei den politischen Vorgängen seiner Zeit in nicht geringem Maße und ungefährdet ausnützen können, er hat es nicht gethan, die Zeit, in welcher er eben als Cabinetsdirector in unmittelbarem Verkehr mit seinem Monarchen stand, in ihrer vollen Bedeutung erfassend, hielt er sich von Allem fern, was als Politiktreiben auf eigene Rechnung hätte ausgelegt werden können, er bewegte sich ängstlich genau im Kreise seiner amtlichen Aufgabe und hatte keinen anderen Ehrgeiz, als pünktlich [219] seine Pflicht zu erfüllen und – wenn bei häufigem Andrang der Geschäfte die stricte Pflichterfüllung nicht ausreichte – seinen Eifer zu verdoppeln und mit dem Aufgebot aller seiner Kräfte die ihm gegebene Aufgabe zu lösen. Es muß hier insbesondere auf einen weniger wichtigen als diesen stillen, in sich gekehrten und schweigsamen Beamten vollkommen charakterisirenden Umstand aufmerksam gemacht werden. Wie oft im Laufe seiner fünfzigjährigen Dienstzeit in der Cabinetskanzlei hätte er von Seite fremder Souveräne hohe Auszeichnungen erhalten können. Aber jeder Gelegenheit, welche sich ihm hierzu bot, ging er mit Entschiedenheit aus dem Wege, und wir sehen diesen Hofmann am Ende seines Lebens nur mit den Ordenszeichen seines ah. Herrn und Kaisers geschmückt, welche er auch immer nur dann trug, wenn er nicht gut ohne sie erscheinen konnte. Anläßlich der Vermälungsfeier Seines Monarchen hatte er nämlich mit ah. Handschreiben vom 20. April 1854 das Ritterkreuz des Leopoldordens und bei seiner Versetzung in den Ruhestand mit ah. huldvollsten Handschreiben vom 18. October 1865 das Ritterkreuz des St. Stephansordens erhalten. Wir haben im Vorstehenden den Cabinetsbeamten, ja so zu sagen den „Amtsphilosophen“, wie er in solcher Vollendung nur selten vorkommt, in knappstem Umriß, wie uns diesen der Charakter unseres Werkes aufzwingt, gezeichnet. Es bleibt uns über den Künstler, und ein solcher war Thiel, noch Einiges zu sagen. Mit seinem Uebertritt in den Ruhestand zog er sich auch von dem öffentlichen Leben ganz zurück und brachte den größten Theil des Jahres in seiner Villa in Döbling zu. Dort in einem kleinen gewählten Kreise beschäftigte er sich mit Musik, Aquarell- und Miniaturmalerei. In dieser letzteren schon in früheren Jahren durch tüchtige Meister herangebildet, besaß er eine das Dilettantenthum weit übersteigende Fertigkeit. Seine Miniaturbilder, welche so ziemlich das ganze Gebiet der Kleinmalerei umfaßten, und zwar Landschaften, Genrebilder, Copien berühmter Meister, wie Murillo’s, Guido Reni’s, Carlo Dolce’s u. A., werden von Kennern als wahre Musterstücke dieser Kunst anerkannt. Sie zeichneten sich durch eine nur bei einem Dilettanten denkbare Akribie, durch höchst correcte, sichere und richtige Zeichnung aus. Thiel’s Nachlaß enthielt deren wohl ein halbes Hundert, von denen etwa die schönsten zwanzig die Universalerbin Fräulein Bleyer besitzt, welche dieselben als Reliquien der künstlerischen Thätigkeit ihres Wohlthäters sorgfältig aufbewahrt, während die übrigen Bilder den Verwandten und intimen Freunden des Verewigten ausgefolgt wurden.

Neue illustrirte Zeitung (Wien, Zamarski, kl. Fol.) Jahrg. 1877, Nr. 27.