Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Rechbach
Band: 25 (1873), ab Seite: 87. (Quelle)
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Rechbauer, Karl (Mitglied des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, geb. zu Gratz 6. Jänner 1815). Beendete in Gratz die philosophischen und juridisch-politischen Studien, aus welch letzteren er im Juni 1839 die Doctorwürde erlangte. Nachdem er einige Jahre bei der Finanzprocuratur in Gratz gedient, trat er im Juni 1845 zur Advocatur über und ist in dieser Stellung, nachdem er mehrere Jahre als Advocaturs-Concipient gearbeitet, nunmehr als selbstständiger Advocat bis zur Stunde thätig. Seine politische Laufbahn beginnt im Jahre 1848, in welchem R. als Vertreter der Universität Gratz in den damaligen steiermärkischen provisorischen Landtag gewählt wurde, dessen wenigen Sitzungen er beiwohnte. Im Jahre 1850 beriefen ihn seine Mitbürger in den Gemeinderath, und in demselben war R.’s Thätigkeit vornehmlich darauf gerichtet, die in dem Stadion’schen Gemeindegesetze verheißene Gemeinde-Autonomie praktisch in das Leben einzuführen. Als aber im Gratzer Gemeinderathe nach dem Beispiele des Wienerischen die Kriecherei und Speichelleckerei ihre nichtsnutzige Wirthschaft begannen, und als Ausfluß dieses widrigen Gebarens im Gemeinderathe der Stadt Gratz der Antrag auf eine an den damals allmächtigen Fürsten Schwarzenberg zu erlassende Dankadresse eingebracht wurde, erhob R., erfüllt von der Unwürdigkeit eines solchen Vorganges, Protest dagegen. R. wurde in Folge dessen in den Kreisen der Regierung und bei ihren Anhängern unbeliebt. Während er aber dieß sich ganz und gar nicht zu Gemüthe führte, gab er, als seit August 1851 die Reaction immer mehr um sich griff und an eine Selbstständigkeit des Gemeindelebens unter den immer corrumpirter werdenden Verhältnissen vor der Hand nicht zu denken war, einen neuen Beweis seiner Selbstständigkeit, und wie wenig er mit dem sich bahnbrechenden Gebaren einverstanden sei, indem er im Jahre 1852 aus dem Gemeinderathe austrat. Die nach dem italienischen Feldzuge des Jahres 1859 veränderten politischen Verhältnisse riefen auch R. auf den Posten, auf den er gehörte; er wurde damals wieder in den Gemeinderath der Stadt Gratz gewählt, und als nach dem Erscheinen des Februar-Patentes die Wahlen für die Landesvertretung der Steiermark stattfanden, wählten ihn sofort drei Wahlbezirke, nämlich jener der Hauptstadt Gratz, ferner die Bezirke Aussee und Frohnleiten zum Vertreter. Da sich R. nur für eine Wahl entscheiden konnte, nahm er jene der Stadt, der er als Bürger zunächst angehörte, an. Im Gratzer Landtage fiel auch auf ihn die Wahl zum Abgeordneten der Steiermark für den österreichischen Reichsrath. In demselben aus dem steirischen Landtage im Jahre 1867 abermals gewählt, gehört R. zur liberalen deutschen, sogenannten Autonomistenpartei und machte sich ebenso durch seine rastlose Thätigkeit wie unverrückbare politische Haltung in achtungswürdigster Weise allgemein bekannt. Als das Ministerium Potocki an das Ruder trat und der Graf bei der Zusammensetzung seines Cabinetes nach einem Manne suchte, der das deutsche Element im Cabinete vertreten sollte, wurde R. von der öffentlichen Meinung als dieser Mann bezeichnet. Als aber R. vor dem Eintritte in dieses Ministerium sein Programm vorlegte, scheint man an demselben an maßgebender Stelle Anstoß genommen zu haben, denn R. trat nicht in das Cabinet. Da aber dieses Programm am bezeichnendsten R.’s politisches [88] Wollen charakterisirt, möge es hier nach seinen einzelnen Puncten folgen: Feststehen auf dem Boden der Verfassung, jede Veränderung derselben kann nur im verfassungsmäßigen Wege erfolgen; jede Verletzung der Verfassung ist ein Rechtsbruch; – zur Kräftigung des Constitutionalismus ist eine Reform der Reichsvertretung nöthig, und zwar Bildung eines Volkshauses auf Grund directer Wahlen und Umgestaltung des Herrenhauses in ein Länderhaus; – die staatsrechtliche Einheit der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder ist unantastbar und jeder Versuch, innerhalb des Territoriums des Reichsrathes wie immer geartete neue staatsrechtliche Gebilde zu schaffen, entschieden zurückzuweisen; – die Autonomie der Königreiche und Länder ist nicht nur ungeschmälert zu erhalten, sondern im Sinne einer vernünftigen Decentralisation zu erweitern; – aus Anlaß der in einigen Ländern erhobenen Klagen über die Eintheilung der Wahlbezirke wäre eine Revision der Landtags-Wahlordnungen vorzunehmen; – Erlassung eines freisinnigen Nationalitäts-Gesetzes, und zwar Gewährleistung vor Vergewaltigung und Entnationalisirung für jede Nation und Wahrung der den Deutschen nach Geschichte, Zahl, Bildung und Vermögen gebührenden hervorragenden Stellung: – volle und wahre, im praktischen Leben durchgeführte Uebung der den Staatsbürgern in den Staatsgrundgesetzen gewährleisteten freiheitlichen Rechte, daher zunächst Erlassung eines neuen Strafgesetzes und Strafprocesses mit Geschwornen u. s. w.; – Erlassung eines Religionsgesetzes nach dem Grundsatze: „Freie Kirche im freien Staate“ und mit Wahrung der vollen Souveränität des Staates auch gegenüber der Kirche; – Herstellung des Gleichgewichtes im Staatshaushalte, insbesondere Herabminderung des Heeresaufwandes, deßhalb Anbahnung des Milizsystems, so lange aber ein solches, bei unseren im Ganzen noch unfertigen Zuständen nicht möglich ist, eine zweckmäßige Umgestaltung des Landwehr-Institutes; – endlich, was die Haltung der Monarchie nach Außen betrifft, Fernhalten jedes hemmenden oder störenden Einwirkens auf die Gestaltung Deutschlands, Bekämpfung der russischen Agitationen in den slavischen Ländern und möglichst freundschaftliches Verhältniß mit Preußen und Italien. Es ist, wie man aus Vorstehendem sieht, ein klares, der hohen Ziele, die es zu erreichen gilt, sich völlig bewußtes Vorgehen, das in den einzelnen Puncten dieses Programms kurz und bündig ausgesprochen ist. Rechbauer’s politisches Verhalten hat ihm auch fern und nah die Sympathien der besten deutschen Männer Oesterreichs und des Auslandes zugewendet und fehlte es nicht an manchen, den deutschen Volksmann in würdiger Weise ehrenden Vorgängen. Schon im Jahre 1861 wurde außerhalb Oesterreich, in Kassel, eine mit zahlreichen Unterschriften bedeckte Adresse an ihn gerichtet, worin ihm über sein Verhalten im Reichsrathe anläßlich der deutschen Frage volle Anerkennung und tiefgefühlter Dank ausgesprochen wurden. Mit Uebergehung ähnlicher Vertrauens-Kundgebungen aus dem Umkreise der Monarchie sei hier nur noch der Anerkennungsadresse gedacht, welche die Deutschen New-Yorks im Herbste 1869 an R. gerichtet haben und, worauf er in seiner Antwort, welche die „Neue freie Presse“ 1870, Nr. 1942, in der „Kleinen Chronik“ mittheilt, erwiderte, „daß er den nunmehr aufgenommenen [89] Kampf um den Besitz und die Erhaltung der Freiheit und ihrer herrlichsten Güter mit dem Aufgebote aller seiner Kräfte und mit ganzer Hingebung mitzukämpfen, immer und überall für das Volk und die Rechte einzutreten, als seine Lebensaufgabe erachte[WS 1]“, eine Versicherung, an die zu glauben nicht schwer fällt, wenn man seine consequente politische Thätigkeit seit seinem Erscheinen im Reichsrathe aufmerksam verfolgt hat. Von sonstigen Ehren, die ihm zu Theil geworden, sind noch zu verzeichnen: die Verleihung des Ehrenbürgerrechts, welches ihm seine Vaterstadt am 26. März 1867 zuerkannte, wie denn auch eine neu eröffnete Straße in Gratz nach ihm die Rechbauerstraße genannt wurde. R. ist überdieß Mitglied mehrerer gemeinnütziger Institute seiner Vaterstadt; so ist er Director der steiermärkischen Sparcasse, dann, selbst ein großer Freund der Musik und gut musikalisch gebildet, Ausschuß des steirischen Musikvereins und Vorstand des Gratzer Männergesang-Vereins. Seine Gemalin, die Tochter des k. k. Finanzprocurators und Gubernialrathes Dr. Joseph Schweighofer, mit der er seit 1848 in glücklichster Ehe gelebt, hat ihm im Jahre 1861 der Tod entrissen.

Waldheim’s Illustrirte Zeitung (Wien, Fol ) 1863, Nr. 103, S, 1230: „Dr. Karl Rechbauer“. – Der Reichsrath. Biographische Skizzen der Mitglieder des Herren- und Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes (Wien 1861, Friedrich Förster, 8°.) 2. Heft, S. 47. – Hahn (Sigmund), Reichsraths-Almanach für die Session 1867 (Prag 1867, H. Carl J. Satow, 8°.) S. 138. – Berger (Cyprian), Reminiscenzen feuilletonistischen, politischen und religiösen Inhaltes (Prag 1870, C. Bellmann, gr. 8°.) S. 11, im Aufsatze: „Silhouetten“. – Presse 1861, Nr. 208, erster Leitartikel: „Rechberg und Rechbauer“; – 1862, Nr. 207: „Ein österreichisches Votum zum Vorparlament“ (von Brinz und Rechbauer); Nr. 210, erster Leitartikel über dieses Votum; – 1863, Nr. 334: „Der Reichsrath und Schleswig-Holstein“ (Rechbauer’s Rede); – 1870, Nr. 68; „Rechbauer und die Resolution“. – Neue freie Presse 1870, Nr. 1985: „Rechbauer’s Resolutions-Antrag“; Nr. 2025 vom 19. April: „Rechbauer’s Programm“. – Die Tages-Presse (Wien, Fol.) 1870, Nr. 168: „Rechbauer vor seinen Wählern“. – Neues Wiener Tagblatt 1870, Nr. 38: „Concordat und Civilehe“; Nr. 100, erster Leitartikel: „Mit oder ohne Rechbauer“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1870, Nr. 105: „Eine Erklärung des Abgeordneten Dr. Rechbauer“ [bezüglich der ihm von dem Verein der Deutschnationalen in Gratz am 11. April 1870 votirten Vertrauens-Adresse]; Nr. 169: „Rechbauer’s Wahlrede“. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1863, Nr. 97, im Feuilleton: „Silhouetten aus dem steirischen Landtage“. – Gratzer Zeitung 1861, Nr. 210 u. 214: „Rechbauer über den Entwurf des Gemeindegesetzes“; – 1862, Nr. 140 u. 142: „Reden über das Militär-Budget“. – Tagespost (Gratzer polit. Blatt) 1861, Abendblatt Nr. 183: „Graf Rechberg und die Rechbauer’sche Interpellation“; – 1862, Nr. 176: „Rede über das Salzgefäll“; Nr. 245: anläßlich der Angriffe des „Botschafters“ auf Rechbauer. – Neues Tagblatt (Gratz, 4°.) 1870, Nr. 37: „Die Anträge Rechbauer’s“ [wegen Beseitigung des Concordates]. – Der Kamerad (österr. Soldatenblatt, Wien, 4°.) 1868, Nr. 53, S. 543: „Die Rechbauer’sche Theorie der Volksbewaffnung“. – Oesterreichisch-ungarische Wehrzeitung (Wien, 4°.) 1868, Nr. 63, Beilage: „Die Interpellation des Herrn Dr. Rechbauer“; – 1871, Nr. 38: „Eine parlamentarische Rückwärtsconcentrirung“. – Aquarellen aus den beiden Reichsstuben. Von J. J. K (rasnigg) (Wien 1868, R. v. Waldheim, 8°.) Erste Abtheilg. S, 28; zweite Abtheilg. S. 23, 24, 55, 57, 58. – Porträt. Holzschnitt nach einer Photographie von Ad. Ost, in Waldheim’s „Illustr. Zeitung“ 1863, Nr. 103.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: errachte.