Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 21 (1870), ab Seite: 317. (Quelle)
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Pascheles, Wolf (jüdischer Schriftsteller, geb. in Böhmen im Jahre 1814, gest. zu Prag 22. November 1857). Der Sohn unbemittelter Eltern, die Mutter verlor er, da er erst anderthalb Jahre alt war. Den Unterricht erhielt er in der jüdischen Schule und machte so gute Fortschritte, daß er im Alter von zehn Jahren in mehreren Häusern den Kindern Unterricht ertheilen und so den mittellosen Vater, der in seiner zweiten Ehe noch fünf Kinder bekam, mit dem kleinen Erwerbe unterstützen konnte. Im Alter von fünfzehn Jahren kam er als Privatlehrer nach Straschnitz, von wo er aber bald nach Prag zurückkehrte und dort sich gleichfalls durch Unterrichtertheilen fortbrachte. Durch den Verkauf eines kleinen israelitischen Gebetbuches, das er im Jahre 1828 herausgegeben, brachte er so viel zusammen, daß er einen kleinen hebräischen Bücherkram einrichten, mehrere für sein Volk berechnete Kleinigkeiten drucken, die Bildnisse mehrerer Rabbiner erscheinen lassen konnte, wodurch er immer mehr Kundschaft gewann und sein Geschäft in Aufnahme brachte. Im Jahre 1837 erwarb er das Buchhandelsbefugniß, nahm seinen armen Vater in’s Geschäft und begann mit kleinen Verlagsunternehmungen. Der Ankauf eines von Dr. M. E. Letteris verfaßten Gebetbuches schlug wider Erwarten gut ein, das Buch fand in der ganzen Monarchie starken Absatz und dieser Erfolg ermunterte P. zu neuen Unternehmungen. Er selbst gab heraus: „Gebete für israelitische Frauenzimmer zum Gebrauche sowohl in der Synagoge als auch zur häuslichen Andacht“ (Prag, gr. 8°.), wovon bis 1844 drei Auflagen erschienen sind; – „Leben und Wirken Salamon Heine’s“; „Nekrolog des Wiener Grosshändlers Hermann Todesco“; „Vermächtniss des portugiesischen[WS 1] Israeliten Thomas de Pinto. Zweite verbesserte Auflage“ (Prag 1845, 8°.). Im Jahre 1846 faßte P. den Plan, die Volkssagen der Israeliten zu sammeln und sie zugleich [318] mit Biographien berühmter Israeliten, jüdischen Erzählungen u. dgl. m. unter dem Titel: „Sippurim“ herauszugeben. Die Wirren des Jahres 1848 unterbrachen die Fortsetzung dieses Sammelwerkes, das bis zum 7. Hefte bereits gediehen war. Im Jahre 1849 veröffentlichte er ein Lehrbuch der hebräischen Sprache in deutscher Schrift, das gleichfalls starken Absatz fand. Nun aber dachte er zunächst daran, das unterbrochene Sammelwerk „Sippurim“ fortzusetzen, konnte aber, da er mittlerweile schwer erkrankte, sein Vorhaben erst im Jahre 1852 ausführen. Nun erschien es ununterbrochen, es folgten den sieben bereits ausgegebenen noch neue sechzehn Hefte, die eines so starken Absatzes sich erfreuten, daß von der ersten Sammlung eine neue Auflage veranstaltet werden mußte. Für ein Sr. Majestät dem Kaiser überreichtes Exemplar dieses Werkes erhielt P. die goldene Medaille: Viribus unitis. Im Jahre 1852 begründete P. den nach ihm benannten „Pascheles’ illustrirten jüdischen Volkskalender“, den nach des Vaters Tode der Sohn fortsetzte, so daß bisher, 1869, achtzehn Jahrgänge erschienen sind. Von seinen übrigen Unternehmungen sind noch anzuführen die Herausgabe des Pentateuch in Miniaturausgabe, 1853, der eine so günstige Aufnahme fand, daß schon im folgenden Jahre eine zweite Auflage in zwei Ausgaben veranstaltet werden mußte, die eine ohne Uebersetzung, die andere mit Uebersetzung und Commentar des jüdischen Gelehrten Dr. H. Arnheim in Glogau, und das von Fanni Neuda, einer Rabbinerswitwe, verfaßte Werk: „Stunden der Andacht, ein Erbauungsbuch für die israelitische Frauenwelt“. Indessen nahm ein körperliches Leiden, gegen welches er im Bade Reinerz zu wiederholten Malen Kräftigung gesucht, immer mehr und mehr zu, aber noch in seinen letzten Lebenstagen war er bedacht, das Andenken des berühmten Rabbi Jonathan Eibenschütz [[Bd. IV, S. 11] von den Flecken zu reinigen, welche Verleumdung ihm angeheftet. Aus diesem Anlasse trat er mit Dr. B. Beer in Dresden und dem Rabbiner Joseph Weisse in Gaya in Briefwechsel und übergab die von ihnen erhaltenen Mittheilungen dem Rabbiner Gutman Klemperer, der aus diesen und anderen ihm zugänglichen Quellen die ausführliche Biographie von Eibenschütz verfaßte, welche in den letzten Heften des „Sippurim“ abgedruckt steht. Als Pascheles starb, war er erst 43 Jahre alt.

Illustrirter israelitischer Volkskalender für das J. d. W. 5659. Herausgegeben von J. Pascheles (Prag 1858, 36°.) S. 16: „Nekrolog des Wolf Pascheles“, von seinem Sohne.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: portugisischen.