BLKÖ:Moscati, Peter conte

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Moscheles, Ignaz
Band: 19 (1868), ab Seite: 113. (Quelle)
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Moscati, Peter conte (Arzt, geb. zu Mantua im Jahre 1739, gest. zu Mailand 13. Jänner 1824). Ein ebenso durch seine Gelehrsamkeit, wie mitunter excentrischen Ideen berühmter italienischer Arzt. Der Vater selbst war Arzt und Chirurg und seiner Zeit ob der großen Geschicklichkeit, die er besaß, sehr gesucht. Der Sohn betrat die Laufbahn des Vaters, studirte zu Bologna und Florenz die Medicin und wurde – erst 22 Jahre alt – Professor der Medicin an der Hochschule zu Pavia. Der Ruf ungewöhnlicher Kenntnisse in seinem Fache verbreitete sich bald im Lande und es erfolgte seine Ernennung zum Director des großen Spitals in Mailand und zum Chirurgen und Geburtshelfer bei Santa Caterina alla Ruota, einer humanistischen Stiftung, an deren Verwirklichung er selbst nicht unwesentlichen Antheil besaß. Die politischen Bewegungen der Neunziger Jahre rissen auch ihn mit fort, und als im Jahre 1796 die französischen Truppen in Mailand einrückten, nahm er an der neuen Ordnung der Dinge den regsten und thätigsten Antheil. So wurde er zunächst Regierungs-Commissär in der französischen Armee, Mitglied des cisalpinischen Congresses, ferner jener Commission, welche die Uebertragung der Madonna von Loretto nach Frankreich ausführte, im Jahre 1798 Mitglied des executiven Directoriums der cisalpinischen Republik und zuletzt Präsident derselben. Als im folgenden Jahre die vereinigten Oesterreicher und Russen in die Lombardie einrückten, wurde Moscati verhaftet und als Staatsgefangener nach den Bocche di Cattaro geführt. Der Ruf seiner Geschicklichkeit verhalf ihm aus dem Kerker. Erzherzog Karl war schwer erkrankt und es wurde der verhaftete Moscati als jener Arzt bezeichnet, der dem erlauchten Kranken Genesung zu verschaffen geeignet wäre. So machte Moscati die Reise aus seinem Kerker nach Wien, übernahm die Behandlung des leidenden Prinzen und war in der That so glücklich, denselben vollkommen wieder herzustellen. Außer dem glänzenden Honorar war noch die Erlaubniß zur freien Rückkehr nach Italien sein Lohn. Nach der Schlacht von Marengo wurde er in die Consulta gewählt, welche zu Lyon tagte und die bisherige cisalpinische Republik in eine italienische verwandelte, dann wurde er Mitglied der Staatsconsulta, die im März 1805 zu Paris, dem Kaiser Napoleons die italienische Königskrone anbieten mußte. Allmälig erfolgte seine Ernennung zum General-Director des öffentlichen Unterrichts, zum Senator des neuen Königreichs Italien, zum Mitglied des italienischen Instituts, [114] zum Präsidenten der Akademie und zum Grafen und zuletzt zum Leibarzte des Königs von Italien. Der politische Wechsel der Dinge in Italien nach dem Sturze Napoleon’s brachte ihn natürlicher Weise um jene Stellen, die mit dem Sturze der früheren Regierung auch fallen mußten, aber er blieb Präsident des Instituts und beständiger Director der wissenschaftlichen Classe, und als bei dem Ausbruche der so gefährlichen Petechial-Epidemie im Jahre 1817 die kaiserlich österreichische Regierung einen eigenen Gesundheitsrath für die Lombardie in’s Leben rief, stellte sie M. als Präsidenten an dessen Spitze. Im übrigen verlebte M. unbeirrt seine letzten Lebenstage und starb in stiller Zurückgezogenheit zu Mailand im hohen Alter von 85 Jahren. Wenn man Moscati’s wissenschaftliche Stellung als Arzt in’s Auge faßt, so steht sie mit seiner raschen Erhebung im politischen Leben einigermaßen im Zusammenhange. Eben sein Ruf als Arzt war es, der in jener bewegten Periode auf ihn die allgemeine Aufmerksamkeit richtete. Freilich ließ sein empfänglicher und ungemein lebhafter Geist sich manchmal von einer Ansicht zu rasch hinreißen, so z. B. faßte er die Ideen Rousseau’s vom Naturzustande so eigenthümlich auf, daß er durch alle Gründe der Anatomie und Physik die Leute bewegen wollte, auf allen Vieren zu gehen. Er gab bei dieser Gelegenheit den „Discorso Academico“ betitelt: „Delle corporee differenze essenziali che passano fra la struttura de Brutti e la umana“ (Brescia 1770), heraus, wovon J. Beckmann im Jahre 1771 eine deutsche Übersetzung drucken ließ. Als im Jahre 1795 eine höchst gefährliche Viehseuche durch ganz Oberitalien wüthete und sich die ausgezeichnetsten Aerzte, unter anderen auch Ludwig Frank in Florenz mit dem Studium der Erscheinungen dieses Uebels beschäftigten, widmete auch Moscati demselben seine ganze Aufmerksamkeit und gab bei dieser Gelegenheit unter der Chiffre R. P. D. P. M. die Schrift: „Compendio di cognizioni veterinarie a commodo de’ Medici e Chirurgi di Campagna nella occasione della maligna Febbre epizootica di quest’ anno 1795“ heraus. Viel Aufsehen in der medicinischen Welt machte auch, als er nach Niederlegung seiner Stelle als Präsident der cisalpinischen Republik im Jahre 1799 die Lehrkanzel der medicinischen Klinik an der Hochschule zu Pavia übernahm, sein nachmals gedruckter Vortrag: „Dell’uso dei sistemi nella pretica medicina“, auf den sein Vorgänger in der Stelle, die er eben bekleidete, Professor Rasori mit der Schrift: „Analisi dell preteso genio d’Ipocrate“ erwiederte. Im Uebrigen war Moscati als Schriftsteller nur ausnahmsweise thätig; die Memorie della Società italiana enthalten Einiges aus seiner Feder, und zwar: „Richerche ed osservazione sociali fatte per perfezionare il barometro“ eine Arbeit, die er mit Marsilio Landriani gemeinschaftlich ausführte und im I. Bande der Memorie (1782) abgedruckt steht; – „Descrizione dell’ osservatorio meteorologico eretto al fine dell’ anno 1780 a Milano“ (ebd. V. Bd. 1790); – „Sopra un singolare fenomeno osservato nella sua specola fisico-meteorologica eretta in Milano“ (ebd. XVII. Bd. 1815), und im Journal phys. XI, 1778, befindet sich sein Aufsatz: „Expériences sur le sang et l’origine de la chaleur animale“. Bei der umfassenden Bildung, wie sie Moscati besaß, richtete er auf die Naturwissenschaften seine stetige Aufmerksamkeit. [115] Er selbst sammelte physikalische Apparate aller Art und besaß ein vollständiges chemisches Laboratorium, in welchem er ununterbrochen Versuche anstellte. Die Literatur seines Faches verfolgte er mit großer Aufmerksamkeit und stand nicht nur in derselben auf der Höhe der Zeit, sondern auch alles Andere, was die Wissenschaft in irgend einer Richtung Bemerkenswerthes und Dauerndes zu Tage förderte, entging seinem beobachtenden Blicke nicht, so wurde er denn auch in wissenschaftlichen Kreisen vielseitig gefeiert und Schriftsteller brachten ihm in zahlreichen Widmungen ihrer Werke ihre Huldigung dar. In Como bei der aufgehobenen Kirche San Giovanni errichtete er aus eigenen Mitteln ein astronomisches und meteorologisches Observatorium, welches er dann dem k. k. Lyceum di San Alessandro zum Geschenke machte. Er besaß eine an werthvollen Werken aller Wissenschaftszweige reiche Bibliothek, eine kostbare Sammlung chirurgischer Instrumente, anatomischer, mit großer Kunstfertigkeit in Wachs geordneter Präparate, Modelle von Maschinen, Sammlungen naturgeschichtlicher Gegenstände, von Kupferstichen, Gypsmodellen und Statuen, mit deren Studium und Betrachtung er sich in den Stunden seiner Muße beschäftigte. Von seinen Büchern gingen viele zufolge seiner letztwilligen Fügung an seine Freunde über, den übrigens noch immer sehr bedeutenden Rest legirte er dem lombardischen Institute der Wissenschaften und Künste, und einen großen Theil seines Vermögens verschrieb er dem großen Spitale in Mailand, welchem er die Vollkraft seines Lebens und die ansehnliche Reihe von Jahren vor Ausbruch der politischen Wirren in ungetheilter Thätigkeit gewidmet hatte. Daß ihm die Wissenschaft in ihrer Art, durch Ernennung zum Mitgliede ihrer Vereine und Gesellschaften zahlreiche Huldigungen darbrachte, braucht kaum erwähnt zu werden, auch hat sie seinen Namen dadurch der Erinnerung überliefert, daß sie nach ihm ein Mercurial-Präparat benannte, welches er erfunden und welches dann in der Therapeutik aufgenommen wurde. Was endlich Moscati’s Stellung und Bedeutung als praktischer Arzt anbelangt, so war er als Chirurg und in pathologisch-anatomischer Richtung eine Specialität ersteren Ranges; als im Jahre 1790 der Brownianismus – nach John Brown (geb. 1735, gest. 1788), einem berühmten, mitunter auch etwas berüchtigten englischen Arzte, so genannt – den Einzug in den Hypothesen der medicinischen Wissenschaft hielt, war Moscati ein begeisterter Anhänger desselben und schrieb zu der Uebersetzung der Brown’schen „Elementa“ durch Massini eine bedeutsame Vorrede, welche gegen Boerhave, Redi, Bellini, Borsieri gerichtet war. Die aus der specifischen Ursache der Kornverderbniß entspringende, epidemisch herrschende Kriebelkrankeit zählt Moscati unter ihre aufmerksamsten und rationellsten Beobachter; dem so wichtigen und lange noch nicht abgeschlossenen Studium der Blutzusammensetzung widmete er seine ganze Aufmerksamkeit und veröffentlichte auch seine Beobachtungen nach dieser Seite hin durch den Druck, sowie er zu den entschiedensten Anhängern der Haller’schen Irritabilitätslehre zählte.

Tipaldo (Emilio de), Biografia degli Italiani illustri nelle scienze, lettere ed arti del secolo XVIII e de’ contemporanei (Venezia, 1841, tipografia di Alvisopoli, gr. 8°.) Tomo II, p. 468: [Necrologo di G. Chiappa; nach diesem gest. am 13. Jänner 1824]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée par MM. Firmin Didot frères, [116] sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1850 et seq., 8°.) Tome XXXVI, p. 705 [nach dieser gest. am 19. Jänner 1824]. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 709 [nach dieser gest. am 29. Jänner 1824]. – Biographisch-literarisches Lexikon der Thierärzte aller Zeiten und Länder, sowie der Naturforscher, Aerzte u. s. w., welche sich um die Thierheilkunde verdient gemacht haben. Gesammelt von G. W. Schrader, vervollständigt und herausgegeben von Ed. Hering (Stuttgart 1853, 8°.) S. 288. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859. J. A. Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 214. – Meyer (J.). Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.) Bd. XXII, S. 184 [nach diesem gest. am 19. Jänner 1824]. – Auch das Geburtsjahr und der Geburtsort Moscati’s werden verschieden angegeben, bald 1736, bald 1739 als das erstere, bald Mantua, bald Mailand als das letztere.