Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 18 (1868), ab Seite: 164. (Quelle)
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100. Mayr, Peter (Andreas Hofer’s Waffengefährte, erschossen zu Botzen gleich ihm 20. Februar 1810). Nicht so sehr das Leben – welches das eines schlichten, wackeren Bauers ist – als das heldenmütige Ende dieses Märtyrers seines Vaterlandes räumen ihm eine Stelle in diesem Werke ein. Nach dem unglücklichen Waffenstillstande von Znaim hatten sich die kaiserlich österreichischen Truppen in Tirol jeder Offensive gegen die Franzosen und ihre Verbündeten zu enthalten, und mußten sich, da sie dem Lande nicht mehr nützen konnten, zurückziehen. In dieser traurigen Zeit trafen drei Männer aus dem Bürger- und Bauernstande, Martin Schenk, Kreuzwirth in Brixen, Peter Thalguter, genannt Täller, von Algurd, und Peter Mayr, Wirth in der Mahr, in Brixen zusammen, um über des Landes Nöthen zu berathen. Durch Pater Haspinger [Bd. VIII, S. 34], der auch herbeigekommen war, erfuhren sie, daß Hofer [Bd. IX, S. 134] wieder sich zu rühren beginne. Durch diese Nachricht [165] ermuthigt, gelobten auch diese drei Rüttlimänner, den Kampf für Kaiser und Vaterland zu erneuern, und Leben und Gut für die Befreiung des Landes von fremdem Joche einzusetzen, möge der Ausgang sein, wie er wolle. So entbrannte denn der vernichtende Volkskampf von Neuem in den Thälern und auf den Bergen. Mittlerweile hatte sich der Znaimer Waffenstillstand in den definitiven Frieden von Preßburg verwandelt, durch den Oesterreichs Macht gebrochen und zertrümmert vor dem Sieger im Staube lag. Auch Tirol sollte sich unter fremdes Joch beugen. Nur ein Augenblick war es, in welchem sich Ermattung und Muthlosigkeit des Landes bemächtigte, aber der Gedanke, nach Jahrhundert langem Verbande mit dem Erzhause unter fremdem Joche schmachten, einem Fremdlinge gehorchen zu müssen, erschien den wackeren Tirolern bald so unerträglich, daß sie ihn nimmermehr freiwillig ausführen, sondern nur als Besiegte dem Sieger gehorchen wollten. Am 13. November 1809 hatte Hofer das Volk wieder zu den Waffen gerufen, um dem von allen Seiten eindringenden Feinde die Spitze zu bieten. Aber wie groß auch die Begeisterung im Volke war, der Kampf war zu ungleich, die Helden mußten der Uebermacht weichen und in wenigen Wochen zählte Tirol unter die eroberten Provinzen. Die Maßregeln, welche nun der Sieger gegen das den vorangegangenen Aufrufen zuwiderhandelnde „aufrührerische“ Tirol, wie es der Sieger nannte, ergriff, waren fürchterlich, und zum abschreckenden Beispiele für künftige ähnliche Fälle zog der Sieger die Führer der Bewegung zur Strafe und Verantwortung. Andreas Hofer war das erste Sühnopfer, und beinahe gleichzeitig führte eine starke Escorte einen stattlichen Bauersmann in der Tracht der Brixner Gegend in schweren Eisen durch die Straßen Botzens in das Hauptquartier des französischen Generals Baraguay d’Hilliers. Es war Peter Mayr, der Waffengenosse Hofer’s im unglücklichen Entscheidungskampfe, der Mitanführer des letzten Widerstandes bei Brixen und Klausen. Er war ein redlicher fester Mann, ein tapferer Krieger, einer der Auserlesensten des Vaterlandes, einer, der allen Nebenrücksichten fremd, nur Gott und seinen Kaiser im Auge hatte, und die ungetheilte Achtung in der ganzen Gegend genoß. Vom französischen Militärgerichte war er des Treubruchs und Aufruhrs angeklagt, weil er nach dem Friedensschlusse zum Kampfe aufgefordert und selbst mitgekämpft hatte. Peter Mayr war sich klar bewußt, was er gethan und gab sich auch nicht der geringsten Täuschung hin über den gewissen Ausgang seines Processes, es war im günstigsten Falle der Tod durch eine französische Kugel. Von dem Momente der Gefangenschaft mit der Welt abgeschlossen habend, gab er sich auch weiter keine Mühe, seinen Richtern gegenüber die Anklage zu bestreiten – seine einzige Bitte ging dahin, man möge ihm noch gestatten, von den Seinen Abschied zu nehmen. Kaum hatte sein Weib von diesem traurigen Ereignisse Kunde erhalten, so war sie – gesegneten Leibes – mit ihren acht Kindern nach Botzen geeilt, um ihn zu sehen, zunächst aber, um für ihn Gnade zu erflehen, da sie es ja nicht für möglich hielt, daß Jemand für seine Treue bis in den Tod gegen Kaiser und Vaterland erschossen werden sollte. Als sie aber in Botzen angekommen, endlich nach vielen Bitten in den Kerker ihres Gatten gelangt war, und dort den wahren Sachverhalt kennen [166] gelernt, endlich, als sie inne ward, daß sie, ein armes Bauernweib, nicht im Stande wäre, das Herz des französischen Generals zu rühren, da fiel es ihr und ihren Freunden ein, daß in Botzen eine Frau wohne, welche durch ihre hohen Geistesgaben und durch ihren ausgebreiteten Grundbesitz eine hervorragende Stellung in der dortigen Gesellschaft einnahm und eben dadurch auch einen wichtigen Einfluß auf die allgemeine Stimmung übte. Diese Dame, deren Haus das geistige Hauptquartier für Tirols treue Söhne, aber auch das neutrale Gebiet war, auf welchem sich Freund und Feind begegnete, welche eben deßhalb vom Momente seines Einmarsches der französische General Baraguay d’Hilliers ganz besonders auszeichnete, war die Witwe Maria Anna Giovanelli [Bd. V, S. 194]. Verehrt wegen ihrer echten Frömmigkeit und geliebt als Wohlthäterin der Armen und Trösterin der Betrübten. Zu dieser Frau eilte Mayr’s Gattin, warf sich mit ihren Kindern ihr zu Füßen und bat, sie möge Gnade für ihren Mann erwirken. Die edle Frau, welche von dem traurigen Schicksale des Gefangenen bereits Kenntniß hatte, war den Bitten der Unglücklichen schon zuvorgekommen. Nach Anderen habe die Gemalin Baraguay’s, eine geborne Deutsche, die einen großen Einfluß über ihren Gatten besaß, sich des Verurtheilten mit besonderer Warme angenommen. Vielleicht, und das ist das Wahrscheinlichste, mochten beide Umstände eingewirkt und dadurch der General zu anderen Maßnahmen umgestimmt worden sein. Kurz, das Urtheil wurde unter dem Vorwande einiger Formalitätsfehler cassirt, eine neue Untersuchung angeordnet und dem Inquisiten ein Rechtsbeistand in der Person des Advocaten Dr. Knoll von Dornhof beigegeben. Der Machtspruch der Gnade durch den General war jedoch von einer Bedingung abhängig, nämlich: „daß Mayr vor dem Kriegsgerichte feierlich erkläre, er habe zu jener Zeit, als er neuerlich zu den Waffen gegriffen hatte, von den Bestimmungen des Znaimer Waffenstillstandes und des Preßburger Friedens nichts gewußt“. Dr. Knoll begab sich nun zu dem Verhafteten in’s Gefängniß, wo sich dessen Weib mit Anna Giovanelli bereits befanden und ihm die frohe Kunde überbracht hatten. Die Freude über seine Rettung wich aber einem tiefen Ernste, als er aus dem Munde seines Vertheidigers die Bedingung, welche an seine Rettung geknüpft, war, vernommen hatte. Ohne sich lange zu besinnen, entgegnete er: „Die Erfüllung der für meine Rettung gestellten Bedingung ist unmöglich. Ich habe von den Friedensbestimmungen gewußt und eben deßhalb zu den Waffen gegriffen, um einen Verzweiflungskampf zu wagen; ich bin der Wahrheit und den Geboten Gottes treu geblieben mein Leben lang und werde nie durch eine Lüge mein Leben erkaufen. Gottes Schutz und Segen wird um so kräftiger auf Euch ruhen“. Alle Bitten und Vorstellungen seiner Gattin, seines Vertheidigers waren vergeblich. Es waren die letzten Worte dieses Glaubenshelden. Ein zweiter Thomas Morus – aber nur ein schlichter Bauer – wollte er durch eine Lüge sein Leben nicht erkaufen. Der Werth desselben erschien ihm nicht hoch genug, um es um den Preis angetasteter Sitte, angetasteter Rechte, angetasteter Treue, angetasteter Ehre, angetasteten Gewissens zu retten. Am 19. Februar 1810 wurde das zweite Kriegsgericht gehalten und – die einfache Stimmenmehrheit hatte entschieden – das Todesurtheil über ihn [167] ausgesprochen. Am folgenden Tage ging das Urtheil in Erfüllung. Unerschrocken gleich Einem der ersten christlichen Sieger schritt Peter Mayr auf den Richtplatz mit dem gekreuzigten Heiland in der Hand. Diesen gab er im letzten Augenblicke dem Priester, „damit ihn – wie er sagte – keine Kugel verletze“. So starb Mayr, ein echter Märtyrer der Wahrheit. Ohne Hofer’s Verdienste schmälern zu wollen, sei hier eine Frage gestattet: Ist Mayr’s That weniger? und für Hofer Alles, für Mayr geschah nichts? Hofer’s Name ist der eines Welthelden geworden; Mayr’s Name steckt vergessen in den vergilbten Seiten eines nur wenig verbreiteten Buches! Hofern errichtete man Denktafeln, Denkmäler, Mayr hat auch nicht einen Denkstein; für Hofer’s Familie ward und wohl mit Recht gesorgt l Wer weiß etwas von Mayr’s Nachkommen! Was dem Einen Recht, ist dem Anderen billig, fällt einem hier unwillkürlich ein, und bei Mayr’s Heldentode fällt noch eines in’s Gewicht: während Hofer geradezu unrettbar war, lag Mayr’s Rettung in seiner Gewalt, um den Preis einer Nothlüge, die ihm wohl alle Welt verziehen hätte. Aber auch dieser Preis stand ihm zu hoch. Es ist dieß ein Martyrthum, wie es nur unter den Glaubenshelden in den ersten Zeiten des Christenthums vorkommt, von dem spätere Zeiten nur höchst wenige Beispiele aufzuweisen haben. Bemerkenswerth ist noch, daß, wie Mayr, an den nämlichen Tagen (am 19. und 20. Februar) Andreas Hofer in Mantua zum Tode verurtheilt und füsilirt wurde.

Das Vaterland (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 91. – Staffler (Johann Jacob), Das deutsche Tirol und Vorarlberg, topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen; in zwei Bänden (Innsbruck 1847, Felic. Rauch, 8°.) Bd. II, S. 104.