Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 15 (1866), ab Seite: 455. (Quelle)
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Löwy, Bernhard (Industrieller und Humanist, geb. zu Nagy-Surany im Neutraer Comitate im Jahre 1793, gest. zu Pesth 1. Februar 1857). Der Vater, ein wohlhabender Lederfabricant und talmudkundig, leitete selbst die Erziehung des Knaben, den er, als er zwölf Jahre alt war (1805), auf die jüdische Schule nach Szerdahely schickte. Dort blieb L. drei Jahre, ging dann nach Preßburg und zuletzt nach Trebitsch in Mähren, um daselbst seine talmudische Ausbildung zu vollenden. Durch einen ihm befreundeten Schulkameraden, den nachmaligen Pesther Oberrabbiner Löw Schwab, wurde er zur Erlernung auch anderer Wissenszweige, als des Talmud allein, angeregt. Er ging nun, ohne erst die Erlaubniß vom Elternhause abzuwarten, nach Prag, betrieb dort mit Eifer deutsche Sprache, Mathematik und Geographie, selbst Latein, und nach einem dreijährigen Aufenthalte daselbst kehrte er in seine Heimat zurück, um ein eigenes Geschäft – eine Leimsiederei – zu übernehmen und das Mädchen, das ihm sein Vater ausgesucht, zu heirathen. Bald brachte der gebildete Israelit die erworbenen Kenntnisse zum Nutzen seiner Gemeinde, die in zweifelhaften Fällen, oder wenn es sonst nöthig war, sich bei ihm Raths erholte, zur Geltung. Wenn er aber dadurch sich einerseits die Achtung der Gebildeteren aus seiner Gemeinde erwarb, so fehlte es ihm anderseits nicht an Gegnern, namentlich unter den Orthodoxen, die ihn einen „Freigeist“ schalten und ihn, weil er die Synagoge nicht täglich besuchte, zur Verantwortung zogen. Zu diesen Mißhelligkeiten von Seite seiner Gemeinde gesellte sich noch ein großes Unglück: eine Feuersbrunst zerstörte seine ganze Leimsiederei. An dem Orte, wo ihm so schweres doppeltes Leid widerfahren, wollte L. nichts Neues wieder beginnen, er beschloß nun, 1825, nach Komorn zu übersiedeln. Die Nagy-Suranyer Gemeinde, wohl fühlend, daß sie an ihm eine tüchtige Kraft verliere, ehrte noch den Scheidenden mit mannigfachen Auszeichnungen. Als L. in Komorn sich niedergelassen, begann er von Neuem seine rastlose Thätigkeit. Im Vereine mit seinem Schwager richtete er eine großartige Lederfabrik ein und betrieb während eines Decenniums mit Energie das mit jedem Tage sich hebende und vervollkommnende Geschäft. Während der Zeit seines Komorner Aufenthaltes war er für die Errichtung einer israelitischen Hauptschule, die auch bald in’s Leben trat, energisch thätig. Nachdem es aber da nichts mehr zu schaffen gab, richtete er seinen unternehmenden Blick weiter, und Pesth, die Hauptstadt des Landes, war sein Ziel. Mit seinen Brüdern gemeinschaftlich, die das ihnen zugefallene väterliche Erbe mit dem seinigen vereinigten, wollte er in Pesth oder doch in Pesths nächster Nähe seine Ansiedlungsgedanken verwirklichen. Für Pesth selbst zeigten sich in den damaligen Judenverhältnissen unübersteigliche Hindernisse, denn erst im Jahre 1840 gewährte der 29. Landtagsartikel den Israeliten einige Erleichterungen. Auch würde die Pesther Lederer-Innung dem Gebaren der thätigen Brüder nicht müssig zugeschaut haben. Aber hart an Pesth stoßen die Güter der Grafen Károlyi, zu denen auch Palota gehört, wo bereits seit Jahren ein Jude [456] eine Tuchfabrik errichtet hatte. Der Grund in Nagy-Surany, auf dem Löwy’s Vater die Lederfabrication betrieb, war gleichfalls dem Grafen Károlyi gehörig. Nun waren bald alle Hindernisse beseitigt. Löwy’s Familie erfreute sich im gräflichen Hause eines guten Leumunds und als Bernhard mit seinen Brüdern dem Grafen seine Absichten auseinandersetzte, erhielt er schon in einigen Wochen die Gestattung zur Ausführung seines Vorhabens. Die Stelle auf der Hoter Pußta, wo sich binnen Kurzem, 1836, die neue Lederfabrik erhob, war sehr günstig gelegen, kaum eine halbe Stunde von der Hauptstadt, hart an der Donau und an der Hauptstraße, die von Pesth nach Waitzen führt. Obgleich nur erst ein Haus, die Löwy’sche Fabrik, auf dieser Pußta stand, gab ihr doch Löwy, im Vorgefühle einer baldigen Ausdehnung, den pompösen Namen Neu-Pesth. Nun aber galt es die Stellung der jüdischen Gemeinde, die L. zunächst hier zu vereinen hoffte, für die Zukunft zu sichern. Nachdem er mehrere jüdische Capitalisten geworben, welche Zinshäuser auf dem neuen Grunde aufzuführen gedachten, entwarf er einen Vertrag, den er zur Annahme seinem Grundherrn, dem Grafen Károlyi, vorlegte. In diesem Coloniestatute, in welchem die Verpflichtungen, welche die Grundherrschaft einging, die Pflichten der Ansiedler, die innere Ordnung und Verwaltung der neuen Gemeinde und endlich die Procedur bei aus bürgerlichen Verhältnissen entstehenden Klagen einzelner Gemeindeglieder festgesetzt waren, sind als Hauptmomente hervorzuheben: „Die vollkommene Gewerbefreiheit“, so zwar, daß sich Zünfte und Meisterschaften nie und nimmer bilden dürfen, und „die Freigebung der sogenannten Regalbeneficien, wofür jedoch die Gemeinde ein höheres Grundgeld der Grundherrschaft zu zahlen sich anheischig machte“. Schon in drei Jahren war die Zahl der Bewohner auf dem neuen mit vielen Häusern verbauten Grunde auf mehrere hundert gestiegen und eine neue Gemeinde gebildet. Zwischen Neu-Pesth und Pesth unterhielt L. auf eigene Kosten durch fünf Jahre eine stehende Communication, um auf diese Art den Namen „Neu-Pesth“ populär zu machen. Nachdem nun der Bestand der neuen Gemeinde gesichert war, richtete L. die Aufmerksamkeit wieder auf seine Glaubensgenossen. Durch seine Bemühungen gelang die Constituirung der jüdischen Glaubensgenossenschaft. Von seinem Grundherrn erwirkte er die Ablassung eines gesonderten Gottesackergrundes, welchem der Graf eine Area zum Baue einer Synagoge als Geschenk beifügte. An dem Bane dieser bethätigten sich vor Allem Bernhard Löwy und sein Bruder Isak, denen sich als dritter Isak Neuschloß beigesellte. In der Ausübung des Gottesdienstes wurden die veralteten Mißbräuche beseitigt und die neuere edlere Richtung angenommen. Später, als mit der zunehmenden Menschenmenge der Gemeinde auch die Armenfrage und die Krankenverpflegung sich aufdrängten, übten die beiden Brüder Löwy Wohlthätigkeit im Großen. Jeden Herbst fand ihrerseits regelmäßig eine Brot-, Kartoffel-, Kraut- und Holzvertheilung an die dürftigen Ortsbewohner ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses Statt und dieses Gebaren rettete im Hungerjahre 1847, in welchem der Centner Brotmehl 30 bis 35 fl. kostete, die ärmeren Bewohner des neuen Ortes vom Hungertode. Zu gleicher Zeit, als Bernhard L. im Jahre 1836 seine Fabrik auf der Hoter [457] Pußta gebaut, bahnte er auf dem nahegelegenen Flusse einen Floßhandel an. Dieser nahm mit den Jahren – nachdem Bernhard nicht müde geworden, den Leuten zu beweisen, wie gerade diese Stelle des Flusses zu einem Hafen sich eigne – ganz stattliche, den schlichten Floßhandel weit überragende Dimensionen an. Im Winter 1857/58 hatten in dem noch lange nicht vollendeten Hafen 3 Dampfbagger, 2 Dampfschiffe, 17 Waarenböte, 26 Plätten, 2 Kohlenschiffe, 1 Kohlentender, 17 Mühlen, 1 Fischhalter, 3 Schwimmschulen und 570 Flösse Unterstand gefunden und die Hafengebühren betrugen von einem Platze, der früher nicht einen Heller einbrachte, 4109 fl. 39 kr. Uebrigens ist das Ganze erst eine dem vollen Ausbau entgegensehende Anlage. Im Jahre 1857 starb Bernhard Löwy, der Gründer von Neu-Pesth, 64 Jahre alt; sein Grabstein, der in der Mitte zwischen dem angrenzenden christlichen und jüdischen Kirchhofe sich erhebt, trägt die einfache aber bezeichnende Inschrift, daß hier „der Gründer und Vater seiner Gemeinde“ ruhe.

Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten. Von Ign. Reich (Pesth 1859), II. Heft, S. 58–71.