Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 8 (1862), ab Seite: 95. (Quelle)
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Havelka, Mathias (Abgeordneter des Reichstages im Jahre 1848 und des Reichsrathes 1861, geb. zu Žitětin 5. Mai 1809). Besuchte die unteren Schulen und das Gymnasium zu Gitschin, hörte die Philosophie und die Rechtswissenschaften zu Prag. Hier erwachte mit einem Male seine Liebe zur Muttersprache, so daß er sich mit allem Eifer auf sie verlegte, wozu der Freundschaftsbund, den er mit Jaroslaw Langer schloß, das Seinige wesentlich beitrug, und in dem von Langer, Sumavsky und Tomiček 1830 und 1831 herausgegebenen Unterhaltungsblatte „Čechoslav“ trat er mit einigen literarischen Arbeiten auf. Nach beendeten Rechtsstudien trat H. in die Dienste des Magistrates zu Mirovitz, wo er von 1839–1841 blieb, kam dann nach Dobruschka und bald nach Nimburg im Bunzlauer Kreise, wo er durch 9 Jahre diente. Neben seinen Berufsstudien beschäftigte er sich zugleich mit schöngeistigen Arbeiten, diese erschienen im „Poutnik od Otavy“, d. i. im Pilger von der Wotawa, einer belletristischen Zeitschrift; während die Abhandlung „O přísaze vyjevovací“ (juramentum manifestationis) und mehrere juridische Aufsätze in Wildner’s Zeitschrift „Der Jurist“ und in der „Themis“ Zeugniß von seinen ernsten Strebungen geben. Von diesen letzteren sind mit Uebergehung einzelner Rechtsfälle und Gesetzeserklärungen anzuführen: „Das Klagerecht auf Manifestation eines vertuschten Vermögens“ (Jurist VII, 175–226), wovon eine italienische Uebersetzung im „Giornale di Giurisprudenza austriaca“ (IV, 436–510) erschien, und „Rechtsfall mit Bemerkungen über die Frage, wie die Strafbehörde mit den angeblich gestohlenen Sachen vorzugehen habe, wenn der des Diebstahles derselben Beschuldigte aus Mangel an Beweisen losgesprochen wird“ (in der Themis, neue Folge II, S. 91–111). Als er später mit Dr. Strobach bekannt wurde, begann er seine Studien über das čechische Recht, und im Jahre 1847 erschienen in der Zeitschrift: „Noviny prasžké“ seine „právnické listy“, d. i. Die Rechtsbriefe. Im Jahre 1848 auf Palacky’s Vorschlag für den Časlauer Bezirk in den österreichischen Reichstag gewählt, bildete er mit Palacky, Rieger, Strobach und Genossen jene Partei der čechischen Rechten, deren eigentliche Absichten erst der Reichstag 1861 in das richtige Licht setzen dürfte. Seine Wirksamkeit auf dem 1848er Reichstage begann in der 18. Sitzung (10. August) bei der Berathung des Kudlich’schen Antrages – betreffend die Ablösung der Robot und Grundlasten – dieser bleibenden Errungenschaft dieses ersten österreichischen Reichstages. Havelka brachte damals mehrere Amendements vor, in deren Begründung er den erfahrenen Rechtsmann beurkundete, aber auch die damalige ministerielle Phrase: „der Weltgeist macht die Politik“, aufgegriffen hatte, welche seit dieser Zeit, in einer gewiß nicht beabsichtigten Weise, sprichwörtlich zu werden pflegte. In der 40. Sitzung (11. September) sprach H. anläßlich der Sprachenfrage die bezeichnenden Worte: „Es steht nicht im Convocationspatente, nicht unsere Mandanten haben uns den Auftrag gegeben, daß wir deutsch sprechen sollen, kein Gesetz bindet uns, sondern es ist nur unser Gemeinsinn, der uns bestimmt hat, in der deutschen Sprache zu verhandeln. Wir sind es, die wir eingesehen haben, es ist praktisch ausführbar, es führt schneller zum Ziele, zum Wohle [96] des Vaterlandes; es ist eine Convenienz, es ist die gemeinsame Vaterlandsliebe.“ In der 44. Sitzung (19. September) sprach er energisch gegen die Zulassung der ungarischen Deputation; in der 76. Sitzung (24. zu Kremsier am 23. Jänner 1849) sprach er über den §. 5 der Grundrechte, nämlich über und für die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens in Civil- und Strafsachen, wobei er mehrere berichtigende Amendements vertheidigte. Im Uebrigen beschränkt sich seine Thätigkeit auf einige Reclamationen in Formfragen, wobei er namentlich für die Einhaltung der Geschäftsordnung seinen Mann stellte (Näheres in den Quellen). Nach der Sprengung des Reichstages kehrte er auf seinen Posten zurück, wurde 1850 Assessor bei dem k. k. Bezirksamte zu Rakonitz und im Jahre 1855 Kreisgerichtsrath in Pisek, welche Stelle er noch gegenwärtig bekleidet. Am 20. März 1861 wurde H. von den Bewohnern der Stadt Pisek in den böhmischen Landtag gewählt, wo er wieder mit der Partei Rieger-Palacky zusammenstand. Als die Wahlen für das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrathes stattfanden, wurde er in dasselbe gewählt. In diesem letztern concentrirt sich bisher seine Thätigkeit in seiner Unterschrift auf der an das Gesammtministerium gerichteten Interpellation, betreffend die der Linken des Reichsrathes gewaltsam aufgeredete Beleidigung der Koruna česka, mit welchem seither zum Parteinamen gestempelten Worte Giskra’s von Unbefangenen keine Beleidigung der böhmischen Krone, sondern nur eine Zurückweisung der čechischen Sondergelüste verstanden worden ist. Wie früher, so blieb er auch nach den ersten Tagen des Jahres 1848 der schönen Literatur treu und wurde mit seinen „Vojenske pisne“, d. i. Kriegerische Lieder (Prag 1854, Pospisil, 8°.), zum politischen Lyriker. Seine meisten übrigen Arbeiten finden sich in Journalen und Almanachen zerstreut, als im „Poutník od Otavy“, d. i. im Pilgrim von der Wotawa, in „Škola a Život“, d. i. in Schule und Leben, im „Zábavnik učitelský pro diecesi budějovickou“, d. i. im lehrreichen Unterhaltungsblatte der Budweiser Diöcese, und im „Album pro J. V. Cíšaře“, d. i. im Kaiseralbum, und in m. A.

Poutník od Otavy. Zabavny a poucny casopis, d. i. Der Pilgrim von Wotawa. Unterhaltende und belehrende Zeitschrift (Pisek, 4°.) 1861, Nr. 13 [mit Porträt, facsimilirtem Namenszug und Devise:

Jen úctu práva
A Vlasti zkvěte sláva
. –

Verhandlungen des österreichischen Reichstages nach der stenographischen Aufnahme (Wien, Staatsdruckerei, 4°.) 1848, Bd. I, S. 468; Bd. II, S. 112, 330, 484; Bd. IV, S. 493, 531, 619, 678; Bd. V, S. 40, 42, 56, 150, 157. – Die Witz- und Spottblätter des Jahres 1848 nannten H. den „Mazeppa der Geschäftsordnung“, weil er bei jedem Anlasse die Geschäftsordnung citirte oder aus seiner Tasche hervorzog, also gleichsam an das Roß Geschäftsordnung angebunden erschien; eine Carricatur, wenn ich nicht irre, in Willi Beck’s „Charivari“, in einer der Octobernummern, stellt ihn und Strobach als mißgestalte Schattenrisse in einer Prairie von Orchideen und anderen tropischen Sträuchern vor, wie sie sich jeder hinter einem riesigen Strauche versteckt halten und Strobach zu Havelka hinüberruft: „Sie Sie Havelka, haben Sie keine Geschäftsordnung bei sich?“ –