BLKÖ:Gozzi, Carlo conte

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 5 (1859), ab Seite: 283. (Quelle)
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Gozzi, Carlo conte (Schriftsteller, geb. zu Venedig im März 1722, gest. 4. April 1806)[BN 1]. Seine Eltern waren vornehme Venezianer, insbesondere seine Mutter Angela, eine geborne Tiepolo, von altem Adel. Der Reichthum seiner Eltern gestattete eine treffliche Erziehung, welche durch frühzeitige Bekanntschaft mit Gelehrten, die das Haus täglich besuchten, gefördert wurde. Carlo’s Neigung zur Poesie entwickelte sich frühzeitig, und die Bekanntschaft mit Apostolo Zeno verlieh ihr erst den rechten Schwung. Die schlechte Geldgebahrung im Elternhause hatte bald eine Zerrüttung der Vermögensverhältnisse zur Folge und Carlo nahm Dienste. Girolamo Quirini ging als General-Proveditor nach Dalmatien und Carlo gesellte sich zu dessen Gefolge. Nach dreijährigem Aufenthalte in Dalmatien, wo er sich mit dem Capitän der Hellebardiere Innocenz Massini auf das innigste befreundet hatte, kehrte er nach Venedig zurück und fand seine Familie in den jämmerlichsten Verhältnissen. Carlo versuchte es nun, dieselben zu ordnen, verwickelte sich aber dadurch in Processe und Streitigkeiten, die fast sein ganzes Leben hindurch währten. Um sich in diesem Gewühle von Rechtshändeln nach Kräften zu zerstreuen, verwickelte er sich noch nebenbei in literarische, welche seinem Namen eine nicht ganz ehrenvolle Stelle in der Literaturgeschichte einräumen. Die glänzenden Erfolge, welche der Reformator der italienischen Bühne, Goldoni (s. diesen S. 253) mit seinen dramatischen Arbeiten feierte, verdrängten einerseits die bis dahin üblichen Masken und Commedie dell’ arte von der Bühne und versetzten eine ganze Gesellschaft, nämlich die Truppe Sacchi, in die bitterste Noth, weil ihre Vorstellungen gar nicht mehr besucht wurden. Gozzi warf sich zum Beschützer der letzteren auf, griff Chiari und Goldoni, ersteren mit Recht, letzteren ohne höheres Verständniß und plump an und versuchte es nun, durch neue originelle Commedie dell’ arte , Ammenmärchen und Zauberspiele die Theilnahme des Publicums der verlassenen Truppe Sacchi zuzuwenden. Das letztere gelang ihm auch über alle Erwartung, ohne jedoch mit diesen Erfolgen das Reformwerk Goldoni’ s, das im vollen Zuge war, auch nur einen Augenblick aufzuhalten. So entstand die unten (I. Dramatische Arbeiten) ausgeführte Reihe der Gozzi’schen Märchen, welche das eigenthümliche Schicksal haben, von den italienischen Literarhistorikern ganz oberflächlich (Ugoni ausgenommen) beurtheilt zu werden, während wieder eine Staël, ein Guingené, Sismondi und Schlegel dieselben für mehr nehmen, als sie eigentlich sind. Im ununterbrochenen Verkehre, den Gozzi mit den Schauspielern unterhielt, konnte es nicht fehlen, daß er auch in galante Abenteuer verwickelt ward, von denen eines nicht ohne unangenehme Folgen für sein Leben blieb. Conte Carlo hatte die Prima donna Teodora Ricci vor anderen Damen lieb gewonnen; die schönen Anlagen, welche die Ricci besaß, erweckten seine Theilnahme und er bildete die empfängliche Dame in der Kunst aus und brachte sie auf eine Stufe, daß noch heute ihr Name in der Reihe der Künstlerinnen glänzt; aber zugleich mit diesem Kunsteifer fand sein Herz Nahrung, seine Leidenschaft Befriedigung. Doch nicht lange sollte sein Glück dauern. Der Secretär des Senats Pietro Antonio [284] Gratarol ward sein beglückter Nebenbuhler und Gozzi suchte sich durch Bearbeitung eines spanischen Stückes „Le droghe d’amore“, das Gewürzkästlein der Liebe, an demselben zu rächen. War Gozzi dies zwar gelungen, so blieben die schlimmen Folgen doch nicht aus. Der Scandal, den die Aufführung des Stückes verursachte, war groß; und durch eine Schutzschrift Gratarols, der nicht genug Seelengröße besaß, die Satire schweigend hinzunehmen, noch verstärkt. Als sich die Sacchi’sche Truppe auflöste, versiegte zwar nicht ganz G.’s dramatisches Talent, war aber nicht mehr so fruchtbar. Den Rest seines Lebens widmete er der Pflege seines älteren und zwei Decennien vor ihm verstorbenen Bruders Gasparo, an dem er mit zärtlicher Liebe hing, führte Processe und schloß 18. März 1798, acht Jahre vor seinem Tode, der ihn im Alter von 81 Jahren dahinraffte, seine Memoiren. G. war Mitglied der Akademie der Granelleschi. Gozzi als Schriftsteller hat auf seine Zeit keine nachhaltige Wirkung geübt, man lachte über seine dramatischen Märchen und über das Lachen hinaus kam man nicht. Als Stylist ist er ohne Werth und Ugoni charakterisirt seinen Styl „un vilissimo ed insofferibile impasto di stile“; an dichterischen Gaben besaß er nichts als eine lebendige Phantasie; ohne Wissen, wie er war, findet sich in seinen Schriften nichts, was über den Zustand der Kenntnisse und Philosophie seiner Zeit einigermaßen Aufschluß gäbe. Seine Vorliebe für derbkomische Stücke erläutert er aber selbst auf eine Art, die nicht zu Gunsten seines sittlichen Gefühls spricht, denn er sagt an einer Stelle: „Ohne Rückhalt gestehe ich, daß, wenn ein Publicum zum Genuß blos höherer und ernsterer Stücke zugelassen würde, und wenn man ihm Verachtung gegen die lustigen, einfachen und Jedem verständlichen Stücke beibrächte, die Fürsten besorgen müßten, ihre Völker werden mehr verdorben als gebildet, und daß sie somit wachsamer über die Schauspieler sein müssen.“ Gozzi entgegen sagen wir, daß gute Fürsten von ernsten Stücken nichts zu besorgen haben und eben durch gute Stücke das Volk lieber bilden, als durch Possen es sich erniedrigen lassen werden.

I. Carlo Gozzi’s Schriften. a) Dramatische Arbeiten in chronologischer Folge ihrer ersten Aufführung. Die mit einem * bezeichneten Stücke sind Original-Arbeiten, alle übrigen, mehr oder weniger, andern meist spanischen Dichtern nachgebildet. 1761. *„L’amore di tre melarance“, die Liebe zu den drei Orangen. Commedia al improviso im Carneval zu Venedig zum ersten Male gegeben. Das Stück ist eine Satire gegen Chiari und Goldoni; – *„Il corvo, 24. Oct. zu Venedig aufgeführt, wurde 16 Abende hintereinander bei überfülltem Hause gegeben; deutsch von G. H. J. Wagner (Leipzig 1804, 8°.); – „Turandot“, am 22. Jänner zuerst in Venedig gegeben; das Stück ist den Deutschen aus Schillers Bearbeitung, die übrigens stark vom Original abweicht, bekannt; – 1762. *„Il rè cervo“, Zauberspiel, zum ersten Mal am 1. Jän. in Venedig, wurde 19mal nacheinander wiederholt; – „Doris“, Tragikomödie, 21. Juni, Mantua, eine der schwächsten Arbeiten G.’s; – „Il cavaliere amico“, zum ersten Male 28. April zu Mantua; – *„La donna serpente“, tragikomisches Märchenspiel, zu Venedig am 29. Oct. aufgeführt und 17mal wiederholt; – 1763. *„La Zobeide“, tragikomisches Zauberspiel in 5 Acten, zum ersten Male am 10. August zu Venedig; im König Sinadab ist ein geniales Gegenbild zu Tartüffe gegeben; – 1764. „Il mostro turchino“, zum ersten Male in Venedig am 8. December; – 1765. *„Zeim rè dei genj ossia la serva fedele“, Zauberspiel in 5 Acten, zum ersten Male 27. November in Venedig; eine der schwächsten Arbeiten G.’s; – „L’angellin belverde“, Zauberspiel in 5 Acten, zum ersten Male 19. August zu Venedig; das Stück ist eine Fortsetzung des schon genannten: „L’amore di tre melarance“; fand ungeheuren Beifall und wurde 19mal hintereinander aufgeführt; – 1767. „La donna vendicativa“, nach dem Spanischen des Don Diego und Don Giuseppe di Cordova: „Rendirse [285] a la obligazion“; zum ersten Male 8. Oct. zu Venedig; – 1768. „La punizione nel precipizio“, nach dem spanischen: „La venganza en el Despenno“ des Don Giovanni di Matos Fragoso, zum ersten Male Venedig 30. Jänner; – 1769. „Il pubblico secreto“, 20. Mai, nach Calderons „El segreto a voces“; – 1771. „Le due notti affannose“, nach Calderons: „Gustos y desgutos son no mas que imaginacion“, zum ersten Male 5. Jän. zu Venedig; deutsch von J. G. Dyck (Leipzig 1781, Dyck); – „La donna inamorata da vero“, nach dem spanischen Lustspiel: „Don Pedro de Urdimalas“, zum ersten Male Venedig 22. Juli; – 1773. „La principessa filosofa“, zum ersten Male zu Venedig, nach Moreto’s spanischem Lustspiel: „Desden al Desden“, dem deutschen Publicum in Schreivogels Bearbeitung als „Donna Diana“ bekannt; – 1776. „Il moro di corpo bianco“, zum ersten Male Venedig; nach dem Spanischen des Canizarez; – 1778. „Il metafisico“, zum ersten Male 25. Nov. zu Venedig; nach dem Spanischen; Gozzi selbst sagt, er wisse nicht, ob er die Idee dem Tirso da Molina oder Agostino Moreto verdanke; – 1779. „Bianca contessa di Melfi ossia Il maritaggio per vendetta“, nach Don Franc. de Roxas: „Cusarse para vengarse“, Venedig Carneval; – 1786. „Cimene Pardo“, nach einem alten italienischen Schauspiele, betitelt: „Scanderbeg“ bearbeitet, zum ersten Male zu Venedig; – „La figlia dell’ Aria“, nach einer Idee des Calderon, zum ersten Male Venedig 14. Febr.; wurde bei der ersten Aufführung ausgezischt, gefiel aber bei der zweiten so sehr, daß es 11mal hintereinander gegeben wurde; – 1799. „Annibale, Duca di Atene“, nach dem Spanischen: „Il difensore del proprio aggravio“, zum ersten Male Venedig im Herbst; – 1800. *„La donna contraria al consilio“, wurde in Vicenza mit ungeheurem Beifall gegeben. – Außer den bisher genannten sind noch folgende Stücke, bei welchen der Zeitpunct ihrer ersten Aufführung nicht bekannt ist: „Le droghe d’Amore“. Dies Stück steht mit Gozzi’s Lebensschicksalen in Verbindung. Im innigsten Verkehre mit der Primadonna Ricci lebend, argwöhnte G. eine Untreue seiner Geliebten mit dem Senatssecretär Peter Gratarol. Die Rolle des Don Adonis im genannten Stücke stellt einen selbstsüchtigen, eitlen, affectirten Gecken vor. Die Ricci machte Gratarol aufmerksam, daß diese Figur ihn vorstelle. Gratarol wurde darüber so erbost, daß er Gozzi verfolgte, dieser sein Amt verlor und sich flüchten mußte. Also die Schicksalstragödie – freilich in anderer Art – datirt nicht von Müllners „Schuld“; – „La malia della voce“, die Zauberkraft der Stimme, nach dem spanischen: „Lo que puede la aprehension“ des Don Agostino Moreto; – „La vedova di Malabar“, nach dem Französischen des Le Mierre; – „I due fratelli nemici“, nach dem Spanischen des Moreto; deutsch von einem Ungenannten übersetzt (Leipzig 1782, Schmidt); – „Il Montanaro“, nach einem spanischen Stück, betitelt: „El montagnese“ bearbeitet; – „Eco е Narciso“, Schäfer- und Zauberspiel, nie aufgeführt; – *„I Pitochi fortunati“, die glücklichen Bettler; deutsch von G. N. Bärmann (Leipzig 1819, Kollmann). – Eine deutsche Uebersetzung der Stücke G.’s erschien unter dem Titel: C. G. theatralische Werke von Fr. Klem. Werthes, 5 Bde. (Bern 1777–79) und einige einzelne Stücke von Wagner, Dyck, Bärmann und Andern.
b) Die übrigen Schriften Carlo Gozzi’s. Außer diesen dramatischen Arbeiten veröffentlichte Gozzi mehrere satirische Schriften gegen Chiari und Goldoni, und zwar: „Sudori d’Imeneo“; – „Tartana degl’ influssi per l’anno bisestile 1757“ (Paris 1757). Dieses Buch ließ ein Freund G.’s, der es ihm in Handschrift mitgetheilt, in Paris ohne dessen Vorwissen drucken, und überraschte mit dem vollendeten Buche den Autor. Es war gegen Goldoni gerichtet, der in Terzinen erwiderte, aber Gozzi’s Sprache, Feinheit, Witz und Satire nicht erreichte; – „Fogli sopra alcune massime del Genio e costumi del secolo contro a’ poeti Nugnez de’ nostri tempi“ (Vened. 1761) gegen Chiari’s Schrift: „Il Genio e costumi del secolo“ und gegen Placido Bordoni’s: „Nuovo secreto“ gerichtet. Die Bezeichnung „Negnez“ „Nugnezini“, mit der er seine Gegner meint, ist dem Gil Blas di Santillana entnommen; – „Ululati apologetici“, unter diesem sonderbaren Titel verbirgt sich eine glückliche Uebersetzung der Satiren Boileau’s in versi sciolti; – „Astrazione“, ein didactisches Gedicht; – „Maгfisa bizzarra“, komisches Epos in 12 Gesängen und ottave rime, von dem Gamba etwas übertrieben meldet: „puo raffrontarsi alla secchia rapita ed al Ricciardetto“; – Zwei Gesänge eines andern epischen Gedichtes: „Il ratto delle fanciulle Castellane“, auch in ottave rime, aber unvollendet. – [286] Außerdem zahlreiche kleinere Gedichte, kritische und satirische Aufsätze u. d. m.
II. Zur Kritik von Carlo Gozzi’s Schriften. Ugoni (Camillo), Della Letteratura italiana (Brescia 1822, kl. 8°.) III. Bd. S. 69; in der deutschen Uebersetzung (Zürch 1830, Orell, Fueßli und Comp. III. Bd. S. 76. [Wir entnehmen der ebenso scharfen als geistreichen Charakteristik einzelne Stellen: „Carlo Gozzi war ein Sonderling, oder wie die Alten gesagt hatten, ein neuer Mensch, aber von solcher Neuheit, daß man sie gemein nennen mochte; und wie Leute von solchem Gemüth pflegen, erhöhte er noch durch Kunst, was er Seltsames von Natur hatte. …. G. war im Aeußern ein Heraklit, im Innern aber ein Demokrit, den die Kenntniß der Venetianer und ihres Treibens und selbst sein Beruf als komischer Schriftsteller gelehrt hatte, nur die lächerlichen Seiten der menschlichen Natur aufzufassen, und er selbst gesteht uns diese seine Neigung an tausend Stellen seiner Denkwürdigkeiten ein. Und wenn er auch in seinen Memoiren besorglich für die Ehre thut, so scheint er doch nie eine gewisse Tiefe des Herzens und Geistes in der menschlichen Natur auch nur geahnt zu haben; und wenn er auch wohl eine Spur davon in andern zu entdecken glaubte, so hielt er es für bloße äußere Ziererei und hatte seinen Spaß darüber (memorie inutili [1797] III. Bd. S. 33). Diese gemeine Ansicht, die er von den Menschen hatte, rührte wohl von der verworfenen Gesellschaft her, in der er sein ganzes Leben hindurch sich umgetrieben hatte. In Folge dieser Lebensweise und den Maximen, die er daraus schöpfte und festhielt, blieb er in einer erstaunlichen Unwissenheit in Allem, was über die Stadtgeschichten hinausging und er that stolz darauf. Er war äußerst bewandert in allen vaterstädtischen Gebräuchen und Gewohnheiten, und wenn es sich darum handelte, wo man den süßesten Kürbis alla veneziana bekommen könne, oder wo man gewisse kleine Fischlein am besten backe, so war Keiner gelehrter als er, im Uebrigen war er freilich selber nur ein Fisch der Lagune. Aeußerst aufgeweckt in seinem Wasser, würde er, wenn man ihn daraus genommen, gewaltig nach Luft geschnappt haben und er wäre in jedem andern Winkel der Erde wohl die allerneueste und wunderlichste Erscheinung gewesen.“] – Sismondi, De la littérature du Midi de l’ Europe. II. Bd. S. 393 [stellt die Behauptung auf, G.’s Komödien seien nicht aus dem italienischen Charakter geboren; man möchte sie viel eher für das Werk eines Deutschen halten. Die Scenen, welche er seinen Improvisatoren anvertraute, waren so vorbereitet und skizzirt, daß sie weder in Bezug auf die Absicht, die man erreichen wollte, noch auf die Qualität der anzubringenden Späße, noch auf den Effect, den man hervorbringen wollte, leicht irregehen konnten. Sismondi klagt, daß die Masken in G.’s Feenmärchen ihren individuellen Charakter verloren namentlich Pantalon, in welchem Sismondi einen Repräsentanten der Rechtlichkeit, Einfachheit und Gutherzigkeit der alten venezianischen Kaufleute zu erblicken wähnte]. – Ginguené in der Biographie universelle XVIII. Bd. S. 236 im Artikel Gozzi, widmet demselben eine sehr ausführliche Darstellung und will in ihm einen der feinsten und scharfsinnigsten Geister, einen der originellsten und italienischsten (im Gegensatze zu Sismondi) Schriftsteller der letzten Zeiten finden. – Im Gegensatze zur oben angeführten Charakteristik Ugoni’s nennt Schlegel in „Ueber dramat. Kunst und Literatur“ II. Bd. S. 59 Gozzi’s Stücke: „Stücke auf den Effect, wenn es je dergleichen gegeben hat, von kecker Anlage, noch mehr phantastisch als romantisch, wiewohl er zuerst unter den italienischen Lustspieldichtern Gefühl für Ehre und Liebe zeigt.“ Geistreich bezeichnet Schlegel in G.’s Stücken ihre Haupteigenthümlichkeit, nämlich den Contrast: daß G.’s Masken sich in ihrem gemeinen plebeischen Dialect ausdrücken, während die ernsthaften Personen (oft in Versen) nicht die Sprache gemeiner Leidenschaften reden. Hätte G. den Werth dieses Umstandes selbst eingesehen, er hätte in seinen guten Folgen fruchtbar werden müssen; denn der Umstand, daß die Träger des niedrigen und prosaischen Lebens diejenigen des höheren und poetischen beobachten und zu parodiren suchen, kann bei consequenter Wiederholung nicht ohne Wirkung bleiben. – Auch im Gegensatze zu Ugoni und Sismondi und übereinstimmend mit Guingené sagt die Staël: „Gozzi, Goldoni’s Nebenbuhler, hat mehr Originalität in seinen Compositionen, sie gleichen weit weniger regelmäßigen Komödien ... er hatte zu seiner Zeit einen erstaunlichen Beifall und vielleicht ist er derjenige komische Dichter, dessen Gattung am meisten für die italienische Imagination paßt.“ – Horn (F.), Ueber Carlo Gozzi’s dramatische Poesie, insbesondere über dessen „Turandot“ und die Schiller’sche Bearbeitung dieses Schauspiels, in Briefen .... (Penig 1803, Dienemann und Comp.). – In neuester Zeit (Jänner 1859) las Professor Schnackenburg in einem zu Berlin von mehreren Gelehrten zu Gunsten der Schiller-Stiftung gehaltenen Cyklus von [287] Vorlesungen, über Carlo Gozzi und seine Stücke, (Gozzi, schreibt Schnackenburg, wurde früher überschätzt, indem man ihn mit Shakspeare verglich (Sismondi that dies), eine Ehre, die man ihm besonders wegen seiner Opposition gegen die vom französischen Theater bekanntlich festgehaltene Dreiheit erwies. Indeß ist in ihm ein genialer, französische Nachäfferei verschmähender, sich durch schöpferische Kraft bethätigender Zug nicht zu verkennen. Er nahm eine schwer zu classificirende phänomenartige Stellung unter seinen literarischen Zeitgenossen ein. In neuer, bisher unversuchter Weise nahm er seine Stoffe aus Kindermärchen und wunderbaren Geschichten, denen er durch geschickte Behandlung und satirische Beimischung (gegen Goldoni und Chiari) stets neuen Reiz zu geben verstand. Diese barocken spanischen Mittel, diese durch Zauberformeln sich untereinander verwandelnden und sonst ihre Rollen tauschenden Figuren konnten natürlich nur, mit des Dichters Witz und Anmuth ausgestattet, ihre abnorme Existenz rechtfertigen. Und so sind denn Gozzi’s Märchendramen noch ein heiterer bengalischer Feuerschein gewesen, der die Republik am Vorabend ihres Unterganges erleuchtete]
III. Zur Biographie Carlo Gozzi’s. Gozzi (Carlo), Memorie inutili della vita di C. G. (Venedig 1797, 8°.) 3 Bde. [Gozzi gibt darin Nachrichten über seine Familie und erzählt in heiterer Weise sein bewegtes Leben. Diese Memoiren bilden einen nicht uninteressanten Beitrag zur Culturgeschichte Venedigs im 18. Jahrhunderte und zeigen zum Theil bereits die Fäulniß in den öffentlichen Verhältnissen, welche den Fall der Republik herbeiführten]. – Dandolo (Girolamo), La caduta della repubblica di Venezia ed i suoi ultimi cinquant’ anni. Studii storici ... (Venedig 1857. Naratovich, 8°.) S. 385. – Dandolo (Tullio), L’ Italia nel secolo passato sin 1789 (Mailand 1853, kl. 8°.) S. 259: „XI. Carlo Gozzi.“[Gamba, Barthol.] Galleria dei Letterati ed Artisti illustri delle Provincie Veneziane nel secolo XVIII (Venedig 1824, 8°.). – Triester Zeitung 1856, Nr. 8 u. 9: „Die italienische Memoiren-Literatur“ [ein gedrängter Auszug aus G.’s „Memorie inutili“]. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1856, Nr. 200: „Aus den Jugendjahren Carlo Gozzi’s“ von Karl Frenzel [war vordem in Gutzkows „Unterhaltungen am häusl. Herd“ abgedruckt]. – Das neue Europa, herausg. von August Lewald. 1845, Liefrg. 5, S. 69; Liefrg. 6, S. 81: „Carlo Gozzi und die Theater-Revolution in Venedig.“ – Wegweiser im Gebiete der Künste und Wissenschaften (Beiblatt der „Abendzeitung“ von Theodor Hell, 4°.) 1822, Nr. 31 (17. April): „Ueber Carlo Gozzi und seine Schriften“ von Edler v. Puttlitz [dieser sonst nicht uninteressante Aufsatz ist durch viele Druckfehler in den Personennamen und den Titeln der spanischen Stücke entstellt]. – Theater-Zeitung, herausgeg. von Adolph Bäuerle. 1807, S. 46, 75, von G. L. P. Sievers. – Dieselbe 1813, Nr. 73, 100 und 101.
IV. Porträte. 1) Unterschrift: Carl Gozzi. Bertoldi del. Endner sculp. kl. 8°. – 2) Unterschrift: C. Gozzi. Ant. Bertoldi del. R. Denzler sc. (Zwickau, b. d. Gebr. Schumann, 4°.). – 3) Unterschrift: Carlo Gozzi. Comirato incise. (Venedig 1824, 8°.).

Berichtigungen und Nachträge

  1. Die Geburts- und Sterbedaten des Ersteren berichtigen wir nach Hermann von Löhner’s freundlichen Mittheilungen dahin, daß Carlo Gozzi am 13. December 1720 geboren und nach dem Kirchenbuche von S. Cassian am 6. April 1806 gestorben ist. [Bd. 45, S. 144.]