BLKÖ:Crossard, Johann Baptist Ludwig Freiherr von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 3 (1858), ab Seite: 31. (Quelle)
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Crossard, Johann Baptist Ludwig Freiherr von (k. k. Oberstlieutenant, Ritter des Mar. Theresien-Ordens und franz. Maréchal de camp., geb. zu Poitiers in Frankreich 1770, gest. zu Wien 13. März 1845). War ein Zögling der Artillerieschule zu Metz und begann seine militärische Laufbahn als Unterlieutenant in der Legion de Maillebois, in welcher er von deren Errichtung bis zur Auflösung blieb. Im J. 1791 wanderte C. aus und kämpfte unter Fahnen des „auswärtigen Frankreichs“, dann unter denen Hollands gegen die Republikaner; u. z. stand er vorerst im Generalstab der Armee der Prinzen Grafen d’Artois, im Oct. 1792 im Generalstab der holländischen Armee, mit welcher er die Feldzüge 1793, 1794 und 1795 mitmachte, und während der ganzen Zeit vorzugsweise im Hauptquartier des Prinzen Friedrich von Oranien verwendet wurde. Als dieser Prinz im J. 1796 in österreichische Dienste trat, folgte ihm auch C. in dieselben, und kam als Cadet zu den Stabsdragonern, wurde in wenigen Monaten Unterlieutenant und zeichnete sich am 1. Jänner 1797 als Adjutant des Prinzen von Oranien bei der Einnahme von Fleschen an der Kehler Schwabenschanze durch seine besondere Bravour aus. Am 16. April 1797 zum Oberlieut. bei dem Generalquartiermeister-Stabe befördert, war er am Tage der Schlacht von Novi (15. Aug. 1799) bei der Colonne[WS 1] der Artillerie-Reserve eingetheilt; dort stellte er sich freiwillig an die Spitze der Truppen, welche die vom Feinde besetzten amphitheatralischen Anhöhen mehrmals stürmten und sich durch Standhaftigkeit, Ordnung und Muth so vielen Ruhm erwarben. Der Feind hatte hinter den ersten Anhöhen eine Reserve aufgestellt, welche nothwendiger Weise im Rücken angegriffen werden mußte, um den stürmenden Abtheilungen den Angriff zu erleichtern und dem Feinde den Rückzug aus seiner Stellung nach Novi abzuschneiden. General der Cavallerie Graf Bellegarde beauftragte den Oberlieutenant Crossard, den Befehl hierzu dem betreffenden Brigadecommandanten zu überbringen. Es war jedoch unbedingt nothwendig, eine Anhöhe, hinter welcher das Thal lag, durch die diese Brigade nach Pasturano marschiren mußte, vorher mit Sturm zu nehmen und zu behaupten. C. führte nun eine nicht bedeutende Truppenabtheilung vor, und erreichte glücklich den Rand der Anhöhe, wurde jedoch bei Ersteigung derselben durch eine Kugel in die linke Brust verwundet, so daß seine Blessur im ersten Augenblicke tödtlich schien. Noch war der Befehl dem Commandanten der Truppe, welcher den Feind im Rücken angreifen sollte, nicht bekannt; die genommene Anhöhe konnte jedoch nur behauptet werden, wenn der Angriff bald erfolgte. C. zwar im Blut gebadet, besann sich in Erwägung der Umstände nicht lange, sondern ritt mit der Kugel in der Brust eiligst zum Commandanten der betreffenden Abtheilung und forderte ihn nach dem erhaltenen Auftrag zum schnallen Angriff auf das Dorf Pasturano auf. Die Folge davon war, daß dem aus dieser vortheilhaften Stellung gänzlich verdrängten Feinde noch überdies seine Generale, 2000 Gefangene u. 20 Kanonen [32] genommen wurden. So hatte C.’s Selbstaufopferung wesentlich zu diesem glorreichen Erfolge beigetragen. Als im November 1800 der Waffenstillstand gekündigt worden, wurden die Vorposten der östr. Truppen bei Ceresara von den Franzosen verdrängt und dieser Posten von ihnen mit 15,000 Mann besetzt. General der Cavallerie Graf Bellegarde befahl daher dem Generalmajor Baron d’Aspre, den Feind wieder zu vertreiben und den Ort zu besetzen. C. mit dem Terrain daselbst bekannt, trug sich freiwillig an, die Disposition zu diesem Angriffe zu machen und die Angriffs-Colonne zu führen. Er führte den Angriff auch mit solcher Umsicht aus, daß der Feind bald zum Weichen gebracht, größtentheils umrungen, 8 Officiere und über 100 Mann gefangen genommen und Ceresara wieder von den östr. Truppen besetzt wurde. Als der Feind am 21. Dec. 1800 von Gazzoldo bis Sta. Maria mit Gewalt vorgedrungen war und die östr. Vorposten in der rechten Flanke überflügelt hatte, führte C. freiwillig eine Division des Inf.-Reg. Baron Spleny mit einem Zuge des Husaren-Reg. Nr. 8 dem Feinde bei Salarolo entschlossen in die linke Flanke, wodurch die Vorposten und ihre Unterstützung in den Stand gesetzt wurden, den Feind noch an dem nämlichen Tage bis Gazzoldo zurückzuwerfen. In Anerkennung dieser Verdienste erhielt C. das Ritterkreuz des Mar. Theresienordens. Im Juli 1801 wurde C. Hauptmann, kam 1802 als solcher in’s Inf.-Reg. Joseph Graf Mitrovsky Nr. 40, machte mit demselben den Feldzug von 1805 in Italien mit, focht später als Freiwilliger bei der russischen Armee in der Schlacht bei Eylau und ward zu Ende des Jahres 1808 als Major mit heimlichen Aufträgen nach Spanien gesandt, um die Spanier von der österreichischen Hilfe zu verständigen, wobei er ihnen sehr gute Rathschläge über die Art ihrer Vertheidigung ertheilte. Im Jahr 1810 wurde C. Oberstlieutenant und diente bis zum 1. Aug. 1812 in der östr. Armee. Dann trat er in kais. russ. Dienste über, wo er als Oberst bei dem Generalquartiermeisterstab Anstellung erhielt, und in der Folge Sous chef des Generalstabes des Großfürsten Constantin wurde, mit welchem er die Feldzüge 1812, 1813 u. 1814 mitmachte und zum Generalmajor vorrückte. Nach der Rückkehr der Bourbonen kehrte C., der treueste Anhänger dieser Königsfamilie, nach Frankreich zurück, wurde 30. Dec. 1814 Maréchal de camp und Adjutant des Herzogs von Berry, später 1816 Commandant einer Militärdivision im südlichen Frankreich. Hier schrieb er seine Memoiren, welche unter dem Titel: „Mémoires militaires et historiques pour servir à l’histoire de la guerre depuis 1792 jusqu’en 1815 inclusivement“ 6 Bde. (Paris 1829–30, Delaunay, 8°.) erschienen, nachdem er zuvor schon Bruchstücke davon betitelt: „Fragmens pour servir à l’histoire de la guerre depuis 1792 jusqu’en 1815 inclusivement“ 1 Bd. (Toulouse 1825, impr. de Bellegarrigue, 8°.) herausgegeben hatte. Diese Memoiren enthalten theilweise seine eigene Geschichte, seine Ansichten und sein Urtheil über die Ereignisse einer denkwürdigen Zeit, in welcher er Beweise seltenen Muthes und unerschütterlicher Treue gegen seinen König an den Tag gelegt. Als im J. 1830 die Bourbonen neuerdings gestürzt worden, wies der alte Krieger alle Anträge der neuen Regierung mit Entrüstung von sich, verzichtete auf Rang und Besoldung und zog mit wenigen Goldstücken, seinem ganzen Vermögen, in der Tasche, nochmals in die Fremde. Nachdem er sich in England, Holland, Belgien vergeblich zu Gunsten der vertriebenen Bourbonen bemüht hatte, wandte er sich wieder nach Oesterreich, [33] dessen Monarch dem Mar. Theresien-Ordensritter Crossard die Auszahlung seiner Ordensdotation und Oberstlieutenantspension anordnete. Der Kaiser von Rußland fügte auch einen Jahrgehalt und das Recht russische Generalsuniform zu tragen hinzu. In dem bewegten Leben, welches dieser edle Krieger geführt, fehlte es ihm nicht an Auszeichnungen. Außer dem Mar. Theresien-Orden schmückten noch der östr. Leopold-Orden, der franz. Ludwigsorden, und der der Ehrenlegion, der russische St. Georgsorden 4. Classe, der St. Wladimirorden 3. Classe und der Annenorden 2. Classe, der preuß. Orden pour le mérite, der bairische Max Joseph- und der niederländische milit. Wilhelmsorden die Brust des tapfern Soldaten. C. trug sich bis an seinen Tod mit der Hoffnung, die Lilien der Bourbonen wieder aufblühen zu sehen.

Biographie des hommes vivants (Paris 1816, L. G. Michaud, 8°.) I. Bd. S. 265. – Oestr. Militär-Konversations-Lexikon. Herausgeg. von J. Hirtenfeld u. Dr. Meynert (Wien 1851) I. Bd. S. 803. – Hirtenfeld (J. Dr.), Der Militär-Maria-Theresien-Orden u. seine Mitglieder. Nach authentischen Quellen (Wien 1857, Staatsdruckerei, 4°.) S. 698. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845, Bibl. Inst., Lex. 8°.) VII. Bd. 3. Abtheil. S. 331. – Ueber C.’s Memoiren kann man vergleichen: Observations sur les réflexions insérées au Nr. 4 du „Bulletin des sciences militaires“ concernant les mémoires historiques et militaires par le général Crossard.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Collonne.