Aus dem Tagebuch eines Bettlers

« Der Zahnfleischkranke Turngedichte (1923) Von einem, dem alles danebenging »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern) am linken Seitenrand.
Textdaten
<<< >>>
Autor: Joachim Ringelnatz
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Aus dem Tagebuch eines Bettlers
Untertitel:
aus: 103 Gedichte, S. 27–29
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1933
Verlag: Ernst Rowohlt
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[27]
Aus dem Tagebuch eines Bettlers


Ich klingelte. Ich bettelte um Brot.
Um alte Sachen.

Ich beschrieb anschaulich die Not.
Ich kann so eine jämmerliche Miene machen.

5
Meine Familie sei teils hungrig, teils tot.


Nur ein kleines, hartes, verschimmeltes Restchen Brot,
Womit ich eigentlich Geld meinte.

Der Herr verneinte.

Ich versuchte diverse Gebärden.

10
Ich kann so urplötzlich ganz mager werden.

Ich taumelte krank.
Ich – stank.

Da wurde ich gepackt.

Fünf Minuten später war ich nackt.

15
In einer Wanne im Bad

Bei dreißig Grad.

Ich weinte. – Ich wußte:
Hier half kein Beteuern.
Man fing an, meine Kruste

20
Herunterzuscheuern.


[28]
Dieser Herr war ein Schelm.


Ich wurde auf die Straße gestoßen.
Ich fand mich in schwarzen Hosen,
Lackschuhen, Frack und Tropenhelm.

25
Ich fand kein Geld. – Mir wurde bang,

Ich fand nur ein Trambahn-Abonnement.

Und ich ging auf die Reise,
Fuhr mit der Sechzehn stundenlang
Immer im Kreise.

30
Was halfen die noblen Sachen?


Ich bettelte. Probeweise.
Ich kann so eine kummervolle Miene machen.
Aber die Leute begannen zu lachen
Und die Haltestelle zu verpassen.

35
Ich sann auf einen Schlager.

Ich wurde urplötzlich ganz mager.

Ich wurde gewaltsam aus der Trambahn heruntergelassen.

Da waren die Anlagen und Gassen
Auf einmal ganz traurig und fremd.

40
Als ich aus dem Pfandhause kam,

Trug ich nur noch Hose, Barfuß und Hemd.

[29]
Ich mußte mir einen Anzug leih’n.

Ich ging mit der Gräfin Mabelle,
Die eigentlich eine Büfettmamsell

45
Ist und gesucht wird, in ein Hotel.

Wir speisten: Hirschbraten mit Knickebein.
Wir sangen zu zwei’n:
„Wer hat uns getraut –. . .“
Und zuletzt, ganz laut:

50
„Wohlauf noch getrunken den funkelnden Wein . . .“