Aus dem Räuberleben des Hühnerhabichts

Textdaten
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Autor: Karl und Adolph Müller
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Titel: Aus dem Räuberleben des Hühnerhabichts
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 228–231
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Thier-Charaktere. Nr. 6
Unterschrieben: Karl Müller
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[229] 

Der Hühnerhabicht im Kampfe mit Krähen.
Originalzeichnung von C. F. Deiker.

X. A. v. R. Brend’amour.


[228]

Thier-Charaktere.

Von Karl und Adolph Müller.
6. Aus dem Räuberleben des Hühnerhabichts.

Ich durchstreifte buschirend die Flur, als außer Schußweite ein sogenannter Dreiläufer (ein noch nicht ausgewachsener Hase) aufstand und über das frischgepflügte Feld dem nahen Walde zurannte. Da drang plötzlich heftiges Rauschen durch die Luft mir ins Ohr, und kaum hatte ich überrascht den Blick aufwärts gerichtet, so sauste schon ein Hühnerhabicht wenige Ellen über dem Hasen nieder und schlug im Nu seine Fänge in dessen Weichen. Der Hase brach unter der Wucht des Anpralls zusammen und klagte laut in dem ihm eigenthümlichen näselnden Ton. Doch suchte er sich wieder zu erheben und die Last abzuwerfen. Mit den Hinterläufen zappelte und schlug er aus, den Leib schnellte er mit Anstrengung aller Kräfte empor, er überschlug, wälzte sich und rutschte niedergehalten am Boden hin. Mit ausgebreiteten Flügeln deckte ihn der Habicht, der ihn mit Fängen und Schnabel zu verwunden und zu betäuben strebte. Zuweilen löste sich die Wolle des Hasen in kleinen Fetzen, und ein Fang gleitete nieder, eilig aber schlug ihn der Habicht von Neuem in den Balg ein, um sein Opfer sicher zu bannen. Wild funkelten des Räubers Augen, Wuth, unbeschreiblich leidenschaftliche Hingebung an den Augenblick der That, eine Art Berauschung unter der Wirkung der Mordgier fesselte ihn an das widerstrebende Opfer.

Jetzt aber ward meine Aufmerksamkeit durch eine neue Erscheinung getheilt. Mehrere Krähen kamen eilend mit lautem Feldgeschrei herbei; ihr scharfes Gehör hatte die Klagetöne des Hasen vernommen, und ihr weitschweifender Blick entdeckte aus der Ferne die feindliche Scene. Entschlossen griffen sie den Habicht an, indem sie sich mehrere Ellen hoch über ihn erhoben und dann ihre Schnabelhiebe herabstoßend auf ihn richteten. Dieser beugte sich jedoch zurück und wehrte den Angriffen mit freigehaltenem Fang. Das machte die Krähen vorsichtig, so daß es selten eine derselben wagte, dicht genug auf ihn zu stoßen. Die Stellung des Habichts wurde indessen immer schwieriger und unhaltbarer. Verzweiflungsvoll krallte er sich an den Hasen fest, während er mit dem abwehrenden Fang nach den Krähen hieb. In buntem Durcheinander ward der Kampf so eine Zeit lang mit großer Erbitterung einerseits und mit hartnäckigem Widerstand andererseits fortgesetzt. Wolle vom Hase und Federn von zuweilen sich überpurzelnden Krähen und dem Habicht flogen davon. Endlich konnte sich der Räuber nicht mehr in seiner Doppelstellung halten, er mußte in der Bedrängniß den Raub fahren lassen, und mit dem Aufgeben desselben war auch sein Abzug von dem Schlachtfelde verbunden. Aber die Krähen, noch nicht zufrieden mit ihrem Sieg, verfolgten den weichenden Feind unter stets erneuerten Angriffen, wobei der Fliehende nur selten sich zur eigentlichen Wehr setzte, sondern sein ganzes Streben darauf richtete, außerhalb des Bereichs der feindlichen Zeugen seines Raubanfalls und seiner ungestümen Dränger zu kommen. Weit in die Ferne ward er von ihnen getrieben, und dann erst kehrten diese nacheinander zurück. Wäre der Hase von den Fängen des Habichts tödtlich getroffen worden, unfehlbar würden die Krähen ihn nun zerfleischt haben, wie sie es mit anderen Beuten auch machen, welche sie dem Raubgesindel abjagen.

Wer ergründet aber die ganze Absicht der Krähen, dieser anscheinenden Polizeiwacht der Felder, mit Sicherheit? In dem vorliegenden Falle hatten offenbar zwei Beweggründe Antheil an dem Unternehmen der schwarzen Gesellen, einerseits der unaustilgbare Haß gegen den Räuber der Lüfte, und anderntheils ein innewohnender Trieb, einem bedrohten und bedrängten Thiere, vorzugsweise einem ihnen wohlbekannten, behülflich zu werden. In vielen Fällen mag die eigne angeregte Raublust ein wirksamer Antrieb sein.

[230] Der hervorragendste Charakterzug des Habichts ist in dem eben geschilderten Erlebniß klar genug ausgesprochen. Die ganze Familie der Habichte, von der unser Hühnerhabicht Haupt und Repräsentant ist, theilt diesen unbändigen Trieb zum Raub und Mord. Wenn schon der gemeine Sperber, ein vergleichsweise kleiner Räuber, sich in Zeiten der Noth an alte Eichhörnchen wagt, wie vielmehr lassen sich derartige und weit verwegenere Angriffe von dem viel größeren und stärkeren Hühnerhabicht erwarten! Wir selbst haben einen Angriff des Sperbers auf ein Eichhörnchen im vorigen Winter beobachtet und nicht nur die Gewandtheit und List des Vogels, sondern auch seine Ausdauer zu bewundern Gelegenheit gehabt. Einer unserer Freunde, dessen Angaben wir völliges Vertrauen schenken dürfen, schilderte uns einen mit geringen Unterbrechungen über eine halbe Stunde dauernden Versuch des Habichts, eines Eichhörnchens habhaft zu werden. Fehlgehende Stöße, vergebliche Sprünge von Ast zu Ast, mißlungene Anwendung des Kreisens um den Baumstamm und die Aeste, erfolgloses stilles Auflauern – alle diese Unternehmungen zeugen von der großen Leidenschaft für Raub, Mord und Fraß. Die ersten Angriffe sind immer jäh und von blinder Hingabe an den Augenblick begleitet.

Ein Habicht, der auf Sperlinge stieß, welche sich in die Hecken stürzten, verwickelte sich vor unseren Augen dergestalt in das Dorngebüsch, daß er von uns erschlagen werden konnte. Ein zweiter sauste während des Stoßes auf eine in meiner Nähe Schutz suchende Taube so dicht an meinem Kopf vorbei, daß ich den Luftdruck deutlich fühlte. Ein dritter stieß mitten in die Fensterscheiben eines Hauses unserer Geburtsstadt, daß die Scherben klirrten und der Ungestüme bis in das Zimmer eindrang. Es war dies ein um so wichtigerer Beweis für die rasende Mordgier des Räubers, als er es vermag, während des Stoßens scharfe Wendungen zu machen. Wird aber der einmal fehlstoßende Berauschte ernüchtert, so handelt er mit Ueberlegung und Benutzung seiner Erfahrung. Je älter und erfahrener der Habicht ist, desto mehr List und Schlauheit wendet er zu seinem Vortheil und zur Täuschung der ausersehenen Opfer an.

Auf dem Hofe eines uns befreundeten Fabrikanten waren die Tauben durch die häufigen Nachstellungen von Seiten der Habichte äußerst vorsichtig und mißtrauisch geworden. Dennoch wurden sie durch die Klugheit ihrer Feinde überlistet und durch deren Ausdauer und Geduld überwunden. Halbe Tage lang saßen die Habichte auf der Lauer, die Gunst des Augenblicks mit reger Wachsamkeit bei anscheinender Gleichgültigkeit benutzend. So lange der Sohn des Hauses, ein Waidmann, ihnen mit der Flinte aufpaßte und manchen ihrer Sippschaft erlegte, wagten sie sich nur am frühsten Morgen in die Nähe des Hofes; kaum war dieser aber aus seiner Heimath weggezogen, so wurden sie wieder dreist und verwegen. Der Habicht weiß sich also trotz seiner Mordlust gewissermaßen und nach Umständen zu beherrschen, ja, er vermag dies sogar in solchen Fällen, wo das in’s Auge gefaßte Thier ganz in seiner Nähe wandelt, aber die Umstände noch immer einige Zeit Geduld erheischen.

Der ältere, erfahrene Hühnerhabicht ist ein verschmitzter, verschlagener Räuber voller Verstellungsgeschicklichkeit. Wahrlich, man steht es dem Stilllauernden nicht an, daß sein Naturell heißblütig, rasch, entschlossen, zur That fortwährend bereit ist. Mit aufgeblasenen Federn verweilt er stundenlang an einem und demselben Plätzchen fast regungslos, um das Ziel seiner Hintergedanken zu erreichen. Aber in seinem wachen Blick leuchtet unheimlich und verstohlen das Feuer der Mordlust; der Bau seiner kurzen, abgerundeten Schwingen, die jetzt lose am Leibe herabhängen, spricht für das Vermögen, den Vogel wie einen Pfeil unter mächtigem Rauschen durch die Luft zu tragen, und der über acht Zoll lange Schwanz verräth seine Eigenschaft als wirksames Steuerruder im Meere der Lüfte. Und nun gar die zum Greifen und Schlagen so tüchtigen „Fänge“ an den hohen befiederten „Läufen“ und der seitlich zusammengedrückte, von breiter Wurzel in einer Wölbung scharf zulaufende, gedrungene Schnabel – welche nachdrucksvollen Waffen gegenüber der unbewehrten Schaar der Vögel, Säugethiere und Lurche!

Ja, dieser unermüdliche Wegelagerer, der aus seinem Hinterhalt hervorstößt, oder aus der Höhe herabrauscht, oder tief an der Erde her, womöglich in gedecktem Flug die Thiere überrascht, diese sogar nach unseren mehrfachen eignen Beobachtungen auf der Erde im Sprunglauf (worin er nicht ungeschickt ist) durch Gestrüpp und bis in die Hecken hinein verfolgt, er lehrt das ganze Contingent der befiederten Wald- und Feldbewohner vom Auerhahn bis zum kleinsten europäischen Vögelchen, dem Goldhähnchen, vom Rebhuhn bis zur Pieplerche, er lehrt das Federvieh auf dem Bauernhof von der Gans bis zum Zwerghuhn, von der leichtbeschwingten Taube bis zum Küchlein herab die ihnen zu Gebote stehenden Rettungsmittel gebrauchen, die weitaus am meisten nur Mittel der Flucht sind. Der todesmuthige, tapfere Haushahn weiß ihm freilich manchmal zu begegnen und durch seine Tollkühnheit Achtung einzuflößen. Im Frühjahre vorigen Jahres stieß ein Habicht vor unseren Augen auf ein Huhn in einem Gehöfte. Der herbeieilende Hahn stürzte sich muthig auf den Räuber, der nach einem wiederholten vergeblichen Stoß auf das Huhn durch den mit Nägeln, Schnabel und Flügeln gegen ihn Wüthenden zum Rückzug gebracht wurde. Nicht selten greift auch der Habicht den Hamster und selbst das sich windende und beißende Wiesel vom Boden auf, oder er gleitet in leisem Flug über das Wasser des Flusses oder Teiches hin, um das Bläß- und Teichhuhn oder die Ente zu erfassen, welche sich überraschen läßt oder im Eifer des Ernährungsgeschäftes den Kopf unter das Wasser oder zu tief in die Wasserpflanze gesteckt hat. Sein scharfer Sinn hat mit Hülfe des vortrefflichen Gedächtnisses die Absicht des wiederholt am Bachufer nach den Wildenten schleichenden Schützen erforscht. Er weiß, daß er die Wildente im Flug ohne große Schwierigkeit stoßen kann, während sie auf dem Wasser fast immer vor ihm sicher ist. Wachen Auges folgt er dem Schützen und benutzt kühn entschlossen den Augenblick, wo sich die Enten vor diesem erheben. Dann fährt er plötzlich unter sie, „schlägt“ eine derselben und strebt mit ihr wiehernd vorwärts. Sein Ungestüm ist da zuweilen Ursache, daß er, vom Hagel getroffen, die Ente fahren lassen muß und statt ihrer oder auch mit der gleichfalls Getroffenen zum letzten Mal den Weg zur Erde zurücklegt.

Manchmal verfolgt er die Enten in geradeaus gehendem Flug. Mehrmals waren wir Zeugen dieser interessanten Verfolgung. Bei dem Wechseln der Enten von einem Gewässer zum andern halten sich die Flüge immer hoch, so daß der lauernde Habicht, wenn er nicht etwa in der Höhe schwebt, genöthigt ist, erst aufzusteigen und dann hinter den Flügen herzukommen. Eines Tags an der Nidda in der Wetterau auf der Entensuche thätig, bemerkten wir plötzlich von fern zwei immer näher sich rückende Punkte in der Luft. Bald erkannten wir deutlich eine Stockente, welche von einem Hühnerhabicht gejagt wurde. Die Ente, anfänglich dem Verfolger bedeutend voraus, hatte sich allmählich in schiefer Richtung gesenkt und jetzt noch einen Raum von mehreren hundert Schritten bis zum Bett der Nidda zurückzulegen. Immer kleiner wurde der Raum zwischen ihr und dem Habicht. Da auf einmal über dem Spiegel des Bachs fuhr die Ente mit ihrem langen Halse nach unten und stürzte sich vor dem nur noch einige Schritte hinter ihr her und nun über sie hinweg sausenden Dränger thurmhoch jäh in die Nidda herab. Ein andermal waren wir Zeugen, wie sich mehrere Pfeifenten, auf dieselbe Weise vom Habicht verfolgt, aus bedeutender Höhe in sausendem Fluge gerade vor uns in eine größere Pfütze sumpfiger Wiesen warfen, daß das Wasser um die Einfallenden mehrere Fuß hoch spritzte. Der über die Wasserfläche dahinstoßende Habicht ließ sogleich von der Verfolgung der im Schilfe sicheren Enten ab.

Auch die Elster ist vor dem Habicht, diesem lebendigen Schreck aus der Höhe, nicht sicher; er „schlägt“ und trägt leicht davon die von einem Baume zum andern oder über freie Feld- oder Wiesenflächen strebende Diebin. Die Geschlagene stößt verzweiflungsvolle Töne aus, und ihre Gefährten erheben unter sehr erregtem Gebahren lautes Gezänk. Insbesondere zeigt er sich zu derartigen Angriffen bei Schnee und Kälte geneigt. Tritt solche ungünstige Witterung noch zur Zeit der Paarung oder Nestbereitung ein, so wird, wie ich mich noch am ersten März dieses Jahres überzeugte, der eine und andere Gatte der Elsternpaare eines Habichts Beute. Die beliebten Plätze, wo er seinen Raub verzehrt, sind in Gärten vorzüglich Laubhütten und im Felde deckende Hecken und Hohlwege.

Bei solchem fortwährenden Bedacht auf Raub und Mord, selbst dann, wenn die schwer zu stillende Freßgier befriedigt sein sollte, läßt sich das Einzelleben des Habichts und seine entschiedene Abneigung gegen jegliche Geselligkeit, sogar mit Seinesgleichen außer der Brautzeit, zur Genüge erklären. Hielten sich die Habichte [231] nicht gegenseitig in Respect, es würde sicherlich wenigstens zur Zeit der Noth einer den andern stoßen. Ein merklich verletzter wird von einem andern ihn wahrnehmenden gesunden ohne Weiteres getödtet und aufgefressen. Besonders zeichnet sich durch Unternehmungslust das stärkere und das Männchen um fünf Zoll überragende Weibchen aus. Die Ehe, welche mit Freudentönen und neckenden Flügen über den Horst einen friedlichen Anfang und bei keinerlei Mißgeschick eines Familiengliedes auch einen solchen Verlauf nimmt, endet, wenn einer der Gatten z. B. in Folge eines Schrotschusses erkrankt oder lahmt, mit unerbittlichem Morden von Seiten des gesunden.

Von zwei jungen, welche auf dem Horste schon zur stattlichen Größe herangewachsen waren, gelang es, das Weibchen wegzuschießen. Das Männchen, hierdurch scheu gemacht, kehrte nur selten mit Futter zum Horste zurück. Als der Schütze von seiner Bemühung abstand, das alte Männchen ebenfalls zu erlegen, und den Baum nach einigen Tagen besteigen ließ, worauf der Horst mit den Jungen stand, war der ältere junge Habicht nur noch allein am Leben oder vielmehr überhaupt noch vorhanden, der jüngere war ihm zur Beute geworden, wovon noch kaum nennenswerthe Ueberreste Zeugniß ablegten. Aehnliche Beispiele sind von den besten Forschern verbürgt, so daß kein Zweifel darüber waltet, der Habicht achte unter Umständen die Bande des Familienlebens nicht im Geringsten, und wenn man gar seinen Charakter im Gefangenleben kennen gelernt hat, kann man sich des natürlichen Abscheues nicht erwehren, denn da ist nichts als Mord, der an den Genossen fremden und verwandten Geschlechts begangen wird, sobald diese nur bezwingbar sind.

Trotz dieser unumstößlichen Thatsachen haben wir und Andere uns hinlänglich von der großen Anhänglichkeit der Habichte zu ihrer Brut überzeugt. Nie vergessen wir die haarsträubende Scene, wie ein armer Junge, der als guter Kletterer bekannt war und dem es sonst wahrlich an Muth nicht fehlte, am Horste von dem Habichtpaare angegriffen wurde, als er die Jungen ausnehmen wollte. Sie setzten ihm durch Flügelschläge und das Weibchen sogar durch Ankrallen an seine Kleider so zu, daß er beinahe alle besonnene Haltung verlor und in bedauerlichem Zustande mit genauer Noth vom Baume herabkam.

Die Unersättlichkeit der jungen Habichte nimmt die Sorge der Eltern fortwährend in Anspruch. Dadurch werden diese noch verwegener und furchtloser bei ihren Räubereien. Es ist Thatsache, daß die Hühnerhöfe eines bei Alsfeld gelegenen Dorfes während des Vorsommers von Habichten, welche im nächsten Hochwalde ihre Jungen pflegten, in wahrhaft erschreckender Weise geplündert wurden. Dicht vor den Augen der Leute raubten die Dreistgewordenen das Geflügel und fielen sogar in ihrer Frechheit alte Gänse an.

So kennzeichnet sich selbst der mit Recht von Beschützern der nützlichen und herzerfreuenden Thiere gründlich gehaßte Habicht, und bei der geringen Ausdauer und der noch geringeren Geschicklichkeit, mit der ihm nachgestellt wird, treibt er leider sein verheerendes Unwesen in der ausgedehntesten Weise. Zwar nöthigt er durch seine Gewandtheit und Schnelligkeit, durch seine Schlauheit und insbesondere durch seinen zum Schutz der Nachkommenschaft hochsteigenden Muth dem mit diesen Zügen Vertrauten eine gewisse Achtung ab, aber als Mörder, der keine Grenzen einhält und oft Seinesgleichen nicht schont, und als widerwärtiger Nimmersatt, sowie als Feind des geselligen Lebens und Urbild der ausgeprägtesten Selbstsucht verdient er es, ebenso wenig eines Menschen wie eines Vogels Freund zu sein.

Karl Müller.