Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I/Der Herr Gevatter

Herr Korbes Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I von Johannes Bolte, Jiří Polívka
42. Der Herr Gevatter
Frau Trude
Für verschiedene Auflagen des Märchens der Brüder Grimm siehe Der Herr Gevatter.

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42. Der Herr Gevatter. 1856 S. 69.

1812 nr. 42 von Male (Amalie Hassenpflug) gehört, nach den Anmerkungen von 1822 aus den Maingegenden; doch fehlt hier der Schlußsatz. Das Seltsam-grausenhafte von des Teufels Wirtschaft schildert auch die ebendaher stammende nr. 43 der ersten Ausgaben 1812 und 1819 ‘Die wunderliche Gasterei’:

Auf eine Zeit lebte eine Blutwurst und eine Leberwurst zusammen, und die Blutwurst bat die Leberwurst zu Gast. Wie es Essenszeit war, ging die Leberwurst ganz vergnügt zu der Blutwurst. Als sie aber in die Haustüre trat, sah sie allerlei wunderliche Dinge, auf jeder Stiege [376] der Treppe, deren viele waren, immer etwas anderes; da war ein Besen und eine Schippe, die sich miteinander schlugen, dann ein Affe mit einer großen Wunde am Kopf und dergleichen mehr.

Die Leberwurst war ganz erschrocken und bestürzt darüber, doch nahm sie sich ein Herz, ging in die Stube und wurde von der Blutwurst freundschaftlich empfangen. Die Leberwurst hub an sich nach den seltsamen Dingen zu erkundigen, die draußen auf der Treppe wären. Die Blutwurst tat aber, als hörte sie es nicht oder als sei es nicht der Mühe wert, davon zu sprechen, oder sie sagte etwa von der Schippe und Besen: ‘Es wird meine Magd gewesen sein, die auf der Treppe mit jemand geschwätzt’ und brachte die Rede auf etwas anderes.

Die Blutwurst ging darauf hinaus und sagte, sie müsse in der Küche nach dem Essen sehen, ob alles ordentlich angerichtet werde und nichts in die Asche geworfen. Wie die Leberwurst derweil in der Stube auf und ab ging und immer die wunderlichen Dinge im Kopf hatte, kam jemand (ich weiß nicht, wers gewesen ist) herein und sagte: ‘Ich warne dich, Leberwurst; du bist in einer Blut- und Mörderhöhle; mach dich eilig fort, wenn dir dein Leben lieb ist!’ Die Leberwurst besann sich nicht lang, schlich die Tür hinaus und lief, was sie konnte; sie stand auch nicht eher still, bis sie aus dem Haus mitten auf der Straße war. Da blickte sie sich um und sah die Blutwurst oben im Bodenloch stehen mit einem langen, langen Messer, das blinkte, als wärs frisch gewetzt; damit drohte sie und rief herab: ‘Hätt ich dich, so wollt ich dich.’

In Aurbachers Büchlein für die Jugend 1834 S. 173f. blickt eine Frau, deren Mann sich alle Mittwoche einschließt, durchs Schlüsselloch und sieht ihn mit feurigen Haaren und funkelnden Augen an einem blutigen Knochen nagen; er kommt heraus, fragt sie und erschlägt sie. Eine ähnliche Belauschung einer Hexe ward oben S. 13[WS 1]. 97 zu nr. 3 und 12 erwähnt. Eine luxemburgische Sage ‘die Hexe mit dem Ziegenkopfe’ bei Gredt 1883 S. 123 nr. 215. In einem Märchen der Heanzen ‘T’ Fee-Anna’ (Bünker nr. 46 = Zs. f. österr. Volksk. 4, 245) hat die Patin ihren Kopf abgenommen, um ihn zu lausen, und sich einen Pferdekopf aufgesetzt. Im ostpreußischen bei Lemke 2, 153 besuchen ‘die drei Kinder im Walde’ ihre Großmutter, eine Menschenfresserin. Im englischen bei Jacobs, Engl. fairy t. p. 164 nr. 30 ‘Mr. Miacca’ entrinnt der Knabe dem Menschenfresser. – Serbokroatisch bei Krauß, Slavische Volksforschungen 1908 S. 78; Zbornik jslav. 17, 159 nr. 35. – Litauisch bei Brugman-Leskien S. 459 nr. 28 ‘Von der Hexe, die dem Mädchen dem Kopf abbiß’. Im Kommentar hierzu zieht W. Wollner das čechische Slavia 3, 23, das slovakische Dobšinský 3, 80, das wendische [377] Lužičan 3, 169 (1862) und das russische Afanasjev ³ 1, 85 nr. 59 = 4, 132 nr. 44 heran, welche aber mit dem Grimmschen Märchen höchstens indirekten Zusammenhang haben. – Lettisch Zbiór wiadom. 18, 445 nr. 51.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: S. 43
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